Читать книгу Gedanken in einer (w)irren Zeit - Gerald Ehegartner - Страница 22
ОглавлениеLachen ist die beste Medizin – auch in der Schule!
Wie viel hatten Sie in Ihrer Schulzeit zu lachen? Gab es Lehrer/innen, die Sie regelmäßig zum Lachen brachten, bei denen der Lehrstoff humorvoll aufbereitet wurde?
Woran liegt es, dass Schule von vielen so tierisch ernst genommen wird?
Nimmt sich das System Schule vielleicht ein wenig zu ernst? Die Bezeichnung Schule kommt vom griechischen Wort Schola und bedeutet interessanterweise Nichtstun, Müßiggang, freie Zeit. Vielleicht sollten wir uns gerade in der dunkelsten Zeit des Jahres diesen Aspekt vor Augen führen und nicht in die Falle tappen, alles Mögliche noch schnell vor Weihnachten und Neujahr erledigen zu wollen.
Gerade jetzt, wo alle Lebewesen außer dem Menschen leiser treten, laufen wir Gefahr, nochmals so richtig durchzustarten. Aber fahren viele von uns nicht schon zu lange im „roten Bereich“? Kann dies natürlich und gesund sein, ständig hochtourig unterwegs zu sein? Gönnen wir uns doch die Zeit, wirklich ein wenig leiser zu treten – auch an den Schulen! Entdecken wir wieder die menschliche Wärme, während es draußen kälter und dunkler geworden ist!
Ein ganzes Jahr Vollgas zu fahren – das geht an die Ressourcen unseres Körpers,
unserer Psyche – aber auch an die Ressourcen unseres Planeten. Sich zurückzulehnen, die Sorgen und Ängste einmal abzustellen und kräftig durchzuatmen – wer bräuchte das nicht in einer von Menschen geschaffenen Welt, die sich wie eine große Maschine das Leben des Planeten einverleibt?
Das Leben zu genießen, sich mit Freunden zu treffen – und wieder mal herzlich zu lachen: Wer hat nicht Sehnsucht danach? Während uns das Leben hetzt, die negativen Nachrichten uns noch den Rest geben, haben viele von uns die beste Medizin verloren: das Lachen.
Aber das Lachen braucht einen fruchtbaren Boden – es kann sich nur dort spontan entfalten, wo auch Leben ist. Inmitten der täglichen Hetze geht der Sinn für Humor und der Klang des Lachens verloren.
Lebendigkeit wird durch Geschwindigkeit eingetauscht und sogar mit ihr verwechselt.
Der Begriff Lernen bezieht sich auf das germanische Wort laisti, was so viel wie Fährte, einer Spur folgen bedeutet.
Um einer Spur zu folgen, benötigt es aber Zeit und Konzentration. Um dem Leben selbst auf der Spur zu sein, bedarf es wohl einer Zeitlosigkeit, die uns nur in der Gegenwart begegnet.
Also, entspannen wir uns und tauchen wir ein in eine ewig neue Gegenwart. Dabei könnte vielen von uns helfen, das Smartphone wegzulegen, den Computer auszuschalten und einen Spaziergang in der Natur zu wagen.
Das Tempo der Informationsgesellschaft nimmt viele von uns gefangen, die Zeit scheint eine immer knappere Ressource zu sein.
Wenn wir aber aus einer Welt der Ressourcenausbeutung aussteigen und in eine neue Welt der Potentialentfaltung eintreten wollen, dann sind wir auch aufgefordert, das Tempo zu zügeln. Wir leben in einer immer schneller getakteten Welt, die die natürlichen Rhythmen negiert.
Jeder von uns besitzt seinen eigenen Rhythmus.
Wagen wir doch wieder mal ein Tänzchen zu diesem, anstatt mit der immer schnelleren Taktung einer künstlichen Welt marschierend Schritt halten zu wollen. Und gerade in unsicheren Zeiten marschieren viele allzu gerne im Gleichschritt mit der Herde der Unbewussten. Wir aber könnten tanzen. Gerade, wenn alles auf wackeligen Füßen steht, ist es der Tanz des Lebens, der uns trägt – und nicht der Marsch des Todes.
Zu tanzen bedeutet aber auch, die Geleise eines vorbestimmten Lebens zu verlassen und verrückt zu leben. Verrücktheit ist ein wunderbarer Hebel, um wieder lebendig zu werden. Eine gesunde Verrücktheit verleitet uns dazu, vom Kopf ins Herz zu springen – den Kopfsprung ins Herz zu wagen.
