Читать книгу Spielregeln der Politik im Mittelalter - Gerd Althoff - Страница 11

Konfliktverhalten und Rechtsbewußtsein Die Welfen im 12. Jahrhundert

Оглавление

Bewaffnete Konflikte zwischen König und Großen wie gewalttätige Auseinandersetzungen der Großen untereinander waren in allen mittelalterlichen Jahrhunderten fester Bestandteil des politischen Geschehens. Dennoch ist die Erforschung dieser Konflikte in der Mediävistik wenig etabliert. Gewiß hat die Fehde als legitimes Mittel politischer Auseinandersetzung in Zeiten ohne den staatlichen Anspruch auf das Gewaltmonopol seit langem die ihr gebührende Aufmerksamkeit gefunden.1 Und als Fehden wurden in der Tat selbst die Konflikte zwischen König und Großen geführt, auch wenn die Quellen sie mit anderen, pejorativen Vokabeln belegen.2 Gewiß hat auch das Widerstandsrecht der Großen, das diese zu allen Zeiten für sich reklamierten und das die Verlassung oder auch physische Beseitigung des ungerechten Königs (rex iniquus) vorsah, seinen Platz in rechts- und verfassungsgeschichtlichen Vorstellungen von den Funktionsweisen des mittelalterlichen Staates.3 Und nicht zuletzt ist eine bestimmte Form mittelalterlicher Konfliktaustragung gerade durch die Autorität von Heinrich Mitteis nachhaltig ins allgemeine Bewußtsein gerückt worden: die des politischen Prozesses.4 Unter diesem Titel handelte Mitteis eine Reihe von teilweise spektakulären Prozessen ab, in denen Könige Große, die mit ihnen aus den verschiedensten Gründen in Konflikt geraten waren, von ihren Standesgenossen verurteilen und ihrer Ämter und Lehen berauben ließen.5 Mitteis verankerte in der Mediävistik nachhaltig die Vorstellung, daß die Auseinandersetzungen zwischen König und Großen seit dem 11. Jahrhundert zunehmend dadurch verrechtlicht worden seien, daß sie von den Königen auf den Weg des Prozesses und Gerichtsurteiles gezwungen wurden. Das Paradebeispiel lieferte der Prozeß Friedrich Barbarossas gegen Heinrich den Löwen, der mittels verfahrensrechtlicher Schritte zum Sturz des Löwen führte.6 Aber auch bei anderen Konflikten des 12. Jahrhunderts dominiert bis in neueste Untersuchungen hinein der Blick auf das formaljuristische Procedere, die Suche nach dem korrekten oder unkorrekten rechtlichen Vorgehen der Könige.7 Inzwischen zeigen Untersuchungen zur Konfliktaustragung im 10. und 11. Jahrhundert in aller Deutlichkeit, daß in diesem Zeitraum Techniken und Verfahren angewandt wurden, die zwar in der Rechtsordnung und im Rechtsbewußtsein der Zeit fest verankert waren, jedoch Gerichte, Prozesse und Urteile kaum bemühten.8 Vielmehr lag ein deutlicher Akzent gerade der Beilegung von Konflikten auf der gütlichen außergerichtlichen Einigung (compositio), die durch Vermittler nach offensichtlich gewohnheitsrechtlich festliegenden Normen ins Werk gesetzt wurde.9 Für die Zeit des 12. Jahrhunderts liegen solche Forschungen noch nicht vor; es domininiert – gründend wohl auf der Autorität von Heinrich Mitteis – eine prozeßorientierte und -fixierte Sicht auf die Konflikte.

Die Geschichte der Welfen im 12. Jahrhundert bietet besonders reiches Anschauungsmaterial, um diese Vorstellungen kritisch zu prüfen, denn nicht nur Heinrich der Löwe, auch andere Welfen dieser Zeit wurden in Konflikten von Gerichtsurteilen betroffen oder zumindest von ihnen bedroht. Namentlich das Vorgehen Konrads III. gegen Heinrich den Stolzen, Heinrich den Löwen und Welf VI. in der Mitte des 12. Jahrhunderts ist ähnlich bemerkenswert, wenn auch nicht ähnlich erfolgreich gewesen wie dasjenige Friedrich Barbarossas gegen Heinrich den Löwen. Noch aus einem zweiten Grund markieren die Welfen für Konfliktforschungen im 12. Jahrhundert eine besonders gute Ausgangsbasis – und der resultiert aus der Quellenlage. Mit der Historia Welforum liegt bekanntlich ein Zeugnis vor, in dem die Geschichte dieses Adelsgeschlechtes besonders eindringlich behandelt ist.10 Als Zeugnis für das welfische Selbstverständnis ist es bereits häufig und mit großem Erfolg ausgewertet worden.11 Gleichermaßen eindrucksvolles Material bietet die Historia Welforum aber auch für die Erforschung mittelalterlicher Konflikte. Die detaillierten Nachrichten, die gerade die Historia Welforum – aber auch mehrere andere Quellen – über die Konflikte bieten, an denen Welfen beteiligt waren, sollen im folgenden Ausgangspunkt für einige grundsätzliche Überlegungen zur Eigenart mittelalterlicher Konfliktführung sein.

Exemplarisch sei in einem ersten Schritt die sogenannte Tübinger Fehde untersucht, die Welf VI. und Welf VII. mit dem Pfalzgrafen Hugo von Tübingen austrugen. In einem zweiten Teil sollen dann die Prozesse gegen Heinrich den Stolzen und Heinrich den Löwen im Zentrum stehen, die in der Zeit Konrads III. stattfanden. Zielpunkte der Fragen und Untersuchungen sind sowohl die Konfliktursachen als auch die Formen der Austragung wie der Beilegung der Auseinandersetzungen. Herangezogen werden alle Quellenaussagen zum gesamten Konfliktverlauf ohne vorhergehende Sonderung in rechtlich mehr oder weniger relevante Aussagen. Von besonderem Interesse ist vielmehr, inwieweit die gerichtlichen Auseinandersetzungen, die bisher im Zentrum der Forschung standen, begleitet waren von anderen Schritten und Maßnahmen der Konfliktführung und welchen Stellenwert die prozeßrechtlichen Maßnahmen im gesamten Feld der Konfliktaustragung hatten. Zu diesem Problemkreis gehört auch die Akzeptanz, die Gerichtsurteile hatten, denn es ist kaum zu übersehen, daß mehrere Welfen, aber auch andere Betroffene, sich solchen Gerichtsverhandlungen entzogen und lieber ein Kontumazialurteil in Kauf nahmen als eine Teilnahme an der Verhandlung.12 Und überdies ist darauf zu verweisen, daß die Folgen eines solchen Gerichtsurteils oder auch der darauf folgenden Ächtung keineswegs so waren, daß sie den Betroffenen aller Unterstützung beraubten, ihn friedlos legten. Viel eher kann man beobachten, daß Verwandte, Freunde und Vasallen ihn weiterhin unterstützten, als ob sie von diesem Urteil nichts gehört hätten oder es für sie irrelevant sei.13

