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Auch der zweite wichtige Satz, den ich im Las Vegas Convention Center gehört hatte, war mir in Erinnerung geblieben. Er ging mir nach meiner Heimkehr aus den USA manchmal durch den Kopf, vor allem, wenn ich selbst Vorträge hielt.

Früher konnte ein Opernsänger, selbst wenn er berühmt war, nur das Gebäude füllen, in dem er auftrat. Heute kann ein Musiker, selbst wenn er nicht berühmt ist, Menschen auf der ganzen Welt erreichen und Geld in Regionen verdienen, in denen er noch nie war. Wie erfolgreich er dabei ist, hängt vor allem von der Qualität seines digitalen Auftrittes ab.

Das galt nicht nur für Künstler und Tierärzte, sondern natürlich ebenfalls für alle Vortragenden und damit auch für mich. Mit meinen noch unausgegorenen Plänen für eine digitale Akademie im Kopf trat ich weiterhin regelmäßig bei Seminaren und Konzernveranstaltungen sowie in Universitäten und an Schulen auf. Doch ich hatte dabei von nun an das Gefühl, dass etwas fehlte. Denn im Grunde befand ich mich damit auf der falschen Seite der zwischen der alten und der neuen Welt aufgehenden Kluft. Ich wollte daher bei der Entwicklung meiner digitalen Akademie keine Zeit mehr verlieren.

Dass sie die richtige Idee zur richtigen Zeit war, stand für mich fest. Die traditionellen Bildungseinrichtungen sind genau so, wie jener Entwickler eines digitalen Kassensystems in Berlin alle alten Systeme beschrieben hatte: klobig, umständlich, veraltet und teuer.

Dabei verfehlen die Bildungsinstitutionen zunehmend ihr Ziel, Menschen auf den Arbeitsmarkt und auf ein Leben im digitalen Zeitalter vorzubereiten. Ihre Absolventen sind den Anforderungen des Berufslebens großteils nicht gewachsen. Sie gehen aus dem Bildungssystem mit zwei Dingen hervor, von denen ihnen eines nichts bringt und das andere sie sogar behindert: mit Titeln und Ansprüchen.

Ein Schluss, zu dem unter anderem Google-Personalchef Laszlo Bock gekommen ist. Ein guter Uniabschluss könne der Karriere im Weg stehen, erklärte er in einem Interview mit der New York Times. Er mache Absolventen überheblich. Google suche nach Menschen, die gleichzeitig ein großes und ein kleines Ego haben. Die Absolventen mit dem besten Notenschnitt hätten meist nur ersteres, weshalb Google nach Menschen Ausschau halte, die gezeigt haben, dass sie auch ohne Uniabschluss vorwärtskommen können.

Mir war ebenfalls klar, dass es fundamentale Probleme bei der Vereinbarkeit zwischen dem klassischen Bildungssystem und den Ansprüchen der digitalen Wirtschaft gibt. Probleme, die am ehesten digitale Bildungssysteme lösen könnten. Weshalb mir jetzt immer öfter dieser andere Satz, den ich auf der Konferenz in Las Vegas gehört hatte, durch den Kopf ging.

Durch Digitalisierung entsteht Nachfrage. Das sollten

Sie verstehen, und dann geht es nur noch um eins.

Fangen Sie an. Fangen Sie einfach an.

Genau das tat ich gemeinsam mit Christos und meinen anderen Mitarbeitern. Wir fingen einfach an. Wir besorgten uns eine brauchbare Videokamera und nahmen die ersten Kurse auf.

Zuerst definierten wir unser Konzept. Dabei dachte ich an einen der beiden Punkte, die der 22-jährige Internetunternehmer bei unserem Treffen in dem Fast-Food-Restaurant in Pacific Heights genannt hatte. Menschen mit Bullshit dranzukriegen, wie er es bezeichnet hatte, hatte schon in der klassischen Wirtschaft nie lange funktioniert. Zwar gelang es dort Unternehmern, mit fragwürdigen Produkten kurzfristig Geld zu verdienen, doch irgendwann holte sie ihr schlechter Ruf ein. Die digitale Wirtschaft war dank ihrer höheren Transparenz dafür noch sensibler. Wenn nur ein paar Nutzer eines Produkts »reine Abzocke« oder Ähnliches posteten, war die Sache gelaufen. Die Frage, die ich mir stellen musste, lautete also: Welchen Wert stifte ich? Was genau ist meine Mission, und wer profitiert davon?

