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Fünfter Brief.

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Paris, den 7. Frimaire Jahr XIII (November 1804).

„Ich war schon im Begriff, nach Fayel zu reisen und wäre der Krönungsfeierlichkeiten verlustig gewesen, als mir endlich der Marschall Ney noch mittheilte, daß er einen Courier an Dupont gesendet hätte, um ihn herbeizurufen, und daß derselbe für den folgenden Tag erwartet würde. Ich eilte sogleich nach der Post, um meinen Koffer, der schon aufgepackt war, wieder zu verlangen und entriß denselben nur mit Mühe, und nachdem ich alle Beredtsamkeit aufgeboten hatte, den Händen des Conducteurs, warf den Anker wieder aus und zog die Segel ein. Dupont ist wirklich am Vorabend des großen Tages eingetroffen. Wir sind sehr gute Freunde; er hat sich um mein Kreuz bemüht und nach der Krönung wird darüber Bericht erstattet.

(Ganz heimlich zu lesen.)

„Meine Aurora befindet sich vortrefflich, sie ist bewunderungswürdig schön und ich bin entzückt, daß Du Dich nach ihr erkundigt hast.

„Dein Brief hat mir äußerst wohlgethan; Du bist darin so recht meine gute Mutter! und alle Chimären des Stolzes, deren Zeuge ich hier bin, können denen, die sich damit nähren, nicht den vierten Theil der Befriedigung gewähren, welche mir die Ausdrücke Deiner Zärtlichkeit verursachen. Erhalte mir dies Glück! ich sehne mich alle Tage nach unsern Abendunterhaltungen, nach unsern Plaudereien, unsern fröhlichen Diners, nachdem großen Salon, mit einem Worte nach ganz Nohant — und ich tröste mich nur durch den Gedanken, bald dahin zurückzukehren. Lebe wohl, meine gute, liebe Mutter; grüße von Andrezel und den Baumeister Deschartres. Deine Aufträge sind besorgt.“

Man sieht aus diesem Briefe, daß mein Dasein von der guten Mutter anerkannt wurde, und daß sie sich nicht enthalten konnte, zu zeigen, wie viel Interesse sie daran nahm. Und doch wollte sie die Heirath nicht anerkennen und bemühte sich mit dem Abbé von Andrezel die Beweise der Nichtigkeit aufzufinden, welche aus dem Mangel ihrer Zustimmung hergeleitet werden konnten. Der Maire, welcher diese Ehe geschlossen hatte, war durch gewagte Behauptungen getäuscht. Aufmerksam gemacht durch die Reclamationen meiner Großmutter, die eine vollständige Abschrift der betreffenden Akten verlangte, beeilte er sich gerade nicht mit der Antwort, denn er fürchtete vielleicht, daß sein Irrthum für ihn selbst oder für den Friedensrichter von übeln Folgen sein könnte. Der Maire des 5. Arrondissements dagegen, der keine Gründe hatte, um die Antwort zu unterlassen und der sich die Papiere hatte mittheilen lassen, sprach sich mit einer sehr anstandsvollen Zurückhaltung über die Art und Weise aus, wie die Formalitäten erfüllt waren und beschränkte sich auf einige Nachrichten über die Geburt meiner Mutter, über Claudius Delaborde, den Vogelhändler vom Quai de la Mégisserie, über den Großvater Cloquard, welcher noch lebte, und welcher noch zu jener Zeit (diese Mittheilung ist übrigens nicht aus dem Briefe des würdigen Beamten) einen langen rothen Rock und einen dreieckigen Hut trug, seinen Hochzeitsstaat aus den Zeiten Ludwig's XV. — wahrscheinlich der schönste Anzug, den er jemals besessen hatte und den er so lange als Feierkleid benutzte, bis er ihn aus Sparsamkeit vollends abtragen mußte, Ueber diese nicht sehr glänzende Abkunft ihrer Schwiegertochter schrieb meine Großmutter an den genannten Maire, unter dem Datum des 27. Frimaire des Jahres XIII:

„... Wie schmerzlich auch die Erkundigungen, die Sie gütigst eingezogen haben, für mein Herz sein mögen, so bin ich doch nicht weniger dankbar für die Mühe, die Sie sich gegeben haben, um meine traurige Wißbegierde zu befriedigen. Die Verwandtschaft verursacht mir viel weniger Kummer, als die Persönlichkeit der Demoiselle. Ihr Schweigen über diesen Punkt, mein Herr, macht mir mein Unglück und das meines Sohnes zur Gewißheit. Es ist sein erster Fehltritt; er war das Muster eines guten Sohnes und ich wurde als die glücklichste der Mütter genannt. Mein Herz ist gebrochen und mit Thränen danke ich Ihnen, mein Herr, für Ihre Freundlichkeit und gebe Ihnen die Versicherung meiner besondern Hochachtung ec.“

Worauf der Maire des 5. Arrondissements Folgendes antwortete (alle diese Briefe liegen vor mir, denn meine Großmutter hatte eine Abschrift der ihrigen genommen und das Ganze zu einer Art Aktenstoß vereinigt):

„Madame!

„Nach Ihrer Antwort auf meinen letzten Brief zu urtheilen, haben Sie sich in Ihrem Schmerze über einen gewissen Punkt einer Täuschung hingegeben, die zu widerlegen ich mir selbst schuldig zu sein glaube, denn auf diesem Punkte beruht eben sowohl meine Zufriedenheit, wie Ihre Ruhe.

