Читать книгу Spielregeln der Politik im Mittelalter - Gerd Althoff - Страница 10
Königsherrschaft und Konfliktbewältigung im 10. und 11. Jahrhundert
ОглавлениеWer Bedingungen beschreiben will, unter denen Königsherrschaft im Mittelalter stand, ist gut beraten, Konfliktsituationen zu analysieren. Sowohl die Ursachen für Konflikte als auch die Formen, in denen sie geführt und in denen sie beigelegt wurden, lassen Möglichkeiten und Grenzen königlicher Herrschaft erkennen.1 Sie zeigen die Königsherrschaft in einem Spannungsfeld, in dem Gruppenbildungen und Gruppeninteressen wirksam waren. Im Zentrum der folgenden Bemühungen soll daher der Versuch stehen, den Charakteristika der Königsherrschaft im 10. Jahrhundert durch die Untersuchung von Konfliktsituationen auf die Spur zu kommen. Hierbei ist eine grundsätzliche Unterscheidung sinnvoll: Zu trennen ist der nicht seltene Fall königlicher Initiative, durch die Große der Infidelität angeklagt und ihnen Ämter und Lehen entzogen wurden,2 von der in den Quellen ausführlicher kommentierten Erscheinung, daß Große den Konflikt gegen die Könige eröffneten und der König als reagierender Teil erscheint. Auf letzteres richtet sich nicht nur wegen des Echos in den Quellen unser besonderes Interesse.
Es gehört zu den leidvollen Erfahrungen nicht nur des ottonischen Königsgeschlechts, daß derartige Widerstände gegen die Könige im Mittelalter zunächst von Einzelpersonen ausgingen, aber schnell von größeren Gruppen getragen wurden.3 Gegner der Könige fanden Unterstützung bei ihren Verwandten und Freunden, bei ihren Genossen und Vasallen. Die Quellen bezeichnen solche Konflikte mit Begriffen wie coniuratio, rebellio oder ähnlichem, was wir mit Verschwörung, Aufstand oder Rebellion übersetzen.4 Durch diese Übersetzung werden Tatbestände suggeriert, die das politische Strafrecht der Neuzeit unter dem Begriff Hochverrat zusammenfaßt.5 Alle diese Begriffe scheinen aber wenig geeignet, die Eigenart der Konflikte zwischen König und Großen im 10. Jahrhundert zu beschreiben. Schon die Tatsache, daß die Bindungen verwandtschaftlicher, freundschaftlicher oder vasallitischer Natur sich in solchen Konflikten häufig als stärker erwiesen als die Bindung an den Herrscher – und das bei ansonsten honorigen Leuten –, sollte davor warnen, den Gegnern der Könige allzu umstürzlerische Absichten zu unterstellen und allzu pejorative Attribute anzuhängen.6 Ziel einer coniuratio oder rebellio im 10. Jahrhundert war in aller Regel nicht der Thronsturz.7 Konflikte brachen vielmehr schon dann aus, wenn durch königliche Maßnahmen und Entscheidungen die dignitas, die Ehre, der Rang oder die Würde eines Herrschaftsträgers verletzt wurde. Das aber war etwa der Fall, wenn der König ein Amt oder Lehen anders vergab als erwartet oder wenn er eine Leistung nicht gebührend würdigte und belohnte. Angesichts unterschiedlicher Interessen existierte so ständig ein erhebliches Konfliktpotential zwischen Großen und König – die Herstellung des nötigen allgemeinen Konsenses verlangte von den Königen beträchtliche Fähigkeiten zur Integration divergierender Interessen. Mit diesen Bemerkungen ist zugleich die Frage aufgeworfen, ob solche Verhältnisse mit den Vorstellungen von „Staatlichkeit“ und deren begrifflichem Instrumentarium adäquat beschrieben werden können.8
Durch Konflikte aber wurde das komplexe Netz der Gruppenbildungen innerhalb der Adelsgesellschaft besonderen Belastungen ausgesetzt, denn es kollidierten in aller Regel unterschiedliche Anforderungen und Ansprüche miteinander. Der Verpflichtung zur Hilfe gegenüber dem Verwandten oder Freund stand diejenige zur Treue gegenüber dem König entgegen, ohne daß es eine eindeutige und allseits akzeptierte Hierarchie dieser Verpflichtungen gegeben hätte. Diese Situation hat im 10. Jahrhundert jedoch keinesfalls anarchische Zustände, sondern spezifische Formen mit sich gebracht, derartige Konflikte zu führen und beizulegen; Formen, die sich von denen der Karolinger- und der Stauferzeit erheblich unterscheiden und die gerade deshalb sehr viel über die Charakteristika der Königsherrschaft im 10. und auch noch 11. Jahrhundert aussagen. Da diese Formen von der Forschung bisher unbeachtet, ja unbemerkt geblieben sind, sollen sie zunächst an konkreten Beispielen ausführlicher zur Diskussion gestellt werden.
Schon kurz nach dem Abschluß der Königserhebung Heinrichs II. tat der Markgraf Heinrich von Schweinfurt etwas, was sein Vetter Thietmar von Merseburg eine offene Rebellion (aperta rebellio) nannte.9 In Thietmars Chronik ist so ausführlich von Ursachen, Ver lauf und Beilegung dieser „Rebellion“ die Rede, daß an ihr paradigmatisch das Gemeinte verdeutlicht werden kann. Die erste Entfremdung trat ein, als Markgraf Heinrich durch hervorragende Männer bei Heinrich II., noch vor Abschluß der Königserhebung, die ja in mehreren Etappen vor sich ging, um Belehnung mit dem Herzogtum Bayern nachsuchen ließ und sich Heinrich dem Ansinnen verweigerte mit der Begründung, er könne nicht aus der Ferne dem Recht der Bayern auf freie Herzogswahl vorgreifen. Diese Antwort empfand der Markgraf als Ausflucht, da ihm Heinrich die Würde zuvor versprochen und er sich – nicht zuletzt deshalb – nachdrücklich für dessen Königswahl eingesetzt hatte. Die Reaktion des Enttäuschten beschreibt Thietmar mit den Worten: „… er zog sich allmählich vom König zurück.“10
Das Faß zum Überlaufen brachte dann ein Vorfall in Merseburg, wo König Heinrich dem Herzog Boleslaw von Polen nicht nur ein gefordertes Lehen verweigerte, vielmehr wurden dessen Krieger von einem Haufen Bewaffneter überfallen, ausgeplündert und entrannen nur mit Mühe dem Tode. Für diesen Boleslaw aber hatte sich Markgraf Heinrich mit allen Kräften freundschaftlich verwandt, und er hatte ihm überdies das Geleit geben wollen, als sich der beschriebene Vorfall ereignete, hinter dem die Betroffenen den König als Anstifter vermuteten. Herzog Boleslaw wie Markgraf Heinrich waren diese Vorfälle Anlaß genug, um gegen den König die genannte aperta rebellio zu beginnen.11
Ausgelöst wurde der Konflikt also durch eine offensive Interessenvertretung, die für die Unterstützung des Königs bei seiner Wahl ihren Preis forderte, eine Verhaltensweise, die uns eigentlich erst durch die strittigen Rönigswahlen der späten Stauferzeit gewissermaßen als Verfallserscheinung vertraut ist.12 Die Verweigerung der versprochenen Leistungen zog die Aufkündigung der familiaritas und, nach weiterer Brüskierung, die aperta rebellio nach sich. Stellt man in Rechnung, daß auch andere Gruppen ihre Interessen in ähnlicher Konsequenz vertraten, kommt das schon genannte Problem der Rönigsherrschaft in den Blick, das durchaus nicht nur im 10. Jahrhundert beobachtet werden kann: der Balanceakt zwischen unterschiedlichen Ansprüchen und die Integration divergierender Rräfte. Das also wäre nicht neu. Neu und spezifisch für das 10. und 11. Jahrhundert aber ist die Art, wie aufgebrochene Konflikte ausgetragen wurden. Für diese Art liefert der Fortgang der rebellio Heinrichs von Schweinfurt reiches Anschauungsmaterial.
Der Rönig lud den Markgrafen nicht etwa vor sein Gericht, sondern bot von überall her seine familiares auf und verwüstete dessen Güter.13 Es sieht aus, als führte der König eine „Privatfehde“. Die Vasallen des Markgrafen unterstützten ihren Herrn in dieser Auseinandersetzung tatkräftig, wenn sie auch nach Thietmar durchaus Überlegungen über den Sinn ihres Tuns anstellten: Diese Überlegungen stellten jedoch die Zweck-, nicht die Rechtmäßigkeit ihres Einsatzes in Frage!14 Man muß angesichts dieses und anderer Fälle fragen, ob die in der Forschung so häufig behandelte gegensätzliche Entscheidung einiger Vasallen des schwäbischen Herzogs Ernst, die ihrem Lehnsherrn mit von Wipo ausführlich geschilderter Argumentation grundsätzlich die Hilfe im Kampf gegen König Konrad II. verweigerten, wirklich der Regelfall in solchen Auseinandersetzungen war oder ob nicht das Modell des Königs als ligischer Lehnsherr, das bei Wipo anklingt, mehr der Normvorstellung des Autors als der Realität des 11. Jahrhunderts angehörte.15
Aber nicht nur Vasallen unterstützten Heinrich von Schweinfurt und Herzog Boleslaw. An vielen Stellen finden sich vielmehr Hinweise auf sehr unterschiedliche Formen der Unterstützung, zu denen sich Personen bereitfanden, deren Beziehung zu den „Rebellen“ teils verwandtschaftlicher, teils freundschaftlicher Art war, teilweise in den Quellen jedoch gar nicht näher spezifiziert ist. Die Formen der Unterstützung reichen von der direkten Teilnahme an der rebellio, zu der sich auf seiten Heinrichs von Schweinfurt etwa dessen Vetter Ernst, der Graf Siegfried von Northeim, aber auch der Bruder König Heinrichs II., der spätere Bischof Bruno von Augsburg, bereitfanden,16 bis zur Hilfe durch die Übernahme der Verhandlungsführung mit dem König im Auftrage und in Vertretung der Rebellen, die etwa Herzog Bernhard von Sachsen und Erzbischof Tagino von Magdeburg leisteten. Aber auch von diesen wird betont, daß sie sich nachdrücklich für die von ihnen Vertretenen einsetzten.17 Hier wird also der Wert von Gruppenbindungen spürbar, die im Falle eines Konflikts nicht abrissen, sondern im Gegenteil dem Rebellen Unterstützimg verschiedenster Art sicherten und nicht zuletzt die Möglichkeiten eines Ausgleichs mit dem König entscheidend verbesserten.
Überraschender als die Tatsache der Unterstützung des Markgrafen durch seine Vasallen und andere Helfer sind aber die Formen der bewaffneten Auseinandersetzung, denen Thietmar breiten Raum gibt: „Auf ihren Rat hin (gemeint ist die Besatzung einer Burg Heinrichs von Schweinfurt) dürfte sich Bukko als Befehlshaber der Burg mit Otto, dem Bruder seiner Herrin, verständigt und durch seine Vermittlung die Burg in die Gewalt des Königs übergeben haben; er selbst aber zog mit allen seinen Leuten sicher ab. Der König ließ die Burg sofort von Grund auf zerstören; weil jedoch dieser Auftrag mit Schonung ausgeführt wurde, blieb sie samt den Gebäuden zum großen Teil erhalten.“18 Vergleichbares passierte, als in einer anderen Burg die Mutter des Markgrafen den königlichen Truppen bedeutete, sie würde lieber in der Kirche verbrennen als tatenlos der Zerstörung der Burg zusehen. Daraufhin „stellten die Herren christliche Nächstenliebe über weltliche Bedenken und milderten den ergangenen Spruch. Sie brachen lediglich die Mauern und Gebäude und trösteten die bekümmerte Frau mit dem Versprechen, wenn es in des Königs Gnade möglich sei, würden sie alles von sich aus wiederherstellen lassen.“19 Es scheint ratsam, gerade solche Details ernst zu nehmen, wenn man nach den Charakteristika der Auseinandersetzungen fragt, die im 10. und 11. Jahrhundert zwischen König und Großen ausgetragen wurden. Zwar demonstrierte der König seine Macht, wie umgekehrt der Markgraf seine Entschlossenheit zum Widerstand nachdrücklich unter Beweis stellte; doch hatte man damit seine dignitas, seinen Rang und sein Gesicht grundsätzlich gewahrt, blieb Spielraum für Verhaltensweisen, die geeignet waren, den Status quo ante wiederherzustellen. Die Eskalation der Konflikte vollzog man in durchaus kontrollierten, fast ritualisierten Schritten, die darauf angelegt waren, eine Beilegung der Auseinandersetzung nicht unnötig zu verzögern. Vor dem nächsten Schritt der Eskalation wurde dem Gegner die Möglichkeit gegeben einzulenken; oder in der Sprache Thietmars: „Der König ließ das Sturmgerät bereitmachen und veranlaßte sie (d. i. die Besatzung der Burg) durch vertrauenswürdige Vermittler, gegen die Bitte um ihr Leben Burg und Leute zu übergeben.“20 Dergestalt ritualisierte Eskalation begann wohl schon damit, daß man „ein Gesicht machte“, die Heiterkeit (hilaritas) ablegte, wenn einem Entscheidungen nicht paßten.21 Ernster wurde es, wenn man „große Traurigkeit“ (tristitia magna) zur Schau trug oder die familiaritas aufkündigte, indem man sich entfernte.22 Nützten diese Signale nichts, folgte der Griff zu den Waffen, doch es ist an den Beispielen wohl deutlich geworden, daß man auch dann nicht unbedingt blindwütig aufeinander losschlug.