Ich dachte lange darüber nach, doch wie bei allen wirklich wichtigen Fragen war die Antwort im Grunde einfach. Ich würde Menschen, die etwas aus sich machen wollten, die sich anstrengen und ein gutes Leben führen wollten, das dafür nötige wirtschaftliche Wissen vermitteln.

Als das Konzept fertig war, programmierten wir die erste Probeversion der Seite in Wordpress. Die Sache lief holprig an. Wir hatten unter anderem Schwierigkeiten bei den Schnittstellen mit Zahlungsanbietern, der Schnelligkeit der Seite und der anfangs zu komplizierten Bedienung.

In Sachen Benutzerfreundlichkeit halfen mir meine Erfahrungen aus meinem ersten Studentenjob. Ich hatte damals im 20. Stockwerk eines Hochhauses in der Nähe des Massachusetts General Hospital in Boston als Laien-Softwaretester gearbeitet.

Meine Qualifikation hatte, einfach gesagt, in meiner technischen Ahnungslosigkeit bestanden. Dadurch hätte ich den gleichen Zugang zur Materie wie der Großteil der Nutzer und könne den Programmierern wichtige Rückmeldungen geben, hatten meine Arbeitgeber gemeint.

Dieses Prinzip wandte ich nun bei der Benutzeroberfläche meiner Akademie an. Jede Seite, die ich nach zehn Sekunden noch nicht bedienen konnte, machten wir neu.

Gleichzeitig musste ich mich mit Dingen wie der steuerlichen Abwicklung in den verschiedenen Herkunftsländern der Mitglieder befassen und einen Steuerberater finden, der unsere Daten einspielen konnte, weil sonst die Steuerberatungskosten explodiert wären.

Als Nächstes musste ich lernen, vor einer Kamera zu sprechen. Von meinen Vorträgen war ich die Interaktion mit dem Publikum gewöhnt. Nun aber konnte ich nicht sehen, ob meine Zuhörer lachten, gespannt waren oder einschliefen.

Die Akkus der Kameras waren immer viel zu schnell leer, außerdem drehten wir anfangs in meinem Büro am Stephansplatz, in dem ständig Glocken, Straßenmusiker oder Hunde zu hören waren.

Dann wieder hallte der Ton, als hätten wir die Videos nicht nahe des Stephansdoms, sondern darin aufgenommen. Als wir im Auto drehen wollten, stellten wir fest, dass mein Aston Martin dafür zu wenig Platz bot.

Ich entdeckte außerdem, wie schwer Menschen zu finden sind, die rasch, verlässlich und zu guten Preisen Videos schneiden können, und dass wir den Speicherplatz, den Videos brauchen, unterschätzt hatten, weshalb unsere Seite langsamer und langsamer wurde.

Dabei gewöhnte ich mir an, in meinem Alltag ständig nach digital verwertbaren Informationen und Bildern zu suchen. So bekam ich viele Likes für ein Video, das meinen Tagesablauf und Lifestyle zeigte, beginnend damit, wie ich am Morgen meine Dr. Martens anziehe und ins Auto steige, das alles mit guter Rockmusik im Hintergrund.

Außerdem kontrollierte ich ständig und überall die Seite auf Schnelligkeit, Funktionalität der Registrierungsprozesse und Zahlungsfunktionen sowie auf Rechtschreibfehler. Am 26. Dezember 2014 saß ich deshalb auf dem Zwischenstopp meines Fluges von Wien nach Miami am La-Guardia-Flughafen in New York, aß mangels Alternativen entgegen meiner sonstigen Gewohnheit Junkfood und sah mir meine neuesten Videos über Immobilienkauf und Finanzmanagement an, wobei ich mich erst mit dem schlechten öffentlichen WLAN abquälte, bevor ich schließlich für eine Stunde das sündhaft teure Premium-Internet kaufte.

Als die Seite nach drei Monaten online ging, verfügten wir bereits über eine lange Liste mit E-Mail-Adressen von Interessenten, hatten aber unterschätzt, wie langsam die Homepage wurde, wenn viele Menschen sie gleichzeitig benutzten, und wie viele Customer-Support-Anfragen wir bekommen würden.

Während wir weiterhin Inhalte produzierten, um rasch zu wachsen, suchten wir passende Mitarbeiter, was sich als die schwierigste Aufgabe von allen herausstellte. Denn selbst wenn Social-Media-Experten gut über Facebook Bescheid wissen, heißt das noch lange nicht, dass sie auch alle Tricks im Umgang mit YouTube oder Google kennen.