Um daher eine grundsätzliche Einschätzung vorweg abzugeben: Die Forschung hat sich gerade bei der Analyse der angesprochenen welfischen Konflikte mehr von rechtshistorischen Lehrmeinungen leiten lassen, die deutlich einem Prozeß-, Rechts- und Staatsverständnis des 19. und 20. Jahrhunderts verpflichtet sind, als von den Aussagen, die die zeitgenössischen Quellen bieten. Hierdurch sind Akzente gesetzt worden, die man deutlich verschieben muß – nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Zunächst also zur Tübinger Fehde. Sie hat in der Forschung nicht zuletzt deshalb große Aufmerksamkeit gefunden, weil an ihr fast der gesamte schwäbische Adel und auch Vertreter der hohen schwäbischen Geistlichkeit beteiligt waren.14 Diskutiert wurde diese Fehde einmal unter dem Aspekt, daß sich an ihr zeige, wie sehr bereits die Amtsgewalt des schwäbischen Herzogs, des Staufers Friedrich von Rothenburg, dadurch behindert gewesen sei, daß andere schwäbische Adlige, in diesem Falle die Welfen, Grafen als ihre Vasallen aufbieten konnten.15 Es sei schon hier angemerkt, daß sich die Forschung mit dieser Interpretation bereits weit von den Aussagen der Quellen, in diesem Falle der Historia Welforum, entfernt hat. Im Kapitel 30 wird dort nämlich ausgeführt: „Welf stellte den ihm angetanen Schimpf seinen Freunden, Verwandten und Getreuen (amicis, cognatis et fidelibus) vor und erreichte es, daß alle bereitwillig als Bundesgenossen auf seine Seite traten.“16 Danach folgt die Liste des Aufgebotes der Welfen, darunter die Bischöfe von Augsburg, Speyer und Worms, Herzog Berthold von Zähringen, Markgraf Berthold von Vohburg, Markgraf Hermann von Baden, Graf Rudolf von Pfullendorf, Graf Albrecht von Habsburg, zwei Brüder aus dem Hause der Grafen von Calw und mehrere andere Grafen. Insgesamt sollen sich so über 2200 Bewaffnete zusammengefunden haben. Der Wortlaut dieser Ausführungen läßt es nicht zu, anzunehmen, daß die genannten Grafen als Vasallen der Welfen tätig wurden. Genausogut können sie amici oder cognati des welfischen Geschlechtes oder einzelner Welfen gewesen sein. Bei der Austragung von Konflikten, so ist beileibe nicht nur aus der zitierten Passage zu folgern, wurden im Mittelalter eben nicht nur die herrschaftlichen Bindungen aktiviert und genutzt, sondern gleichermaßen die verwandtschaftlichen und die freundschaftlich/genossenschaftlichen. Das Lehrgebäude von der Amtsgewalt des schwäbischen Herzogs, dem alle Grafen unterstehen und ihn daher in der Fehde zu unterstützen hatten – der Herzog kämpfte nämlich auf seiten Hugos von Tübingen –, greift hier nicht, weil eine solche Fehde eben nicht ausschließlich, vielleicht nicht einmal in erster Linie von den herrschaftlichen Verhältnissen her beurteilt werden kann. Dies zeigt die zitierte Passage der Historia Welforum in aller Deutlichkeit. Aber nicht nur in diesem Fall hat sich die Forschung recht weit von den Quellenaussagen entfernt.

Ursache für die Fehde war nach der Historia Welforum die Tatsache, daß Pfalzgraf Hugo von Tübingen in einer Grafschaft, die er von Welf VI. zu Lehen trug, einige von dessen Dienstmannen hatte hängen lassen.17 Otto von St. Blasien ergänzt diese Nachrichten um die Mitteilung, daß Hugo eigene Dienstmannen laufen ließ und nur den welfischen zum Tode verurteilte.18 Der Forschung genügte ein solcher Anlaß offensichtlich nicht, sie suchte nach weiteren, in den Quellen gar nicht genannten Gründen und fand sie in angeblichen Auseinandersetzungen um das Erbe der Grafen von Bregenz, auf das beide Fehdegegner Ansprüche erhoben hätten.19 Diese Methode der Rekonstruktion von geschichtlichem Geschehen ist aus grundsätzlichen Erwägungen sehr problematisch. Denkbar sind wohl in jedem Konfliktfall eine ganze Reihe von auslösenden Ursachen, die alle ein gewisses Maß an Plausibilität beanspruchen können. Ein Ersatz von in den Quellen genannten Ursachen durch plausiblere andere bedarf jedoch einer eingehenden quellenkritischen Begründung. Im vorliegenden Fall ist dieser Ersatz zusätzlich problematisch, weil der in den Quellen genannte Anlaß – die ungerechtfertigte Hinrichtung eines Ministerialen – einen überaus plausiblen Fehdegrund darstellt. Die Tötung des Vasallen war schließlich ein massiver Angriff auf die Ehre des Welfen, auf die er reagieren mußte, wollte er nicht allenthalben an Prestige einbüßen. Im Mittelalter waren für unser Verständnis erheblich banalere Vorfälle Auslöser für bewaffnete Konflikte.20 Spekulationen über weitere in den Quellen nicht genannte Gründe für die Tübinger Fehde, wie sie in der Forschung angestellt wurden, sind deshalb müßig.

Ratsam ist vielmehr, bei der Beschreibung des Konflikts weiter nah an den Quellenaussagen zu bleiben. So stößt man nämlich auf Nachrichten, die wenig beachtet wurden, die aber für das Verständnis des Ablaufes solcher Konflikte höchst wichtig sind. Der geschilderte Vorfall veranlaßte Welf VI. nämlich zu folgender Reaktion. Er erhob eine querimonia, eine Klage. Hierzu, und das ist wichtig, bemühte er keineswegs ein Gericht, sondern wandte sich mit seiner querimonia direkt an seinen Kontrahenten.21 Dieses Vorgehen signalisierte Hugo, daß er mit der Eröffnung der Fehde gegen sich zu rechnen habe, wenn er sich nicht zu einer geeigneten Genugtuung bereit fände. Bei dem Begriff und der Bedeutung der Genugtuung lohnt es sich, ein wenig genauer hinzuschauen, denn es handelt sich um einen Zentralbegriff im Zusammenhang der friedlichen Lösung von Konflikten.22 Die gütliche Beilegung eines Konflikts durch eine geeignete Genugtuung (satisfactio) ist eine in mittelalterlichen Konflikten vielfach angewandte Praxis, die zu Unrecht von der historischen Forschung bisher wenig beachtet wird. Wie eine solche satisfactio konkret auszusehen hatte, wurde in aller Regel von Vermittlern ausgehandelt und richtete sich nach der Schwere des Vergehens, nach dem Stand der betroffenen Personen oder auch danach, wie hoffnungslos die Lage eines der Gegner war. In vielen Fällen bestand die Genugtuung darin, daß sich einer der Kontrahenten in aller Öffentlichkeit dem anderen unterwarf und ihm demonstrativ zu Füßen fiel. Was danach zu geschehen hatte, war von den Vermittlern bereits ausgehandelt: Der sich Unterwerfende konnte in Gnaden angenommen werden, er konnte in die Haft abgeführt werden, eines Teils seiner Güter verlustig gehen oder auch gänzlich ungeschoren davonkommen. Mittelalterliche Konfliktführung ist geradezu gekennzeichnet durch solche gütlichen Einigungen im außergerichtlichen Bereich, die im Rechtsbewußtsein der Zeit ihren festen Platz und ihre festen Spielregeln (consuetudines) hatten.23 Für die Beurteilung der mittelalterlichen Königsherrschaft wie für das Funktionieren von Staatlichkeit ist es höchst interessant zu beobachten, daß sich in dieser Hinsicht vom 10. bis zum 12. Jahrhundert eine erstaunliche Entwicklung vollzogen hat. Man kann feststellen, daß die Forderungen der überlegenen Partei an Härte zunahmen, ehe sie zu einer gütlichen Einigung bereit war. Besonders deutlich läßt sich dies etwa am Verhalten des Königs ablesen. Unter den Ottonen bestimmte in aller Regel die herrscherliche Milde, die clementia, die Haltung der Könige. Man verzieh dem sich Unterwerfenden entweder sofort und setzte ihn wieder in Amt und Würden ein, oder man nahm ihn in eine kurze, quasi symbolische Haft – unter höchst ehrenvollen Bedingungen –, ehe man ihn restituierte. Proxima sceptris semper clementia, die wichtigste Eigenschaft des Herrschers sei die Milde, mit diesem Bibelzitat hat Widukind von Corvey das von den Herrschern geforderte Konfliktverhalten beschrieben und sie zugleich dazu gemahnt.24 Bereits in der Salierzeit werden die Sitten rauher, die Strafen härter, die Haft länger, was in vielen Einzelfällen nicht nur bei den Betroffenen deutliche Empörung hervorrief. Es ist dann Otto von Freising, der von Friedrich Barbarossa rühmend berichtet, dieser habe in solchen Situationen mehr der Strenge der Gerechtigkeit (rigor iustitiae) als dem Fehler der Vergebung (vitium remissionis) gehuldigt.25 Als Fehler oder gar Laster charakterisierte er damit eine lange geübte und bewährte Praxis, die auf die Genugtuung schnell das Verzeihen folgen ließ.