In die gleiche Richtung deuten die Schritte, durch die die Beendigung der Rebellion eingeleitet wurde. Wieder sind es „vertrauenswürdige Fürsprecher“, durch die in diesem Fall der Markgraf König Heinrich davon in Kenntnis setzen ließ, daß er über sein Tun tiefe Reue empfinde. Der König versprach daraufhin, dem Grafen wieder seine Huld zu gewähren unter der Bedingung, daß er ihn so lange in Haft halten dürfe, wie er wolle.23 Damit war der Markgraf einverstanden, und er wurde gefangengesetzt. Noch im gleichen Jahr aber bat – oder soll man sagen forderte – der Bischof Gottschalk von Freising in einer öffentlichen Predigt in Anwesenheit Heinrichs II.: „Dich beschwöre ich im Namen und bei der Liebe dessen, der seinem Schuldner 10.000 Pfund erließ … Lieber Herr, erbarme dich des früheren Markgrafen Heinrich, der jetzt, wie ich hoffe, aufrichtig Buße tut; löse seine Bande und gewähre ihm Huld, damit du heute um so leichteren Herzens Gott bitten darfst: Und vergib uns unsere Schuld.“24 Der König ließ sich von dieser unter Tränen vorgetragenen Mahnung gewinnen, gelobte, sie befolgen zu wollen, und bewies später bei der Heimkehr Barmherzigkeit.25
Daß hinter dieser Intervention sozusagen Methode steckt, zeigt eine andere Episode: Auch der Babenberger Ernst, der sich seinem Vetter angeschlossen hatte, wurde gefangengenommen und dem König vorgeführt; Richter verurteilten ihn zum Tode, doch „wurde es (das Todesurteil) auf die dringende Bitte des Erzbischofs Willigis von Mainz durch eine dem König genehme Loskaufsumme ersetzt“26. All die skizzierten Einzelheiten deuten in die gleiche Richtung: Prinzipiell bestand der König auf der Anwendung seiner Gerichts- und Strafgewalt gegen die Rebellen in Form der Zerstörung der Burgen, unbegrenzter Haft und sogar von Todesurteilen, de facto verkümmerte diese Strafgewalt aber zu lediglich symbolischen Handlungen durch die offensichtlich absehbare Milderung der ursprünglich intendierten Strenge. Diese Milde aber ist nicht zuletzt das Ergebnis der Interventionen hochgestellter königlicher Getreuer, die gleichwohl ihre Verbindungen zu den Rebellen hatten. Es fragt sich daher, ob sie und ihre Interventionen die Milde nicht zu einer Art Verpflichtung des Königs machten – sozusagen zu einem Bestandteil einer vertraglichen Abmachung.
Um nicht in den Verdacht zu geraten, einen Einzelfall unzulässig zu verallgemeinern, seien zumindest stichwortartig vergleichbare Fälle aus der Ottonen- und frühen Salierzeit in Erinnerung gerufen, in denen bedingungslose Unterwerfung und königliche Milde fast wie ein Ritual bei der Beendigung eines Konflikts in Erscheinung treten und in denen auch die anderen Verhaltensweisen wiederkehren, die der Auseinandersetzung zwischen Heinrich von Schweinfurt und Heinrich II. ihr spezifisches Gepräge gaben. Herzog Eberhard von Franken unterwarf sich Otto dem Großen im Jahre 938 auf Intervention Friedrichs von Mainz und „stellte sich und alles Seine (des Königs) Willen anheim“. Nach kurzer Verbannung nach Hildesheim wurde er huldvoll (clementer) in seine frühere Würde (honori pristino) eingesetzt.27 Diese herrscherliche Milde hinderte ihn interessanterweise nicht, sich kurze Zeit später im Konflikt zwischen Heinrich und Otto dem Großen erneut auf die Seite der Gegner des Königs zu stellen.28
Mit seinem Bruder Heinrich versöhnte sich der König auf Intervention der Mutter Mathilde nach dessen wiederholter Empörung und setzte ihn zum Herzog von Bayern ein, obgleich er dessen Helfer hatte hinrichten lassen. Zuvor jedoch hatte sich Heinrich dem Bruder zu Füßen geworfen, als dieser am Weihnachtsfest zur Kirche ging, und um Barmherzigkeit gebeten.29 Im Verlaufe dieser Auseinandersetzung sind in Fülle genau die Verhaltensweisen bezeugt, die als allgemeines Charakteristikum der Austragung von Konflikten hier zur Diskussion stehen: Mitten in Kampfhandlungen kam es etwa zu persönlichen Verhandlungen, es wurden freier Abzug und eine befristete Waffenruhe vereinbart und sogar eine Amnestie für die Anhänger Heinrichs, die bereit waren, sich wieder dem König anzuschließen.30 Als Verhandlungsführer zwischen den Parteien traten Bischöfe in Erscheinung – Friedrich von Mainz und Ruthard von Straßburg –, die sich sogar den Gegnern des Königs anschlossen, als Otto I. Ergebnisse ihrer Verhandlungen nicht akzeptierte. Als Konsequenz schickte der König die beiden Bischöfe in die Verbannung, doch ‚4n kurzem verzieh er beiden huldvoll, nahm sie in Gnaden an und gab ihnen ihre frühere Würde zurück.“31 Lothringischen Verwandten und Anhängern Herzog Giselberts, die sich an diesen Auseinandersetzungen beteiligt hatten, beließ der König entweder gleich ihre Stellungen, oder aber „er strafte sie dadurch, daß er sie eine Zeitlang in Haft nahm; später gewann er sie durch die Milde seiner Huld und entließ sie in Frieden.“32
Auch der Königssohn Liudolf verhandelte mitten in erbitterten Kämpfen mehrfach und persönlich mit seinem Vater, erreichte Frieden bis zu einem Hoftag, der seine Sache entscheiden sollte, warf sich jedoch zuvor dem Vater, der auf der Jagd weilte, zu Füßen und wurde ebenso wie zuvor Herzog Konrad von Lothringen wieder in Gnaden aufgenommen.33 Die Billunger Wichmann und Ekbert erlangten mehrfach durch Interventionen Erzbischof Bruns von Köln und des Markgrafen Gero Ottos Verzeihung und dies, obgleich der König unter ihren slawischen Helfern ein furchtbares Blutbad angerichtet und alle Gefangenen hingerichtet hatte.34
Heinrich der Zänker bot Otto II. 974 nach seiner ersten Rebellion an, „er könne mit ihnen machen, was er wolle“. Kurze Zeit später befand er sich wieder in Freiheit.35 Demselben Heinrich wurde es 983 anläßlich seines Versuchs, König zu werden, zum schweren Vorwurf gemacht, daß er zwei Gegner, die sich ihm zu Füßen warfen, entließ, ohne ihnen zu verzeihen.36 Und bei Konrad II. war der Nachweis von Milde und Barmherzigkeit quasi ins Zeremoniell der Königserhebung eingebaut: Er widmete sich bei diesem Anlaß nicht nur einem Armen, einer Witwe und einer Waise und verschaffte ihnen Gerechtigkeit, sondern verzieh überdies einem Grafen, der ihn früher einmal beleidigt hatte.37
Dies sind nur die wichtigsten Beispiele für den immer gleichen Tatbestand: Die Gegner des Königs aus den Führungsschichten und seiner eigenen Familie können auf weitestgehende Schonung rechnen, selbst wenn bei den Auseinandersetzungen Blut geflossen war und gegen ihre Helfer mit unerbittlicher Strenge vorgegangen wurde. Voraussetzung für diese Schonung war jedoch, daß sie sich zur bedingungslosen Unterwerfung bereiterklärten. Die dem König anheimgestellte Bestrafung fiel dann regelmäßig so milde aus, daß der Bußfertige bald wieder in Amt und Würden war. Um nicht mißverstanden zu werden: Diese Praxis deutet nicht ausschließlich auf eine Beschränkung und Bindung königlicher Herrschaftsgewalt. Der sich bedingungslos Unterwerfende brachte ja einen beträchtlichen Teil seiner dignitas in die Konfliktbereinigung ein. Indem er sich dem Unterwerfungsritual aussetzte – häufig barfuß und mit härenem Gewande –, diente er nicht zuletzt der Zurschaustellung herrscherlicher Machtvollkommenheit. Und als Objekt herrscherlicher Milde erhielt er zwar auf den ersten Blick seine frühere Stellung zurück, ob nicht dennoch seine dignitas, sein Rang und seine Würde Schaden nahmen, wird man nachdrücklich fragen müssen.38 Der geschilderten Art der Beendigung von Konflikten scheint also eine gewisse Ambivalenz eigen: Sie verwehrte dem König zwar die Anwendung des harten Strafkanons gegen Rebellierer, ermöglichte ihm aber eine prestigefördernde Demonstration seiner Machtfülle und seiner Herrschertugenden, insbesondere der Milde und Barmherzigkeit, die die Zeitgenossen vielleicht nachhaltiger beeindruckte als Lehnsentzug und andere Strafmaßnahmen. In jedem Fall aber unterscheidet sich diese „Rechtsordnung“, um den Ausdruck von Hagen Keller aufzunehmen, grundsätzlich von der der vorhergehenden und derjenigen der Folgezeit.39
Denn in der Karolingerzeit – der abrupte Sprung sei erlaubt, um die Unterschiede zu verdeutlichen – war das alles noch ganz anders.40 Es genügt, an die Schicksale von Verschwörern aus der karolingischen Sippe, an den buckligen Pippin oder an Bernhard von Italien zu erinnern, an die Verschwörung des Thüringers Hardrat oder des Langobarden Hrodgaud oder auch an die Halbbrüder Ludwigs des Frommen – Klosterhaft, Blendung oder Tod waren die Mittel, mit denen die Gegner ausgeschaltet oder physisch vernichtet wurden.41 Zwar ließen die Könige auch Gnade vor Recht ergehen, indem sie ein Todesurteil in Klosterhaft umwandelten oder – es fällt schwer, das zu sagen – zur Blendung milderten.42 Doch frühere Würden haben Initiatoren von coniurationes in der Karolingerzeit nicht zurückerlangt. Eine Ausnahme bildete wohl nur das Verhalten Ludwigs des Deutschen gegenüber seinen Söhnen, das wohl Erfahrungen aus der Zeit Ludwigs des Frommen umsetzte.43 Und wenn wir noch bei Regino von Prüm zum Jahre 885 lesen, wie Karl III. eine sich anbahnende coniuratio zwischen seinem Neffen Hugo und dem Normannenfürsten Gottfried durch die sorgfältig geplante und heimtückische Ermordung des Normannen zerschlug, den er immerhin aus der Taufe gehoben hatte, und danach seinen Neffen blenden ließ44 – oder daß der Sohn Karls des Kahlen das gleiche Schicksal erleiden mußte45 –, dann ist der Unterschied zur Behandlung von Verschwörern im 10. Jahrhundert wohl genügend belegt. Noch zu Beginn des 10. Jahrhunderts hat Konrad I. mit der Hinrichtung seiner Schwäger Erchanger und Berthold ein drastisches Beispiel für den Umgang mit politischen Gegnern geliefert – zugleich aber auch das letzte dieser Art für lange Zeit.46
Erst in der Zeit der Salier sind dann wieder Fälle zu beobachten, in denen von seiten der Könige versucht wird, die geschilderte Praxis der Führung und der Beilegung von Konflikten zu ändern. Es geht nun zunehmend deutlicher um die Eindämmung der Möglichkeiten, Konflikte mit dem Herrscher auszutragen, und um die Durchsetzung königlicher Strafgewalt. Die Aufmerksamkeit und nicht selten auch die Empörung, die diese Versuche bei den Zeitgenossen hervorgerufen haben, deuten wohl nachhaltig darauf hin, wie fest verwurzelt die praktizierte „Rechtsordnung“ im Bewußtsein der Zeit war. Um so interessanter ist es zu beobachten, wie man im 11. Jahrhundert dieser Ordnung und diesen Spielregeln teils Rechnung trug, sie teils aber auch außer Kraft zu setzen versuchte. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien daher einige charakteristische Fälle in den Horizont der Überlegungen einbezogen.
Schon der erste und berühmte Konflikt eines salischen Königs mit einem Mitglied der Führungsschichten steht einerseits in der skizzierten Tradition, nahm aber andererseits einen Verlauf und ein Ende, die von den vergleichbaren Fällen des 10. Jahrhunderts durchaus unterschieden sind. Gemeint sind die Auseinandersetzungen zwischen Konrad II. und Herzog Ernst von Schwaben, der der Stiefsohn des Herrschers war.47 Er hatte sich nach der Königserhebung seines Stiefvaters aus ungeklärter Ursache einer größeren coniuratio gegen Konrad II. angeschlossen, ohne jedoch die Umgebung des Herrschers zu verlassen.48 Auf Intervention seiner Mutter Gisela, seines Stiefbruders Heinrich III. und anderer Großer wurde er jedoch wieder in die Gnade Konrads II. aufgenommen. Interessant ist schon hier, daß Wipo in seinem Bericht ausdrücklich den Widerstand des Herrschers gegen diese Begnadigung hervorhebt: „… der König nahm ihn nach langem Widerstreben endlich doch in Gnaden auf.“49 Schon kurze Zeit nach diesem Ausgleich begann Ernst erneut eine rebellio, obgleich er vom König ehrenvoll behandelt worden war – er hatte die Reichsabtei Kempten zu Lehen erhalten – und Konrad II. ihn aus Italien gerade zur Friedenswahrung nach Alemannien zurückgesandt hatte. Sein Auftrag aber beinhaltete nichts anderes, als gegen einen seiner früheren Genossen, den Grafen Welf, einzuschreiten, der in Alemannien in Fehde mit dem Bischof Bruno von Augsburg lag.50 Es fragt sich daher, ob Konrad II. von seinem Stiefsohn nicht etwas verlangte, was dieser kaum einlösen konnte, wenn er nicht seine eingegangenen Bindungen zerstören wollte. Die Frage scheint deshalb nicht unwichtig, weil Ronrad später etwas Ähnliches als Vorbedingung forderte, wie wir noch sehen werden. Beide Male hat Herzog Ernst dem Ansinnen des Königs nicht entsprochen.