Als beinahe ebenso schwierig erwies sich die Zusammenarbeit mit IT-Agenturen, die unsere Seite technisch verbessern sollten. Die Vertragsverhandlungen waren zäh, und weil sich die andere Seite besser auskannte, lief ich Gefahr, übervorteilt zu werden. Da ging es etwa um die Frage, wem der Sourcecode, also der Quelltext des Programmes, gehörte, oder wie lange die Fristen für die Behebung von Fehlern sein durften.

Als die Agentur schließlich loslegte, fanden wir heraus, wie schwierig es ist, alte Daten in ein neues System zu importieren, was ein echtes Problem war, weil unsere Seite inzwischen von drei Kursen mit 50 Videos auf 20 Kurse mit 300 Videos gewachsen war.

Es tauchte ein Problem nach dem anderen auf, jedes war lösbar, aber leicht war es meist nicht. Eine weitere Herausforderung war die Zusammenarbeit mit Agenturen für digitales Marketing. Solche Agenturen bieten Verträge an, bei denen sie eine Provision auf Basis des Werbebudgets erhalten und daher nicht den geringsten Erfolgsanreiz haben: Egal wie effizient sie das Geld ihrer Auftraggeber ausgeben, sie kommen immer auf das gleiche Honorar.

Wenn mich digitale Jungunternehmer heute als potentiellen Investor ansprechen, frage ich sie, wer ihre Seite programmiert und wer das Marketing dafür macht. Wenn sie beides an Agenturen ausgelagert haben und sich keiner in der Firma damit auskennt, winke ich ab. Denn besonders im Bereich der IT- und der digitalen Marketingagenturen zahlen Anfänger jede Menge Deppensteuer. Das tat ich bestimmt ebenfalls, wenn auch wahrscheinlich vergleichsweise wenig, weil ich eine Grundregel der digitalen Wirtschaft bereits begriffen hatte.

Jeder hat die Möglichkeit, ein digitales Geschäft aufzubauen. Doch wie in der analogen Welt kommt der Erfolg in der digitalen Welt nicht aus dem Nichts.

Im Sinne meines Konzeptes, aber auch aus bloßem kaufmännischem Instinkt, verzichtete ich im Marketing auf Phrasen wie »Reich werden in drei Jahren«. Ich ließ mich ebenfalls nicht dazu verführen, Likes zu kaufen, die Reichweite vorgaukeln und in Wirklichkeit von ukrainischen oder nigerianischen Nutzern kommen, die mit meiner Akademie nichts zu tun hatten. Ich setzte lieber auf organisches Wachstum.

Raving Fans, also Menschen, die interagieren, echtes Interesse an einem Thema haben und sich damit identifizieren, wollen spüren, dass der Betreiber so einer Plattform mit Herz und Seele dabei ist und nicht bloß Geld verdienen will. Sie erwarten vier Dinge.

Erstens. Authentizität.

Zweitens. Regelmäßigkeit.

Drittens. Interaktion.

Viertens. Gute Inhalte.

Ich postete regelmäßig Beiträge über meine Visionen, meine Arbeit und mein Leben. Ich verlinkte themenverwandte Artikel sowie Videos zu wichtigen politischen oder wirtschaftlichen Ereignissen. Ich beantwortete ständig Fragen, stand dafür bei Live-Chats zur Verfügung und entwickelte die Ask-the-Punk-Show, bei der ich wöchentlich drei Publikumsfragen per Video beantworte.

Wenn ich wie häufig bis in die Morgenstunden mit meinen Mitarbeitern beisammensaß und mit ihnen über unsere Plattform und unsere Kurse diskutierte, hatte ich manchmal ein Argument in den Ohren, das oft von Anhängern der Mittelschicht kam, wenn ich die Notwendigkeit der Digitalisierung und der Auseinandersetzung mit dem Internet ansprach.

Und wann bitte soll ich das machen?

Auch ich war schon ziemlich ausgelastet gewesen, bevor ich meine digitale Zukunft selbst in die Hand genommen hatte, und ich hatte nie vorgehabt, meine anderen Tätigkeiten zu vernachlässigen.

Aber je mehr ich mich damit befasste, desto klarer wurde mir, dass Digitalisierung ein Prozess ist, der Zeit, Energie und etwas Geld kostet. Digitalisierung lässt sich nicht buchen wie ein Yoga-Kurs.