Vor diesem Hintergrund ist die Darstellung der Historia Welforum zu würdigen. Pfalzgraf Hugo von Tübingen gab auf die querimonia Welfs VI. – wie verlangt – eine gewisse Genugtuung: Er fand sich nämlich zu einem humile responsum bereit, also zu einer demütigen, unterwürfigen Antwort. Dies veranlaßte Welf VI., der vom Autor der Historia Welforum in diesem Zusammenhang als äußerst friedfertig (mansuetissimus) bezeichnet wird, von der Fehde abzulassen, ohne deshalb den Fall als gänzlich erledigt anzusehen.26 Doch riefen ihn zunächst wichtigere Dinge nach Italien. Einige Zeit später erneuerte Welf VII. die genannte querimonia und mahnte den Pfalzgrafen erneut zur Genugtuung. Dieses Mal reagierte Hugo anders, wozu er nach dem Zeugnis der Historia Welforum vom Schwabenherzog Friedrich aufgehetzt worden war. Er gab nämlich nun kein humile responsum, sondern eine responsio contumax ac minax, also eine trotzige und drohende Antwort.27 Für Welf VII. war diese Reaktion das Signal, die Fehde zu eröffnen. Wie hat man diese Nachrichten zu verstehen?

Alles spricht dafür, daß hier rituelle Akte am Beginn von Konflikten angesprochen sind.28 Eine demütige Antwort auf eine querimonia schafft den Spielraum für Verhandlungen, eine drohende Antwort dagegen ist das Signal, die Waffen sprechen zu lassen. Diese Beobachtung ist geeignet, auch viele andere Nachrichten mittelalterlicher Quellen besser verstehen zu lernen, in denen am Beginn von Konflikten drastische und drohende Aussagen gemacht werden: „Wenn meine Freunde und Verwandten mir zustimmen, wirst Du nie mehr lebend den Rhein überschreiten“, wurde Karl dem Großen von einem Thüringer entgegengehalten, als der Herrscher die Thüringer fragte, ob es wahr sei, was ihm berichtet worden sei.29 Tassilo von Bayern soll gegen den gleichen Herrscher geäußert haben, lieber würde er zehn Söhne verlieren, als sich an seinen dem Herrscher gegebenen Eid zu halten.30 Solche Aussagen entstanden wohl nicht in unkontrollierter Gemütsverfassung. Sie hatten vielmehr die Funktion, dem Gegner und der Öffentlichkeit klarzumachen, daß man zum Waffengang bereit und nicht gewillt war nachzugeben. Hier kann das wichtige Thema des rituellen Sprechaktes in der mittelalterlichen Öffentlichkeit nur angedeutet werden. Es verdient eine eigene Untersuchung.31

Im Falle der Tübinger Fehde hatte die drohende Antwort die Konsequenz, daß wenig später zwei große Aufgebote einander kampfbereit gegenüberlagen: auf der einen Seite Welf VII. und die zahlreichen schon genannten ihn unterstützenden Großen, auf der anderen Seite der Pfalzgraf Hugo von Tübingen mit Herzog Friedrich von Rothenburg und anderen Schwaben.32 Daß auch in dieser Situation jederzeit noch eine gütliche Einigung möglich war, zeigt der Autor der Historia Welforum mit folgender Bemerkung: „Hier gaben sich die einen die ganze folgende Nacht hindurch dem Gebete hin, andere dachten sorgenvoll an eine zu leistende Genugtuung und einen Vergleich.“33 Inhaltlich gleichlautend spricht Burchard von Ursperg diesen Vorgang so an: „Als viele von den Vornehmen und Fürsten sich intensiv darum bemühten und darum beteten, concordia und pax herzustellen“, kam es durch Unvorsichtige zum Gefecht.34 In beiden Quellenaussagen wird deutlich, daß viele sich auch im unmittelbaren Vorfeld der bewaffneten Auseinandersetzung um einen gütlichen Ausgleich bemühten. Nur wenn man ein solches Verhalten in Rechnung stellt, kann man verstehen, warum so häufig vor dem Waffengang die Verhandlung und gütliche Einigung stand. Das Geschehen eskalierte in einer Fehde eben nicht blindwütig, sondern kannte gewisse Spielregeln und Gewohnheiten. Zu erinnern ist etwa daran, wie häufig die Belagerung einer Burg durch die Übergabe beendet wurde – gegen Gewährung freien Abzugs der Verteidiger. Die folgende Zerstörung der Burg war dann nicht selten alles andere als vollständig, es wurde dabei durchaus so etwas wie die Verhältnismäßigkeit der Mittel beachtet.35

Der Waffengang von Tübingen erbrachte für Welf VII. eine schmähliche Niederlage, wobei unter anderem 900 seiner Leute gefangengenommen wurden und die Gegner eine ungeheure Beute machten. Welf VI., der zu dieser Zeit aus Italien zurückkehrte, schloß daraufhin mit Hugo von Tübingen einen begrenzten Frieden. Zu dieser compositio, also gütlichen Einigung, gehörte auch die Herausgabe der Gefangenen.36 Ein Jahr später ging die Fehde dann weiter, die in ihren militärischen Verwicklungen hier nicht im einzelnen zu verfolgen ist. Schließlich fand sich der Pfalzgraf zu einer Unterwerfung bereit. Interessanterweise berichtet der Autor der Historia Welforum nicht, worauf diese Sinnesänderung zurückging.37 Die anderen Quellen aber sagen ganz klar, daß Friedrich Barbarossa an der Beilegung des Konfliktes zentral beteiligt war.38 Die Unterwerfung des Pfalzgrafen geschah denn auch auf einem Reichstag in Ulm in Gegenwart des Kaisers. In der Forschung hat sich die Meinung gebildet und durchgesetzt, Barbarossa habe Hugo von Tübingen in einem Prozeß verurteilen lassen.39 In den Quellen steht davon wiederum nichts. Über die Aktivitäten Barbarossas äußert sich am deutlichsten Otto von St. Blasien, der zunächst sagt, auf Befehl des Kaisers (iussu imperatoris) habe Hugo von Tübingen die Gefangenen freigelassen, dann habe der Kaiser einen Hoftag (generalis curia) nach Ulm einberufen, wo er Welf VI. und seinen Sohn ehrenvoll empfangen, dem Pfalzgrafen jedoch befohlen habe, sich entweder ohne jede Bedingung in die Hände der Welfen zu geben für das ihnen angetane Unrecht oder aber das Reich zu verlassen – also ins Exil zu gehen.40 Es scheint schwer einsichtig, daß Otto von St. Blasien so einen Spruch des Königsgerichts wiedergeben würde. Schließlich gibt es eine festgelegte, fast formelhafte Terminologie, mit der Urteile in Gerichtsverfahren ausgedrückt werden.41 Wir müssen daher wohl davon ausgehen, daß hier kein Prozeß im Königsgericht stattfand, sondern eine andere Konfliktregelung durchgeführt wurde. Wie aber hat man sich diese vorzustellen?

Nutzen wir zur Beantwortung dieser Frage einen in verschiedener Hinsicht vergleichbaren Fall: Auch in der Fehde Heinrichs des Löwen mit seinen sächsischen Gegnern wenige Jahre später bestellte Barbarossa die Parteien an den Hof, befahl ihnen, Frieden zu schließen, und führte zur Sicherheit sogar Geiseln beider Kontrahenten mit sich.42 Auch hier ist in den Quellen von einer Gerichtsentscheidung nicht die Rede. Im Unterschied zur Tübinger Fehde aber nahm Barbarossa in Sachsen keine Schuldzuweisung vor, indem er eine Fehdepartei aufforderte, der anderen Genugtuung für das begangene Unrecht zu geben. Man könnte darüber streiten, ob diese unterschiedlichen Verhaltensweisen des Kaisers allein aus seinem Rechtsbewußtsein resultierten oder aber von politischer Rücksichtnahme diktiert wurden. Immerhin stellte er sich in Ulm eindeutig auf die Seite derer, auf deren Unterstützung bei seiner Italienpolitik er nicht verzichten konnte.43 Doch sind diese Überlegungen müßig, da auch hier die Quellen keine eindeutigen Aussagen in die eine oder andere Richtung machen. Ob also aus dem rigor iustitiae oder aus politischem Kalkül, der massive Eingriff des Kaisers in die Fehde verdient hervorgehoben zu werden. Aber er spielte sich im außergerichtlichen Bereich ab.