Konrad II. reagierte nach seiner Rückkehr aus Italien bezeichnenderweise zunächst mit vertraulichen Beratungen (colloquium familiare), in denen die zukünftigen Maßnahmen gegen die Landesverräter besprochen wurden. Erst dann zog er nach Ulm, wo er einen Hoftag (colloquium publice) abhielt, zu dem Herzog Ernst nicht in flehender Haltung kam, sondern in dem Bewußtsein, „sich entweder mit dem Kaiser zu verständigen oder gewaltsam seinen Abzug zu sichern“.51 Es fragt sich, ob die in der Forschung herrschende Meinung, Ernst sei vor das königliche Hofgericht geladen worden, diesen Aussagen der Quellen gerecht wird. Die zitierte Darstellung Wipos spricht wohl eher dafür, daß Ernst, wie vor ihm andere Gegner der Könige in der Ottonenzeit, zu Verhandlungen kam, die einen Friedensschluß zum Ziele hatten oder die Fortsetzimg der Auseinandersetzung nach sich zogen, wenn sie scheiterten. Erst durch die von Wipo breit geschilderte Tatsache, daß ihm seine Vasallen die Gefolgschaft gegen den König verweigerten, wählte Ernst einen anderen Weg: er ergab sich dem Kaiser bedingungslos (sine omni pactione imperatori se reddidit). Von dem Urteilsspruch eines Hofgerichtes ist nicht die Rede, als der Kaiser Ernst in die Verbannung auf die sächsische Burg Giebichenstein schickte.52
Man streitet in der Forschung, wann Ernst aus der Verbannung befreit und wieder in seine Würde eingesetzt wurde. Zur Frage steht, ob dies schon im nächsten Jahr − 1028 – oder erst 1030 geschah.53 Nimmt man Wipos Text wörtlich, blieb es bei dem Angebot einer Wiedereinsetzung. Sie wurde nämlich an die Bedingung geknüpft, daß Ernst gegen seinen Vasallen Werner von Kyburg, der ihn zuvor unterstützt hatte, als Landfriedensbrecher einschreite. Ernst weigerte sich, dies eidlich zu versprechen, und leitete damit seinen eigenen Untergang ein, denn nun wurde er als Reichsfeind (hostis publicus imperatoris) verurteilt und verlor sein Herzogtum endgültig.54 Er wurde exkommuniziert und alle seine Güter eingezogen. Nichts vermag vielleicht besser zu verdeutlichen, wie sehr in diesem Fall „öffentliche“ und „private“ Belange in Konflikt gerieten, als die Tatsache, daß Ernsts Mutter Gisela, die Kaiserin, erklärte, was auch immer ihrem Sohn von nun an zustoße, sie wolle deshalb an niemandem Vergeltung üben.55 Die Notwendigkeit dieser Erklärung zeigt doch wohl auch, daß man eigentlich damit rechnen mußte, daß sie auch in diesem Falle noch ihrer Verwandtenpflicht genügte.
In durchaus vergleichbarer Weise gerieten die Vorstellungen von den königlichen Amtsbefugnissen noch ein zweites Mal in der Regierungszeit Konrads II. in Konflikt mit den Konsequenzen, die sich aus dem Netz privater Bindungen ergaben. Dies war der Fall, als Konrad II. im Jahre 1035 den Herzog Adalbero von Kärnten wegen nicht näher spezifizierter Vergehen seines Herzogtums entsetzen wollte.56 Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß der Salier schon vor seiner Rönigszeit mit diesem Herzog in Fehde gelegen hatte, zumal auch die Zeitgenossen davon überzeugt waren, ein alter Haß des Königs gegen Adalbero sei der tiefere Grund für den Vorstoß zur Amtsentsetzung gewesen.57 Wie ungewöhnlich ein solcher Vorstoß des Königs in dieser Zeit war, erweist die Reaktion der beiden Markgrafen, die von Konrad II. zu einem diesbezüglichen Urteilsspruch aufgefordert wurden. Sie forderten nämlich nach Beratung, daß so etwas nur in Gegenwart des jungen Heinrich III. und durch dessen Urteil geschehen könne.58 Konrad II. ließ sich auf die Verfahrensänderung ein und verlangte und erbat das gleiche von seinem Sohn, nämlich den Absetzungsspruch gegen den Herzog. Dieser aber verweigerte sich zunächst dem königlichen Wunsch mit der Begründung, er könne dies nicht tun, weil er dem Adalbero durch ein Bündnis verpflichtet sei.59 Erst später erfuhr der Vater, daß es sich um ein Schwurbündnis handelte, das der Lehrer Heinrichs III., Bischof Egilbert von Freising, vermittelt hatte.60 Heinrich III. schätzte also zunächst seine private Freundschaftsbindung so hoch ein, daß er sie über die Aufforderung und Bitte des Königs stellte. Der König seinerseits reagierte nicht wie ein Amtsinhaber, sondern setzte auf andere Möglichkeiten, nachdem er zunächst vor Erregung in Ohnmacht gefallen war. Er warf sich nämlich dem Sohn zu Füßen und bat ihn, nicht den Feinden seines Vaters Anlaß zum Frohlocken, sich selbst aber keine Schande dadurch zu bereiten, daß er anderer Auffassung als sein Vater sei.61 Es agierte in dieser hochpolitischen Angelegenheit also weniger ein Herrscher als ein Vater. Dessen fußfällige Bitte hatte Erfolg, Adalbero von Kärnten wurde verurteilt, abgesetzt, verbannt und seiner Lehen für verlustig erklärt. Er selbst war bei dem ganzen Verfahren nicht anwesend, und es ist durch keine konkrete Quellenaussage gesichert, daß er überhaupt zu ihm geladen worden war. Die Meinung der Forschung, der Verurteilung liege der Tatbestand der Mißachtung des Gerichts (contumacia) zugrunde, hat sich allein auf Grund späterer Fälle gebildet.62
Der Fall Adalberos von Kärnten ist für unsere Fragestellung aus zweierlei Gründen wichtig. Einmal ist es ein Fall, in dem ein König von vornherein versuchte, einen Konflikt ohne Verhandlungen mit dem Gegner prozessual zu lösen. Die ablehnende Reaktion der zunächst beauftragten Urteiler ist wohl ein zusätzliches Indiz für das Neuartige dieses Vorgehens. Und zum anderen zeigen die Reaktionen der Betroffenen, namentlich die seines Sohnes, in welch unheilvolle Zwangslagen ein solches Vorgehen viele brachte, die private Verpflichtungen gegenüber Adalbero eingegangen waren. Es bedurfte schon der nachdrücklichen Bemühungen Konrads II. als Vater und als König, um dieses von ihm angestrengte Verfahren zu dem gewünschten Ende zu bringen.
Die Tendenz, im Konfliktfalle gerichtliche Entscheidungen zu suchen, läßt sich auch mit weiteren Beispielen des 11. Jahrhunderts belegen, von denen einige dadurch auffällig sind, daß Beschuldigungen erhoben wurden, einer der Kontrahenten habe die Absicht gehabt, seinen Gegner heimtückisch zu ermorden oder ermorden zu lassen. Es traten in diesen Fällen sogar ganz konkrete Personen auf, die nicht nur die Mordabsichten bezeugten, sondern sich auch erboten, ihre Behauptungen durch einen gerichtlichen Zweikampf zu beweisen. Der erste so geartete Fall betraf den billungischen Grafen Thietmar, einen Bruder Herzog Bernhards II. von Sachsen, im Jahre 1048. Sein eigener Vasall, Arnold mit Namen, trat mit der Behauptung als Ankläger auf, Thietmar habe die Absicht gehabt, Kaiser Heinrich III. anläßlich seines Besuchs in Lesum zu ermorden.63 Der billungische Graf stellte sich dem gerichtlichen Zweikampf und wurde von seinem Vasallen erschlagen. Sein Sohn reagierte auf dieses Gottesurteil in sehr eindeutiger Weise: Er wurde des Vasallen habhaft und ließ ihn zwischen zwei Hunden aufhängen, womit er eine eindeutige Schmachstrafe anwandte.64 Er besaß also offensichtlich ein gänzlich anderes Verständnis von der Handlungsweise des Vasallen als der Kaiser, der denn auch die Güter dieses Billungers konfiszierte und ihn verbannte.65 Auch die anderen Billunger teilten die Einschätzung ihres Verwandten, denn sie verfolgten von dort ab den Bremer Erzbischof „mit tödlicher Feindschaft“, weil sie ihn für verantwortlich für die Vorfälle hielten.66
Zwei Jahrzehnte später, im Jahre 1070, traf eine vergleichbare Anklage den Herzog Otto von Northeim. Ein gewisser Egino, dem ausdrücklich nachgesagt wird, daß ihn Heinrich IV. hierzu bestochen habe, beschuldigte Otto, er habe ihn zur Ermordung des Königs verleiten wollen.67 Er wies sogar das Schwert vor, das ihm Otto von Northeim angeblich zu diesem Zweck gegeben hatte, und er erbot sich, die Wahrheit der Aussage in einem gerichtlichen Zweikampf zu beweisen. Zunächst war der Bayernherzog sogar bereit, sich diesem Zweikampf zu stellen. Er forderte jedoch, wie üblich, die Sicherheit des unbehinderten Abzugs, falls er als Sieger aus diesem Zweikampf hervorgehen sollte. Doch selbst diese Zusage erhielt er angeblich von Heinrich IV. nicht.68 Otto von Northeim hat sich deshalb auf das Wagnis nicht eingelassen und wurde folgerichtig als Herzog von Bayern abgesetzt. Er begann dann seinerseits in Verbindung mit dem Sachsenherzog Magnus einen „grausamen Krieg“ gegen Heinrich IV.69 Wer da als Ankläger gegen Otto von Northeim aufgetreten war, läßt sich an einer anderen Episode erkennen, die Lampert aus dem Jahre 1072 berichtet: Als er die unnachgiebige Rechtswahrung Erzbischof Annos von Köln rühmte, die dieser auf Befehl Heinrichs IV. durchgesetzt habe, erzählte er, daß Anno den genannten Egino, der wegen privater Übergriffe beim König verklagt worden war, in Ketten öffentlich herumführen ließ, um die königliche Strenge (regia severitas) beim Volke beliebt zu machen.70 Nicht die Demonstration königlicher Milde war also nun das Ziel, sondern die der königlichen Unnachgiebigkeit und Strenge.
Angesichts derartig veränderter königlicher Haltung in Konflikten kann es nicht überraschen, daß auch Heinrich IV. sich bald, 1073, dem Vorwurf gegenübersah, er habe zum Mord anstiften wollen. Einer seiner Ratgeber namens Reginger trat mit der Behauptung an die Öffentlichkeit, Heinrich habe ihn und andere dingen wollen, die Herzöge Rudolf von Rheinfelden und Berthold von Kärnten zu ermorden.71 Auch Reginger erbot sich, seine Behauptung durch einen Zweikampf mit dem König selbst oder mit einem beliebigen anderen Mann zu beweisen. Und in der Tat wurde ein Zweikampf zwischen diesem Reginger und einem Anhänger des Königs, Ulrich von Godesheim, zu einem festgesetzten Termin und Ort abgemacht. Zu diesem Zweikampf kam es allerdings deshalb nicht, weil Reginger, wie Lampert erzählt, wenige Tage vor dem Termin von einem schrecklichen Dämon befallen wurde und eines grausamen Todes starb.72 Es verwundert nicht ganz, daß man in der älteren Forschung bereits vermutete, Reginger sei vergiftet worden.73
Der Fall des Markgrafen Ekbert II. von Meißen zeigt dann, daß auch Heinrich IV. durchaus noch mit dem Mittel der Milde und Wiedereinsetzung in frühere Würden agierte. Dieses Beispiel ist deshalb für unsere Fragestellung von besonderem Wert, weil in drei Urkunden Heinrichs IV. königliche Selbstaussagen über die Vorgänge erhalten sind.74 Die drei Urkunden erklären sich daraus, daß Heinrich IV. der Utrechter Kirche eine Grafschaft Ekberts übertrug, ihr diese nach der Versöhnung mit dem Markgrafen jedoch wieder entzog, um sie nach dem neuerlichen Bruch des Verhältnisses erneut und diesmal endgültig an Utrecht zu geben. Nach der königlichen Darstellung in der ersten Urkunde verfuhr Heinrich IV. zu Beginn des Konflikts misericorditer mit dem Markgrafen, nachdem dieser demütig um Gnade gebeten hatte (ad requirendam gratiam nostram humiliatus fuisset). Er gab ihm das Seine zurück und überlegte noch, weiteres hinzuzufügen (alia superaddere). Erst als der Markgraf sofort nach der Aussöhnung den Konflikt fortsetzte, Sachsen und Thüringen gegen Heinrich aufwiegelte und nicht nur die Ehre, sondern auch das Leben des Herrschers anzugreifen wagte (non solum honorem, sed et vitam nostram impugnare conatus est), leitete Heinrich gegen ihn ein Gerichtsverfahren ein, und Landsleute verurteilten ihn als Feind des Reiches (manifestum hostem regni et imperii Romani) zum Verlust seiner Güter und Lehen. Eines dieser Lehen erhielt der Bischof von Utrecht. Aus der ungewöhnlich ausführlichen Arenga und Narratio der dritten Königsurkunde für Utrecht, die die gleiche Grafschaft Ekberts betrifft, werden dann weitere Einzelheiten der Auseinandersetzung und vor allem der Einschätzung des Konflikts durch Heinrich IV. erkennbar. Programmatisch und drohend ist schon die Arenga: „Wie die Person der Könige und Kaiser unter den Menschen die höchste ist, so ist sie die den Menschen gefährlichste, was Absetzung oder Verurteilung betrifft“ (Regum vel imperatorum persona, sicut inter homines est altissima, ita ad deponendum vel iudicandum hominibus est periculosissima). In der Narratio wird dann ausführlich der eben schon angesprochene Sachverhalt des Konflikts referiert, wobei als Ziel Ekberts nun Absetzung und Tod Heinrichs genannt sind.75 Damit habe er seine Verpflichtungen gebrochen, die er dem König als Ritter, Markgraf, Verwandter und vor allem durch den geleisteten Eid schulde. Man erfährt aber auch, daß Heinrich IV. nach dem ersten Gerichtsurteil dem Markgrafen noch einmal verzieh, nachdem dieser ihn inständig gebeten (multumque supplicavit) und ihm klargemacht hatte, daß er in der Lage sei, die Reichsfürsten mit dem König zu einen (et per eum regni principes dispersos in unitatem cogeremus). Sofort nach der Wiedereinsetzung war Ekbert jedoch zu seiner alten Treulosigkeit zurückgekehrt (ad antiquam perfidiam revertitur), woraufhin sich der König erneut veranlaßt sah, ein Gerichtsurteil gegen Ekbert zu erwirken: collecti principes Ekbertum fugientem nec pro iusticia nec pro miserieordia satisfaeere volentem preseripto iudicio dampnaverunt. Diese Formulierung weist auf die zwei Möglichkeiten, die Ekbert auch in dieser Situation noch blieben: der Gnadenweg der bedingungslosen Unterwerfung und der Weg des Gerichtsverfahrens. Doch selbst nach dem Gerichtsurteil belagerte Heinrich IV. nach eigener Aussage die castella Ekberts mehr in der Absicht, ihm dadurch wieder Achtung vor dem König einzuflößen, als um ihn von sich zu stoßen (magis respectu ad nos eum recolligendi quam de nobis repellendi). Auch gegenüber dem mehrfach Abtrünnigen und zweimal Verurteilten geht es also noch mehr um das recolligere als um das repellere. Es sei erinnert an das, was über die kontrollierte Eskalation der Konflikte in der Ottonenzeit gesagt wurde; dem gleichen Vorstellungshorizont ist die Darstellung des Königs deutlich verpflichtet.76
Erst als der Markgraf weiter Unrecht auf Unrecht häufte, so daß er nicht nur seiner Güter, sondern auch seines Lebens beraubt zu werden verdiente, so schreibt der König abschließend, habe er ihm seine Güter ohne Hoffnung auf Wiedererlangung (sine spe recuperandi) genommen und sie endgültig an Utrecht übergeben.77 Es ist klar, daß Heinrich IV. hier seine Handlungen ins rechte Licht rückt, doch zeigt gerade die Betonung der königlichen Langmut, seiner fast übermenschlichen Bereitschaft, zu verzeihen und den status quo ante wiederherzustellen, wie wichtig diese Art der Behandlung von Gegnern auch noch für die königliche Selbstdarstellung Heinrichs IV. war.
