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I.
ОглавлениеGreyville House, Juli 1899
Lady Georgina Grey sprang aus ihrem Sessel auf und folgte den eindeutigen Geräuschen, die aus dem Schlafzimmer ihres Ehemannes drangen. Dieser ging augenscheinlich davon aus, dass sich seine Frau auf ihrem täglichen Ausritt befand. Er konnte nicht wissen, dass Lady Grey sich heute nicht in der Verfassung fühlte, ihr Pferd zu besteigen. Ihr Körper war übersät von blauen Flecken und ihre Stimmung so melancholisch, dass sie sich ihr Frühstück heute Morgen in ihr Schlafzimmer hatte bringen lassen. Auf keinen Fall wollte sie ihrem Mann begegnen.
Der Gedanke an die Szenen, die sich am gestrigen Abend im Salon abgespielt hatten, ließen sie immer noch erschauern. Zunächst hatte sie wie jeden Abend gemeinsam mit ihrem Mann, Lord Richard Grey, das Dinner eingenommen. Wie immer verlief die Mahlzeit zunächst schweigend ab. Georgina hatte mit leichtem Ekel registriert, dass Richard sich wieder einmal mehrere Gläser Whiskey genehmigt hatte, bevor er sich zu ihr ins Esszimmer gesellte.
Irgendetwas lag in der Luft. Georgina hätte es nicht benennen können, aber sie wusste instinktiv, dass etwas nicht stimmte.
Beiläufig erkundigte sie sich: „Du hattest Besuch? Ich meine, Lord Andrews in deinem Salon gesehen zu haben.“
Georgina konnte diesen aufgeblasenen Aristokraten nicht leiden. Er schaute sie immer herblassend von oben an und scheute sich nicht, gemeinsam mit ihrem Mann in ihrer Anwesenheit schlechte Witze auf ihre Kosten zu machen. Regelmäßig fühlte sie sich erniedrigt und gedemütigt, wenn dieser Mann nach ausgiebigen Trinkgelagen mit Lord Grey das Anwesen verließ.
Zudem vermutete sie, dass Andrews ihren Mann zu Dingen überreden wollte, über die sie nicht einmal nachdenken wollte. Sie hatte bereits mehrfach ihre Dienstmädchen Megan und Claire belauscht, die hinter vorgehaltener Hand darüber tuschelten, dass Lord Andrews ausschließlich junge, hübsche Mädchen zwischen 16 und 20 Jahren bei sich arbeiten ließ. Diese mussten ihm gefügig sein und sich seine widernatürlichen Vorlieben und Praktiken gefallen lassen. Georgina traute Andrews durchaus zu, dass dieser vor ihrem Mann mit seinen „Eroberungen“ prahlte.
Anscheinend lag sie damit richtig, denn Richard antwortete bissig:
„Das hast du richtig beobachtet, meine Liebe. Er erkundigte sich übrigens nach dir und wollte wissen, wann denn endlich mit Nachwuchs zu rechnen sein. Schließlich seien wir schon zwei Jahre lang verheiratet.“ Lauernd sah Richard sie an und fuhr fort:
„Ich konnte ihm selbstverständlich nicht erzählen, dass meine eigene Frau sich mir verweigert.“
Georgina wurde blass. Bisher hatte Richard ihr keine offenen Vorwürfe gemacht, weil sie seit mehreren Monaten seinem Bett fern geblieben war. Meist hatte sie Unwohlsein oder Kopfschmerzen vorgetäuscht, um nicht mit Richard den Akt vollziehen zu müssen. Lord Grey war kein unattraktiver Mann, trotzdem hatte sie ihn nur widerwillig geheiratet, als ihre Eltern sie dazu gedrängt hatten. Sie entstammte aus einem alten englischen Adelsgeschlecht, welches jedoch schon seit mehr als 50 Jahren verarmt war. Ihr Vater war unendlich erleichtert gewesen, als der reiche Lord Grey um die Hand seiner Tochter