„Es scheint mir, Madame, daß die Angaben, welche unter den obwaltenden Verhältnissen die Prüfungen des Mutterherzens erleichtern können, auf Thatsachen begründet sein müssen. Ich habe wenigstens in dieser Absicht und in diesem Sinne die Nachforschungen begonnen, deren Ergebniß ich Ihnen mitgetheilt habe.

„Aber vielleicht glaubt die Seele, wenn sie vom Gefühl überwältigt wird, zu ihrem Unglück an das, was sie fürchtet? Meiner Absicht nach sollte mein Brief zu ganz andern Vermuthungen Anlaß geben, als Sie über die Persönlichkeit der Gattin, welche Ihr Sohn gewählt hat, daraus gezogen haben. Da ich nur solche Dinge mittheilen konnte und wollte, deren ich vollständig gewiß war, habe ich mir selbst ein Urtheil bilden wollen, und habe, wie ich es Ihnen bereits meldete, einen gewandten und zuverlässigen Menschen beauftragt, sich unter irgend einem Vorwande in die Häuslichkeit der jungen Ehegatten Eingang zu verschaffen. Man hat, wie ich bereits die Ehre hatte, Ihnen zu sagen, eine außerordentlich bescheidene, aber wohlgeordnete Wohnung gefunden. Die beiden jungen Leute hatten ein anstandvolles und selbst vornehmes Aeußere; die junge Mutier war von ihren Kindern umgeben, nährte das Jüngstgeborne selbst und schien sich ihren mütterlichen Sorgen ganz hinzugeben. Der junge Mann war voller Höflichkeit, Wohlwollen und Heiterkeit. Da mein Abgesandter den Vorwand gebraucht hatte, sich nach einer Adresse zu erkundigen, ist Ihr Herr Sohn hinuntergegangen, um in der andern Etage bei Herrn Maréchal, der mit Fräulein Lucie Delaborde, der jüngern Schwester von Fräulein Victorie Delaborde verheirathet ist, danach zu fragen, und Herr Maréchal ist sehr gefällig heraufgekommen, um die Adresse zu geben. Herr Maréchal ist ein pensionirter Offizier von sehr vortheilhaftem Aeußern. Mit einem Worte, das Urtheil meines Gesandten, dem Sie vollkommen vertrauen dürfen, ist: daß, wie auch die Vergangenheit der Dame gewesen sein mag, eine Vergangenheit, die mir vollständig fremd ist, jedenfalls ihr gegenwärtiges Leben ein durchaus regelmäßiges ist und eine Gewohnheit der Ordnung und des Anstandes verräth, die nichts Affectirtes besitzt. Ueberdies hatten die beiden Eheleute unter einander jenen Ton sanfter Vertraulichkeit, welcher ein inniges Verständniß voraussetzen läßt, und nach fernern Erkundigungen habe ich mich überzeugt, daß Nichts anzeigt, daß Ihr Sohn die eingegangene Verbindung bereuen müßte.

„Ich irre mich! eines Tages muß er es bitter bereuen, das Herz seiner Mutter gebrochen zu haben. Aber Sie haben selbst gesagt, daß es sein erster, sein einziger Fehltritt ist, und ich habe Grund zu glauben, daß derselbe, obwohl er Ihnen gegenüber von Bedeutung ist, doch einst durch seine Zärtlichkeit und die Ihrige auszugleichen sein wird. Ihrem mütterlichen Herzen kommt es zu, ihn frei zu sprechen und ich würde glücklich sein, wenn ich Ihnen durch die Versicherung einen Trost gäbe, daß der Ton, den man bei ihm gefunden hat, in nichts Ihre traurigen Vorhersagungen rechtfertigt.

„In diesem Geiste bitte ich Sie, Madame, die Versicherung zu empfangen, daß ich bin ec.“

Wie beruhigend dieser freundliche, höfliche Brief auch war, so fuhr meine Großmutter doch fort, sich mit den Beweismitteln zu versehen, durch welche sie die Heirath wieder zu lösen hoffte.

Der Abbé von Andrezel reiste nach Paris, mit allen nöthigen Vollmachten versehen. Dieser Abbé von Andrezel, der seit der Revolution nicht mehr Abbé genannt wurde, war einer der geistreichsten und liebenswürdigsten Männer, die ich je gekannt habe. Er hat, ich weiß nicht genau was, aus dem Griechischen übersetzt und galt für einen Gelehrten; er war Rektor der Universität und während der Restauration wurde er für eine Zeit lang Censor. Uebrigens war er kein leidenschaftlicher Royailist. Er war ein sehr hübscher Bursche gewesen und ich glaube, daß er fortwährend sehr ausschweifend war. Er paßte sich also sehr schlecht zu der ernsten Mission, welche ihm meine Großmutter übertragen hatte. Aber er ging mit großem Eifer zu Werke, denn alle Berichte über die Heirath meines Vaters, welche den Aktenstoß meiner Großmutter bilden, sind an ihn gerichtet und auf sein Verlangen ausgestellt. Aus allen diesen Berichten und Nachweisungen geht hervor, daß die Heirath meines Vaters unauflöslich war, da der Beamte, der sie geschlossen hatte, nach bestem Wissen und Gewissen handelte, und daß alle Protestationen nur zu einer persönlichen Rache gegen diesen Beamten geführt haben würden, ohne die Ehe wieder zu lösen.

Während der Abbé von Andrezel in Paris thätig war und während meine Großmutter ihrem Sohne schrieb, ohne ihre Schmerzen und ihren Zorn auszusprechen, blieb auch mein Vater über seine bedeutendsten Interessen stumm, benachrichtigte sie aber von allen Schritten in Bezug auf seine dienstlichen Verhältnisse.

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