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Dreizehntes Kapitel

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Inhaltsverzeichnis

Es konnte sein, daß auch die Mutter Fadet derartige Kenntnisse besaß, und daß sie ihre Enkelin darüber belehrt hatte, nichts von diesen nächtlichen Wanderlichtern zu befürchten. Vielleicht aber auch, weil diese in der Nähe der Furt sehr häufig waren, hatte sich bei der kleinen Fadette, die also daran gewöhnt war sie zu sehen, die Vorstellung gebildet, daß der Geist, der sie entzünde durchaus kein böser sei und nur eine gute Absicht habe. Als sie fühlte, daß Landry in dem Maße, wie ihnen das Irrlicht näher kam, am ganzen Körper zu zittern begann, sagte sie:

»Wie du thöricht bist! Das Feuer dort brennt ja nicht, und wenn du geschickt genug wärst, es mit der Hand zu erhaschen, würdest du sehen, daß es nicht einmal eine Spur hinterläßt.«

»Das ist noch schlimmer,« dachte Landry; ein Feuer, das nicht brennt, da weiß man, was das zu bedeuten hat. Das kann nicht von Gott kommen; denn das Feuer, was der liebe Gott giebt, ist geschaffen, um zu erwärmen und zu brennen.«

Aber er ließ die kleine Fadette nichts von seinen Gedanken merken, und als er sich wohlbehalten und sicher am anderen Ufer befand, verspürte er große Lust seine Führerin im Stiche zu lassen und sich nach dem Zwillingshofe davon zu machen. Da er aber doch kein undankbares Herz hatte, wollte er sie nicht verlassen, ohne ihr gedankt zu haben.

»Dies ist nun schon das zweite Mal, Fränzchen Fadet,« sprach er zu ihr, »daß du mir einen Dienst geleistet hast, und ich würde ein schlechter Bursche sein, wenn ich dir nicht sagte, daß ich es mein Leben lang nicht vergessen werde! Als du heran kamst, stand ich da, wie ein Narr; das Licht hatte mich behext und ganz toll gemacht. Nie wäre ich durch den Fluß gegangen; wenigstens nie wieder herausgekommen.«

»Vielleicht wärst du ohne Mühe und Gefahr hindurch gekommen, wenn du nur nicht so albern wärst;« antwortete die Fadette. »Ich hätte nie geglaubt, daß ein so großer Bursche, wie du, der in sein siebenzehntes Jahr geht, und der bald seinen Bart am Kinn haben wird, so leicht in Angst geraten könnte, und es freut mich dich so zu sehen.«

»Und warum freut dich das, Fränzchen Fadett?«

»Weil ich dich nicht leiden kann,« sagte sie in verächtlichem Tone.

»Und weshalb kannst du mich denn nicht leiden?«

»Weil ich keine Achtung vor dir habe,« sagte sie; »so wenig vor dir, als vor deinem Zwillingsbruder und vor deinen Eltern, die voller Hochmut sind, weil sie Geld haben, und die glauben, daß man nur seine Pflicht thut, wenn man ihnen einen Dienst leistet. Sie haben dich gelehrt undankbar zu sein, und das ist nächst der Furchtsamkeit, der häßlichste Fehler den der Mensch haben kann.«

Landry fühlte sich sehr gedemütigt durch diese Vorwürfe des kleinen Mädchens, denn er sah ein, daß sie nicht ganz unbegründet waren. Er antwortete ihr darauf:

»Wenn ich gefehlt habe, Fadette, so gieb mir allein die Schuld. Mein Bruder so wenig wie mein Vater, noch meine Mutter, oder sonst irgend jemand in unserem Hause, hat etwas davon erfahren, daß du mir schon einmal zu Hilfe gekommen bist. Aber dieses Mal sollen sie es alle erfahren, und du sollst eine Belohnung haben, wie du sie wünschen wirst.«

