Читать книгу Diez Hermanas - Georg Vetten - Страница 9

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2011 - 5.1., 22:45

Balkanhalbinsel

Serbien

Auf der Höhe von Niš

Szene 18

Innenaufnahme: LKW-Laderaum. Langsam erwachende Kinder. In der Mitte des schaukelnden Wagens steht ein Korb mit Getränken, belegten Broten und Süßigkeiten.

Diesmal war es Damian, der vor seiner Schwester Penelope erwachte. Er schaute sich neugierig um, und versuchte zu verstehen, was geschehen war.

Er erkannte seine Freunde aus dem Kindergarten. Einige waren bereits erwacht, schauten verstört oder schrien lauthals nach ihren Eltern.

Plötzlich wurde das Licht im LKW erhellt. Musik erklang – seicht und leise und beruhigend. Dann ertönte eine engelsgleiche Stimme:

»Willkommen zu unserem kleinen Ausflug. Damit es euch an nichts mangelt, haben wir Säfte, Cola, Kakao und Wasser eingekauft. Und natürlich Brot und Schokoladenaufstrich und Süßigkeiten und Kirschen. Frische Kirschen! Und beim nächsten Halt gibt es eine warme Dusche und danach Schnitzel, Burger und Pommes – und Eiscreme! Habt keine Angst, Mama und Papa wissen Bescheid! Wir veranstalten eine riesige Schnitzeljagd. Ihr werdet sehen, bald haben wir gewonnen und dann könnt ihr sie auslachen, eure Eltern! Doch ihr müsst euch vor den Hexen in Acht nehmen. Wenn ihr weint, oder schreit, dann verlieren wir das Spiel. Dann kommen die Hexen und bestrafen euch!«

Penelope war zwischenzeitlich erwacht und riss den Mund vor Erstaunen auf. Damian drückte ihre Hand.

»Glaubst du das?«

»Bestimmt«, flüsterte Damian unsicher und unterdrückte ein Schluchzen.

»Ich habe die Hexe gesehen«, antwortete Penelope mechanisch. »Ich habe die Hexe gesehen!«

Fünfzehn Minuten später hatte sich die Lage entspannt. Die Temperatur im Wagen stieg an, ein süßlicher Geruch verbreitete sich. Die Kinder begannen mit den Gameboys zu spielen, die sie im Korb gefunden hatten. Einige lachten.

»Wirst sehen, in zehn Minuten schlafen die wie die Babys«, grinste die Hexe. »Mit der Wirkung unseres Zaubertranks haben wir bis hinter Zagreb Ruhe.«

Sie saßen zu fünft im LKW und wechselten die Fahrerposition in regelmäßigen Zeitabständen. Ein prall gefüllter Kühlschrank und zusätzliche Kühltaschen mit Nahrungsmittel, ermöglichten es ihnen auf Rastpausen zu verzichten und die Fahrt, ohne Unterbrechungen fortzusetzen. Möglichst unauffällig verhalten und rasch vorankommen, war die Devise. Denn Zeit hatten sie wahrhaftig keine.

»Die sind doch nicht ganz dicht. Wie sollen wir das schaffen? Das hier ist schließlich kein Jaguar.« Der vollbärtige Entführer schlug mit einer wegwerfenden Handbewegung die Hexenmaske gegen die Frontscheibe.

Zwei der Rädelsführerinnen, hoben die Finger an die Lippen und geboten ihm Einhalt. Ihre Augen sprachen: Halt die Klappe oder wir machen dich kalt. Beide waren für die medizinische Überwachung des Transports zuständig. Der Vierte, ein schlaksiger Kerl Mitte zwanzig, lehnte mit dem Kopf an der Seitenscheibe. Er schlief. Der Fünfte hatte sich in die Koje zurückgezogen – ein hirnloser Bodybuilder von der Sonnenbank verbrannt. Sie nannten ihn: das Spatzenhirn.

Erneut setzten plötzliche Regenfälle ein.

»Gebt acht, es könnte Glatteis geben! Ich schau‘ noch mal nach den Kindern.«

Eine der Schwestern zog die Hexenmaske über den Kopf und verschwand im Fond des Lastwagens. Diejenige, die diesen Trupp zusammengestellt hat, kann sich warm anziehen, brummte die abkommandierte Anführerin, als sie den hinteren Teil des Scania-Trucks betrat.

Das nächste Erwachen erfolgte zwischen Zagreb und Leibach auf slowenischem Gebiet. Die Kinder fanden neben weiteren Süßigkeiten, einen Satz Wechselkleider – beschriftet und exakt in jeder passenden Größe und Lieblingsfarbe.

