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Was ist der Wohlstand? Für das Zeitalter der Aufklärung war die Antwort noch einfach. Als wohlhabend galt, wer materielle Unabhängigkeit in Form von Ländereien, Gold und Schuldscheinen erlangt und möglichst mehr davon hatte als der Nächste. Aber nicht für alle Menschen hat es sich als machbar erwiesen, diesen Zustand zu erreichen. Allgemein ergab sich das Problem, dass jede Generation, wenn sie verwirklicht hatte, was ihre Vorgänger unter Wohlstand verstanden, sich selbst unwohl fühlte und weiter wollte, oder zurück, oder anderswohin. Jede Epoche entwickelte eine andere Vorstellung vom guten und satten Leben.

Die Ökonomie als moderne Wissenschaft war ursprünglich angetreten, die Mittel und Wege zur Erreichung des Wohlstands zu erforschen. Offiziell begann die Geschichte mit Adam Smiths Wealth of Nations, einem großartigen Vorhaben, dem es bei aller gedanklichen Tiefe nicht an konkreten Vorschlägen mangelte, wie dieses Ziel möglichst bequem zu erreichen sei. Da aber die Vorstellungen vom Wohlstand sich mit der Zeit und der Mode änderten, musste die Ökonomie sich immer wieder von der Wurzel her neu erfinden, wollte sie noch gehört werden. Das Thema blieb nur dem Namen nach gleich.

Damit erging es ihr ähnlich wie der Literatur und der Philosophie, die seit jeher von der Liebe, vom Guten, vom Schönen und von Gott handelten und doch alle fünfzig Jahre etwas anderes darunter verstanden. Genau genommen war sie denselben Moden und derselben Weltauffassung unterworfen wie diese, sang vom selben Blatt und traf häufig sogar denselben Ton. Die Ökonomen verfolgten meist dieselben Anliegen, von denen auch die gens de lettres zur selben Zeit handelten, nur mit ganz verschiedenem Anspruch. Nicht weniger als die Literatur wird die Ökonomie zu einer Reflexion ihrer Zeit und ist dabei veränderlich wie ein alternder Spiegel, dessen blinde Stellen ihn selbst zu einem Gemälde machen.

Wenn der Ausspruch Clemenceaus, wonach der Krieg zu wichtig sei, um den Generälen überlassen zu werden, richtig ist und sich auf die Ökonomie übertragen lässt – also etwa: Die Wirtschaft ist viel zu wichtig, um sie den Ökonomen zu überlassen –, so liegt es nahe, sie von ihren Rändern, und namentlich aus dem Blickwinkel der dezidiert weichen Disziplinen und der schönen Literatur zu betrachten. Leider empfinden sich deren Vertreter jedoch zu oft als Schöngeister und raffen sich nicht auf, der Bedeutung der Ökonomie für das Leben auf den Grund zu gehen. Nur bei großen Gelegenheiten wie der Finanzkrise der Jahre 2008 und 2009 wachen sie aus ihrem finanziellen Schlummer auf, finden kompliziert, was sie sehen, klagen kurz, drehen sich auf die Seite, und schließen wieder die Augen. Die britische Königin sah sich damals, anlässlich eines Besuchs in der London School of Economics, zu der Frage veranlasst, warum die Ökonomen vor dieser Episode so dramatisch falsch lagen und nicht rechtzeitig vor dem drohenden Unheil warnten. Niemand verlangte von ihnen die pünktliche Vorhersage einer Rezession. Aber warum, so der eigentliche Vorwurf, hatten sie nicht die Phantasie aufgebracht, eine Weltwirtschaftskrise historischen Ausmaßes zu wittern oder sich auch nur eine Welt vorzustellen, in der die liquidesten Märkte, in London und New York, plötzlich vertrockneten? Die Königin hat damals als Antwort nur eine Reihe von Entschuldigungen bekommen (ungute Gruppendynamik, falsche Daten, unrealistische Annahmen, fat tails, zu viele Romane von Ayn Rand gelesen, etc.), die an sich interessant waren und ihr dennoch nicht weitergeholfen haben.

Besser wäre es vielleicht gewesen, in gebotener Kürze und Leichtigkeit zu beschreiben, wie die Ökonomie zu dem geworden ist, was sie heute darstellt, worin ihre größten Fortschritte bestehen, wie sie dabei immer Spiegel, Ausdruck und Kind ihrer Zeit blieb und weshalb diese sich also niemals mit gerechtem Zorn über sie beschweren kann. Das bleibt ein Vorrecht der Nachwelt. Und damit wollen wir beginnen.

Mr. Smith und das Paradies

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