Letzter Akt des Dramas der Tübinger Fehde war dann der Fußfall Pfalzgraf Hugos vor Welf VII. Der Autor der Histoiia Welforum schildert die Einzelheiten so:

„Am Fastnachtsdienstag unterwarf er sich auf einem Reichstag in Ulm in Gegenwart Herzog Heinrichs, unseres Herrn (also Welfs VI.), unter den Augen des Kaisers selbst und Herzog Friedrichs, dem jungen Welf. Er fiel ihm zu Füßen und mußte es hinnehmen, verhaftet und gefesselt abgeführt zu werden. So ward er bis zum Tode dieses Welf, nämlich anderthalb Jahre, in Gefangenschaft gehalten.“ 44

Otto von St. Blasien ergänzt die vielleicht bezeichnende Einzelheit, daß Hugo den Fußfall dreimal machen mußte, ehe ihn Welf akzeptierte.45

Im Blick auf andere Unterwerfungsakte des Hochmittelalters ist folgendes hervorzuheben. Der Fußfall vor der Öffentlichkeit des Reichstages gehört zu den traditionellen Akten solcher Unterwerfungsrituale.46 Die dann folgende Abführung in Fesseln – wobei vor allem auf die Tatsache der Fesseln nachdrücklich aufmerksam zu machen ist – ist dagegen äußerst ungewöhnlich. Sie weist deutlich auf die schon angesprochene Verschärfung der Bedingungen hin, unter denen solche Akte stattfanden. Die Unterwerfung war in der Tat bedingungslos, wie es Barbarossa von Hugo verlangt hatte, und deshalb mußte der Pfalzgraf die entehrende Fesselung in aller Öffentlichkeit hinnehmen. Man kann sich unschwer ausmalen, daß so etwas kaum zur wirklichen Beilegung des Konfliktes beitrug. In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, daß der wichtigste Helfer Hugos in der Fehde, der ihn aufgestachelt hatte und der in der Historia Welforum als sein Mitkämpfer (propugnator) bezeichnet wird, der Schwabenherzog Friedrich von Rothenburg, auf dem Ulmer Hoftag anwesend war.47 Es ist bisher nie gefragt worden, wie Friedrich Barbarossa seinen Verwandten Friedrich dazu brachte, dieser Behandlung seines Partners tatenlos zuzusehen. Man tut wohl gut daran, sich zu vergegenwärtigen, daß dieser Stauferherzog Friedrich genau im fraglichen Jahr 1166 der Schwiegersohn Heinrichs des Löwen wurde. Die Heirat dürfte daher mit einiger Wahrscheinlichkeit Bestandteil des Ausgleichs zwischen Staufern und Welfen gewesen sein; zugleich warnt sie davor, das Verhältnis von Staufern und Welfen in der Mitte des 12. Jahrhunderts als das zweier „Häuser“ aufzufassen, die ein tiefgreifender „Gegensatz“ trennte.48 Eines muß aber mit allem Nachdruck betont werden: Die Art und Weise, wie Friedrich Barbarossa Partei ergriff, ist völlig ungewöhnlich. Dies nicht etwa deshalb, weil er zugunsten einer Partei in den Streit eingriff, sondern auf Grund des von ihm angeordneten Unterwerfungsrituals, das das Prestige des Pfalzgrafen erheblich härter traf, als es üblich war. Die Quellen lassen keine endgültige Aussage darüber zu, ob Friedrich dies allein kraft königlicher Autorität tun konnte oder etwa in der Funktion eines Vermittlers, dessen Anweisungen zur Beilegung des Konfliktes beide Parteien Folge leisten mußten.49 In jedem Fall aber ist die im Befehl Barbarossas an Hugo von Tübingen zum Ausdruck kommende Parteinahme zugunsten der Welfen ein aufsehenerregender Vorgang, für den es bis dahin keine Parallelen gibt. Zusammenfassend verdient hervorgehoben zu werden, daß sich sehr viele der im Zusammenhang der Tübinger Fehde in den Quellen berichteten Einzelheiten auch bei anderen Konflikten der Zeit verifizieren lassen: die Forderung nach Genugtuung, die Bemühungen um gütliche Einigung durch Vermittler und nicht zuletzt das Unterwerfungsritual am Ende des Konfliktes. Die Bedingungslosigkeit und Härte dieser Unterwerfung und das Ausbleiben eines Aktes der clementia deuten jedoch nachhaltig darauf hin, daß die alten Formen der Konfliktregelungen sich in ihrer Substanz verändert haben. Von einem prozessualen Vorgehen ist in den Quellen in diesem Falle jedoch nicht die Rede – und sollte daher auch von der Forschung nicht hineininterpretiert werden.

Dies ist anders bei den Auseinandersetzungen Konrads III. mit den Welfen nach seiner Königserhebung. Dort ist in der Tat der Versuch unternommen worden, durch Gerichtsurteile dem Vorgehen des Königs gegen die Welfen eine zusätzliche Legitimation zu geben. Egon Boshof hat jüngst in einer eingehenden Untersuchung dieser Konflikte festgestellt, daß Konrad III. in diesem Zusammenhang „nicht der Rechtsverletzung oder -beugung geziehen werden“ könne. „Das Verfahren gegen den Welfen“ [Heinrich den Stolzen] sei „formaljuristisch korrekt durchgeführt worden“.50 Ob man jedoch das, was im 12. Jahrhundert „formaljuristisch korrekt“ eigentlich bedeutet, definieren kann, ist zweifelhaft. Wir müssen in Rechnung stellen, daß die Rechtsordnung der Zeit, über die wir hier handeln, zwar auf Gewohnheiten gründete, diese jedoch dem Ermessen und der Billigkeit ganz andere Spielräume ließen, als sie unserem Rechtsverständnis geläufig sind.51 Mit der Frage, wie denn festgestellt wurde, was Gewohnheit war, kann man das grundsätzliche Problem andeuten: Es gab keinen allgemein verbindlichen Kanon der Gewohnheiten, der schriftlich fixiert benutzbar gewesen wäre. Gewohnheiten wurden vielmehr durch Befragen der Würdigsten oder Ältesten „gefunden“, mit allen Konsequenzen, die solch ein Verfahren in Zweifelsfällen hatte.52 Und um einen Zweifelsfall, für den es keine allseits bekannten consuetudines gab, handelt es sich bei den Auseinandersetzungen zwischen Konrad III. und den Welfen ohne jede Frage.

Schauen wir uns daher den Konfliktverlauf, wie ihn die Quellen bieten, genauer an. Ausgelöst wurden die Auseinandersetzungen bekanntlich durch die Weigerung Heinrichs des Stolzen, Konrad III. nach dessen ein wenig handstreichartiger Erhebung als König anzuerkennen.53 Der Welfe war durch diesen Coup um seine Hoffnungen, dieses Amt selbst zu übernehmen, betrogen worden, er verweigerte zunächst die Herausgabe der Reichsinsignien und die Huldigung. Wie wurde nun der dadurch drohende Konflikt angegangen? Aus der polemisch-zuspitzenden Darstellung Ottos von Freising und dem auf dieser Darstellung aufbauenden, aber ganz andere Akzente setzenden Bericht der Historia Welforum läßt sich mit einiger Sicherheit rekonstruieren, daß König Konrad III. versuchte, durch Einladungen zu Verhandlungen auf Hoftagen und durch gütliche Einigung den Dissens aus dem Weg zu räumen.54 Nach Bamberg kam Heinrich der Stolze noch nicht; nach Regensburg hingegen wohl. Dort lieferte er nach Verhandlungen, die angesichts des Dissenses natürlich nicht persönlich, sondern durch Unterhändler geführt wurden, immerhin die Reichsinsignien aus – zu einer Einigung kam es jedoch nicht.55 Diese scheiterte auch nach einem dritten Anlauf in Augsburg, über den Otto von Freising gar nicht, die Historia Welform dagegen sehr ausführlich berichtet. Auch in Augsburg verhandelte man nicht persönlich, sondern drei Tage lang gingen internuntii ac mediatores, also Vermittler, zwischen beiden Lagern hin und her, um eine compositio, einen Vergleich, eine gütliche Einigung zustande zu bringen. Sie scheiterte an der Forderung König Konrads, der Welfe müsse eines seiner beiden Herzogtümer aufgeben.56

