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Erstes Kapitel

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Der Vater Barbeau in la Cosse war ein Mann, der sich keineswegs in schlechten Verhältnissen befand; und dass er Mitglied des Munizipalrates in seinem Ort war, mag als Beweis dafür dienen. Er besaß zwei Grundstücke, deren Ertrag ihn und seine Familie ernährte, und noch darüber hinaus einen Überschuss lieferte. Von seinen Wiesen erntete er tüchtige Fuder Heu, und ausgenommen von derjenigen, welche an den Ufern des Baches lag und durch die Binsen ein wenig beeinträchtigt wurde, war dies Heu als eins von der besten Sorte in der ganzen Gegend bekannt.

Das Haus des Vaters Barbeau war von solidem Bau und mit Ziegeln gedeckt. Es stand in gesunder Lage auf einem Hügel und war mit einem Garten von reichlichem Ertrag und mit einem Weinberg von sechs Tagewerken verbunden. Schließlich befand sich hinter der Scheune noch ein Baumgarten, wie man bei uns zu sagen pflegt, der einen Überfluss von Früchten lieferte, sowohl an Pflaumen und süßen Kirschen, wie auch an Birnen und Vogelbeeren. Sogar die Nussbäume längs der Umzäunungen waren die ältesten und größten auf zwei Meilen weit in der Runde.

Vater Barbeau war ein Mann von tüchtiger Sinnesart, ein sorglicher Familienvater, ohne Neid und Missgunst, ohne seinen Nachbarn und Ortsgenossen je zu nahe zu treten.

Er hatte schon drei Kinder, als die Mutter Barbeau, – jedenfalls, weil sie der Meinung war, dass sie genug hätten, um deren fünf zu ernähren, vielleicht auch, weil es galt sich zu beeilen, da ihr das Alter näher rückte, – sich’s einfallen ließ, ihren Mann mit einem Zwillingspaar, zwei schönen Knaben, zu beschenken. Da die beiden sich einander ähnlich sahen, dass man sie kaum zu unterscheiden vermochte, waren sie auf den ersten Blick als Zwillinge zu erkennen. Die Mutter Sagette, welche sie bei ihrem Eintritt in die Welt in ihrer Schürze auffing, vergaß nicht dem zuerst Geborenen mit ihrer Nadel ein kleines Kreuzchen auf dem Arme zu punktieren. Sie war der Meinung, dass ein als Erkennungszeichen umschlungenes Band oder Halskettchen, leicht verwechselt werden könnte, und so das Recht der Erstgeburt in Gefahr gerate, verloren zu gehen. Wenn das Kind kräftiger geworden sei, müsse man es mit einem Zeichen versehen, das sich nie verwischen lasse, und man verfehlte nicht dies zu tun.

Der Ältere erhielt den Namen Sylvain, woraus man bald Sylvinet machte, um ihn von seinem ältesten Bruder zu unterscheiden, den man ihm als Taufpaten gegeben hatte. Der jüngere Zwilling wurde Landry genannt, und diesen Namen ließ man ihm unverändert, wie er ihn in der Taufe erhalten hatte, weil sein Onkel, der ihm als Pate gedient hatte, von frühester Jugend auf Landriche genannt worden war.

Der Vater Barbeau war ein wenig erstaunt, als er bei seiner Heimkehr vom Markt zwei kleine Köpfe in der Wiege erblickte. »Oh! oh!« sagte er, »da seht einmal, die Wiege ist zu klein. Morgen früh muss ich daran, sie etwas größer zu machen.« Er verstand sich ein wenig auf das Handwerk des Zimmermanns, ohne es erlernt zu haben, und die Hälfte seiner Möbel war von ihm selbst verfertigt. Er wunderte sich nicht weiter, sondern wandte sich lieber seiner Frau zu, die ein großes Glas Glühwein trank, nach dessen Genuss sie sich um so besser befand. – »Du bist so gut im Zuge, Frau,« sprach der Mann zu ihr, »dass ich wirklich meine Kräfte zusammen nehmen muss. Es gilt jetzt zwei Kinder mehr zu ernähren, die wir gerade nicht nötig gehabt hätten. Das will soviel sagen, als dass ich nun ohne Rast noch Ruhe auf unseren Äckern und bei unserem Vieh im Stalle schaffen muss. Aber, sei nur ruhig, Frau; ich werde mit der Arbeit schon fertig werden, wenn du das nächste Jahr nur nicht mit Drillingen heran kommst; das wäre des Guten zu viel!«