angehalten hatte und ihr klar gemacht, dass sie in ihrem Elternhaus nicht mehr willkommen sein würde, hätte sie den Heiratsantrag abgelehnt. So war Georgina zwei Jahre zuvor ihrem frisch angetrauten Ehemann auf seinen Landsitz gefolgt und hatte versucht, sich in dem großen Haus zurechtzufinden. Greyville House war umgeben von riesigen, parkähnlichen Grünflächen und verfügte über mehr als 30 verschiedene Zimmer, großzügige Stallungen und eine große Schar fleißiger Hausangestellter. Eine von ihnen schien besonders fleißig und ehrgeizig zu sein. Lizzie Evans war erst 25 Jahre alt, hatte es aber bereits zur Haushälterin gebracht. Georgina erfuhr auch bald, warum: Lizzie hatte mit 17 Jahren als Dienstmädchen im Haushalt des Lords angefangen und diesen schnell von ihren Talenten überzeugt. Anscheinend machte sie ihre Sache gut, denn in ihrer Anwesenheit verhielt sich Richard stets wie ein zufriedener Kater, der gerade eine Maus erbeutet hatte. Lizzie sorgte dafür, dass der Lord seine männlichen Bedürfnisse befriedigen konnte und ersparte Georgina dadurch, ihrem fast dreißig Jahre älteren Ehemann öfter als vielleicht alle paar Wochen einmal in seinem Schlafzimmer aufsuchen zu müssen.
Anfangs hatte sie noch Eifersucht verspürt, allerdings nicht, weil Lizzie mit ihrem Mann das Bett teilte, sondern eher, weil dieser seine Geliebte weitaus zuvorkommender behandelte als seine Ehefrau. Lizzie erhielt Aufmerksamkeiten in Form von schönen Kleidern, manchmal sogar Schmuck. Georgina hingegen hielt er auf Distanz und nahm kaum Notiz von ihr. Das hatte auch Vorteile, denn sie konnte sich frei überall bewegen und wurde nicht weiter von ihm behelligt.
Doch anscheinend würde dieses stillschweigende Vereinbarung nicht mehr länger funktionieren. Richard erhob sich jetzt und trat auf sie zu. Er zwang sie, sich ebenfalls zu erheben und drängte sie gegen die Wand. Sein Leib presste sich an sie und Georgina spürte, dass er erregt war. „Komm schon, mein süßes Täubchen, sei ein wenig lieb zu mir.“ Sie spürte Richards Hände an ihren Brüsten und roch seinen alkoholschwangeren Atem. Instinktiv drehte sie ihren Kopf zur Seite und versuchte, seinen Lippen auszuweichen.
Richard wurde wütend. „Du verdammte kleine Hure! Ich habe dir alles geboten und dich aus deinem stinkenden Loch geholt, in dem deine Eltern mit ihren Bälgern hausen und du wagst es, dich mir zu widersetzen?“
Georgina bekam Panik und versuchte, sich aus dem festen Griff ihres Ehemannes zu befreien. Doch der packte sie noch fester und drehte sie um. Mit einem Ruck schob er ihr Kleid nach oben und befreite seinen harten Prengel aus seiner Hose. Ein lauter Seufzer entfuhr ihm, als er in sie hinein stieß. Je mehr Georgina sich wehrte, desto mehr Gefallen schien Richard daran zu haben, sie sich gefügig zu machen. Es dauerte nur wenige Minuten, bis er sich unter lautem Stöhnen in sie ergoss. Er lockerte seinen Griff ein wenig und Georgina nutzte diesen Moment, um sich loszureißen und aus dem Zimmer zu stürmen. Ihr ganzer Körper schmerzte, aber schlimmer noch waren die Spuren, welche dieses Behandlung in ihrer Seele hinterlassen hatte. Sie wusste nicht, was schlimmer war: die Erniedrigung oder das Gefühl von unüberwindbarer Hilflosigkeit, dass sie jetzt beschlich.