Daß er in der Praxis nicht unbedingt immer so verfuhr, wie er sich im Falle Ekberts selbst bescheinigte, hatten die Sachsen in den vorhergehenden Auseinandersetzungen mehrfach erfahren müssen. Namentlich im Zusammenhang der Unterwerfung des sächsischen Stammes im Jahre 1075, die bei Spier stattfand, gibt es genügend, wenn auch parteiliche Stimmen, die Heinrich IV. gerade auf den hier diskutierten Feldern Vertragsbruch vorwerfen. Der Unterwerfung der Sachsen waren umfangreiche Verhandlungen vorausgegangen, die von weltlichen und geistlichen Großen des Königs geführt wurden und in denen die Rituale der Unterwerfung sowie die darauffolgenden Handlungen des Königs abgesprochen und, wie üblich, eidlich bekräftigt worden sein sollen.78 Waffenlos, mit gesenktem Haupt und mit bloßen Füßen traten die Sachsen, nach ihrem Rang geordnet, im Angesichte des Heeres vor den König und unterwarfen sich ihm bedingungslos. Sie empfanden es aber – zumindest nach den erregten Aussagen der sachsenfreundlichen Quellen – als Vertragsbruch, als Heinrich IV. ihnen nicht gleich verzieh, sondern ihre Anführer in weit entfernte Gegenden in Haft gab.79 Selbst wenn man daran zweifelt, daß die sofortige Verzeihung und die Herstellung des Status quo ante von den Gesandten vertraglich festgelegt worden war; die Empörung der Sachsen ist zumindest insoweit unmittelbar einleuchtend, als die Inhaftierung so vieler herausragender Männer und ihre Entsendung in entfernte Gegenden eine äußerst ungewöhnliche Praxis war.
Ähnlich unnachgiebig hatte sich Heinrich IV. jedoch schon zuvor bei dem sächsischen Herzog Magnus Billung erwiesen, den er trotz massiver sächsischer Interventionen längere Zeit in einer Art Beugehaft hielt, ohne daß man in Sachsen überhaupt wußte, wo er war.80 Gerade diese Verschleierung empfand man als besonders infam, da sie den üblichen Gewohnheiten der ehrenvollen Inhaftierung widersprach.81 Heinrich IV. ließ den Herzog bezeichnenderweise erst frei, als die Sachsen drohten, gefangene königliche Gefolgsleute hinzurichten, eine Drohung, die in den internen Auseinandersetzungen des 10. und 11. Jahrhunderts ihresgleichen sucht.82
Einige Jahre zuvor, 1071, hatte sich Heinrich IV., wenn man den Angaben Lamperts von Hersfeld trauen darf, bei der Aussöhnung mit Otto von Northeim noch weitgehend nach den traditionellen Regeln verhalten. Einer der Ratgeber des Königs, Graf Eberhard, versprach Otto von Northeim eidlich, „daß er ihm beim König Verzeihung für das ihm zur Last gelegte Vergehen und Rückerstattung alles dessen, was er nach Kriegsrecht verwirkt hatte, erwirken werde“.83 Voraussetzung war lediglich, daß auch Otto den Konflikt beende und sich dem König ergebe. Nach Lampert war Heinrich IV. mit dieser Regelung einverstanden, man gewährte sich Waffenstillstand bis zu einem festgesetzten Termin, an dem Otto von Northeim in Köln seine Unterwerfung vollziehen sollte. Der Termin wurde verlängert, und die Unterwerfung geschah erst am Pfingstfest in Halberstadt, wobei nach dem Rericht der Altaicher Annalen Erzbischof Adalbert von Bremen im Auftrage Ottos von Northeim als Fürsprecher (orator) für ihn tätig wurde.84 Er tat dies während des Gottesdienstes hartnäckig und in der Absicht, dem Herzog nicht nur die Gnade des Herrschers zu gewinnen, sondern ihm auch seine Güter ex integro zu bewahren. Heinrich IV. ließ trotzdem den Herzog immerhin ein Jahr in Haft nehmen und begnadigte ihn erst, „nachdem er dem König sowie denen, die sich beim König für ihn verwandt hatten, einen beträchtlichen Teil seiner Güter gegeben hatte“.85 Die Analogien zum Verhalten Heinrichs II. gegenüber dem Markgrafen Heinrich von Schweinfurt sind doch wohl als frappierend zu bezeichnen.86 Wie in vielen der skizzierten Fälle wird hier noch einmal die Tätigkeit der Unterhändler und Fürsprecher deutlich, die keiner der beiden Parteien vorrangig verpflichtet sind, die jedoch alles in ihrer Macht Stehende tun, um die Unterwerfung für den Gegner des Königs so erträglich wie möglich zu machen.
Die Beispiele mögen genügen, um zu zeigen, wie die Gewohnheiten und Regeln der Führung und der Beilegung von Konflikten vom 10. ins 11. Jahrhundert fortwirkten, wie jedoch gleichzeitig Bemühungen verschiedenster Art erkennbar sind, neue Regeln durchzusetzen, die die Position des Königs in diesen Auseinandersetzungen verbessern sollten.87 Als Anzeichen einer auch theoretisch veränderten Position sei lediglich noch die Absage in Erinnerung gerufen, die nach dem Zeugnis Ottos von Freising Friedrich Barbarossa anläßlich seiner Königserhebung gab, als man von ihm die herrscherliche Milde einforderte. Ihm hatte sich noch in der Kirche ein in Ungnade gefallener früherer Dienstmann zu Füßen geworfen und um Verzeihung gebeten. Doch Barbarossa blieb bei seiner früheren Strenge, da sie Ausfluß seines Strebens nach Gerechtigkeit gewesen sei. Auch wenn die Milde hier einem Dienstmann und nicht einem Mitglied des Hochadels verweigert wird, kann kaum ein Zweifel bestehen, daß hier bewußt mit einer Tradition gebrochen wird. Hiervon zeugt nicht zuletzt der Kommentar, den Otto von Freising dieser Entscheidung anfügt: Es habe die Bewunderung vieler erregt, daß Friedrich Barbarossa auch seine ruhmvolle Erhebung zum König nicht von der „Strenge der Gerechtigkeit“ (rigor iustitiae) abbringen und zum „Fehler des Vergebens“ (vitium remissionis) erweichen konnte.88 Mit dem vitium remissionis kann aber nur die Praxis gemeint sein, die Gegenstand dieser Untersuchung ist. Die Konsequenzen dieses Sieges der Gerechtigkeit über die Milde kann man dann an der Behandlung von Gegnern in der Stauferzeit ablesen.89
Zusammengefaßt: Das Konfliktverhalten von König und Großen im 10. und 11. Jahrhundert ist deutlich Prinzipien verpflichtet, die wenig mit „Staatlichkeit“, viel dagegen mit der Austragung von Gegensätzen auf „privater Ebene“ zu tun haben. Dem König scheint in solchen Konflikten zunächst kein allseits akzeptierter Sonderstatus zuzukommen. Die Versuche der Karolingerzeit, eine hierarchische Ausrichtung des Herrschaftsverbandes auf den König durchzusetzen – durch allgemeine Treueeide, durch grundsätzliches Verbot aller coniurationes, durch rigide Bestrafung der „Majestätsbeleidigung“ (crimen laesae maiestatis) und anderes mehr –, sind zurückgenommen, wenn auch als Normvorstellungen oder Ansprüche nicht grundsätzlich verschwunden.90 De facto ist der König aber eingebunden in die Spielregeln der Austragung und Bewältigung von Konflikten wie seine Gegner auch. Diese Regeln – kontrollierte Eskalation, fast institutionalisierte Rolle von Intercessoren zur Beilegung des Konflikts, ritualisierte Wiederherstellung des Status quo ante – unterscheiden sich aber so sehr von der karolingerzeitlichen Praxis, das Königtum von solchen Konflikten grundsätzlich auszunehmen, daß die Frage naheliegt, wie dieser vermeintliche Rückschritt zu erklären ist. Er korrespondiert mit anderen Rückschritten, auf die Hagen Keller hingewiesen hat.91
Mit aller Vorsicht wird man die Erklärungen auf folgenden Feldern suchen: Der Prestigeverlust des karolingischen und das fehlende Prestige des ottonischen Geschlechts am Beginn seiner Herrschaft hat neue Formen des Zusammenwirkens von König und Großen nötig gemacht, um eine Konsolidierung im Inneren und eine Abwehr der äußeren Feinde leisten zu können.92 Heinrich I. hat diese Konsolidierung nicht zuletzt dadurch erreicht, daß er Einungen und Bündnisse unter den Mitgliedern der Führungsschichten initiierte und sich auch selbst in diese Bündnisse einbinden ließ. Diese Politik der Freundschaftsbindungen (amicitiae) war äußerst erfolgreich, wie man dem Urteil der späteren ottonischen Historiographen entnehmen kann.93 Zur Konsequenz hatte diese Politik aber auch, daß der König einige seiner königlichen Machtbefugnisse aufgeben bzw. hintanstellen mußte. Unter den Bedingungen der Freundschaft mußte sich das Verhältnis der Herrschaftsträger zueinander anders gestalten als unter denen der Herrschaft.94 Prinzipien der Verwandtschafts- und Freundschaftsmoral, die so das politische Leben beeinflußten, aber forderten gerade die Verhaltensweisen, die wir in den Konflikten des 10. Jahrhunderts dann beobachten können.95
Otto der Große hat die Herrschaftspraxis seines Vaters nicht fortgeführt, sondern seinen herrscherlichen Vorrang und seine Entscheidungsbefugnisse gegenüber den Großen wieder durchgesetzt – was ihm erheblichen Widerstand und schwere Krisen seiner Königsherrschaft bescherte.96 In diesen Auseinandersetzungen haben die Großen die Prinzipien der Verwandtschafts- und Freundschaftsmoral, die sich in der Zeit Heinrichs I. bewährt hatten, zumindest so erfolgreich verteidigt, daß dem König die Anwendung seiner herrscherlichen Strafgewalt gegen Mitglieder der Führungsschichten verwehrt blieb und sich in der Konsequenz Verhaltensweisen verfestigten, die der dignitas aller Beteiligten Rechnung trugen.
Neben dieser Erklärungsebene ist natürlich zu beachten, daß die Milde eine christliche Herrschertugend darstellt, deren Nachweis für die sakrale Legitimierung des Herrschers von größter Bedeutung war.97 Je wichtiger also die sakrale Legitimierung für den Herrscher wurde, desto größer dürfte seine Bereitschaft gewesen sein, sich den gesetzten Normen gemäß zu verhalten. Sakral legitimiert haben sich die Herrscher jedoch auch in der Karolinger- und in der Stauferzeit. Praktische Folgen wie in der Ottonenzeit hatte dies jedoch nicht, so daß die christlich-kirchlichen Einflüsse allein zur Erklärung der Phänomene wohl nicht ausreichen. Einflüsse christlicher Auffassungen vom idealen Herrscher vereinigten sich vielmehr mit Vorstellungen aus dem Bereich der Verwandtschafts- und Freundschaftsmoral, die gleichfalls bestimmten Formen der Führung und der Beilegung von Konflikten verpflichtet waren. Sie markierten für längere Zeit Handlungsspielräume auch im politischen Kräftefeld, begrenzten und bestimmten die herrscherliche Machtausübung, aber auch die Formen des Widerstands, die Rituale der Konflikte. Dennoch ist es wohl kaum überraschend, daß sie in der Zeit der Herrschaftsintensivierung im Hochmittelalter überwunden wurden, interessanterweise langsam und begleitet von deutlichen Äußerungen der Empörung gegen den Bruch des Herkommens.
Abb. 1. Festmahl einer höfischen Gesellschaft mit Dienern und Gespräch in einer Fensternische. Miniatur einer in Nordbayern oder Thüringen zwischen 1210 und 1220 entstandenen Handschrift der „Eneide“ des Heinrich von Veldeke. Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Handschriftenabteilung, Ms. germ. fol. 282.
Abb. 2. Kaiser Konstantin I. empfängt Papst Silvester und führt dessen Pferd am Zügel (Stratordienst). Fresko aus der Silvesterkapelle von SS. Quattro Coronati in Rom aus der Mitte des 13. Jahrhunderts. Quelle: Bildarchiv Foto Marburg
1 Vgl. hierzu grundlegend Kern, Gottesgnadentum und Widerstandsrecht; an neueren Arbeiten für den hier interessierenden Zeitraum seien etwa genannt Bund, Thronsturz und Herrscherabsetzung; Brunner, Oppositionelle Gruppen im Karolingerreich; Erkens, Fürstliche Opposition; Fenske, Adelsopposition und kirchliche Reformbewegung; Giese, Der Stamm der Sachsen und das Reich; Keller, Zwischen regionaler Begrenzung und universalem Horizont, dort insbesondere das Kapitel: „Königsherrschaft in und über dem Rangstreit der Großen“, S. 73–88, jeweils mit vielen weiteren Hinweisen. – Nicht zuletzt die Rechtsgeschichte hat ihr Interesse auf die hier zur Frage stehenden Vorgänge gerichtet; vgl. Illmer, Treubruch, Verrat und Felonie; klassisch Mitteis, Politische Prozesse; siehe auch Lieberwirth, Art. Crimen laesae maiestatis, in: HRG, Bd. 1, Sp. 648–651; Schminck, Art. Hochverrat, in: Ebd., Bd. 2, Sp. 179–186; Holzhauer, Art. Majestätsbeleidigung, in: Ebd., Bd. 3, Sp. 177–182, mit weiteren Hinweisen. Bestimmte Zielrichtungen der Fragestellung deuten Dissertationsthemen der phil. Fakultäten an wie Kellner, Das Majestätsverbrechen im deutschen Reich; Schweighöfer, Die Eigenmächtigkeit der deutschen Fürsten; Krah, Absetzungsverfahren als Spiegelbild von Königsmacht. – Demgegenüber ist der Ethnologie die Untersuchung von Konflikten zur Erhellung der Funktionsweisen archaischer Gesellschaften vertrauter; vgl. etwa Gluckman, Order and Rebellion, besonders „Rituals of Rebellion in South East Africa“, S. 110ff. Dieser Beitrag wurde auch in deutscher Übersetzung veröffentlicht, vgl. Kramer/Sigrist (Hrsg.), Gesellschaften ohne Staat; Schiffauer, Die Bauern von Subay, besonders S. 56ff.; zur Konflikttheorie in der Soziologie vgl. Weede, Konfliktforschung.