»Ah! da seht einmal, wie stolz du bist!« hob die kleine Fadette wieder an. »Du bildest dir wohl ein, du könntest dich mir gegenüber mit Geschenken abfinden. Du glaubst also, ich sei wie meine Großmutter, welche sich die Grobheiten und die Unverschämtheiten der Leute gefallen läßt, wenn ihr nur etwas Geld hingeworfen wird. Mit mir ist es anders, ich brauche eure Gaben nicht, und habe auch kein Verlangen darnach, ich verachte alles, was du mir geben kannst, denn es ist nun beinah ein Jahr, daß ich dich aus einer so großen Qual erlöst habe; und in alle dieser Zeit hast du nicht einmal so viel Gefühl bewiesen, daß du auch nur ein einziges Wort des Dankes und der Freundschaft an mich gerichtet hättest.« »Ich habe gefehlt, Fadette, ich gestehe es,« sagte Landry, der sich des Erstaunens nicht erwehren konnte über die Art, in der er sie hier zum erstenmale reden hörte. »Aber du selbst bist auch ein wenig Schuld daran. Daß du mir halfest meinen Bruder wiederzufinden, das war grade keine besondere Hexerei. Du hattest ihn wahrscheinlich schon gesehen, während ich mit deiner Großmutter verhandelte. Wenn du wirklich ein gutes Herz hättest, du, die du mir den Vorwurf machtest keins zu haben, dann würdest du damals, statt mich warten zu lassen und mich noch länger meinem Schmerz zu überlassen, mir gleich die richtige Auskunft gegeben und mir gesagt haben: »Geh die Wiese hinunter; am Ufer des Flusses wirst du ihn finden.« Das hättest du ohne weitere Mühe leicht thun können, aber du hast mit meinem Schmerz ein boshaftes Spiel getrieben, und das ist es auch, weshalb der Dienst, den du mir geleistet hast, weniger Wert hat.«

Die kleine Fadette, die doch sonst flink mit den Antworten bei der Hand war, blieb einen Augenblick nachdenklich stehen, dann sagte sie:

»Ich sehe wohl, daß du dein Möglichstes gethan hast, um dir die Dankbarkeit vom Halse zu schaffen, und um dir selbst weiß zu machen, daß du mir keine schuldig seist. Das alles geschieht wegen der Belohnung, die ich mir hatte versprechen lassen. Aber, noch einmal, dein Herz ist hart und schlecht, denn du hast gar nicht einmal darauf geachtet, daß ich nichts von dir verlangte, und daß ich dir aus deiner Undankbarkeit nicht einmal einen Vorwurf gemacht habe.«

»Das ist alles Wohl wahr, Fränzchen,« sagte Landry, der die Treuherzigkeit selbst war. »Ich fühle es, daß ich im Unrecht bin, und ich bin sehr beschämt darüber. Gewiß, ich hätte mit dir reden sollen, und es war auch meine Absicht dies zu thun; aber du selbst machtest mir immer ein so zorniges Gesicht, daß ich gar nicht wußte, wie ich es anfangen sollte.«

»Wenn du am folgenden Morgen, nachdem es geschehen war, gekommen wärst und hättest nur ein freundliches Wort gesagt, dann würdest du mich gewiß nicht zornig gefunden haben. Du hättest dann gleich erfahren, daß ich gar keine Bezahlung verlange, und wir wären gute Freunde geblieben, statt daß ich jetzt eine schlechte Meinung von dir habe. Ich hätte dir bei dem Irrlicht gar nicht zu Hilfe kommen sollen, damit du einmal gesehen hättest, wie du damit fertig werden konntest. Und nun, guten Abend, Landry vom Zwillingshofe; geh, trockne deine Kleider und sage deinen Eltern: »Ohne die kleine Lumpendirn, die Grille, hätte ich heute Abend wahrhaftig einen tüchtigen Schluck aus dem Flusse thun müssen.«

Nach diesen Worten wandte sie ihm den Rücken, und entfernte sich singend in der Richtung ihres Hauses:

»Jetzt, Landry, Zwilling, sind wir quitt:

