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ZWEITE SZENE

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Raamah und Masch, beide in Beduinenkostümen, jagen einander keulenschwingend über die Bühne und wieder hinaus.

MR. JAY Was war das?

GOLDBERG Die Herren Raamah und Masch haben, Profis, die sie sind, den ganzen Morgen die erste Mordszene probiert.

Raamah und Masch erscheinen wie zuvor.

MR. JAY Noch nicht.

Raamah und Masch bremsen ab, Masch rutscht aus.

MR. JAY Herr Romah, der »Erste Mord« ist erst für zehn Uhr fünfundvierzig angesetzt.

RAAMAH Jetzt ist es elf Uhr dreißig.

MR. JAY Wie die Zeit vergeht.

RAAMAH zu Goldberg Sagen Sie Monsieur de Sade, sein Prügelknabe zieht sich in sein Zelt zurück und ist nur noch über die Gewerkschaft zu sprechen.

MR. JAY Sie werden mir doch keinen Ärger machen, Herr Rimah?

RAAMAH Raamah! Mein Name ist Raamah.

MR. JAY Den Namen müssen Sie sich erst noch verdienen.

RAAMAH Den Ärger haben Sie bereits, Jay, im wildesten pharisäischen Sinn des Wortes.

MR. JAY Geduld ist die Mutter der Weisheit.

RAAMAH Ich bin geduldig seit Tagesanbruch.

MR. JAY Wir hatten ein paar technische Pannen mit dem klimakterischen Computer, Rumah.

RAAMAH Der Mensch ist das Theater, nicht die Technik. zu Goldberg Mit diesem Monomanen arbeite ich nie wieder. Bis ich ihn brauche.

MR. JAY Kennen Sie die Regelungen über Probenverweigerung, Reimah?

RAAMAH Wer verweigert hier was? Masch, Japhet und ich haben die ganze Nacht probiert, bis uns war, als hätte uns ein Wirbelsturm weggefegt. Wir versuchen, diese Produktion davor zu bewahren, der apokalyptische Flop des Jahrhunderts zu werden. Sie sind es, der uns daran hindert, sie zu zeigen, der sich in seiner Eitelkeit weigert, die Tatsache zu akzeptieren, dass Schauspieler keine Dorfdeppen sind. Ihr ganzes Probensystem ist eine Weigerung, überhaupt zu probieren, außer dass Sie gelegentlich bellen »Noch mal von vorn, Jungs, aber mit Gefühl«. Noch mal – was?

MR. JAY Noch mal von Anfang an!

RAAMAH Von allen Aufgaben im Theater ist nichts schwieriger, weil weniger glaubwürdig, als das Sterben, besonders wenn es durch eine Steinzeitkeule zu geschehen hat. Heute Nacht muss mich endlich die Muse geküsst haben. Ich hatte eine Lösung, elegant genug, um dem dümmsten Regisseur zu gefallen, und was tun Sie? Nichts tun Sie! Hocken auf Ihrer vergrößerten Prostata und werden ihr immer ähnlicher.

MR. JAY Na, dann zeigen Sie mal.

RAAMAH Zu spät.

MASCH Der Zug ist abgefahren.

RAAMAH Besetzen Sie mich um.

MASCH Verklagen Sie mich.

MR. JAY Mes enfants du paradis, was soll ich tun? Auf die Knie fallen?

RAAMAH Ja.

MR. JAY auf Knien Demütig sei der Mensch, denn was erwartet uns Sterbliche außer Würmern?

MASCH Sagen Sie schön bitte.

MR. JAY Schön bitte.

RAAMAH Also. Noch einmal von vorn, aber no more Mr. Nice Guy.

Japhet bringt zwei Stühle.

MASCH Ich Abel. Er Kain. zu Mr. Jay Sie mögen Abel. Kain mögen Sie nicht. Deshalb wird Er wütend. Ramaah spielt Wut. Warum ergrimmst du? Und warum verstellt sich deine Gebärde? Die Sünde ruhet vor der Tür.

RAAMAH He, Abel, wie wär’s mit einem kleinen Spaziergang über die Felder?

MASCH Gute Idee.

Sie gehen ein wenig vor sich hin.

Jetzt holt er mit der Keule aus, verfehlt und zertrümmert den Stuhl, um die Realität der Keule deutlich zu machen.

Raamah zertrümmert den Stuhl.

MR. JAY So weit, so gut.

MASCH Jetzt zündet er eine Rauchbombe, aber aus feuerpolizeilichen Gründen spielt Kollege Japhet den Rauch.

RAAMAH Jetzt bringt er, verborgen vom aufsteigenden Rauch, ein Opfer dar.

MASCH Jetzt holt er, verborgen hinter der Rauchwand, noch einmal aus, zerschmettert ein weiteres Möbel, und alle glauben, er habe mich erschlagen.

MR. JAY Nicht übel.

Raamah holt hinter der »Rauchwand« aus, ein fürchterliches Krachen, dann Stille.

MR. JAY »Wo ist dein Bruder Abel?«

RAAMAH »Ich weiß es nicht. Soll ich meines Bruders Hüter sein?«

MR. JAY »Was hast du getan? Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zu mir.«

Masch liegt in einer Blutlache.

GOLDBERG Das erste Blut.

MR. JAY malt Raamah das Kainsmal auf die Stirn »Verflucht seist du auf der Erde, die ihr Maul hat aufgetan und deines Bruders Blut von deinen Händen empfangen. Unstet und flüchtig sollst du sein auf Erden.« Wie geht es Ihnen, Herr Masch?

MASCH Ich glaube, wir brauchen noch ein paar Proben.

RAAMAH Du hast dich nicht schnell genug geduckt.

MR. JAY Schafft ihn raus und macht eine Pause.

Raamah bringt Masch hinaus.

RAAMAH Wollen Sie nicht wenigstens Danke sagen?

MR. JAY Raamah, weder in der Liebe noch im Theater sagt man Danke oder Verzeihung. Unsere Siege und unsere Niederlagen verstehen sich von selbst.

RAAMAH Sie müssen immer das letzte Wort haben.

MR. JAY Und das erste. zu Goldberg Er ist ein guter Schauspieler, und das war’s. Japhet macht einen Schritt auf ihn zu. Ich meinte nicht Sie, Herr Japhet, Sie sind ohne Zweifel die beste Rauchbombe im Showgeschäft.

JAPHET Nein, Sir, ich bin nicht hoch genug gestiegen.

MR. JAY Ah, die göttliche Unzufriedenheit des Künstlers.

JAPHET Meine Frau ist durchgebrannt, ans Meer mit dem schwarzen Requisiteur. Hat meinen Teddy mitgenommen und einen Zettel auf dem Küchentisch gelassen: »Kopf hoch, Japhet, Onanieren erweicht dir nicht das Hirn!«

GOLDBERG Enthaltsamkeit ist gut für die Kirche und gut für’s Theater.

MR. JAY Goldberg, dein Fundamentalismus macht mir Gänsehaut.

JAPHET Danke für die tröstlichen Worte, Mr. Jay. ab

MR. JAY Mein Lieblingsschauspieler. Wie heißt er?

Goldberg-Variationen

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