Читать книгу Ein tödliches Spinnennetz - George B. Wenzel - Страница 8

Mein Bericht lag dem Management vor. Darin konnte ich nachweisen, dass und wie ein Mitarbeiter die internen Vorschriften des Unternehmens und die Gesetze unseres Staates missachtet hatte. Seine Führungskraft hatte geflissentlich darüber hinweggesehen. Nur der Erfolg für die Abteilung war wichtig. Moral und Ethik spielten für Leute wie diese ohnehin keine Rolle. Sie rechtfertigten dies mit der Erhaltung von Arbeitsplätzen. Gern hätten sie verschwiegen, dass auch ihre eigenen finanziellen Erfolge damit sichergestellt wurden. Auch deshalb versuchten sie mit allen Mitteln, Disziplinarmaßnahmen zu vermeiden, um auch ihre eigene Beteiligung damit unter den Teppich zu kehren. Stattdessen wollten sie eine Beförderung des Mannes durchsetzen!

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Ich kannte dieses Verhalten schon, hatte ich doch vor Jahren erlebt, dass sie mich daran hinderten, einen Fall endgültig zu klären, obwohl sogar der begründete Verdacht auf ein Gewaltverbrechen bestand. Der betroffene Mitarbeiter war über Nacht spurlos verschwunden. Niemand in der Familie oder im Freundeskreis hatte dafür eine Erklärung. Schon damals war ich nahe daran, meinen Job an den Nagel zu hängen, schließlich hing auch meine Reputation als Revisor, als Investigator, davon ab. Wer würde denn einen Mann einstellen, der den Anforderungen in diesem Job ganz offensichtlich nicht gewachsen war? Und wie lange würde ich mich noch selbst im Spiegel anschauen können?

Nun aber plagte mich eine extrem belastende Frage aus dem aktuellen Fall. War ich schuld daran, dass sich der Mann einige Tage nach unserem Interview vom Dach des Bürogebäudes gestürzt hatte? In einer schlaflosen Nacht ging ich jedes Gespräch, jeden Punkt, wieder und wieder durch, fand aber keinen Anhaltspunkt für meine Schuld. Mein unmittelbarer Vorgesetzter, dem meine schlimme Verfassung nicht entgangen war, stärkte mir zwar den Rücken, doch das Management des Mannes nutzte die Situation schamlos aus.

»Sie glauben wohl, dass Sie hier bei der Inquisition sind! Was haben Sie mit ihm angefangen?« Derlei ungeheuerliche Dinge warfen sie mir an den Kopf.

Es war so leicht, ihre Absicht zu durchschauen. Mir platzte endgültig der Kragen. Niemals würde ich einen Menschen ungebührlich, unverantwortlich, gar respektlos oder auch nur annähernd so unverschämt behandeln, wie sie gerade mit mir umgingen. Dass es auch andere Gründe für diesen Suizid geben könnte, kam für sie nicht infrage. Meine sonst übliche Zurückhaltung verschwand unter einer aufsteigenden Wut.

»Maledetto!« Meines Vaters Temperament kam zum Vorschein. Ich warf den beiden Typen aus dem Management, die mich zu sich zitiert hatten, die Akte vor die Füße. Sollten sie doch damit machen, was sie wollten. Noch am gleichen Tag lag meine Kündigung auf dem Schreibtisch meines Chefs. Er wollte mich noch umstimmen. Aber einen einmal gefassten Entschluss würde ich nicht wieder zurücknehmen. Ich hatte keine Lust mehr auf diese Spielchen! Am Vorabend des letzten Arbeitstages packte ich alle Unterlagen zur Übergabe an meine Kollegen zusammen. Die Gründe des Selbstmordes waren in der Zwischenzeit bekannt geworden und hatten ihren Ursprung im privaten Bereich des Mannes. Doch nun waren sie zu feige, sich bei mir zu entschuldigen.

Arbeitslos?

Die Sonne schien in unser Schlafzimmer. Ich stand früher als sonst auf und ging zu unserem Bäcker in die Altstadt, holte ein paar frische Brötchen und eine Seele und nahm auf dem Rückweg die Zeitung mit. In der Küche bereitete ich Kaffee und deckte den Tisch. Marmelade zusammen mit Kümmel und Salz? Wie soll das schmecken? Es schmeckt! Ich liebe Seelen. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich in den letzten Jahren jemals an einem Werktag so gemütlich mit meiner Frau gefrühstückt hätte.

Viele Jahre hatte es am Morgen nur Kaffee und eine Zigarette gegeben. Meistens musste ein schneller Kaffee reichen. Doch heute sollte eine neue Zeit für uns beginnen. Vivien gab mir einen verheißungsvollen Kuss, bevor sie zur Arbeit ging.

Ich schlug die Zeitung auf und begann den politischen Teil zu lesen. Ich war noch nicht weit gekommen, da fing ich an, mich zu ärgern. Opportunismus weit und breit, ob da immer das Beste herauskommt?, dachte ich. Die Nachrichten über den Rest der Welt sahen nicht viel besser aus. Gutes ging bei all den negativen Themen unter und war offensichtlich kaum eine Schlagzeile wert. Eigentlich war ich gut gelaunt aufgestanden. Holz für den Winter, ja, brauchte ich auch, doch der Preis war gestiegen. Politische Unruhen in der Welt beeinflussten die Energiepreise. Dagegen purzelten wegen zu großer Fördermengen die Ölpreise. Die Marktwirtschaft funktionierte ausnahmsweise, wenn auch unbeabsichtigt. Dann gab es noch diverse andere Meldungen über Verbrechen, Mord und Korruption aus aller Welt. Ich legte die Zeitung beiseite und nahm mir den neuesten »Revisor« vor, eine meiner monatlichen Fachzeitschriften. Während ich die Seiten durchblätterte, kam ich auch auf die Seite mit den Jobangeboten und stieß auf eine Anzeige.

Suchen Fachkraft zur Unterstützung unseres Teams

Neugierig las ich, dass es um Analysen für eine Wirtschaftsdetektei ging. Der Name der Detektei, »EA Economic Analysis«, sagte mir nichts.

»Perdinci, du bist gerade einen Tag aus der Tretmühle draußen und schon interessierst du dich für eine neue? Das kann nicht wirklich dein Ernst sein …« Vor mich hinmurmelnd, legte ich die Zeitschrift zur Seite.

Die Suche nach einem neuen Job sollte ich nicht überstürzen, sagte ich mir. So genoss ich an diesem Tag das ausgezeichnete Wetter und lief ins Städtchen. Ein Spaziergang war genau das Richtige. Seit langer Zeit fühlte ich mich mal durch nichts und niemanden getrieben. Doch immer wieder kamen mir Gedanken zu der Anzeige in den Sinn.

»Nein, nicht jetzt und nicht heute«, grummelte ich vor mich hin. Eine Frau, die gerade an mir vorüberging, sah mich fragend an, doch ich lief unbeirrt weiter.

Ein tödliches Spinnennetz

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