Bis hierhin bewegen sich beide Parteien ganz in den traditionellen Bahnen der Austragung von Konflikten: So lange wie eben möglich wird nach einer gütlichen Einigung gesucht – angesichts des tiefgreifenden Dissenses natürlich durch Vermittler. Nach diesen Spielregeln wäre auf das Scheitern der Bemühungen um die compositio nun die bewaffnete Auseinandersetzung, die Fehde, gefolgt. In diesem Fall aber kam es zunächst zu einem Gerichtsurteil. Die Historia Welforum schildert das Verhalten Konrads so:

„Da der Herzog sich weigerte (nämlich auf ein Herzogtum zu verzichten) und es vorzog, sich einem ungewissen Schicksal zu unterwerfen, wurde die Verhandlung abgebrochen, ohne daß es zum Frieden gekommen wäre. Da nun der König fürchtete, daß etwas gegen ihn unternommen würde, ließ er, während er nach dem Abendessen scheinbar schlafen ging, heimlich die Pferde vorführen, ritt mit kleinem Gefolge, ohne sich von einem der Fürsten zu verabschieden, davon und begab sich nach Würzburg; seine übrigen Ritter ließ er in sehr gefährlicher Lage zurück. In Würzburg ward der Herzog nach dem Urteilsspruch einiger Fürsten geächtet, seine Herzogtümer wurden ihm aberkannt“.57

Den letzten Satz übernahm der Autor der Historia Welforum wieder aus der Chronik Ottos von Freising, ergänzte und veränderte ihn jedoch durch ein Wort nicht unerheblich. Er fügte nämlich quorundam zu principum hinzu und machte so deutlich, daß an dem Urteil nur einige wenige Fürsten beteiligt waren. War das Vorgehen Konrads III. nun formaljuristisch korrekt?

Die Forschung hat sich intensiv bemüht, den Rechtsgrund der Verurteilung oder auch die Grundlagen für ein Säumnisurteil herauszufinden.58 Angesichts des Schweigens der Quellen ist man über mehr oder weniger plausible Vermutungen nicht hinausgekommen. Der Urteilsgrund ist bisher unbekannt, doch ist vor einer allzu starken Fixierung auf dieses Urteil zu warnen, weil diese auf dem modernen Mißverständnis beruht, das Urteil habe nun alle weiteren Schritte der Ronfliktaustragung festgelegt, wie es Urteile moderner Gerichte tun. Das Urteil war vielmehr im 12. Jahrhundert ein Mittel in der politischen Auseinandersetzung – und zu dieser Zeit sicher nicht das stärkste. Die Richtigkeit dieser Einschätzung bezeugt etwa Wibald von Stablo und Corvey, der enge Vertraute Konrads III., der in einem Brief an Bischof Hermann von Konstanz bezüglich des Vorgehens gegen Heinrich den Löwen riet, nicht auf Gerichtsurteile zu bauen, da diese kaum bekannt würden. Viel besser sei ein erfolgreich ins Werk gesetzter Kriegszug, da dieser sich überall herumspräche.59 Er riet mit anderen Worten zur traditionellen Fehdeführung.

In der Tat hat weder das Urteil von Würzburg noch ein zweites in Goslar, in dem Heinrich das Herzogtum Bayern aberkannt wurde, noch die expeditio regis in Saxoniam, also die Reichsheerfahrt Konrads III., die Anhänger Heinrichs des Löwen dazu veranlaßt, den Herzog zu verlassen.60 Im Gegenteil, die bewaffnete Auseinandersetzung führte zu keinem Erfolg; der König mußte sich zu einem Waffenstillstand bequemen. Dies interessanterweise deshalb, weil Bischöfe in beiden Heeren den Waffengang verhindert hatten – also ihre traditionelle Rolle als Vermittler spielten.61 Ein Gerichtsurteil und eine Ächtung verhinderten im 12. Jahrhundert also keinesfalls, daß weiter in Verhandlungen nach einem gütlichen Ausgleich gesucht wurde.

Dies bezeugen die Quellen auch für den berühmten Konflikt zwischen Friedrich Barbarossa und Heinrich dem Löwen. Zwischen der zweiten und dritten Ladung zum Hoftag, die Heinrich der Löwe jeweils nicht befolgte, traf sich Barbarossa persönlich mit dem Löwen zu einem colloquium, in dem er sich gegen einen hohen Geldpreis als Vermittler zwischen dem Löwen und den sächsischen Großen anbot.62 Der Löwe lehnte dies Angebot ab, weil ihm 5000 Mark zu teuer erschienen. Danach wurde die Sache über Vermittler aber weiter verhandelt und sogar nach der Ächtung des Löwen ein weiteres Treffen in Aussicht genommen.63

Diese Beispiele und Hinweise sind wohl geeignet, den Stellenwert und die Akzeptanz solcher Urteile besser einschätzen zu lernen. Die Auseinandersetzung Konrads mit Heinrich dem Stolzen wurde durch die Ächtung Heinrichs keiner Lösung zugeführt; dies leistete vielmehr der plötzliche Tod des Welfen, der eine neue Situation schuf. Konrad III. hat denn auch beim nächsten Konflikt – als Welf VI. nach dem Tode Heinrichs des Stolzen den Anspruch auf das bayerische Herzogtum iure hereditatis für sich postulierte und die Fehde eröffnete, als ihm dies abgeschlagen wurde – offensichtlich nicht mehr zum Mittel einer Ächtung des Welfen gegriffen.64 Der Konflikt lief nach den traditionellen Spielregeln ab, in der Mischung von Verhandlung und militärischen Aktionen wurde nach einem Ausgleich gesucht bzw. nach der Überwindung des Gegners getrachtet. Interessanterweise verhinderte diese Fehde nicht, daß sich König Konrad und Welf VI. zwischenzeitlich auf den 2. Kreuzzug begaben, wobei sie sich zu diesem Entschluß gleichzeitig durchrangen.65 Die Teilnahme des jeweils anderen war also wohl eine ausgehandelte Sache. Auf diesem Kreuzzug soll sich König Konrad – zumindest nach dem Zeugnis der Historia Welforum – sogar sehr um Welf bemüht und ihn auch als seinen Kommilitonen bezeichnet haben.66 Das Ende dieser Fehde nach der Rückkehr beider vom Kreuzzug vermittelte aber niemand anders als der junge Friedrich Barbarossa. Die Historia Welforum sagt sehr genau, wie diese Vermittlung vonstatten ging: „Friedrich, der Brudersohn des Königs und der Schwestersohn Welfs, trat nun als Vermittler eines Friedensschlusses auf und entschied nach reiflicher Überlegung (provida deliberatione confirmavit), daß dem Herzog Welf die Gefangenen zurückzugeben wären, der König aber in Zukunft vor ihm Sicherheit genießen sollte. Der König nahm diesen Vorschlag an (rex accepto consilio) und gewährte Welf auch einige Einkünfte aus dem Reichsgut mit dem Dorfe Mertingen.“67 Hier wird die selbständige Tätigkeit des Vermittlers sehr deutlich, der ihm billig erscheinende Bedingungen der Einigung vorschlägt. Was nicht ausdrücklich gesagt ist, wissen wir aus anderen Fällen: Lehnte nur eine Seite die Bedingungen ab, schlug sich der Vermittler auf die Seite der anderen Partei mit allen Konsequenzen, die dies auch für die Haltung weiterer Personengruppen hatte.68 Im Konflikt mit Welf VI. scheint Konrad III. also ohne prozessuale Schritte ausgekommen zu sein und die Auseinandersetzung mit den traditionellen Mitteln bestritten zu haben: mit militärischen Drohgebärden und Aktionen sowie mit Verhandlungen durch Vermittler.