Trotzdem nutzte ich jede Gelegenheit, mich in Sachen digitale Wirtschaft weiterzubilden. Ich schrieb mich selbst bei einigen amerikanischen Online-Akademien ein, um herauszufinden, wie sie funktionierten.

Im Herbst 2014 lernte ich bei der Münchner Konferenz Bits & Pretzels, in deren Rahmen sich Gründer und Interessierte aus der Start-up-Szene treffen, einen erfolgreichen digitalen Unternehmer kennen, der in Immobilien investieren wollte. Er hatte mehrere Firmen, darunter eine Online-Fitnessplattform, gegründet und wollte jetzt sein Geld anlegen. Ich schlug ihm einen Tauschhandel vor. »Ich baue gerade mein digitales Geschäft auf«, berichtete ich. »Erklär du mir, worauf ich achten muss, und ich zeige dir, wie du am besten Wohnungen besichtigst und kaufst.«

Der Deal gefiel ihm. Ich reiste mit ihm nach Stuttgart, weil zu diesem Zeitpunkt der Wohnungskauf dort hohe Renditen versprach. Ich zeigte ihm, worauf er aufpassen musste, begutachtete mit ihm Keller und Dachstühle, und er erklärte mir im Gegenzug etwa, wie ich die Mitgliedsbeiträge für meine Akademie richtig gestaltete. »Einmalzahlungen sind der falsche Weg, um eine Community für ein digitales Infoprodukt aufzubauen«, sagte er. »Du verlangst besser niedrige, aber dafür laufende Mitgliedsbeiträge. Außerdem solltest du dafür sorgen, dass sich deine Mitglieder untereinander austauschen können. Dafür brauchst du Foren und Chat-Funktionen.«

Seinem Rat folgend fing ich mit niedrigen Preisen an, was auch deswegen besser war, weil zu Anfang immer noch Fehler auftraten. Wir legten den Preis zunächst auf 10 Euro pro Monat und 100 pro Jahr fest. Mit verbessertem Angebot konnten wir bald 17 beziehungsweise 147 Euro verlangen und schließlich 29 beziehungsweise 249 Euro. Dazu entwickelten wir ein Angebot für VIP-Nutzer, das unter anderem eine Party im Jahr enthält, bei der sich die VIP-Mitglieder über die Themen Geld und Erfolg austauschen können.

Ebenso suchte ich in dem Gespräch mit dem digitalen Unternehmer Antworten auf all die Fragen, die ich seit meinem Besuch des Tony-Robbins-Seminars noch vor mir hergeschoben hatte.

Was schreibe ich in meinen Beitrag?

Zu welcher Tageszeit poste ich ihn?

Was macht einen Beitrag viral?

Wieso bekommt ein Beitrag nur 20 Likes und ein anderer 500?

Ich lernte, dass ein Beitrag dann erfolgreich ist, wenn sich das Publikum damit identifizieren kann. So etwa kam mein Posting über die verschiedenen Betrachtungsmöglichkeiten einer Immobilie gut an.

Der Verkäufer sieht eine Immobilie als Palast, der Käufer sieht sie als Haus, das Finanzamt sieht sie als vergoldetes Hochhaus und die Bank sieht sie als Hundehütte.

Ich bekam dafür genauso viele Likes wie für den Beitrag über die Geburt meines Sohnes.

Zudem las ich bei jeder Gelegenheit Bücher über die Materie, darunter »From Zero to One« von Peter Thiel, einem rund 2,7 Milliarden Dollar schweren Internetinvestor. Von ihm nahm ich eine wichtige Botschaft mit.

Die ganze Menschheit als Zielgruppe für ein digitales Start-up zu sehen, ist immer ein Fehler.

Wer erfolgreich sein will, sollte sich eine klar definierte Nische suchen, in der er sich auskennt.

Was mich in meiner Strategie bestätigte. Ich kannte mich mit Geldverdienen aus und wusste, wovon ich in meinen Kursen sprach.

Irgendwann stellte sich bei mir ein gutes Grundgefühl ein, denn ich hatte nichts falsch eingeschätzt. Je mehr ich mich mit der digitalen Revolution befasste, desto klarer wurde mir, dass sich die Welt tatsächlich gerade teilte: in wenige, die viel haben werden, und in viele, die wenig haben werden.

Der stille Raub

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