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Оглавление„Ein unmoralischer Gentleman“
London, Mai 1894
Thomas of Lancaster saß an dem kleinen, aber kostbar verzierten Schreibtisch in seinem Arbeitszimmer und öffnete zögernd den Brief, den er bereits eine halbe Stunde lang in der Hand hielt. Er hatte die saubere Handschrift sofort erkannt, noch bevor er einen Blick auf den Absender werfen musste. Sein Vater schrieb schwungvoll und auf eine so energische Art und Weise wie niemand sonst.
Seufzend faltete Thomas das auf kostbarem Briefpapier verfasste Schreiben auseinander und begann zu lesen.
Cornwall, Mai 1894
Mein Sohn,
seit mehr als sechs Monaten habe ich nichts von Dir persönlich gehört. Wenn ich schreibe „nicht von Dir persönlich“, so bedeutet dies nicht, dass ich gar keine Dich betreffende Neuigkeiten vernommen habe. Leider geben diese Anlass zur Beunruhigung. Dein Lebenswandel scheint mehr als unpassend für einen englischen Aristokraten zu sein, dessen Stammbaum sich bis in das 12. Jahrhundert zurückverfolgen lässt.
Ich erachte es daher für dringend notwendig, ein Gespräch über Deine Zukunft und deine Stellung in der Gesellschaft zu führen. Ich erwarte Dich spätestens in einem Monat hier auf Gosford Manor.
Solltest Du meiner Bitte nicht nachkommen, so sehe ich mich dazu gezwungen, im Hinblick auf die finanziellen Zuwendungen, die Du derzeit genießt, Einschränkungen zu veranlassen.
Hochachtungsvoll,
Andrew William Norland,
XIII. Earl of Lancaster
Thomas legte den Brief zur Seite und starrte aus dem Fenster. Er konnte sich schon denken, was passiert war. Seit Vater hatte irgendwelche Spitzel geschickt, die ihn hier in London beobachten sollten. Zunächst war Tom noch vorsichtig gewesen und hatte darauf geachtet, dass in den einschlägigen Etablissements, die er aufsuchte, nichts von seiner wahren Identität bekannt wurde.
Er stellte sich als Tom Bingley vor und gab an, mit dem Handel von Stahl sein Geld zu verdienen. Anscheinend war diese Tarnung jedoch nicht sehr erfolgreich gewesen.
„Schlechte Nachrichten, Tom?“
Thomas fuhr herum und starrte den jungen blonden Mann an, der soeben sein Arbeitszimmer betreten hatte. Simon trug lediglich ein weißes, langes Hemd, welches ihm etwa bis zum Oberschenkel reichte. Seine Haare waren zerzaust und er lächelte verschmitzt, als er nun näher trat.
Tom antwortete achselzuckend:
„Naja. Mein Vater will mir den Geldhahn zudrehen, weil er von meinem unangemessenen „Lebenswandel“ gehört hat.“
„Dein unangemessener Lebenswandel also? Wie kommt er denn nur darauf?“
Simon schlenderte näher und ließ dabei wie zufällig sein Hemd von den Schultern gleiten. Betont langsam kniete er sich vor Tom nieder und begann, dessen Oberschenkel mit gekonnten Bewegungen sanft zu massieren. Der Sohn des Earl of Lancaster seufzte kehlig und Simon spürte, wie sich heiße Erregung in seinen eigenen Lenden ausbreitete. Mit einer fließenden Bewegung befreite er Tom von seiner feinen Stoffhose und genoss den Anblick des harten, voluminösen Schwanzes, der sich ihm entgegen zu recken schien.
Tom starrte gebannt auf Simon und wünschte sich nichts sehnlicher, als von dessen sinnlich geschwungenen Lippen liebkost zu werden. Als sich Simons Mund dann tatsächlich öffnete, um den harten, geschwollenen Schaft aufzunehmen, schloss Tom die Augen und keuchte laut auf.
Plötzlich hielt Simon inne.
