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MEETINGS MIT BURGERN

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Mit dieser Einsicht wuchs der Handlungsdruck, den ich mir selbst auferlegte. Deshalb flog ich nach der Konferenz in Las Vegas nach San Francisco, um einige Termine wahrzunehmen. Sie sollten mir helfen, eine für mich fundamentale Frage zu beantworten: Was genau konnte und musste ich tun, um zu den Gewinnern der digitalen Revolution zu gehören?

Als erstes traf ich einen 22 Jahre alten Start-up-Unternehmer, den ich über eine Networking-Plattform kontaktiert hatte. »Ich bin europäischer Unternehmer und Investor«, hatte ich ihm geschrieben. »Hast du Zeit für ein kurzes Treffen?«

»Kein Problem«, hatte er geantwortet.

Wir trafen uns, seinem Wunsch gemäß, in Pacific Heights in einem der namenlosen Fast-Food-Restaurants, von denen es Tausende in den USA gibt. Vermutlich hatte er Pacific Heights deshalb als Treffpunkt gewählt, weil er hier lebt, dachte ich. Es war ein Stadtviertel der so genannten young urban professionals, mit Panoramaaussicht auf die Golden Gate Bridge, die San Francisco Bay, auf Alcatraz und das Presidio, und er lebte hier nicht, weil es ihm seine Eltern ermöglichten, wie ich aus seinem Lebenslauf wusste. Er kam zu unserem Treffen in Flip-Flops und einer zu weiten Trainingshose. Der Eindruck, den er äußerlich machte, war ihm offensichtlich egal. Wie konnte dieser Junge so erfolgreich sein? Er hatte bisher drei Unternehmen gegründet und eines davon für mehrere Millionen Dollar verkauft. Selbst wenn ich das Gefühl hatte, mit einem halben Kind zu sprechen, war es angebracht, ihm sehr genau zuzuhören.

Ich fragte ihn, ob er etwas über die digitale Wirtschaft herausgefunden habe, das er für besonders wichtig hielt. Er dachte nach, während er mit einem Strohhalm an seiner Cola nuckelte. Dann sagte er einen Satz, der sich bei der Konferenz in Las Vegas ebenfalls gut auf der großen Wand gemacht hätte.

Dein Projekt muss einen tieferen Sinn haben.

Du musst einen Wert stiften. Die Leute mit irgendwelchem Bullshit dranzukriegen, funktioniert nicht.

»Und sonst?«, fragte ich.

Er zuckte mit den Schultern. »Dann kommt nur noch eine Sache dazu«, antwortete er. Dabei schob er sein Tablett weg. Besprechungen, die länger als eine Fast-Food-Mahlzeit dauerten, schien er für überflüssig zu halten. Er stützte die Arme auf den Tisch, um sich zu erheben, und sah mir dabei in die Augen. Sein nächster Satz war ebenfalls einer von Allgemeingültigkeit in der digitalen Wirtschaft.

Dein Projekt muss einfach zu verstehen und einfach zu bedienen sein.

Danach entschuldigte er sich. »Ich habe um zehn eine Telefonkonferenz mit dem Finanzvorstand von Emirates Airlines«, sagte er.

Etwas verdutzt blieb ich in der fettgeschwängerten Luft des Restaurants zurück. Nicht schlecht, dachte ich. Ich hatte meine Studien in Harvard mit Magna Cum Laude abgeschlossen, aber das half mir jetzt nichts. Ich würde von jetzt an von Menschen lernen müssen, die vielleicht gar nicht studiert hatten und dennoch besser als ich wussten, wie die Zukunft funktionieren würde. Ich hatte das schon vermutet und es war in Ordnung für mich, trotzdem musste ich mich jetzt noch einmal damit abfinden.

Als Nächstes stand ein Termin bei einer auf Start-ups konzentrierten Investmentfirma in meinem Kalender. Ihr Büro lag in Menlo Park, einer Stadt im Silicon Valley, in der auch einige der weltgrößten Unternehmen dieser Branche ihre Niederlassungen hatten.

Das Geschäftsmodell dieses Wirtschaftszweiges besteht aus einer Mischung aus hohem Risiko und hohen Gewinnen im Erfolgsfall. Es erfordert Marktkenntnis, ein gutes Gefühl für Menschen und einen sicheren Instinkt. Es ist deshalb naheliegend, dass sich solche Investmentfirmen dort niederlassen, wo es viele Start-ups gibt.