2 Zu Fällen von Lehnsentzug auf Grund königlicher Initiative vgl. Leyser, Rule and Conflict, S. 36f. mit Anm. 33, der die Urkunden Ottos des Großen, in denen von Lehnsentzug die Rede ist, aufführt. Zu den dort genannten Fällen bedarf es doch der Erläuterung, daß in einigen entzogenes Gut zurückgegeben wurde (Nr. 59f., S. 141f.; Nr. 107, S. 191f.; Nr. 135, S. 215; Nr. 197, S. 277f.), in anderen nicht von Lehnsentzug die Rede ist (Nr. 61, S. 142; Nr. 194, S. 275), daß überdies im Falle des elsässischen Grafen Guntram fünf, im Falle der ßrüder Eberhard und Konrad drei Königsurkunden ausgestellt wurden. Durch diese Differenzierungen werden die gesammelten 27 Fälle um die Hälfte reduziert, so daß sie eine intensive Praxis des Lehnsentzuges durch Otto I. kaum noch stützen. In den verbleibenden Fällen ist überdies mehrfach nicht gesagt, daß ein Vergehen gegen den König der Grund für den Lehnsentzug war. So bleibt vor allem der spektakuläre Fall des Grafen Guntram, zu diesem vgl. Keller, Kloster Einsiedeln, S. 99ff., Zotz, Der Breisgau und das alemannische Herzogtum, S. 26ff.; Borgolte, Die Geschichte der Grafengewalt im Elsaß, besonders S. 50ff. – Eine eingehende Aufarbeitung der urkundlichen Überlieferung hinsichtlich königlicher Rechtspraxis bietet Krause, Königtum und Rechtsordnung; siehe auch Krah, Absetzungsverfahren als Spiegelbild von Königsmacht, mit der systematischen Sammlung der einschlägigen Fälle der Karolinger-, Ottonen- und frühen Salierzeit.
3 Die von den Quellen in diesem Zusammenhang häufig vertretene Meinung, die Gruppenbildung sei erst im Zusammenhang des Konflikts erfolgt, bedarf jedoch nachdrücklich der Überprüfung; vgl. dazu schon Althoff, Organisation sächsischer coniurationes, S. 130f.
4 Zum Problem der begrifflichen Erfassung solcher Konflikte vgl. Brunner, Oppositionelle Gruppen im Karolingerreich, S. 14ff.; Mitteis, Politische Prozesse, S. 5, spricht davon, daß die Verfassungsentwicklung vom 10. bis 12. Jahrhundert „entscheidend“ von den „politischen Prozessen“ geprägt worden sei, die solche Rebellionen beendeten. Seine Aussage, „sie vollziehen sich in den starren gesetzlich festgelegten, verfassungsmäßig garantierten Formen der Prozeßordnungen, unter dem Schutze des Prinzips der Öffentlichkeit und Mündlichkeit“, bestimmt bis heute weitgehend die Vorstellungen der Forschung, obgleich sie, wie im folgenden gezeigt werden soll, gravierende Veränderungen unberücksichtigt läßt.
5 Vgl. Schminck, Art. Hochverrat, in: HRG, Bd. 2, Sp. 179–186; der Begriff entstand erst um 1700; vgl. dazu His, Geschichte des deutschen Strafrechts, S. 116.
6 Wie es in aller Regel die Geschichtsschreiber des 10. Jahrhunderts tun, für die die Gegner des Königs nequam et Deo odibiles (so Regino von Prüm, Chronik, a. 939, S. 160) oder quodammodo arte antiqui hostis (d.h. des Teufels) constricti (so Widukind von Corvey, Sachsengeschichte, III, 18, S. 114) waren.
7 Eine Ausnahme scheint die coniuratio gegen Otto den Großen im Jahre 939 zu bilden, als deren Rädelsführer sein Bruder Heinrich und die Herzöge Eberhard von Franken und Giselbert von Lothringen genannt sind; die Quellen sprechen in diesem Falle mehrfach vom Vorsatz der Thronenthebung; vgl. RI II, 1, Nr. 76; Köpke/Dümmler, Otto der Große, S. 115ff. Die sog. „Rädelsführer“ des Liudolf-Aufstandes betonten dagegen nachdrücklich, nichts gegen den König selbst im Sinne zu haben; vgl. ebd., S. 215f.
8 Vgl. zu diesem Problem die Ausführungen und die Literaturangaben von Keller, Zum Charakter der ‚Staatlichkeit‘; hingewiesen sei hier nur auf die instruktive Darstellung der Auseinandersetzungen zwischen der Rechtsgeschichte und einer von Historikern betriebenen Verfassungsgeschichte, wie sie mit den Namen Otto Brunner, Theodor Mayer, Walter Schlesinger und anderen verbunden ist, durch Kroeschell, Verfassungsgeschichte und Rechtsgeschichte. Zum Staatsbegriff und seiner inhaltlichen Füllung in bezug auf Staaten der antiken Hochkulturen vgl. Herzog, Staaten der Frühzeit, besonders S. 239ff., mit vielen auch für den Mittelalterhistoriker interessanten Beobachtungen und Überlegungen.
9 Vgl. Thietmar von Merseburg, Chronik, V, 32, S. 256ff.; vgl. zu den Ereignissen unter besonderer Berücksichtigung Boleslaw Chrobrys und des sächsischen Adels bereits Althoff, Adels- und Königsfamilien im Spiegel ihrer Memorialüberlieferung, S. 108ff.; zur politischen Beurteilung Weinfurter, Die Zentralisierung der Herrschaftsgewalt, besonders S. 273ff., der allerdings die Initiative zu dieser Auseinandersetzung beim König sucht und „den Kern einer umfassenden Konzeption einer Neuordnung der Reichsverfassung“ im Vorgehen gegen Heinrich von Schweinfurt erkennen will; vgl. Krah, Absetzungsverfahren als Spiegelbild von Königsmacht, S. 321ff.
10 Thietmar von Merseburg, Chronik, V, 14, S. 23: … paulatim se ab regis subtraxit familiaritate. Interessant ist die Aussage Thietmars, daß Markgraf Heinrich diesen Vorstoß per optimos exercitus eiusdem viros erst machen ließ, als er eine Verstimmung des Herrschers über ihn bemerkt hatte: animadvertens senioris sui mentem sibi paululum alienam. Die nach der abschlägigen Antwort vom Markgrafen aufgekündigte familiaritas hatte im übrigen noch nicht die Verlassung der herrscherlichen Begleitung zur Konsequenz, denn Thietmar fährt fort: … comitaturque tamen regem ab Alemannia proficiscentem in Franciam, postea ad Thuringiam. Hervorzuheben ist an dieser Stelle überdies, daß Forderungen offensichtlich nicht persönlich, sondern durch internuntii gestellt werden. Zur wichtigen Rolle solcher Vermittler siehe auch unten Anm.20, 23, 26, 29, 31, 43, 78 und 84.
11 Thietmar von Merseburg, Chronik, V, 18, S. 241f.; zu Boleslaw Chrobry vgl. Ludat, Art. Boleslaw Chrobry, in: LexMA, Bd. 2, Sp. 359–364, mit weiteren Hinweisen; zur Rolle des sächsischen Adels in den sog. Polenkriegen vgl. Althoff, Adels- und Königsfamilien im Spiegel der Memorialüberlieferung, S. 105ff.
12 Vgl. dazu etwa Stehkämper, Geld bei deutschen Königswahlen, mit weiteren Hinweisen; es ist jedoch daran zu erinnern, daß „Bestechung“ auch schon bei Königswahlen des Frühmittelalters begegnet; vgl. Schneider, Königswahl und Königserhebung, S. 71f.
13 Thietmar von Merseburg, Chronik, V, 32, S. 256: Rex autem ob sedandam horum arrogantiam familiares suos undiquesecus colligens, intrante Augusto bona prefati comitis invadendo vastavit … Thietmar reflektiert in diesem Zusammenhang die Berechtigung der Handlungsweisen des Markgrafen Heinrich und ist der Meinung, daß man diese wohl verteidigen würde: Dicat aliquis, non ignorans causam tantae presumptionis, necessario eum hoc fecisse: sublimioribus non congruere potestatibus, tam firmiter promissa cuiquam fideliter servienti subtrahere devotionemque ceterorum abalienare. Dieser Meinung tritt Thietmar jedoch entgegen.
14 Thietmar von Merseburg, Chronik, V, 35, S. 260; einige argumentierten, wegen der dem Herrn gelobten Treue und um dem Vorwurf der Feigheit zu entgehen, sei es besser zu sterben als die Burg, die sie zu bewachen hatten, dem König auszuliefern. Es setzte sich jedoch die Meinung durch, es sei sinnvoller, den jetzt vor den Kämpfen noch möglichen freien Abzug durch Verhandlungen zu erreichen, da „Besiegte selten oder nie Gnade fänden“.
15 Vgl. Wipo, Gesta Chuonradi, cap. 20, S. 40, mit der angeblichen Argumentation der Grafen Friedrich und Anselm: Nolumus inficiari, quin vobis fidem firmiter promitteremus contra omnes praeter eum, qui nos vobis dedit. Si servi essemus regis et imperatoris nostri et ab eo iuri vestro mancipati, non nobis liceret a vobis separari. Nunc vero, cum liberi simus et libertatis nostrae summum defensorem in terra regem et imperatorem nostrum habeamus, ubi illum deserimus, libertatem amittimus …; vgl. dazu Kienast, Untertaneneid und Treuvorbehalt, S. 111f.; Maurer, Der Herzog von Schwaben, S. 147f.; Erkens, Fürstliche Opposition, S. 345ff.; Boshof, Die Salier, S. 58ff., siehe zum „Aufstand“ des Herzogs Ernst auch unten Anm. 47.
16 Thietmar von Merseburg, Chronik, V, 32, S. 256ff. und V, 38, S. 263ff.; zu weiteren Quellenbelegen vgl. Hirsch, Heinrich II., Bd. 1, S. 263ff.
17 Thietmar von Merseburg, Chronik, VI, 2, S. 276; vor allem den supplicaciones Erzbischof Taginos und Herzog Bernhards verdankte der Markgraf Heinrich die nur zögernd gegebene Einwilligung des Königs, ihn wieder in Gnaden aufzunehmen. Zu dem wohl im gleichen Zeitraum geschlossenen Ehebündnis zwischen den Billungern und den Markgrafen von Schweinfurt vgl. Althoff, Adels- und Rönigsfamilien im Spiegel ihrer Memorialüberlieferung, S. 109, mit weiteren Hinweisen.
18 Thietmar von Merseburg, Chronik, V, 35, S. 260: Horum … consilio custos eiusdem civitatis Bucco cum Ottone, germano suimet domine, loquitur eiusque suffragiis urbem regiae potestati tradidit; ipse autem cum omnibus sibi commissis securus abiit. Confestim civitas radicitus dirui a rege iubetur, set parcentibus huius rei auctoribus magna ex parte cum aedificiis servatur (Übersetzung nach FSGA 9, S. 231). Für die Beurteilung der Verhandlungsführung zwischen den Parteien scheint nicht unwichtig darauf hinzuweisen, daß Bukko der Bruder des Markgrafen Heinrich war, der also mit seinem Schwager verhandelte, der offensichtlich auf seiten des Königs stand; vgl. Hirsch, Heinrich II., Bd. 1, S. 269; siehe dort auch die Kritik an der abweichenden Schilderung dieser Ereignisse in Adalbold, Vita Heinrici II. imperatoris, cap.26, S. 72ff.
19 Thietmar von Merseburg, Chronik, V, 38, S. 264. König Heinrich hatte den Bischof Heinrich von Würzburg und Abt Erkanbald von Fulda mit dem Auftrag losgeschickt, die Burg Schweinfurt zu zerstören. Zunächst empfing Eila, die Mutter des Markgrafen, die Herren standesgemäß: Quos adventantes Heinrici comitis inclita mater Eila nomine, ut talibus decebat personis, suscipiens et salutans … Ihre Reaktion, als sie den Auftrag der Herren erfuhr, kann man wohl gleichfalls als standesgemäß bezeichnen, sie hatte jedenfalls die beabsichtigte Wirkung: Unde seniores prefati ob Christi amorem seculares postponendo timores decretam mutabant sententiam; murosque urbis ac aedifitia solotenus frangentes, tristem matronam his mulcebant promissis, si quando cum gratia regis id fieri potuisset, hoc totum ex sua parte se renovaturos (Übersetzung nach FSGA 9, S. 233ff.). Es ist gegen Weinfurter, Die Zentralisierung der Herrschaftsgewalt, S. 274, der aus dieser Stelle schließt, die geistlichen Großen hätten mit ihrem Verhalten zu erkennen gegeben, „wie stark die Anordnungen des Königs als willkürliche Beschränkungen adelsrechtlicher Belange empfunden wurden“, festzuhalten, daß sie ausdrücklich auf das Einverständnis des Königs verwiesen, das sie einholen wollten.
20 Thietmar von Merseburg, Chronik, V, 34, S. 258: … rex … compositisque bellorum instrumentis eos vitam solum reddita urbe et preda fidis intercessoribus postulare compulit (Übersetzung nach FSGA 9, S. 229). Es ist darauf hinzuweisen, daß die in Anm. 18 bis 20 zitierten Einzelheiten sich bei der Belagerung verschiedener Burgen ereigneten – es ist also in jedem Fall das Ineinandergreifen von Drohungen, Verhandlungen und Verzicht auf Waffengewalt zu beobachten. Auch auf die häufige Erwähnung der fides intercessores ist nachdrücklich aufmerksam zu machen; vgl. dazu oben Anm. 10.
21 Vgl. Vercauteren, „Avec le sourire …“, Fichtenau, Lebensordnungen des 10. Jahrhunderts, S. 48ff.; Schmidt-Wiegand, Gebärdensprache im mittelalterlichen Recht, S. 370, betont, daß Lachen und Weinen als „affektive oder spontane Gebärde … im Recht von untergeordneter Bedeutung“ sind. Dies gilt für andere Bereiche jedoch nicht.