Dies änderte sich wieder – zumindest nach Meinung der Forschung – bei der Auseinandersetzung mit Heinrich dem Löwen, der 1150/51 seine Ansprüche auf Bayern durch die Eröffnung von Feindseligkeiten zu unterstreichen suchte.69 Gegen ihn soll Konrad III. wieder auf dem Wege des Prozeßverfahrens vorgegangen sein. Schaut man sich die von der Forschung als Belege herangezogenen Quellenstellen an – vor allem einen Brief Konrads an Abt Wibald von Stablo und Corvey –, stellt man fest, daß dort von einem Prozeß gegen den Löwen gar nicht die Rede ist. Auf Rat und Bitten der Fürsten hat Konrad III. Heinrich vielmehr zu Hoftagen zunächst nach Ulm, dann nach Regensburg geladen, um die lehnsherrliche Gerechtigkeit einzufordern (ad expostulandam beneficialem iustitiam)70 Heinrich war jedoch nicht gekommen, sondern bewaffnet in Bayern eingefallen. Damit seine Klagen, die Klagen des Herzogs, mit Gottes Hilfe behandelt würden: querimonie ipsius deo auctore satisfacturi – hatte Konrad daraufhin auf Rat der Fürsten (ex iudicio principum) Heinrich zu einem neuen Hoftag nach Regensburg geladen.71 Überliefert ist auch ein Brief Heinrichs des Löwen an Abt Wibald, der sich auf den gleichen Vorgang bezieht. Der Löwe bittet Wibald um Unterstützung bei diesem Hoftag. Konrad habe nämlich eine Entscheidung versprochen, und zwar gemäß der Gerechtigkeit und dem Rat der Fürsten (secundum iustitiam vel principum consilia).72 Hier ist mit einiger Sicherheit die bekannte Rechtsformel Rat oder Urteil (consilio vel iudicio) angesprochen.73 Die Entscheidung sollte entweder auf den Rat oder durch ein Urteil der Fürsten fallen. Als Heinrich auch zu diesem Hoftag nicht erschien, zog dies zum Erstaunen der Forschung dann kein Kontumazialurteil nach sich. Wir hören vielmehr lediglich etwas von militärischen Aktionen Konrads gegen Heinrich in Sachsen, die jedoch wenig Erfolg brachten. Der König reagierte also gleichfalls traditionell, als sich Heinrich einer gütlichen Einigung durch Verhandlungen oder durch ein iudicium der Fürsten entzog. Von einem Prozeß gegen den Löwen kann man also in diesem Falle gar nicht sprechen.

Das Beispiel einiger bekannter Konflikte, an denen Welfen in der Mitte des 12. Jahrhunderts beteiligt waren, macht wohl unmittelbar deutlich, daß es sich lohnt, die mittelalterlichen Quellenaussagen zu diesen Auseinandersetzungen sehr genau zu lesen. Sie stimmen nicht mit der stark prozeßrechtlich ausgerichteten Bewertung der Vorgänge in der Forschung überein. Und dies gilt sicher nicht nur für Konflikte, an denen Welfen beteiligt waren. Es sei nur mit einem weiteren, außergewöhnlich gut dokumentierten Beispiel belegt, daß in der Tat Verhandlungen und Vermittlungen mit dem Ziel gütlicher Einigung Konfliktverläufe im 12. Jahrhundert wohl mehr bestimmten als iudicia. Über die Konflikte des Grafen Balduin V. vom Hennegau mit seinem Oheim, dem Markgrafen Heinrich von Namur, sind wir durch die Hennegauische Chronik des Gislebert von Mons unterrichtet. Sie ist im wesentlichen nichts anderes als ein Erfahrungs- und Rechenschaftsbericht desjenigen, der an den Verhandlungen auf hennegauischer Seite maßgeblich beteiligt war.74 In dem Konflikt involviert waren auf Grund ihrer politischen Interessen neben den Genannten die staufischen Kaiser Friedrich Barbarossa und Heinrich VI., der Kölner Erzbischof Philipp, der französische König und der Graf von der Champagne sowie darüber hinaus alle weltlichen Großen des niederlothringischen Raumes.75 Es ging um das Erbe des Markgrafen Heinrichs des Blinden von Namur, das dieser Balduin versprochen hatte. Die Einlösung dieses Versprechens versuchte er zu umgehen – nicht zuletzt auf Grund einer spätgeborenen Tochter, für die von interessierten Kreisen bereits im Alter von einem Jahr ein Ehebündnis vereinbart wurde. Balduin vom Hennegau brauchte andererseits dieses Erbe dringend, um seine Rangerhöhung zum Markgrafen und damit die Zugehörigkeit zum sich herausbildenden ‚Reichsfürstenstand‘ zu erreichen, wozu er ferner die gratia und Huld der Staufer benötigte und erhielt.76 Die Auseinandersetzungen zogen sich über mehrere Jahre hin, und Gislebert von Mons berichtet im Detail über eine Fülle von Verhandlungen und Vermittlungsversuchen, in die auch die staufischen Herrscher mehrfach einbezogen waren. Er berichtet auch über bewaffnetes Vorgehen der Kontrahenten, also über Fehdehandlungen.77 Der Versuch, den Streit durch ein Gerichtsurteil zu lösen oder beizulegen, wurde jedoch ganz offensichtlich nicht gemacht. Zu einem solchen Urteil kam es vielmehr erst gegen Ende der Auseinandersetzung – und das eher gegen den Willen Heinrichs VI. Als dieser nämlich 1190 in Schwäbisch Hall seine bereits längere Zeit zuvor gefällte Entscheidung veröffentlichte, daß er eine Markgrafschaft Namur eingerichtet und diese Balduin V. vom Hennegau übertragen habe, da erhob sich in der Fürstenversammlung Widerspruch.78 Der Herzog von Brabant ließ durch einen Fürsprecher (prolocutor), den Grafen von Flandern, bekannt machen, daß in seinem ducatus niemand princeps werden könne.79 Diesem Argument widersprach Gislebert von Mons als Vertreter Balduins vom Hennegau mit dem Argument, der Graf vom Hennegau habe die Markgrafschaft wie ein princeps direkt vom Kaiser erhalten, und er erklärte überdies, sein Herr sei bereit, sich einem rechtmäßig gefällten Urteilsspruch zu unterwerfen (legitimo sibi constituto juri et judicio stare).80 Erst in dieser Situation bestellte Heinrich VI. zwei Urteiler, den Grafen von Flandern und den Markgrafen von Meißen, die eine sententia zu dem Rechtsproblem verkündeten, ob der Graf vom Hennegau rechtmäßig zum Markgrafen und princeps erhoben werden könne.81 Der sententia schlossen sich jeweils andere principes an. Hier haben wir in dem lange andauernden Streit nun erstmals ein iudicium, Damit war aber der Fall keineswegs endgültig entschieden, denn nun arbeitete der Herzog von Brabant, interessanterweise mit Hilfe des einen Urteilers, daran, daß auf einem neuen Hoftag in Augsburg durch andere Fürsten diese sententia widerrufen würde. Dem König und dem königlichen Hof wurden hierbei 500 Mark für den Widerruf des Privilegs, das dem Hennegauer ausgestellt worden war, in Aussicht gestellt.82 Daß dies kein ganz übler Fall einer versuchten Bestechung von Amtspersonen, sondern eine nicht unübliche Praxis war, zeigt die unbefangene Darstellung Gisleberts an anderer Stelle, als er erzählt, daß er selbst es mit dem Gebot von 1550 Mark geschafft habe, die Entscheidung des Hofes zu seinen Gunsten zu erreichen, obgleich der Graf von der Champagne Friedrich Barbarossa 5000, Heinrich VI. 5000, der Königin 1000, dem Hof 1000 und einzelnen Ratgebern noch einmal 700 Mark für die Entscheidimg zu seinen Gunsten habe bieten lassen.83 Auch die Gebote des Herzogs von Brabant erreichten ihr Ziel nicht, die sententia wurde nicht widerrufen. Dennoch ist auch der Streit um das Erbe des Markgrafen von Namur ein Lehrstück dafür, mit welchen Mitteln und Methoden Konflikte im 12. Jahrhundert ausgetragen wurden.