Die Mutter Barbeau war dem Weinen nahe, worüber ihr Mann sehr bekümmert wurde. – »Ruhig, ruhig! liebe Frau«, sagte er; »lass dich’s nicht verdrießen. Ich sagte dir’s ja nicht um dir einen Vorwurf zu machen, sondern ganz im Gegenteil, um dir meinen Dank auszusprechen; diese beiden Kinder sind gesund und wohlgestaltet; am ganzen Körper haben sie nicht einen einzigen Fehler, und ich freue mich darüber.«

»Ach Gott«, sagte die Frau, ich weiß recht gut, dass du mir keine Vorwürfe machen willst; aber ich selbst bin voller Sorgen, da es in der Welt nichts Lästigeres und Unsicheres geben soll, als ein Paar Zwillinge aufzuziehen. Der eine beeinträchtigt den anderen, und fast immer muss einer von ihnen zu Grunde gehen, damit der andere gedeihen kann!«

»Ei, was!« sagte der Vater, »sollte das wirklich so sein? Diese da sind in meinem Leben die ersten Zwillinge, die ich sehe; dergleichen kommt nicht oft vor. Aber, da haben wir ja die Mutter Sagette, die sich darauf verstehen muss, und die uns sagen kann, was man davon zu halten hat.«

Die Mutter Sagette, die sich in dieser Weise dazu aufgefordert sah, erwiderte: – »Lasst’s euch von mir gesagt sein: Diese beiden Zwillinge werden schön und gut gedeihen, und mit Krankheiten nicht mehr zu schaffen haben, als andere Kinder auch. Seit fünfzig Jahren betreibe ich mein Geschäft als Hebamme, und sehe alle Kinder, die im Bezirk geboren werden, leben oder sterben. Es ist also auch nicht das erste Mal, dass ich dabei bin, wenn Zwillinge geboren werden. Zunächst tut’s ihrer Gesundheit keinen Schaden, dass sie einander ähnlich sehen. Es gibt aber auch Zwillinge, die sich ebensowenig gleichen, wie ihr und ich, oft kommt’s auch vor, dass einer von ihnen kräftig und der andere schwach ist: dann geschieht’s, dass der eine lebt und der andere stirbt. Nun betrachtet aber einmal die eurigen! Seht! wie sie beide gleich schön und richtig gebaut sind; als ob sie jeder ein einziger Sohn wären. Im Schoße ihrer Mutter haben sie sich also keinerlei Schaden zugefügt; der eine wie der andere sind sie leicht zur Welt gekommen, ohne ihrer Mutter, oder sich selbst viele Schmerzen verursacht zu haben. Sie sind wunderniedlich und haben kein anderes Verlangen als zu leben. Tröstet euch also, Mutter Barbeau; es wird euch großes Vergnügen machen, wenn ihr seht, wie sie gedeihen. Wenn sie so bleiben, wie sie da sind, wird es außer euch und denjenigen, die sie täglich vor Augen haben, kaum jemanden geben, der sie voneinander unterscheiden könnte, denn noch nie habe ich zwei so vollkommen gleiche Zwillinge gesehen. Man könnte sagen: sie sind wie zwei Feldhühner, die aus demselben Ei gekrochen sind. Da ist alles so niedlich und so gleichartig, dass niemand als die Mama Feldhuhn sie voneinander unterscheiden kann.«

»Das wäre!« ließ sich der Vater Barbeau vernehmen, indem er sich den Kopf kraute; »ich hörte aber sagen, dass Zwillinge mit der Zeit aneinander hängen sollen, dass sie nicht mehr leben können, wenn sie voneinander getrennt werden; dass wenigstens einer von ihnen sich vor Kummer verzehren würde, bis er daran gestorben sei.«