Als das Navi des Cabrios, das ich gemietet hatte, angab, ich hätte mein Ziel erreicht, sah ich mich um. Ich befand mich vor einem glanzlosen Gebäudekomplex, in dem sich in Europa drittklassige Anwälte, preisgünstige Steuerberater oder namenlose Import-Export-Firmen eingemietet hätten, aber ganz bestimmt keine schillernde Investmentfirma mit einem Milliardenbudget.

Auf dem Parkplatz davor war mein 300 PS starker, silbergrauer Mustang schon ein Glanzstück, obwohl Mustangs in den USA auch mit dieser Motorisierung alltäglich sind. Vor dem Gebäude standen Toyotas, Hondas, Hyundais und Nissans, alles, nur nicht die teuren Limousinen und Sportwagen, die ich erwartet hatte. Ein Tesla war der einzige Lichtblick auf diesem Parkplatz.

Etwas konnte nicht stimmen, dachte ich. Ich befand mich in der Sand Hill Road, jener legendären Straße, in die jeder Unternehmer des Silicon Valley fährt, wenn er Geld braucht. In dieser Straße hatten laut meinen Recherchen mehr als 30 der größten Venture-Capital-Fonds und Private-Equity-Firmen Niederlassungen, darunter Kohlberg, Kravis & Roberts, eine der größten Buyout-Firmen der Welt, die eigentlich für ihren Prunk und Pomp bekannt war. In ihrer New Yorker Niederlassung gab es firmeneigene Floristen, Köche und Piloten.

Ich stieg aus, schlenderte ein wenig die Straße entlang und sah mir die Türschilder an. Draper Fisher Jurvetson, Khosla Ventures, Kleiner Perkins oder Silicon Valley Bank stand dort, alles klingende Namen in der Venture-Capital-Branche. Ich war richtig hier. Nicht mein Navi hatte sich geirrt, sondern meine Erwartungshaltung war falsch gewesen. Prunk und Pomp passten offenbar nicht in diese Stadt, in der gerade die digitale Zukunft der Welt begann.

Hier entwickelten Ingenieure das selbstfahrende Auto, doch die Straßen vor ihren Büros und Forschungslabors hatten Schlaglöcher. Hier arbeitete Elon Musk, unter anderem Eigentümer von Tesla und des privaten Raumfahrtunternehmens Space X, an einer Revolution des Schienenverkehrs, mit der er Menschen in Kapseln 1.200 Stundenkilometer schnell durch Röhren schießen wollte, doch die Bahn ins Silicon Valley, deren Gleise ich überquert hatte, war eine 60 Jahre alte, dieselgetriebene Eisenbahn.

Ich verstand auch diese Lektion: Die Menschen hier hatten ein klares Ziel vor Augen. Sie wollten die Welt verändern. Luxus und Statussymbole waren für sie Zeitverschwendung. Ich hatte noch gelernt, dass es schon aus Gründen der Glaubwürdigkeit wichtig ist, ein teures Auto zu fahren und eine schöne Uhr zu tragen. Doch diese Denkart war hier bereits Geschichte.

Ich fragte mich, wie viel von dem Status mancher Menschen bliebe, wenn sie keine Symbole dafür mehr hätten. Von hier aus wirkte die europäische Mittelschicht mit ihren Häusern auf Pump, geleasten SUVs und grauen Designeranzügen schon jetzt wie eine etwas gespenstische Revival-Party.

Ich ahnte, dass sich hinter der Effektivität des Handelns, die sich schon im Straßenbild von Menlo Park manifestierte, eine gewisse Gnadenlosigkeit der digitalen Elite beim Verändern der Welt verbarg. Mir fiel ein Satz ein, den einer der Redner auf der Bühne des Las Vegas Convention Centers gesagt hatte und der bei mir hängengeblieben war, ohne dass ich ihn richtig eingeordnet hatte.

Es herrscht Krieg. Krieg zwischen denjenigen, die die Welt verbessern wollen und die für Fortschritt stehen, und denjenigen, die überholte, archaische Systeme der Vergangenheit bewahren wollen.

Was das tatsächlich bedeutet und wie die digitale Elite wirklich tickt, fand ich in seiner vollen Tragweite allerdings erst später heraus.

Der stille Raub

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