Liest man die Quellen, hört man wie im Falle der Welfen-Konflikte sehr viel von Dingen, die in der Forschung wenig Beachtung finden. Es scheint, als habe vor allem, aber nicht nur, die rechtshistorische Forschung des 19. und 20. Jahrhunderts einige Mißverständnisse bei der Bewertung mittelalterlicher Konflikte erzeugt, weil sie ein modernes Gerichts- und Prozeßverständnis an Vorgänge herantrug, die unter anderen Bedingungen standen. Eine „Reichsgerichtsverfassung“, aus der man hätte ablesen können, was in dem einen oder anderen Falle „formaljuristisch korrekt“ gewesen wäre, gab es nicht, die Konfliktaustragung stand vielmehr unter gänzlich anderen Regeln, die an der Gewohnheit orientiert waren, aber auch dem Ermessen weiten Spielraum ließen. Als entscheidendes Charakteristikum dieser Regeln wird man hervorheben, daß die gütliche Einigung, erzielt durch den Einsatz von Vermittlern, die Streit durch eine angemessene Sühne oder Genugtuung aus der Welt schafften, einen größeren Stellenwert besaß als ein Gerichtsverfahren. In Konstitutionen englischer Könige ist dies programmatisch und sicher auch für das deutsche Hochmittelalter gültig so ausgedrückt worden: Ein Bündnis hat Vorrang vor dem Gesetz und die gütliche Einigung vor dem Gerichtsurteil (Pactum legem vincit et amor iudicium).84 Bei der Beurteilung mittelalterlicher Konflikte darf dennoch nicht ein modernes Prozeßverständnis, das dem Gerichtsurteil erste Priorität und eine dominante Wirkung auf den Verlauf des Konflikts – mehr oder weniger unreflektiert – zubilligt, ausschlaggebend sein. Die behandelten Konflikte liefen wie viele andere dieser Zeit ab in einer charakteristischen Mischung von Verhandlungen, die immer mit dem Ziel einer gütlichen Beilegung des Konflikts geführt wurden, und bewaffneten Aktionen, die den Gegner zum Einlenken bewegen sollten. Zwar hören wir in solchen Konflikten auch von iudicia oder sententiae, mit denen der Gegner ins Unrecht gesetzt wurde; doch hatten diese Urteile im Hochmittelalter zweifelsohne nicht die Wirkung, die ihnen ein moderner Mensch vielleicht instinktiv zubilligt. Kein Welfe oder anderer Große wurde von seinen Verwandten, Freunden und Getreuen ob eines solchen Urteils verlassen. Es war nur ein Mittel der Konfliktaustragung – und sicher nicht das wichtigste, denn eine gütliche Einigung machte ein Urteil jederzeit obsolet.

1 Zu erinnern ist hier nur an die Wirkung von Brunner, Land und Herrschaft; vgl. Boockmann, Art. Fehde, Fehdewesen, in: LexMA, Bd. 4, Sp. 331–334 mit weiteren Hinweisen.

2 Vgl. Leyser, Rule and Conflict; dtsch.: Herrschaft und Konflikt, S. 20ff.; Althoff, Königsherrschaft und Konfliktbewältigung (in diesem Band), S. 22f.; Keller, Reichsorganisation, Herrschaftsformen und Gesellschaftsstrukturen, S. 186ff.

3 Vgl. vor allem Kern, Gottesgnadentum und Widerstandsrecht; Bund, Thronsturz und Herrscherabsetzung; zum grundsätzlichen Problem der verfassungs- und rechtshistorischen Einschätzung des mittelalterlichen Staates vgl. zuletzt Kroeschell, Verfassungsgeschichte und Rechtsgeschichte; Graus, Verfassungsgeschichte des Mittelalters; Keller, Zum Charakter der ‚Staatlichkeit‘.

4 Vgl. Mitteis, Politische Prozesse; die einschlägigen Fälle von der Karolingerzeit bis zur Zeit des Saliers Heinrich III. bietet Krah, Absetzungsverfahren als Spiegelbild von Königsmacht; vgl. aber auch die älteren Beispielsammlungen von Niese, Zum Prozeß Heinrichs des Löwen, S. 197ff.; Güterbock, Der Prozeß Heinrichs des Löwen, insbesondere die Exkurse I bis III, S. 191ff.

5 Zum Verfahren im Königsgericht vgl. immer noch Franklin, Das Reichshofgericht im Mittelalter; Kaufmann, Aequitatis iudicium; sowie Kaufmann, Art. Königsgericht, in: HRG, Bd. 2, Sp. 1034–1040, mit weiteren Hinweisen; siehe neuerdings auch Die Urkundenregesten zur Tätigkeit des deutschen Königs- und Hofgerichts, Bd. 1. Leider beschränkt sich diese Sammlung auf die Darbietung der einschlägigen urkundlichen Quellen und berücksichtigt Nachrichten aus der Historiographie nicht.

6 Vgl. aus der überreichen Literatur nur Jordan, Heinrich der Löwe, S. 197ff.; Theuerkauf, Der Prozeß gegen Heinrich den Löwen; Heinemeyer, Der Prozeß Heinrichs des Löwen; Engels, Zur Entmachtung Heinrichs des Löwen.

7 Vgl. dazu Boshof, Staufer und Welfen, S. 313–341, mit allen weiteren Hinweisen.

8 Vgl. dazu Althoff, Königsherrschaft und Konfliktbewältigung (in diesem Band), S. 21ff.; Reuter, Unruhestiftung, Fehde, Rebellion, Widerstand, S. 318ff.

9 Vgl. hierzu Krause, Die geschichtliche Entwicklung des Schiedsgerichtswesens, S. 41f.; Bader, Arbiter arbitrator; Schneider, Zum frühmittelalterlichen Schiedswesen; Weinberger, Cours judicaires, justice et responsabilité sociale; Geary, Vivre en conflit; Althoff, Colloquium familiare (in diesem Band), S. 175ff. Es ist nachdrücklich hervorzuheben, daß die Rechtsethnologie vergleichbare Rollen von Vermittlern in allen Gesellschaften mit wenig entwickelten staatlichen Strukturen und Institutionen festgestellt hat; vgl. dazu Roberts, Order and Dispute; dtsch.: Ordnung und Konflikt, hier S. 76ff.

10 Zu ihr vgl. Wattenbach/Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter, Bd. 1, S. 198ff., mit weiteren Hinweisen auf die reichhaltige Literatur.

11 Zusätzlich zu den bei Wattenbach/Schmale, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter, Bd. 1, S. 299, genannten Arbeiten vgl. Schmid, Welfisches Selbstverständnis; Oexle, Adeliges Selbstverständnis; Althoff, Anlässe zur schriftlichen Fixierung adligen Selbstverständnisses, bes. S. 40f.

12 Dies betont zu Recht schon Reuter, Unruhestiftung, Fehde, Rebellion, Widerstand, S. 318, der auch auf die Schwierigkeit einer „rechtlichen Einordnung“ solcher Gerichtsverhandlungen hinweist und für das 11. Jahrhundert formuliert: „Die heutige Vorstellung eines Gerichts, das auch freizusprechen vermochte, war dem 11. Jahrhundert weitgehend fremd“ (S. 319).

13 Der von Wipo, Gesta Chuonradi, cap. 20, S. 40, ausführlich berichtete Fall, daß zwei Grafen dem schwäbischen Herzog Ernst die Unterstützung aufkündigten, weil sie grundsätzlich niemandem gegen den König helfen dürften, markiert mit Sicherheit nicht die Regel im Verhalten derjenigen, die verwandtschaftliche, freundschaftliche oder vasallitische Bindungen zu jemandem besaßen, der in Auseinandersetzungen mit dem König verwickelt war; vgl. dazu allgemein Althoff, Verwandte, Freunde und Getreue, S. 7ff. Die von Reuter, Unruhestiftung, Fehde, Rebellion, Widerstand, und Althoff, Königsherrschaft und Konfliktbewältigung (in diesem Band) unter suchten Fälle beweisen, daß die militärische Unterstützung der „Rebellen“, „Aufständischen“ und „Verschwörer“ gegen den König nach Gerichtsurteilen nicht eingestellt wurde.

14 Vgl. zu den Ereignissen und zur Bewertung vor allem Schmid, Graf Rudolf von Pfullendorf und Kaiser Friedrich I., S. 158ff.; Büttner, Staufer und Welfen, S. 151ff.; Schwarzmaier, Königtum, Adel und Klöster, S. 103ff.; Feldmann, Herzog Welf VI. und sein Sohn, S. 64ff.; Maurer, Der Herzog von Schwaben, S. 248ff.