»Das ist die reine Wahrheit«, bestätigte die Mutter Sagette; »aber merkt euch, was eine Frau von Erfahrung euch sagen wird. Vergesst es nicht! denn um die Zeit, in der eure Kinder das Alter erreicht haben, wo sie das elterliche Haus verlassen, werde ich vielleicht nicht mehr in der Welt sein, um euch mit meinem Rat beistehen zu können. Sobald euere Zwillinge anfangen verständig zu werden, seid auf euerer Hut, sie nicht immer beisammen zu lassen, schickt den einen zur Arbeit hinaus, während der andere zu Hause bleibt. Wenn der eine auf den Fischfang geht, schickt den anderen auf die Jagd. Wenn der eine die Schafe hütet, lasst den anderen die Ochsen auf die Weide treiben; gebt ihr dem einen ein Glas Wein zu trinken, so reicht dem anderen ein Glas Wasser, und so umgekehrt. Scheltet oder bestraft sie ja nicht beide zu gleich, lasst sie auch nicht beide gleich gekleidet sein: wenn der eine einen Hut trägt, setzet dem anderen eine Kappe auf; und vor allem achtet darauf, dass ihre Blusen nicht von derselben blauen Farbe sind. Schließlich bietet alles auf, was in eurer Macht steht, sie daran zu verhindern, sich so leidenschaftlich aneinander anzuschließen und sich so zu gewöhnen, dass der eine ohne den anderen nicht mehr sein kann. Ich fürchte sehr, ihr werdet das, was ich euch da gesagt habe, ins eine Ohr hinein und zum anderen wieder hinaus gehen lassen. Aber, wenn ihr euch nicht danach haltet, werdet ihr es eines Tages bitter zu bereuen haben.«

Mutter Sagette sprach goldene Weisheit, und man glaubte daran. Man versprach ihr, nach ihren Worten zu tun, und entließ sie mit einem schönen Geschenk. Da sie dringlichst empfohlen hatte, die Zwillinge nicht mit derselben Milch zu ernähren, war man darauf bedacht, sich rasch eine Amme zu verschaffen.

Es war indessen im ganzen Ort keine aufzutreiben. Mutter Barbeau hatte in dieser Hinsicht keine Vorkehrungen getroffen, da sie auf Zwillinge nicht gerechnet, und alle ihre anderen Kinder selbst genährt hatte. So geschah es also, dass Vater Barbeau sich auf den Weg machen musste, in der Umgegend nach einer passenden Amme zu suchen. Mittlerweile nahm die Mutter, die ihre Kleinen doch nicht darben lassen konnte, eins nach dem anderen an die Brust.

Bei uns zu Hause sind die Leute nicht eben rasch von Entschluss, und wie reich man auch sein mag, so muss bei jedem Geschäft doch immer etwas gehandelt werden. Man wusste, dass die Barbeaus es bezahlen konnten und war auch der Meinung, dass die Mutter, die nicht mehr in der ersten Blüte stand, unmöglich würde zwei Säuglinge stillen können, ohne sich selbst zu erschöpfen. Die Ammen alle, die Vater Barbeau auftreiben konnte, verlangten für den Monat achtzehn Franken, nicht mehr, noch weniger, als sie von einem Bürger gefordert haben würden.

Vater Barbeau wollte nur zwölf bis fünfzehn Franken geben und meinte, dies sei für einen Bauersmann schon viel. Er wandte sich überall hin und knüpfte Unterhandlungen an, ohne jedoch zum Abschluss kommen zu können. Die Sache drängte auch nicht so sehr, denn die beiden noch so kleinen Kinder konnten der Mutter nicht beschwerlich werden. Dabei befanden sie sich so wohl, waren so ruhig, so durchaus keine Schreihälse, dass sie fast nicht mehr Störung im Hause verursachten, als wenn nur ein einziges dagewesen wäre. Sobald der eine schlief, schlief auch der andere; auch hatte der Vater die Wiege in passender Weise verändert, und wenn sie beide zu weinen anfingen, wiegte und beruhigte man sie zu gleicher Zeit.