Nimm dir die Lehr und dein Bündel mit!«

Dieses Mal regte sich etwas in Landrys Seele wie lebhafte Reue; nicht etwa, daß er zu irgend einer Art von Freundschaft für ein Mädchen geneigt gewesen wäre, das mehr Verstand als Herzensgüte zu haben schien, und deren schlechte Manieren gewiß nicht gefallen konnten, nicht einmal solchen, die sich dadurch belustigen ließen. Aber er hatte ein biederes Herz und wollte nicht, daß sein Gewissen mit einem Vorwurf belastet bleiben sollte. Er lief also hinter ihr her, und sie bei ihrem Mantel erhaschend, sprach er:

»Höre, Fränzchen Fadet, höre einmal! Diese Angelegenheit muß zwischen uns in Ordnung gebracht und ein für allemal abgemacht werden. Du bist unzufrieden mit mir, und ich selbst bin auch nicht grade mit mir zufrieden. Du mußt mir sagen, was du wünschest, und gleich morgen werde ich es dir bringen.«

»Ich wünsche dich nie mehr zu sehen,« antwortete die Fadette sehr trocken und hart; »und was du mir auch bringen magst, du kannst dich darauf verlassen, daß ich es dir an den Kopf werfe!«

»Das sind gar zu grobe Worte für jemanden, der dir eine Entschädigung anbietet. Wenn du durchaus kein Geschenk annehmen willst, so könnte man dir vielleicht durch irgend etwas anderes einen Dienst leisten, oder dir zeigen, daß man es gut mit dir meint und nicht böse. Komm, sage mir, was ich thun kann, um dich zufrieden zu stellen.«

»Du verstehst also nicht einmal mich um Verzeihung zu bitten und meine Freundschaft zu begehren?« sagte die Fadette, indem sie stehen blieb.

»Um Verzeihung soll ich bitten? Das ist viel verlangt!« erwiderte Landry, der seinen Stolz nicht überwinden konnte einem Mädchen gegenüber, welches im Verhältnis zu dem Alter, in das es zu treten begann, durchaus nicht geachtet wurde, und dessen Benehmen auch keineswegs immer so beschaffen war, wie es sich geziemt hätte. »Was deine Freundschaft betrifft, Fadette,« fuhr er fort, »so hast du ein so sonderbares Gemüt, daß ich kein rechtes Vertrauen dazu haben könnte. Fordere also von mir irgend etwas, das ohne weiteres gewährt werden kann, und das ich nicht genötigt sein könnte, dir wieder zu entziehen.«

»Nun, es sei! Zwilling Landry,« sagte die Fadette in klarem und trocknem Tone, »es soll geschehen, wie du wünschest. Ich habe dir Verzeihung angeboten, und du willst nichts davon wissen. Jetzt fordere ich von dir, was du mir versprochen hast. Höre also, was es ist: du sollst meinem Befehle gehorchen, an dem Tage, wo du dazu aufgefordert wirst. Dieser Tag wird kein anderer sein, als morgen der Festtag des heiligen Andoche, und nun höre, was ich von dir verlange: du wirst nach der Messe drei Kontretänze mit mir tanzen, nach der Vesper wieder zwei Kontretänze, und nach dem Angelus nochmals zwei Kontretänze, das macht zusammen sieben Kontretänze. Und den ganzen Tag über, von der Zeit an, daß du aufgestanden bist, bis du dich wieder niederlegst, wirst du keinen anderen Kontretanz tanzen, einerlei mit wem es auch sein möchte, so wenig mit einem Mädchen, wie mit einer Frau. Wenn du dies nicht thust, dann weiß ich, daß du drei sehr häßliche Fehler an dir hast: die Undankbarkeit, die Furchtsamkeit und die Wortbrüchigkeit. Ich wünsche dir jetzt einen guten Abend! Morgen erwarte ich dich an der Kirchenthür, um den Tanz mit dir zu eröffnen.«

Nach diesen Erklärungen drückte die kleine Fadette, der Landry bis zu ihrem Hause gefolgt war, auf die Thürklinke und trat so rasch ein, daß die Thür schon wieder ins Schloß geworfen war, bevor der Zwilling auch nur ein Wort zur Antwort geben konnte.

Herz-Sammelband: George Sand Liebesromane

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