22 Eine tristitia magna erfaßte Thankmar, den Halbbruder Ottos des Großen, als der König nicht ihm, sondern dem Grafen Gero 937 die Markgrafschaft des verstorbenen Siegfried übertrug; vgl. Widukind von Corvey, Sachsengeschichte, II, 9, S. 73; tristis entfernte sich auch Liudolf, der Sohn Ottos, 951 aus dem Heere des Vaters in Italien; ebd., III, 9, S. 109 (vgl. auch die ähnliche Formulierung bei Thietmarvon Merseburg, Chronik, II, 5, S. 42ff.). In beiden Fällen war die tristitia die Vorstufe des bewaffneten Konflikts mit dem König. – Als der Billunger Wichmann bei einer ähnlichen Ämtervergabe von Otto dem Großen übergangen wurde, schützte er eine Krankheit vor und entfernte sich aus dem Heer des Königs; ein Ekkehard, der Sohn eines Liudolf, war über die gleiche Sache so erregt, daß er entweder Größeres vollbringen wollte als der neue Amtsinhaber oder sterben. Er starb mit 18 Gefährten bei einem eigenmächtigen Angriff auf die Slawen; vgl. Widukind von Corvey, Sachsengeschichte, II, 4, S. 70f.
23 Thietmar von Merseburg, Chronik, VI, 2, S. 276: … Heinricum autem incepti multum penituisse ab fidis intercessoribus ab eo missis comperit. Quorum et maxime percari suimet Taginonis et Bernhardi ducis supplicaciones, etsi invitus, suscipiens, prefato comiti suimet gratiam ea ratione indulsit, ut predium sibi suisque fautoribus et incolatum redderet, ipsum autem, quamdiu voluisset, in custodia detineret.
24 Ebd., VI, 13, S. 290: ’Te’, inquiens, ‚obtestor per nomen et amorem eius, qui suo debitori decem milia talentorum … indulsit, Heinrici quondam marchionis, nunc autem, ut spero, vere penitentis, senior karissime, miserearis, vincula solvas et gratiam dones, ut eo liberiori animo hodie Deum interpelles: dimitte nobis debita nostra‘ … (Übersetzung nach FSGA 9, S. 259). Der Bischof war im übrigen von Heinrich II. selbst zu dieser Predigt aufgefordert worden.
25 Ebd., S. 290ff.: Hac rex exhortatione lacrimabiliter profusa placatus sic se facturum firmiter spopondit et post haec domum veniens misericorditer adimplevit. – Zum Zeitpunkt von Unterwerfung (vor dem 24. Februar 1004) und Predigt Gottschalks von Freising (8. September 1004) vgl. RI II, 4, Nr. 1555b und Nr. 1508b. – Weinfurter, Die Zentralisierung der Herrschaftsgewalt, S. 275, weist nachdrücklich darauf hin, daß Heinrich von Schweinfurt bei seiner Wiedereinsetzung „ein erheblicher Teil seiner Grafschaften entzogen und seine Machtgrundlage damit eingeschränkt“ wurde. Es scheint durchaus denkbar, daß dies der Preis für den Ausgleich war; schon Waitz, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. 6, S. 579ff., bietet zahlreiche Belege dafür, daß Große in der Ottonen- und Salierzeit die königliche Gunst und Gnade durch Gegenleistungen wiedererlangten.
26 Thietmar von Merseburg, Chronik, V, 34, S. 260: … presentatoque regi captivo capitalis sententia a iudieibus decernitur, quae Magontinae archipresulis Willigisi intercessione supplici et, quae regi placuit, redemptione amovetur (Übersetzung nach FSGA 9, S. 231). Nach Adalbold, Vita Heinrici II. imperatoris, cap. 26, S. 74, handelt es sich nicht um ein Urteil des Hofgerichts, sondern um Vorschläge einzelner: Quidam ilico regi suggerebant, ut hunc capitali sententia feriri iuberet … Zu weiteren Fällen, in denen sich Heinrich II. aufgrund der Interventionen anderer Herrschaftsträger zur Milde bewegen ließ, vgl. Thietmar von Merseburg, Chronik, VI, 53f., S. 314ff., und VII, 66, S. 480.
27 Widukind von Corvey, Sachsengeschichte II, 13, S. 78: Suasione quoque optimi inprimis viri et omni religione probatissimi Frithurici … Evurhardus adiit regem, supplex veniam deposcit, se suaque omnia ipsius arbitrio tradens. Ne igitur ingens scelus inemendatum maueret, quasi in exilium in Hildinensem urbem a rege dirigitur. Sed non post multum temporis in gratiam clementer recipitur et honori pristino redditur. Es sei ausdrücklich auf die Formulierung quasi in exilium … dirigitur hingewiesen. Zur Ereignisgeschichte der Auseinandersetzungen immer noch unentbehrlich Köpke/Dümmler, Otto der Große, S. 75ff.; zur Neubewertung der Gründe, die diese Konflikte auslösten, siehe Althoff/Keller, Heinrich I. und Otto der Große, S. 135ff. Zu den im folgenden angesprochenen Fällen vgl. auch Krah, Absetzungsverfahren als Spiegelbild von Königsmacht, S. 258ff., die jedoch weitgehend die bekannten Fakten referiert und Literatur aus diesem Jahrzehnt kaum berücksichtigt.
28 Widukind von Corvey, Sachsengeschichte, II, 24–26, S. 86–89, mit dem Bericht über die erneute Beteiligung Eberhards an den Konflikten, in denen er 939 erschlagen wurde.
29 Vgl. die diesbezüglichen Nachrichten Adalberts von Magdeburg bei Regino von Prüm, Chronik, a. 942, S. 162: Rex natalem Domini Franconofurd celebravit, ubi frater eius per Ruodbertum Mogontiensis ecclesiae diaconum custodiam noctu clam aufugiens antelucano tempore regis ecclesiam adeuntis pedibus accubuit et concessa venia misericordiam, quam precatur, obtinuit. Widukind von Corvey, Sachsengeschichte, II, 36, S. 95, erwähnt diesen Fußfall gar nicht, sondern begründet die Aussöhnung mit der Intervention der Königin Mathilde: Igitur cum omnia regna coram eo silerent et potestati ipsius omnes hostes crederent, monitu et intercessione sanctae matris eius recordatus est multis laboribus fatigati fratris prefecitque eum regno Boioariorum … pacem atque concordiam cum eo faciens, qua usque in finem fideliter perduravit Singulär ist für die Ottonenzeit der Vorwurf, der in diesen letzten Auseinandersetzungen Heinrichs mit Otto dem Großen erhoben wurde, daß die Teilnehmer der coniuratio valida beschlossen hätten, der König sei zu töten und Heinrich an seine Stelle zu setzen; Widukind von Corvey, Sachsengeschichte, II, 31, S. 92f. Dieser Vorwurf lieferte den Rechtsgrund für die Hinrichtung vieler Reteiligter, unter ihnen vornehme Sachsen; vgl. Köpke/Dümmler, Otto der Große, S. 116f. Thietmar von Merseburg, Chronik, II, 21, S. 62, bringt Einzelheiten über die Behandlung seines Großvaters, Liuthar, der an der Verschwörung beteiligt war: Otto der Große hätte auch dessen Hinrichtung gerne gesehen, sed sibi familiarium devictus consilio principum, captum hunc misit tunc Bawariam ad comitem Bertoldum, comprehensis sibi omnibus suimet rebus ac late distributis, usque in annum integrum; tuncque gratiam regis et sua omnia cum magna pecunia et predio in Sonterslevo et in Vodenesvege iacenti acquisivit. Die vollständige Rekonziliation und Wiedereinsetzung nach kurzer Haft waren also auch bei diesem Tatbestand nicht ausgeschlossen, wenn die richtigen Fürsprecher vorhanden waren. Im gleichen Kapitel zitiert Thietmar den angeblichen Ausspruch Ottos des Großen bei der Einsetzung Bischof Hildewards von Halberstadt: Accipe precium patris tui. Hildewards Vater Erich gehörte zu den Verschwörern und war erschlagen worden, als er sich gegen seine Festnahme zur Wehr setzte. Zur Interpretation dieser Erzählung vgl. Althoff, Gloria et nomen perpetuum, S. 508f. Zum Vorwurf, Mordpläne gegen den König geschmiedet zu haben, und zu den Konsequenzen dieses Vorwurfs in der Salierzeit siehe unten bei Anm. 63ff.
30 Widukind von Corvey, Sachsengeschichte, II, 19, S. 84: … post duos ferme menses tradita urbe egressus est Heinricus ad regem. Datae sunt autem ei indutiae triginta dierum, quatinus cum militibus sibi cohaerentibus secederet a Saxonia. Si cui vero illorum regem adire placuisset, locum veniae haberet.
31 Ebd., II, 25, S. 87f.: In brevi vero utrisque clementer ignoscit, in sui gratiam suscipit et honori pristino reddidit (Übersetzung nach FSGA 8, S. 111). Sehr deutlich wird hier die Rolle der Bischöfe als quasi neutrale Unterhändler, deren Ziel der Ausgleich der Gegensätze und nicht die Vertretung der Position des Königs ist.
32 Ebd., II, 28, S. 91: … aliquanto tempore custodiae mancipatione castigavit. Postea suae gratiae lenitate sibi associans in pace dimisit (Übersetzung nach FSGA 8, S. 113).
33 Ebd., III, 40, S. 122: Exercitandi gratia venationem agens rex in loco qui dicitur Suveldun, filius patri nudatis plantis prosternitur, intima tactus poenitentia, oratione flebili patris primum, deinde omnium presentium lacrimas extorquet. Amore itaque paterno susceptus in gratiam spondet se obtemperaturum consensurumque omni paternae voluntati. Herzog Konrad hatte sich bereits zuvor mit dem König versöhnt; ebd., III, 33, S. 119f. Beide erhielten ihr Herzogtum bis zu ihrem baldigen Tod (Konrad 955, Liudolf 957) nicht zurück. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die Formulierung in Regino von Prüm, Chronik, a. 954, S. 168, nach der Liudolf nicht als Herzog abgesetzt wurde, sondern sein Herzogtum und seine Vasallen dem Vater zurückgab: Ea tempestate Liudolfus in gratiam regis revocatus vasallos … et ducatum patri reddidit. An für Mediävisten einigermaßen entlegener Stelle hat den Liudolf-Aufstand eingehend analysiert Kalckhoff, Historische Verhaltensforschung. Ich verdanke die Kenntnis dieser Arbeit dem Autor.
34 Zu dem Blutbad vgl. Widukind von Corvey, Sachsengeschichte, III, 55, S. 134f.; Interventionen für die Billunger seitens Bruns von Köln und des Markgrafen Gero werden erwähnt ebd., III., 59f., 66, S. 136ff.; vgl. dazu ausführlich Althoff, Adels- und Königsfamilien im Spiegel ihrer Memorialüberlieferung, S. 81ff; Leyser, Rule and Conflict, S. 21f.
35 Sehr detailliert und aufschlußreich ist die Darstellung der Annales Altahenses maiores, a. 974, S. 12, aus der auch die im Text zitierte Stelle stammt: … ut ille ex eis fecisset, quicquid sibi placuisset. Nach der Entdeckung des consilium zwischen Heinrich dem Zänker, Bischof Abraham von Freising und den Herzögen Boleslaw und Mieszko rief Otto II. omnes principes suos zusammen und richtete an sie die Anfrage, was zu tun sei. Man beschloß, Herzog Heinrich und alle Teilnehmer der conspiratio ad placitum zu laden. Sollten sie nicht kommen, sollten sie sicher sein, se esse spiritali gladio peremptos. Heinrich der Zänker stellte sich jedoch unverzüglich mit der oben zitierten Bemerkung und wurde in Ingelheim in Haft gegeben; vgl. dazu auch Uhlirz, Otto III., S. 54 mit Anm. 17; RI II, 2, Nr. 667b. Wie lange diese Haft dauerte und wodurch sie endete, ist unbekannt. Anfang 976 befand sich Heinrich der Zänker bereits wieder in Bayern und rebellierte aufs neue; vgl. Uhlirz, Otto III., S. 72. Als wichtige Neuerung gegenüber der Zeit Ottos des Großen verdient festgehalten zu werden, daß beim zweiten Mal die angedrohte Exkommunikation in der Tat ausgesprochen wurde; Uhlirz, Otto III., S. 79. Die Benutzung des gladius spiritalis deutet aber doch darauf hin, daß eine weltliche Rechtspraxis für solche Fälle nicht etabliert war. Nach erneuter „Rebellion“ im Jahre 978 wurden dann Heinrich der Zänker und seine Helfer zu einem colloquium nach Magdeburg geladen und von dort ins Exil (nach Utrecht) geschickt; vgl. RI II, 2, Nr. 763c.
36 Vgl. Thietmar von Merseburg, Chronik, IV, 1, S. 132:… dux ad Corbeiam cum eis venit ibique Thiedricum et Sicconem comites ac confratres nudis pedibus veniam postulantes dedignatur suscipere. Quod hii egre ferentes abierunt, cognatus suimet et amicos a ducis ministerio toto mentis nisu amovere studentes.
37 Vgl. Wipo, Gesta Chuonradi, cap. 3, S. 23, wobei auch hier, wie im Falle Heinrichs II. (vgl. Anm. 24), zu betonen ist, daß er vom Erzbischof von Mainz hierzu öffentlich aufgefordert wurde: Et nunc, domne rex, omnis sancta ecclesia nobiscum rogat gratiam tuam pro his, qui contra te hactenus deliquerunt et offensione aliqua gratiam tuam perdiderunt. Ex quibus est unus Otto nomine, vir nobilis, qui te offendebat; pro illo et reliquis omnibus clementiam tuam oramus … Der Nachweis der clementia wurde von Konrad II. als Beweis seiner Eignung zum Königtum abverlangt.
38 Man mag die Wirkung des Unterwerfungsrituals auf die sich Unterwerfenden daran ermessen, daß nicht selten kurz nach der Erlangung der Verzeihung der nächste Konflikt von ihnen ausging. Dies gilt für Herzog Eberhard von Franken (oben Anm. 27), für Heinrich den Zänker (oben Anm. 35) wie für die im folgenden zu behandelnden Fälle des Herzogs Ernst (unten Anm. 47), des Markgrafen Ekbert von Braunschweig (unten Anm. 74). Es gilt noch für Herzog Lothar von Supplinburg, der sich 1114 anläßlich der Hochzeit Kaiser Heinrichs V. mit Mathilde von England dem Ritual der öffentlichen Unterwerfung aussetzte (aussetzen mußte). Wenig später rebellierte er erneut; vgl. dazu Bernhardi, Lothar von Supplinburg, S. 15f.