„Soll ich weitermachen mit diesen widernatürlichen Praktiken, Tom? Willst du, dass ich es dir besorge?“
Toms Erregung stieg ins Unermessliche. Er liebte diese Spielchen um Macht und Hingabe und verlor regelmäßig die Kontrolle über seinen Körper, wenn Simon damit anfing. Auf den ersten Blick schien es vielleicht so, als ob Tom den dominanten Part übernahm, doch eigentlich war es genau anders herum. Simon benahm sich nur scheinbar unterwürfig, im Grunde bestimmte er die Spielregeln ihres intimen Zusammenlebens. Seine Zunge umkreiste jetzt die Spitze von Toms Schaft, während seine Hände sanft dessen Hoden kraulten. Als Tom dann noch spürte, wie sich ein flinker Finger seinen Weg zu der Öffnung seines Anus bahnte, war es um ihn geschehen. Er bäumte sich heftig auf und ergoss sich in Simons Mund. Dieser schloss die Augen und leckte anschließend gierig jeden einzelnen Tropfen von Toms immer noch steifem Glied.
„Darf ich mich bei Ihnen für Ihre Güte erkenntlich zeigen, Mr. Westville?“
Simon grinste, gähnte herzhaft und sah sich dann nach seinem Hemd um.
„Ich werde später darauf zurückkommen. Erzähl mir erst einmal von dem Problem mit deinem Vater.“
Tom schnaubte, reichte Simon dann aber den Brief und richtete seine Kleidung.
Fragend sah Simon ihn an.
„Meinst du, er weiß von uns?“ Tom schüttelte den Kopf.
„Ich glaube nicht, dass er konkrete Informationen darüber hat, mit wem ich mein Bett teile. Aber ich bin ziemlich sicher, dass er langsam ahnt, dass ich hier nicht gerade meine Zeit damit verbringe, nach einer passenden Braut Ausschau zu halten, mit der ich seine Enkelkinder zeugen könnte. Im Grunde haben wir uns kaum gesehen, seit ich mein Studium in Oxford beendet habe – und das war vor drei Jahren.“
„Und jetzt wird er langsam ungeduldig nehme ich an?“
Tom nickte.
„Ich habe nicht gerade bescheiden gelebt. Mein Vater ist reich, aber er gehört zu den Menschen, die trotzdem wenig luxuriös leben und für Extravaganzen jeglicher Art kein Verständnis aufbringen. Sehr viel Wert hingegen legt er auf seinen guten Ruf und den seiner Kinder, besonders, seitdem meine jüngere Schwester mit einem Offizier durchgebrannt ist.“
„Und was hast du jetzt vor?“, fragte Simon und streichelte sanft über Toms Oberarm.
„Mir wird nichts anderes übrig bleiben, als Gosford Manor einen Besuch abzustatten. Ich werde ihn vertrösten und ihn davon überzeugen, dass an den Gerüchten um meine Person nichts dran ist. Schließlich ist mein Lebenswandel untadelig, findest du nicht auch?“
Toms Hände legten sich wie selbstverständlich auf Simons Hinterteil. Der ließ ihn gewähren und grinste.
„Dann wünsche ich dir viel Erfolg. Solltest du scheitern, ist es vorbei mit den romantischen Reisen nach Frankreich und Italien und du müsstest dir tatsächlich eine Anstellung suchen. Das wäre schwer für einen Menschen wie dich, der das gepflegte Nichtstun zur Kunstform perfektioniert hat.“
Simon hatte nicht ganz unrecht. Sein ganzes Leben lang hatte Tom nur das getan, was im Spaß machte. Er besuchte die besten Schulen und konnte seinen Vater schließlich sogar davon überzeugen, studieren zu dürfen. Seine Neigungen hatte er nie versteckt, allerdings gehörte er nicht zu den Männern, denen man ihre Homosexualität sofort anmerkte. Natürlich war dergleichen strafbar, zu einer Verurteilung kam es jedoch selten. Einen Fall, in dem ein Adeliger als Sodomit verurteilt wurde, war ihm nicht bekannt.
Dass er Männer bevorzugte, wusste Tom bereits seit seinem fünfzehnten Lebensjahr. Er war ein gut aussehender Junge gewesen und konnte sich vor den Avancen der halbwüchsigen Töchter in der Nachbarschaft kaum retten. Diese bekam er jedoch selten zu Gesicht, da er die meiste Zeit des Jahres in einem Internat für adelige Söhne verbrachte. Dort machte er dann auch seine ersten sexuellen Erfahrungen. Zu gut erinnerte er sich an Mr. Tanner, seinen Lehrer für Geschichte und Geografie. Er hatte sich in jeder Hinsicht als guter Lehrmeister erwiesen und Tom genoss die heimlichen Treffen mit ihm.