Endlich war man so weit gekommen, dass Vater Barbeau mit einer Amme einen Kontrakt abschloss, der auf fünfzehn Franken pro Monat lautete; es handelte sich nur noch um die Bewilligung eines Nadelgeldes von hundert Sous, als seine Frau plötzlich zu ihm sagte: – »Ei was! lieber Mann, ich sehe nicht ein, warum wir jährlich hundertundachtzig, oder gar zweihundert Franken hinauswerfen sollen, als wären wir eine große Herrschaft, oder als ob ich über die Jahre hinaus wäre, meine Kinder selbst nähren zu können. Ich habe mehr Milch, als dazu nötig ist. Unsere Buben sind jetzt schon einen Monat alt, und sieh nur, ob sie nicht dick und rund sind. Die Merlaude, die du dem einen von beiden zur Amme geben wolltest, ist nicht halb so kräftig und gesund wie ich. Ihre Milch ist schon achtzehn Monate alt, und das ist nicht mehr das Richtige für ein so kleines Kind. Es ist wohl wahr, die Sagette hat uns geraten die Zwillinge nicht mit derselben Milch zu nähren, damit sie nicht eine zu große Anhänglichkeit füreinander gewinnen sollten. Aber sie hat uns ja auch gesagt, dass die Kinder beide gleich gut gepflegt werden müssen, weil alles in allem genommen, Zwillinge nicht ganz dieselbe Lebenskraft hätten, wie andere Kinder. Mir ist es lieber, wenn die unsrigen sich künftig zu lieb haben, als wenn eins dem anderen geopfert werden sollte. Und dann, welches von den beiden sollten wir der Amme übergeben? Ich muss dir gestehen, dass ich mich gerade so ungern von dem einen wie von dem anderen trennen würde. Ich kann sagen, dass ich alle meine Kinder sehr lieb hatte; aber ich weiß nicht, wie es kommt, ich meine doch, diese hier wären die niedlichsten und hübschesten, die ich auf dem Arm gehabt hätte. Ich habe für sie eine sogar eigene Empfindung, die mich immer fürchten lässt, ich könnte sie verlieren. Ich bitte dich, Mann, denke nicht mehr an die Amme. Im Übrigen wollen wir alles tun, was die Sagette uns so dringlich empfohlen hat. Wie sollte das nur zugehen, dass Kinder an der Mutter Brust eine zu große Anhänglichkeit füreinander gewinnen könnten. Zur Zeit der Entwöhnung werden sie doch nicht weiter sein, als dass sie höchstens ihre Hand von ihrem Fuß zu unterscheiden wissen.«

»Was du da sagst, Frau, lässt sich hören«, erwiderte Vater Barbeau, indem er seine Frau betrachtete, die noch immer frisch und kräftig war, wie man wenig andere Frauen in ihrem Alter sah. »Wenn nun aber trotzdem, wie die Kinder zunehmen, deine Gesundheit verkümmern würde?«

»Sei unbesorgt deshalb«, sagte Frau Barbeau, »das Essen schmeckt mir noch so gut, als wenn ich erst fünfzehn Jahre alt wäre. Überdies verspreche ich dir, sobald ich fühlen werde, dass es mich erschöpfen könnte, dir dies nicht zu verbergen, und dann wird es noch immer Zeit sein, eins von den beiden armen Kindern aus dem Hause fort zu tun.«

Vater Barbeau fügte sich diesen Vorstellungen um so lieber, da er selbst sehr geneigt war, überflüssige Ausgaben zu vermeiden. Mutter Barbeau nährte ihre Zwillinge ohne zu klagen, und ohne darunter zu leiden; sie war von so trefflicher Konsumtion, dass sie sogar zwei Jahre, nachdem sie ihre Zwillinge entwöhnt hatte, einem allerliebsten Töchterchen das Leben gab, welches in der Taufe den Namen Nanette erhielt, und das gleichfalls von ihr selbst genährt wurde. Dies war jedoch des Guten zu viel, und sie würde Mühe gehabt haben, ihre Aufgabe zu Ende zu führen, wenn nicht ihre älteste Tochter, die gerade ihr erstes Kind hatte, sie von Zeit zu Zeit in ihren mütterlichen Pflichten unterstützt hätte, indem sie ihrer kleinen Schwester die Brust gab.

In dieser Weise wuchs die kleine Familie heran und tummelte sich bald in der Sonne herum: die kleinen Onkels und Tanten mit den kleinen Neffen und Nichten, die sich einander nichts vorzuwerfen hatten, wer von ihnen am meisten lärmte, oder wer verständiger war.

Die kleine Fadette

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