39 Vgl. Keller, Zum Charakter der ‚Staatlichkeit‘, S. 260. Auch der auf Grund der Sammlung aller Fälle verdienstvollen Arbeit von Krah, Absetzungsverfahren als Spiegelbild von Königsmacht, haftet der Mangel an, den kausalen Nexus von Unterwerfung und Begnadigung bei den „Absetzungsverfahren“ der Ottonenzeit nicht genügend beachtet zu haben.
40 Das wird etwa an den Unterschieden deutlich, die die Bestrafung des crimen laesae maiestatis in der Karolinger- und Ottonenzeit aufweist; vgl. Kellner, Das Majestätsverbrechen im deutschen Reich, S. 30ff.; His, Geschichte des deutschen Strafrechts, S. 113ff.; vgl. auch Krah, Absetzungsverfahren als Spiegelbild von Königsmacht, S. 5–248. Es sei daran erinnert, daß der Verzicht auf bestimmte königliche Prärogative der Karolingerzeit allgemeines Kennzeichen ottonischer Herrschaftspraxis war; vgl. Keller, Grundlagen ottonischer Königsherrschaft und ders., Zum Charakter von ‚Staatlichkeit‘, S. 259ff. Es paßt zu dieser Sicht, daß die neuere Forschung über die Ottonenzeit hinweggehen kann, wenn sie vom Königtum initiierte normative Texte untersucht; vgl. Mordek, Überlieferung und Geltung. In der Ottonenzeit sind auch keine Versuche unternommen worden, die auf Eid gegründeten, genossenschaftlichen Vereinigungen zu verbieten, wie dies in den Kapitularien faßbar ist; vgl. dazu Oexle, Gilden als soziale Gruppen, besonders S. 301ff.; ders., Conjuratio und Gilde, besonders S. 151ff.
41 Vgl. Bund, Thronsturz und Herrscherabsetzung, S. 363–547; Krah, Absetzungsverfahren als Spiegelbild von Königsmacht, S. 7ff., mit reichem Material und allen nötigen Hinweisen.
42 Zum Problem der Vermönchung vgl. Sprigade, Die Einweisung ins Kloster; Laske, Das Problem der Mönchung; zur Blendung Schaab, Die Blendung als politische Maßnahme.
43 Vgl. Bund, Thronsturz und Herrscherabsetzung, S. 469f.; Brunner, Oppositionelle Gruppen im Karolingerreich, S. 141ff. Mehrfache Rebellionen der Söhne Ludwigs des Deutschen in den Jahren 861, 866, 871 und 873 wurden durch Versöhnung beigelegt, ohne daß den Söhnen etwas passierte. Die Quellen sprechen von Vermittlern zwischen dem König und seinen Söhnen, unter denen Erzbischof Liutbert von Mainz namentlich genannt ist, vgl. Annales Fuldenses, a. 866, S. 65: Hludowicus vero mediante Liutberto archiepiscopo aliisque pacis amatoribus … patri suo reconciliatur. Von reciproci nuntii diu laborantes (nämlich an der Aussöhnung) ist auch ebd., a. 871, S. 73, die Rede. Hier werden also in gewisser Weise Vorstufen der Verhältnisse des 10. Jahrhunderts faßbar.
44 Regino von Prüm, Chronik, a. 885, S. 123ff.; vgl. dazu Bund, Thronsturz und Herrscherabsetzung, S. 477f.; Regino kann deshalb als besonders informierter Gewährsmann gelten, weil er nach eigener Aussage den geblendeten Hugo zum Mönch schor.
45 Die Blendung erfolgte als Milderung eines Todesurteils; vgl. Annales Bertiniani, a. 873, S. 122: Quapropter necesse fuit, … et secundum sacrarum legum decreta pro admissis suis iudicio mortis addictum mitiori sententia, ut locum et spatium poenitendi haberet et graviora admittendi facultatem, sicut meditabatur, non haberet, luminibus acclamatione cunctorum qui adfuerunt orbari.
46 Vgl. dazu Goetz, Der letzte „Karolinger“?, S. 115; zu den Hintergründen siehe auch Zotz, Der Breisgau und das alemannische Herzogtum, S. 65ff.
47 Zu den Ereignissen vgl. Bresslau, Konrad II.; Mitteis, Politische Prozesse, S. 29ff.; Erkens, Fürstliche Opposition, S. 354ff.
48 Vgl. außer den in Anm. 47 genannten Arbeiten auch RI III, 1, Nr. 40c.
49 Vgl. Wipo, Gesta Chuonradi, cap. 10, S. 32: … multum renuente rege vix in gratiam eius receptus est (Übersetzung nach FSGA 11, S. 565).
50 Vgl. RI III, 1, Nr. 71c und e; Wipo, Gesta Chuonradi, cap. 11, S. 33, der ausdrücklich vom königlichen Auftrag spricht: …ad tutandam patriam honorifice remissus est. Von der Fehde zwischen dem Grafen Welf und Bischof Bruno von Augsburg berichtet Wipo ausführlich in cap. 19, S. 38f., und erzählt dort auch von der erneuten rebellio Herzog Ernsts, die sich in einem Verwüstungszug durch das Elsaß und nach Burgund konkretisierte. Warum die rebellio diese Zielrichtung hatte, ist unbekannt; zu möglichen Hintergründen vgl. Maurer, Der Herzog von Schwaben, S. 202; Boehm, Geschichte Burgunds, S. 119ff.
51 Wipo, Gesta Chuonradi, cap. 20, S. 39f.: Huc dux Ernestus non voto supplice venit, confisus in multitudine militium, quos optimos habuit, ut vel secundum libitum cum caesare se pacaret vel inde per potestatem rediret (Übersetzung nach FSGA 11, S. 577). Vgl. auch RI III, 1, Nr. 109b, die dort gebrauchten Formulierungen: „leistet der des Hochverrats angeklagte Herzog Ernst der Ladung vor das kaiserliche Hofgericht Folge“ suggerieren ein förmliches Gerichtsverfahren mit Ladung und Urteilsspruch, von dem in den Quellen so nicht die Rede ist; vgl. im Unterschied dazu die Formulierungen Wipos unten Anm. 52.
52 Wipo, Gesta Chuonradi, cap. 20, S. 40; in der Darstellung Wipos bleibt für ein solches Urteil eigentlich kein Raum: His auditis (die Absage seiner Vasallen) dux, cum se intellexisset a suis dimitti, sine omni pactione imperatori se reddidit; quem caesar in Saxoniam exulari fecit super quandam rupem quae Gibichenstein dicitur, ut ibi castigatus a rebellione ulterius desineret.
53 Vgl. dazu die Diskussion bei RI III, 1, Nr. 135a und 153a; vgl. auch Schmidt, Königsumritt und Huldigung, S. 176ff.
54 Wipo, Gesta Chuonradi, cap.25, S. 43: Die eben genannte Bedingung implizierte nichts anderes als die Zumutung, Ernst solle seine alten Bindungen hintanstellen und seinen „Amtsverpflichtungen“ den Vorrang geben. Erkens, Fürstliche Opposition, S. 358, bezeichnet die „unverbrüchliche Treue und Freundschaft“ des Herzogs zu Werner von Kyburg als „letztlich wohl sinnlos“, was ein sehr charakteristisches Mißverständnis des Stellenwertes dieser Bindung darstellt.
55 Wipo, Gesta Chuonradi, cap. 25, S. 44: Ipsa imperatrix Gisela, quod dictu est miserabile, sed actu laudabile, filium inconsultum sapienti marito postponens publicam fidem dedit omnibus, quicquid illi accidisset, nullam ultionem neque malum animum pro hac re se reddituram fore.
56 Vgl. dazu ausführlich Bresslau, Konrad II., Bd. 2, S. 133–141 und 157ff.; Klaar, Die Herrschaft der Eppensteiner in Kärnten, S. 90ff.; Heidrich, Die Absetzung Adalberos von Kärnten; Keller, Zwischen regionaler Begrenzung und universalem Horizont, S. 86f.
57 Vgl. Die ältere Wormser Briefsammlung, Nr. 27, S. 49ff.; es handelt sich hier um den Brief eines G. an Bischof A(zecho von Worms), der sich bei seiner ausführlichen Darstellung der Vorgänge auf den Erzbischof von Köln und den Bischof von Würzburg als Gewährsleute beruft; zu den Einzelheiten dieses Briefes vgl. Bresslau, Konrad II., 2, S. 135ff.; Heidrich, Die Absetzung Adalberos von Kärnten, S. 87ff., die sich allerdings bemüht, den „alten Haß“ anders zu begründen als mit der Fehde zwischen Konrad und Adalbero vor der Königszeit des Erstgenannten; vgl. ebd., S. 92f. Dieser „alte Haß“ wird im Brief als einziger Grund für das Absetzungsbegehren Konrads II. angegeben: Ferunt domnum imperatorem augustum veteris existente causa odii vehementer animatum esse in A. ducem et marchionem. Die anderen Quellen nennen gar keinen Grund für die Initiative Konrads II.; zu möglichen Ursachen vgl. auch Bresslau, Konrad II., Bd. 2, S. 135.
58 Vgl. Die ältere Wormser Briefsammlung, Nr. 27, S. 50: Sed ipsi non id nisi in presentia et iudicio filii sui H. regis fieri debere accepto consilio responderunt.
59 Ebd.: … memor tamen cuiusdam pacti, quod cum A(dalberone) pepigerat, quod pater rogavit, se non posse nec debere exequi constanti animo iuravit.
60 Ebd., S. 51: … iuramentum, quod A(dalberoni) fecit, patri aperuit eiusque iuramenti E(gilbertum) episcopum auetorem fuisse retulit.
61 Ebd.: … sese ad pedes filii sui humotenus proiecit, lacrimis multum obtestatus, quatinus recordari dignaretur patris, ne inimicis gaudium augeret, ne regno dedecus, ne sibi infamiam pararet, dum a patre discordaret…
62 Die Selbstverständlichkeit, mit der die Forschung hier alle formalen Elemente eines Prozesses vor dem königlichen Hofgericht voraussetzte, zeigen etwa die Ausführungen Bresslaus, Konrad II., Bd. 2, S. 138 mit Anm. 3f., unter Bezugnahme auf die Stellungnahmen von Waitz und Ficker; Mitteis, Politische Prozesse, S. 27ff., hat für diesen Fall angenommen, daß es sich nicht um ein Kontumazialverfahren, „sondern um ein Verfahren nach königlichem Hausrecht gegen einen unbotmäßigen Muntunterworfenen“ handelte. Unberücksichtigt blieb, daß ein Fall königlicher Hofgerichtsbarkeit mit Ladung, Urteiler und Beitritt des Königs zum Urteil, wie er als gängige Praxis auch von Mitteis vorausgesetzt wird, in der Ottonenzeit gar nicht belegt ist. Die hier diskutierten Fälle zeigen vielmehr, daß die diesbezügliche Praxis in der Ottonenzeit eine andere war.
63 Vgl. zu den Einzelheiten Steindorff, Heinrich III., Bd. 2, S. 16 und S. 40f.; Bork, Die Billunger, S. 138ff.; Fenske, Adelsopposition und kirchliche Reformbewegung, S. 19f. Daß Thietmar von seinem eigenen Vasallen beschuldigt wurde, sagen nur Lampert von Hersfelds Annalen, a. 1048, S. 61: Dietmarus comes, frater ducis Bernhardi, cum a milite suo Arnoldo accusatus fuisset de inito contra imperatorem consilio, congressus cum eo, ut obiectum crimen manu propria purgaret, victus et occisus est. Da auch andere Quellen den Vasallen Arnold als Gegner im Zweikampf erwähnen, spricht in der Tat alles dafür, daß er seinen Herrn beim Kaiser angezeigt hatte.
64 Vgl. Adam von Bremen, Gesta, III, 8, S. 149: Qui (sc. Arnold) et ipse non post multos dies a filio Thietmari comprehensus et per tybiam suspensus inter duos canes efflavit, unde et ipse ab imperatore comprehensus et perpetuo est exilio dampnatus. Zu dieser „Schmachstrafe“ vgl. Grimm, Deutsche Rechtsalterthümer, Bd. 2, S. 261ff.
65 Man geht in der Forschung davon aus, daß es sich bei dem in zwei Urkunden Heinrichs III. (Nr. 310f., S. 423ff.) genannten exlex Tiemo um den Sohn des Billungers handelt; vgl. Freytag, Die Herrschaft der Billunger, S. 68.
66 Vgl. Adam von Bremen, Gesta, III, 8, S. 149: Cuius mortem dux germanus et filii eius acerrime zelantes in archiepiscopum ex eo tempore ipsum et ecclesiam eius et familiam ecclesiae letali odio persecuti sunt.
67 Zu den Einzelheiten vgl. Meyer von Knonau, Heinrich IV. und Heinrich V., Bd. 2, S. 9ff.; Mitteis, Politische Prozesse, S. 33ff., Lange, Die Stellung der Grafen von Northeim, S. 31ff.; Fenske, Adelsopposition und kirchliche Reformbewegung, S. 92ff., zur Beurteilung Boshof, Die Salier, S. 197f., der betont, daß über die Berechtigung der Vorwürfe damals wie heute Unklarheit herrsche. Unter den Quellen, die über den Sachverhalt sehr detailliert berichten, sind neben Lampert von Hersfeld, Annalen, a. 1070, S. 113, und Brunos Buch vom Sachsenkrieg, cap. 19, S. 25, die beide die Haltlosigkeit der Vorwürfe betonen und nichtsnutzige Menschen bzw. Heinrich IV. selbst als Anstifter der Intrige brandmarken, vor allem die Annales Altahenses maiores zu berücksichtigen, die in a. 1069, S. 76ff. und a. 1070, S. 79f., den Sachverhalt wohl aus der Sicht des Saliers darstellen.
68 So sagt es zumindest Lampert von Hersfeld, Annalen, a. 1070, S. 114: Rex ad haec atrociter et acerbe respondit se ei nec in veniendo nec in causa dicenda pacem aut securitatem polliceri …; während die Annales Altahenses maiores, a. 1070, S. 79, dieses Problem auch thematisieren, aber den Sachverhalt so darstellen: sed tamen in praesentiam regis venire noluit, mandans regi, se non posse curtem venire, nisi rex sibi venienti et abeunti concederet fideiussores pacis firmae. Cui rex: ‚Pax‘, inquit, ‚ei ad me venienti firma erit et post, prout reus et innocens apparuerit‘. Nach Brunos Buch vom Sachsenkrieg, cap. 19, S. 25, warnten Freunde Otto von Northeim und veranlaßten ihn so, sich nicht zu stellen: Otto ab amicis suis episcopis et aliis prineipibus praemonetur, quod, si Goslariam veniret, ubi duellum fieri debebat, etiamsi adversarium suum vinceret, tamen inde cum vita non rediret. Die divergierenden Aussagen weisen wohl auch nachdrücklich auf das Ungewohnte und Neuartige dieses Vorgehens.