Als Mr. Tanner an eine andere Schule versetzt wurde, war Tom zunächst untröstlich gewesen. Dann jedoch hatte er Steven kennengelernt. Der muskulöse, hoch gewachsene Junge stammte aus einer besonders reichen Familie und behandelte die anderen Jungen wie sein persönliches Hauspersonal. Ständig prahlte er mit seinen Eroberungen und bald hatte Steven eine große Anhängerschaft um sich gescharrt, die ihm jeden Wunsch von den Augen ablas.
Tom jedoch ließ sich nicht täuschen. Eines Abends folgte er Steven in die Waschräume und beobachtete ihn dort zunächst eine Weile aufmerksam. Seine Schultern waren breit, die Hüften schmal und unter der alabasterfarbenen Haut zeichneten sich zahlreiche Muskelstränge ab. Tom konnte sich kaum lösen von diesem Anblick und er spürte, wie sich sein Schwanz vor Verlangen zusammenzog. Er musste es einfach riskieren, koste es, was wolle.
Er schlich sich langsam von hinten an Steven heran, der vor der Waschschüssel stand, und umfasste dessen Hüften.
Steven zuckte zusammen und versuchte sich umzudrehen, doch Tom bewegte sich keinen Zentimeter und ließ den anderen Jungen seine harte Erektion spüren.
„Lancaster, du Sodomit, lass deine dreckigen Finger bei dir. Ich … ich bin nicht so einer!“
„So, bist du nicht? Warum ist dein Schwanz dann hart wie eine Eisenstange?“
Tom begann, Stevens steifes Glied mit rhythmischen Bewegungen zu bearbeiten und dieser wehrte sich nicht. Im Gegenteil, Steven stieß eindeutige Laute aus, die auf seine Erregung schließen ließen. Plötzlich hielt Tom abrupt mitten in der Bewegung inne.
„Nun, ich möchte dich nicht für die Damenwelt verderben.“
Scheinbar gelangweilt wandte er sich ab und steuerte auf die Tür zu.
„Warte!“
Mit einem triumphierenden Lächeln auf den Lippen drehte Tom sich langsam um. Er wusste, dass er gewonnen hatte!
„Ja?“
„Bleib hier und zeig mir, wie es geht.“
„Aber gerne doch, Steven. Du wirst es sicher nicht bereuen.“
Nachdem er Stevens harten Prügel mit seinen Lippen und mit seiner Zunge befriedigt hatte, drehte er ihn um und führte langsam erst einen Finger, dann zwei und schließlich seinen Schaft in ihn ein. Dieses himmlische Gefühl würde er nie vergessen. Mr. Tanner hatte auf diese Art der Vereinigung verzichtet, ihm jedoch erklärt, wie sie funktionierte und was dabei beachtet werden musste, um seinem Liebhaber keine unnötigen Schmerzen zuzufügen. Tom hatte sich alles genau eingeprägt und genoss nun jede Sekunde, jeden Stoß so intensiv wie möglich. Schließlich entlud er sich mit zuckenden Bewegungen auf Stevens Hinterteil.
Dieser ersten intimen Begegnung folgten zahlreiche weitere, die Notwendigkeit höchster Geheimhaltung steigerte ihre sexuelle Lust ins unermessliche. Trotzdem wussten beide, dass ihre gemeinsame Zeit nicht von langer Dauer sein würde, denn die Examina standen kurz bevor. Tom nahm es gelassen, Steven hingegen versuchte vergeblich seinen Vater davon zu überzeugen, wie Tom in Oxford studieren zu dürfen. Bei ihrem letzten Treffen vergoss er bittere Tränen, die auch Tom nicht kalt ließen.
Trotzdem hatte er Steven bald vergessen, denn das Studentenleben mit all seinen Freiheiten und Möglichkeiten übte einen unwiderstehlichen Reiz auf Tom und seine Vorliebe für gefährliche Abenteuer aller Art aus.
„Träumst du?“
Simons Worte holten Tom unwillkürlich in die Gegenwart zurück und erinnerten ihn daran, dass er sich einen guten Plan zurechtlegen musste, wenn er sein unbeschwertes Leben beibehalten wollte. Sein Vater war ein geduldiger Mensch, wenn dieser sich dazu hinreißen ließ, einen derart ernsten Brief zu verfassen, so verhieß das nichts Gutes. Er musste sich also schnell etwas einfallen lassen.