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Aus dem (Unternehmer)Leben
ОглавлениеNach meinem eigenen Konkurs ging es mir gar nicht gut. Ich hatte nicht nur selbst viel Geld verloren. Ich hatte auch das Geld von Investoren, Banken und Förderstellen verloren. Hinter diesen Institutionen standen Menschen, die mir vertrauten und auf mich gesetzt haben. Ich hatte das Gefühl, dass ich der einzige Idiot auf Erden bin, der mit seinem Unternehmen gescheitert ist. Als ich dann langsam wieder Tritt fasste, wagte ich es auch, meine Geschichte zu erzählen. Und siehe da! Eine überraschend große Anzahl an Unternehmern pflichtete mir bei: »Ja, wissen Sie, jetzt, wo Sie das erzählen, kann ich Ihnen ja auch anvertrauen, dass es mir ebenfalls schon einmal genauso ergangen ist« oder eine Variante davon: »… mir wäre es fast genauso gegangen, aber ich hatte Glück, weil …« Das hat meinen Gemütszustand nicht unbedingt verbessert, aber es hat mich schon ein wenig erleichtert. Mein Eindruck, dass wesentlich mehr Unternehmen kämpfen, als ich jemals gedacht hatte, verstärkte sich, als ich begann, mir die Jahresabschlüsse von unterschiedlichsten Unternehmen näher anzusehen. Bei Kapitalgesellschaften ist das relativ einfach möglich. Dadurch wurde mir erst so richtig klar, wie viele Unternehmen links der 4‐Prozent‐Schwelle liegen müssen. Die endgültige Bestätigung erhielt ich dann, als ich die EU‐Statistiken über die wirtschaftliche Lage der Kleinst‐ und Kleiunternehmen las. Danach war eindeutig klar, dass zwischen einem Drittel und der Hälfte der Kleinst‐ und Kleinunternehmen vor sich hin wursteln. Das sind auf jeden Fall wesentlich mehr, als man jemals vermuten würde.
Mit dieser Erkenntnis erhielt meine Reflexion über mein eigenes Scheitern eine neue Dimension. Schließlich war ich ja immer davon ausgegangen, dass mein Unternehmen robust gewesen wäre. Und ich war fest davon überzeugt, dass mir und meinem Unternehmen nichts passieren könnte. Schließlich lagen wir ja rechts der Schwelle. Und dann kam das Erdbeben. Fukushima war die Störung, die das Ende meines Unternehmens einleitete. Eigentlich absurd, oder? Ein Ereignis, das vollkommen außerhalb meiner Kontrolle lag. In der Folge aber sind zugegebenermaßen auch genügend andere Dinge schiefgelaufen, die ich hätte kontrollieren können. Wenn also mein Unternehmen aufgrund dieser Ereignisse so schnell aus dem Tritt kommen konnte, wie geht es dann erst einem Unternehmen, das sich links der 4‐Prozent‐Schwelle befindet?
Damals dämmerte mir langsam, dass es mehr braucht als bloß gegenwärtigen wirtschaftlichen Erfolg, um wirklich robust zu sein! Ich verstand damals: Die Robustheit eines Unternehmens hat auch sehr stark etwas mit der Unternehmerpersönlichkeit und mit der Art und Weise, wie diese das Unternehmen führt, zu tun.
Fassen wir also unsere bisherigen Erkenntnisse zusammen: Das System der Kleinst‐ und Kleinunternehmen ist ein stabiles System. Es ist unter anderem deshalb stabil, weil es viele Systemmitglieder hat. Für das System als Ganzes ist es gut und sogar notwendig, wenn immer wieder einzelne Mitglieder scheitern und das System verlassen. So kann sich das System weiterentwickeln. Für Sie als einzelnes Systemmitglied wäre es aber – salopp ausgedrückt – nicht so gut, wenn ausgerechnet Sie derjenige sind, der das System verlässt. Damit nicht Sie der unbedankte Held sind, sollte Ihr wirtschaftlicher Erfolg besser sein als der Durchschnitt. Aber nicht einmal das reicht im Grunde aus, um gnadenlos robust zu sein. Es gehört noch mehr dazu, denn selbst, wenn Sie heute wirtschaftlich erfolgreich sind, kann es jederzeit böse Überraschungen geben. Denken Sie immer an den Truthahn! Nasim Taleb, ein ehemaliger Wertpapierhändler, Philosoph und Risikoforscher erzählt immer wieder die Geschichte vom Truthahn. Der befindet sich in der Obhut eines Züchters. Dem Truthahn geht es gut. Schließlich wird er ja jeden Tag gefüttert. Er fühlt sich wohl. Er fühlt sich sicher. Das geht über Monate so dahin. Der Truthahn fühlt sich immer wohler und sicherer. Schließlich wird er ja weiterhin jeden Tag gefüttert, bis kurz vor Thanksgiving. Da wird er von der Hand, die ihn gefüttert hat, geschlachtet.
Die Moral von der Geschicht'? Wirtschaftlicher Erfolg in der Vergangenheit und in der Gegenwart ist keine Garantie für Erfolg in der Zukunft! Manchmal macht uns der Erfolg träge und unaufmerksam. Manchmal verlieren wir unsere Demut und wir werden arrogant oder einfach nur zu selbstsicher. Manchmal ereignen sich Dinge von außen, auf die wir keinerlei Einfluss haben. Es gibt viele Gründe, warum es uns jederzeit wie dem Truthahn ergehen kann. Niemand ist vor Überraschungen gefeit!