2011 - 5.1., 23:45

Balkanhalbinsel, Serbien

Auf der Höhe von Niš

Szene 19

Innenaufnahme: Ladefläche LKW. Es ist dunkel. Die Kinder haben sich einem Rudel Hunde gleich, zum Schutz eng aneinandergeschmiegt.

Sie hörten Schreie. Damian fühlte, dass die Räder des LWK nicht mehr rollten. Er vernahm das ohrenbetäubende Reifengequitsche anderer Fahrzeuge. Er hörte das Aufheulen ihrer schweren Maschinen. Und er spürte wie der Motor des LKW, auf dem er gefangen war, mit einmal stillstand. Erneut Schreie! Polizeisirenen!

Szene 20

Gegenschnitt

Außenaufnahme: Ein verlassener Parkplatz. Mitternacht. Ausgeleuchtet von einer Armada von Fahrzeugen. Die fünf Entführer stehen mit erhobenen Händen vor ihrem Fahrzeug. Zur Rechten zeichnen sich die Schemen einer Brücke ab, davor ein kahler Wald.

»Wer seid ihr?!« schrie ein Zöllner und zog seine Dienstmarke. Über Funk fragte er Verstärkung an. Wenige Minuten später erschien die Policija. Kämpfern gleich, sprangen sie aus ihren Einsatzfahrzeugen. Auch sie zogen ihre Waffen. Mit einmal sahen die Entführer in die Läufe von 12 Sturmgewehren, Zastava M21.

Szene 21

Gegenschnitt

Innenaufnahme: Damian hält die Hand seiner erwachenden Schwester Penelope, er drückt sie fest an sich.

»Was ist los«, flüsterte Penelope.

Sie bibberte trotz der unerträglich hohen Temperaturen im Wageninneren.

»Das gehört bestimmt mit zum Spiel« raunte Damian. »Wir sehen Mama bestimmt bald wieder.«

»Mama«, schluchzte Penelope.

Szene 22

Gegenschnitt

Außenaufnahme: Starkregen setzt ein. Er trommelt lautstark auf die Fahrzeuge und durchnässt innerhalb von Sekunden Entführer, Zollbeamte und Polizisten gleichermaßen. In den Lichtkegeln der Fahrzeuge wirkt die Szene surreal. Das Wasser läuft schwer in die Kleider. Pfützen bilden sich zu Füßen von Staatsgewalt und Entführern.

»Öffnet die Klappen!«, befahl der grauhaarige Gendarm den Zöllnern.

Doch dazu sollte es nicht mehr kommen! Im nächsten Moment fielen zwölf einzelne Schüsse!

Die Entführer warfen sich entgeisterte Blicke zu. Zwölf Personen waren unmittelbar vor ihren Augen durch gezielte Kopfschüsse von Scharfschützen hingerichtet worden. Boden und Kleidung wurden innerhalb eines Wimpernschlags mit Blut durchtränkt.

Eine der Entführerinnen wusch sichtlich angewidert, schleimige Klumpen Hirnmasse von ihrer Wange.

»Ihr könnt weiterfahren«, tönte eine fast knabenhafte Stimme.

Die Entführer hörten, dass sich eine größere Gruppe in der Nähe aufhielt, sehen konnten sie jedoch nichts.

»Los! Beeilt euch! Ihr liegt jetzt schon hinter der Zeit. Eure Ware ist wichtig!«

2011 - 5.1., 00:15

Griechenland

Pefka/Nähe Thessaloniki

Szene 23

Zur gleichen Zeit

Innenaufnahme Einstellung 1: eine mondäne Küche. Offen. In Mahagoni gehalten. Das Wohnzimmer: Weitläufig mit deckenhohen Schiebetüren, die den Blick auf eine weiträumige Terrasse öffnen. Man hört das Rauschen des Meeres. Inmitten des Wohnzimmers hockt Adriana auf einem weißen Berberteppich; sie lehnt gegen eine azurblaue Ledergarnitur.

Innenaufnahme Einstellung 2: Aus der Vogelperspektive verschwindet die Couch in einer riesigen Wohnzimmerlandschaft.

Adriana schien um Jahre gealtert. Ihr Haar war zerzaust. Die Schminke zerlaufen, unter all den bitteren Tränen, die sie vergossen hatte. Sie zitterte. Dann schrie sie herzzerreißend:

»Damian! Penelope! DAMIAN! PENELOPE!« wo seid ihr? »Wo seid ihr?«, flüsterte sie kaum hörbar und brach erneut zusammen.

Diez Hermanas

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