69 Bellum crudele nennt Brunos Buch vom Sachsenkrieg, cap. 19, S. 25, die folgende bewaffnete Auseinandersetzung. Einzelheiten, die Lampert und die Annales Altahenses maiores bringen, machen aber deutlich, wie sehr die Auseinandersetzungen trotz des Gerichtsurteils immer noch „Privatsache“ des Königs war. Vgl. etwa Lampert von Hersfeld, Annalen, a. 1070, S. 115: Ilico amici regis ferro et igne persequi eum, singuli pro virili portione, adgrediuntur. Plerique etiam nec fide erga regem nec studio erga rem publicam nec ultione cuiusquam privatae iniuriae, sed sola rapinarum cupiditate arma contra eum capiunt. Auch die Annales Altahenses maiores, a. 1070, S. 79, sprechen von den quidam ex familiaribus regis, die Otto von Northeim angriffen, während dieser seine socios sammelte: Amici, familiares und socii bildeten aber auch die Helfer der Parteien in den Auseinandersetzungen des 10. Jahrhunderts, siehe oben bei Anm. 13. Überdies meldet Lampert von Hersfeld, Annalen, a. 1070, S. 115, daß Heinrich IV. die Fürsten, die mit Otto von Northeim irgendwie verbunden waren, durch Eid oder Geiseln zwang, ne ad eum deficerent. Auch dieses Detail macht deutlich, daß mit einem Gerichtsurteil ein solcher Fall keineswegs gelöst war.
70 Vgl. Lampert von Hersfeld, Annalen, a. 1072, S. 135: Inter quos illum nostra aetate nominatissimum Egenen, qui duci Baioariorum Ottoni calamitatis tantae causa extiterat, cum plurimi adversus eum pro privatis iniuriis et depredationibus faciem regis interpellassent, teneri fecit eumque catenis oneratum plerumque ad spectaculum vulgi deduci iussit, ad gratificandam scilicet popularium animis regiam severitatem. Vgl. auch ebd., a. 1073, S. 172, die Nachricht über das Ende dieses Egino.
71 Zu den Einzelheiten vgl. Meyer von Knonau, Heinrich IV. und Heinrich V., Bd. 2, S. 291–297, 307–309; Quellengrundlage ist der ausführliche Bericht Lamperts von Hersfeld, Annalen, a. 1073, S. 166ff.
72 Ebd., S. 174: Reginger, qui ad sugillandum regem contra Uodalricum de Cosheim proposuerat, ante paucos dies ineundae congressionis dirissimo demone arreptus, horrenda morte interiit.
73 Vgl. Meyer von Knonau, Heinrich IV. und Heinrich V., Bd. 2, S. 848 mit Anm. 182, mit der Diskussion in der älteren Forschung. Zur Beurteilung dieser und anderer Nachrichten über Praktiken Heinrichs IV. vgl. Tellenbach, Der Charakter Kaiser Heinrichs IV., besonders S. 357ff.
74 Zu den Einzelheiten vgl. Meyer von Knonau, Heinrich IV. und Heinrich V., Bd. 4, S. 113, 208ff., 217ff., 246f. und 291ff.; Niese, Zum Prozeß Heinrichs des Löwen, besonders S. 207ff.; Mitteis, Politische Prozesse, S. 36ff.; zu den drei Diplomen siehe Die Urkunden Heinrichs IV., Nr. 386, S. 511f.; Nr. 388, S. 513f.; Nr. 402, S. 531ff.
75 Vgl. Die Urkunden Heinrichs IV., Nr. 402, S. 531, Z. 34ff., die vorhergehenden Zitate ebd., Nr. 386, S. 510.
76 Siehe dazu oben bei Anm. 9ff.
77 Vgl. Die Urkunden Heinrichs IV., Nr. 402, S. 532, Z.39.
78 Zu den Einzelheiten vgl. Meyer von Knonau, Heinrich IV. und Heinrich V., Bd. 2, S. 530ff.; zur Glaubwürdigkeit der verschiedenen Berichte vgl. auch ebd., S. 830ff.; zur Bewertung der Vorgänge in der neueren Forschung, vgl. Giese, Der Stamm der Sachsen und das Reich, S. 161f. Im Bericht Lamperts von Hersfeld, Annalen, a. 1075, S. 237, wird vor allem die eidliche Bekräftigung des Unterhändlers Herzog Gozelo hervorgehoben, non salutis, non libertatis, non prediorum, non beneficiorum, non caeterae suppellectilis suae ullam eos iacturam sensuros, sed postquam faciem regis et regni maiestatem momentanea satisfactione magnificassent, statim deditione absolvendos et patriae libertatique, in nullis imminuto sibi condicionis suae statu, restituendos esse. Ganz ähnlich schildert Bruno im Buch vom Sachsenkrieg, cap.54, S. 51, die von den Gesandten gegebenen Zusagen: Ibi illi nostris in sua fide promiserunt, quod, si se sponte tradendo regi vellent honorem facere et tota Saxonia quieta staret in pace, et ipsi nec in dura nec in longa forent captivitate. Der symbolische Charakter der Haft, die ehrenvoll und kurz bemessen zu sein hatte, wenn jemand sich bedingungslos unterwarf, ist hier als Gegenstand der Abmachung angesprochen, siehe dazu auch oben S. 32ff.
79 Vgl. Lampert von Hersfeld, Annalen, a. 1075, S. 238f.: Rex eos (d. s. die Anführer der Sachsen) principibus suis, singulis singulos, donec de eis communi consilio deliberaretur, servandos commisit, et paulo post rupto federe, contemptis omnibus, quibus se obligaverat, iurisiurandi vinculis, eos per Galliam, Sueviam et Baioariam, per Italiam et Burgundiam deportari fecit.
80 Zumindest behauptet dies Bruno im Buch vom Sachsenkrieg, cap. 19, S. 25: … rex Magnum ducem in carcere suo per integrum biennium tenuit, ita ut nullus in hoc tempore sciret, utrum viveret vel ubi esset. Lampert von Hersfeld, Annalen, a. 1073, S. 150, nennt die Harzburg als Gefängnis. Dort auch a. 1073, S. 149, die Behauptung, Heinrich IV. habe die Freilassung gegen die Aufgabe des Herzogtums und aller seiner Besitzungen angeboten, was Magnus abgelehnt habe, etiamsi sibi quicquid aetatis reliquum esset in custodia et in vinculis exigendum, etiamsi per omnes cruciatus et per omnia suppliciorum genera anima ponenda esset. Zu Magnus und seiner Haft Fenske, Adelsopposition und kirchliche Reformbewegung, S. 64ff.; Freytag, Die Herrschaft der Billunger, S. 19ff.; Bork, Die Billunger, S. 172–188.
81 Man vgl. damit etwa Haftbedingungen der Ottonenzeit: So erhielt der Billunger Wichmann während seiner Haft am Hofe Ottos des Großen von dem ihn beaufsichtigenden Grafen Ibo die Erlaubnis, auf die Jagd zu gehen, eine Gelegenheit, die er zur Flucht nutzte; vgl. Widukind von Corvey, Sachsengeschichte, III, 50, S. 129f. Erzbischof Friedrich von Mainz wurde von Abt Hadamar von Fulda sub custodia gehalten, anfangs honortfice, doch als der Abt Briefe des Erzbischofs abgefangen hatte, satis severe; vgl. Widukind von Corvey, Sachsengeschichte, II, 28, S. 89ff.
82 Vgl. Lampert von Hersfeld, Annalen, a. 1073, S. 160. Der Billunger Graf Hermann hatte die königliche Besatzung der Lüneburg gefangengenommen und schickte zum König einen Boten mit der Nachricht, ut, si suos … viros incolumesque recipere vellet, Magnum fratris sui filium deditione absolveret sibique remitteret; ni id faceret, se de his tamquam de hostibus, qui fines alienos contra leges invasissent, iuxta leges gentis suae capitale supplicium sumpturum.
83 Ebd., a. 1071, S. 120: … sub iuramento se ei promittere, quod et veniam culpae, cuius insimulatus fuerat, et omnium quae iure belli amiserat restitutionern ei a rege impetraret (Übersetzung nach FSGA 13, S. 135). Vgl. zu den Ereignissen um die Unterwerfung Ottos ausführlich Lange, Die Stellung der Grafen von Northeim, S. 40ff.
84 Annales Altahenses maiores, a. 1071, S. 81: … cum saepe dictus Otto iam sentiret, res suas non proficere, episcopum Adalbertum, quem prius offenderat, sibi conciliavit, eumque causae suae oratorem erga regem fore rogavit. Is ergo inter missarum sollemnia non cessavit tamdiu pro eo agere, quousque regis gratiam meruit recipere praediaque sua ex integro possidere.
85 Vgl. Lampert von Hersfeld, Annalen, a. 1072, S. 137: Otto dux Baioariorum post integrum annum deditionis suae gratiam regis recepit, data vel regi vel his qui regi pro eo suggesserant non modica portione prediorum suorum (Übersetzung nach FSGA 13, S. 161).
86 Vgl. dazu oben Anm. 25.
87 Mit diesen Beispielen sind beileibe nicht alle Konflikte erwähnt, die im 11. Jahrhundert zwischen Königen und Großen ausgetragen wurden. Namentlich die Auseinandersetzungen in der Zeit Heinrichs III. fanden in der jüngeren Forschung große Aufmerksamkeit; vgl. Boshof, Das Reich in der Krise und ihm folgend Erkens, Fürstliche Opposition. Es ist jedoch gerade vor dem Hintergrund der hier diskutierten Fälle nachdrücklich zu betonen, daß sich die in diesen Arbeiten diagnostizierten Krisensymptome – nämlich hartnäckiger und erfolgreicher Widerstand einzelner Großer gegen den König auf der Basis breiter Unterstützung – leicht auch bei anderen Königen des 10. und 11. Jahrhunderts feststellen ließen. Vgl. Keller, Zwischen regionaler Begrenzung und universalem Horizont, S. 80ff.
88 Vgl. Otto von Freising und Rahewin, Die Taten Friedrichs, II, 3, S. 286ff.; Keller, Zwischen regionaler Begrenzung und universalem Horizont, S. 319ff.; vgl. auch die Überlegungen bei Althoff, Das Privileg der deditio (in diesem Band), S. 102.
89 Erinnert sei nur an die Eskalation der Grausamkeit gegenüber Geiseln und Gefangenen während der Italienzüge Friedrich Barbarossas, an die Folterung gefangener „Verschwörer“ gegen Heinrich VI. in Sizilien oder an das Verhalten Friedrichs II. gegenüber „Verrätern“ und gegenüber seinem Sohn Heinrich (VII.).
90 Vgl. dazu die Hinweise oben in Anm. 40.
91 Vgl. Keller, Zum Charakter der ‚Staatlichkeit‘, S. 261ff.
92 Um das Problem des königlichen Prestiges Heinrichs I. am Beginn seiner Regierung außerhalb Sachsens zu verdeutlichen, sei nur an die polemische Feststellung im sog. Fragmentum de Arnulfo duce Bavariae, S. 570, erinnert: Tunc (d.h. im Jahre 921) vero idem Saxo Heimricus … hostiliter regnum Baioarie intravit, ubi nullus parentum suorum nec tantum gressum pedis habere visus est. Eindrucksvoll beschrieben hat den königlichen Prestigeverlust im Verlaufe des 9. Jahrhunderts Tellenbach, Die geistigen und politischen Grundlagen der karolingischen Thronfolge, siehe besonders das Kap. VIII, 2 „Vom consensus omnium zur dissensio inexpiabilis“, S. 288ff.
93 Vgl. aus der Vielzahl diesbezüglicher Wertungen etwa Widukind von Corvey, Sachsengeschichte, I, 27, S. 40: Cumque regnum sub antecessoribus suis ex omni parte confusum civilibus atque externis bellis colligeret, pacificaret et adunaret, signa movit contra Galliam et Lotharii regnum; den gleichen Sachverhalt drückt Regino von Prüm, Chronik, a. 920, S. 156, so aus: … qui initium sui regni disciplina servandae pacis inchoavit. Den gleichen Akzent setzt auch noch Ruotger, der Biograph Erzbischof Bruns von Köln; vgl. Ruotger, Vita Brunonis, cap. 3, S. 4: Sed post aliquantum temporis tantus timor per gratiam divinam invasit extraneos, ut nihil umquam eis esset formidabilius, tantus amor colligavit domesticos, ut nihil umquam in quolibet potentissimo regno coniunctius videretur. Eine Untersuchung dieser Bündnisbewegung unter Heinrich I. und ihrer Vorstufen, verbunden mit einer Dokumentation der für die Beurteilung wichtigen Einträge in Verbrüderungsbücher vgl. bei Althoff, Amicitiae und pacta; vgl. dazu bereits die Hinweise auf frühere Veröffentlichungen bei Schmid, Zur amicitia zwischen Heinrich I. und König Robert, S. 119, Anm.∗, und Althoff, Zur Verflechtung der Führungsschichten in den Gedenkquellen, S. 59.
94 Vgl. dazu ausführlich Althoff/Keller, Heinrich I. und Otto der Große, S. 62ff.; zur Bewertung der Regierungszeit Heinrichs I. in der modernen Forschung Beumann, Die Ottonen, S. 32ff.
95 Den Begriff prägte Fichtenau, Lebensordnungen des 10. Jahrhunderts, Bd. 1, S. 120, dort auch weitere Hinweise zu den Inhalten der Verwandtschaftsmoral.
96 Vgl. Althoff/Keller, Heinrich I. und Otto der Große, S. 135ff.; Beumann, Die Ottonen, S. 57ff.
97 Zur Bedeutung der Milde für den Herrscher vgl. Fichtenau, Arenga, besonders S. 40ff.; ders., Lebensordnungen des 10. Jahrhunderts, S. 238; ferner allg. Beumann, Die sakrale Legitimierung des Herrschers; Leyser, Rule and Conflict, S. 75ff.; Keller, Grundlagen ottonischer Königsherrschaft, S. 29f.; ders., Herrscherbild und Herrschaftslegitimation jeweils mit reichen Literaturhinweisen.