In dieser Freiheit werden wir wieder unserem Lachen und unserer Lebendigkeit begegnen.
Nehmen wir uns also die Zeit für unser Menschsein – ob alleine oder mit Freunden. Vielleicht laden wir dabei auch eine besonders wohlriechende Fee ein: die Ka-Fee.
Möge es uns gelingen, aus dieser Zeit des Trubels auszusteigen und durchzuatmen. Während andere ihren Terminen hinterherjagen und ewig lange Listen abarbeiten, lehnen wir uns zurück und nehmen uns Zeit für Humor und Lachen. Sollte dies auch an der Schule gelingen, dann leben wir Schola im wahrsten Sinn des Wortes.
Selbstwert und Schule
Wie würde die Welt wohl aussehen, könnte jedes Kind mit einem großen Selbstwert die Schule verlassen?
Ich schreibe dies als Lehrer – und ich frage mich oft, welche Hebel die Schule eigentlich betätigen sollte, um die Gesellschaft als Ganzes in eine positive Richtung zu fokussieren.
Wäre es zum Beispiel nicht wichtiger, jedem Kind seinen ureigensten Wert erlebbar zu machen, als alle möglichen Kompetenzen innerhalb von wenigen Jahren abzufragen?
Ehrlich – mich nervt der Kompetenzkatalog, der langsam, aber sicher die Schulen in automatisierte Fabriken zu verwandeln droht. Es ist mir so was von sonnenklar, dass wir hiermit ein Instrument in Händen halten, das die Schüler vermessen und in den Markt einbinden möchte. So vermiest man ihnen letztendlich auch das Lernen.
Der Begriff Kompetenz wurde in der Wirtschaftswelt der 50er Jahre geboren,
um einen reibungslosen Unternehmensablauf zu beschreiben. Es darf einen nicht verwundern, dass in Zeiten des Neoliberalismus nun genau jener Begriff auch in der Schulwelt um sich greift. Mehr denn je vermessen und verpacken wir unsere Kinder für eine globale Kapitalismus-Maschine, die auf bodenlose Gier programmiert ist.
Wir machen sie zusehends zu Objekten – jedoch diesmal alles gut wissenschaftlich und pädagogisch korrekt getarnt, vielleicht auch noch mit coolen und lässigen Anglizismen beschrieben.
Die Lehrer werden in diesem Prozess auch schrittweise entmündigt.
Dieser Vorgang ist schleichend und nicht immer sofort erkennbar.
Wollen wir aber starke Persönlichkeiten, die ihren eigenen Wert erkennen – dann „müssen“ wir die Kinder als Subjekte sehen. Also, das glatte Gegenteil dessen, worauf das System Schule hinaus will (auch wenn bei Sonntagsreden mit großen Worten anderes behauptet wird).
Wollen wir die Größe der Kinder sehen können, dann sind wir geradezu verpflichtet, unsere eigene Größe anzunehmen. Damit meine ich nicht das kleine Ego, das ganz groß rauskommen will, sondern unsere wahre Größe. Und diese kann niemals zur Ware werden. Die eigene Größe anzunehmen ist ein Akt der Selbstliebe. Wir beginnen, uns in Demut selbst zu feiern.
Ich träume von einer Welt, in der wir die Ressourcen der Kinder nicht mehr ausbeuten –
sondern zu deren Potentialentfaltung beitragen. Das verlangt einen Wandel vom vermessenen und gehandelten Objekt hin zum Subjekt. Und dieses ist unantastbar für dieses Habenwollen, so wie die Würde eines jeden Menschen unantastbar ist. Es ist die Entwicklung vom Haben zum Sein, um es in den Worten von Erich Fromm auszudrücken.
Wir schreiten von der „Verdinglichung“ hin zum „Wesentlichen“ und Lebendigen.
Nicht umsonst hat Gerald Hüther die Würde als einen inneren Kompass beschrieben, der durch das Dickicht einer „verführenden“ Objekt-Welt führt.
„Lebe nie unter deiner Würde“, ruft Old Man Coyote der Hauptperson Noah in meinem Buch „Kopfsprung ins Herz – Als Old Man Coyote das Schulsystem sprengte“ zu – und zitiert dabei Papst Leo, den Großen.
Ja, leben wir am besten nie unter unserer Würde und stellen wir unser Licht nicht unter den Scheffel. Denn dann öffnet sich unser Herz – und mit unserem Licht sehen wir das Licht, die Größe und Würde unseres Gegenübers. Letztendlich merken wir auch, dass es ein- und dasselbe Licht ist. Und als Lehrer unter-richten wir dann nicht mehr, sondern richten auf.