15 Vgl. vor allem Maurer, Der Herzog von Schwaben, S. 248ff.

16 Vgl. Historia Welforum, cap. 30, S. 60: Gwelfo enim illatam sibi iniuriam amicis, cognatis et fidelibus suis exponens omnium animos in adiutorium sui cum optima voluntate ascivit (Übersetzung ebd., S. 61). Direkt nach dieser Aussage folgt die Aufgebotsliste, aus der im folgenden Text die wichtigsten Großen angeführt sind.

17 Ebd.: Interea Hugo palatinus comes de Touingen in comitatu, quem a patre istius possederat, quosdam de ministerialibus eius iniusto, ut aiunt, iudicio dampnatos patibulo suspendit ac castrum eorundem Moringen destruxit.

18 Vgl. Otto von St. Blasien, Chronik, cap. 18, S. 20: Eodem anno Hugo palatinus de Tuingin tres latrones, quorum duo sui homines erant, tercius ducis Welfonis, apud Moringin capiens, suos abire permisit, suspenso illo, qui Welfonis erat. Pro quo Welf iunior permotus maxima indignatione in palatinum exarsit et igne ferroque acceptam iniuriam ulciscitur.

19 Vgl. Schmid, Graf Rudolf von Pfullendorf und Kaiser Friedrich I., S. 161ff., sowie die dort in Anm. 19 genannten älteren Arbeiten, in denen ein in den Quellen nicht erwähnter Erbstreit als eigentliche Ursache der Auseinandersetzung angenommen wird.

20 Erinnert sei an Streitigkeiten um die Sitzordnung, die eine Rangordnung abbildete; vgl. dazu Fichtenau, Lebensordungen des 10. Jahrhunderts, Bd.l, S. 32ff.

21 Vgl. Historia Welforum, cap. 30, S. 60: Pro quo (d. i. die Hinrichtung der Ministerialen, wie Anm. 17) dux Gwelfo querimonia eum impetens et pro satisfactione humile ab eo responsum recipiens, ut erat mansuetissimus, ab impetitione, licet querimoniam non deponeret, cessavit. Angesichts der auffälligen Begrifflichkeit querimonia – responsum sei hingewiesen auf die Diskussion um Osnabrücker Quellen, die unter den gleichen Begriffen bekannt sind; vgl. dazu zuletzt Spicker-Wendt, Die Querimonia Egilmari episcopi, bes. S. 10ff., mit einem Abriß der Forschungsgeschichte.

22 Ein Artikel Genugtuung fehlt interessanterweise im HRG, während Kaufmann, Art. Genugtuung, in: LexMA, Bd. 4, Sp. 1261, lediglich die bußtheologische Dimension des Begriffs behandelt. – Angesprochen wird der zugrundeliegende Sachverhalt in Kaufmann, Art. Buße, in: HRG, Bd. 1, Sp. 575–577 und Scherner, Art. Kompositionensystem, in: Ebd., Bd. 2, Sp. 995-997; zum Problem siehe Althoff, Huld (in diesem Band), S. 205ff.; ders., Genugtuung, S. 247ff.

23 Vgl. dazu außer Althoff, Königsherrschaft und Konfliktbewältigung (in diesem Band), S. 21ff., und Reuter, Unruhestiftung, Fehde, Rebellion, Widerstand, S. 321f., auch Althoff, Colloquium familiare (in diesem Band), bes. S. 180ff.

24 Vgl. Widukind von Corvey, Sachsengeschichte. Vorrede zum I. Buch, S. 1f., gerichtet an die Äbtissin Mathilde von Quedlinburg; der Hinweis auf die clementia findet sich auch in den Vorreden zum II. und III. Buch (S. 61 und 100f.); in II, 29, S. 91, wird Otto dem Großen als ehrendes Attribut zugebilligt: vicina sibi semper clementia; die einschlägigen Fälle des demonstrativen Nachweises der clementia im 10. Jahrhundert behandelt Althoff, Königsherrschaft und Konfliktbewältigung (in diesem Band), S. 32ff.

25 Vgl. Otto von Freising und Rahewin, Die Taten Friedrichs, II, 3, S. 286ff. Ein Dienstmann, dem Barbarossa vor seiner Königserhebung seine Huld entzogen hatte, warf sich in der Kirche während der Krönungsfeierlichkeiten dem neuen Herrscher zu Füßen und bat um Verzeihung. Barbarossa lehnte dies ab mit folgender Begründung: non ex odio, sed iustitie intuitu illum a gratia sua exclusum fuisse. Otto von Freising betont dann, es habe die Bewunderung der meisten erregt, quod virum iuvenem (sc. Barbarossa) … tantaflectere a rigoris virtute ad remissionis vitium non potuit gloria. Die ebd., S. 289, gegebene Übersetzung „… zur Vergebung von Vergehen veranlassen konnte“, beruht auf einem Mißverständnis.

26 Vgl. den in Anm. 21 bereits zitierten Text der Historia Welforum.

27 Vgl. Historia Welforum, cap. 30, S. 60: Sicque factum est, ut recedente patre Gwelfo praefatam querimoniam renovaret et palatinum illum pro satisfactione saepius ac saepius impeteret. Ille autem non tam in suis suorumque viribus quam in Friderici ducis, fllii Chounradi regis, confidens, qui et eum ad hoc impellebat, quasi bonae famae Gwelfonis invidens et honestis actibus eius detrahens, responsionem contumacem ac minacem pro satisfactione obtulit, per quam et animum iuvenis ad rebellandum sibi incitavit …

28 Dieser Sachverhalt ist bisher nicht im Blick der Forschung, doch weisen die Beobachtungen, daß mehrfach sehr ähnliche Aussprüche am Beginn wie am Ende von Konflikten in den Quellen erwähnt werden, zwingend darauf hin, daß hier feste Formeln benutzt wurden, deren Funktionen den Zeitgenossen bekannt waren. Angeführt sei hier etwa die Formel, mit der Gesandte einen Gegner zur Ergebung auffordern: amicum per id adepturum, non hostem experturum; vgl. Widukind von Corvey, Sachsengeschichte, I, 24, S. 36 und III, 53, S. 133. Mehrfach bezeugt ist am Ende von Konflikten auch eine Unterwerfungsformel in der Art von „Mache mit mir, was du willst“; vgl. dazu die Belege bei Althoff, Huld (in diesem Band), S. 212f.

29 Vgl. Annales Nazariani, a. 786, S. 42: Fertur namque, unum ex illis dixisse ad regem: Si colligae sociique mei mihi consentire conprobarentur, tu numquam postmodum citra Renum flumen transire vivus cognoscebaris. Das demonstrativ Drohende der Antwort ist wohl nur von ihrer Funktion her zu verstehen. Zum Hardrat-Aufstand vgl. Brunner, Oppositionelle Gruppen im Karolingerreich, S. 48ff.

30 Vgl. Annales regni Francorum, a. 788, S. 80: … confessus est se dixisse, etiamsi decem filios haberet, omnes voluisset perdere, antequam placita sic manerent vel stabile permitteret, sicut iuratum habuit; et etiam dixit, melius se mortuum esse quam ita vivere. Die Aussage mit den zehn Söhnen war also ursprünglich in einem anderen Kontext gemacht worden, in dem sie die Funktion hatte, seine Unbeugsamkeit gegenüber Karl dem Großen auszudrücken. Zum Fall Tassilo vgl. Kolmer, Machtspiele, S. 104ff., der allerdings die hier angesprochene Problematik nicht behandelt.

31 Ansätze finden sich hierzu bisher nur im Bereich der Literaturwissenschaften; vgl. etwa grundsätzlich Zumthor, Essai de poétique médiévale, bes. S. 64ff.; in andere Richtungen zielen dagegen die Ausführungen von Thum, Öffentlichkeit und Kommunikation im Mittelalter, die das Rituelle öffentlicher Sprechakte nicht thematisieren.

32 Vgl. Historia Welforum, cap. 30, S. 62; von den Schwaben auf seiten Hugos werden namentlich nur die Zollern genannt; vgl. dazu Feldmann, Herzog Welf VI. und sein Sohn, S. 65.

33 Vgl. Historia Welforum, cap. 30, S. 62: totaque illa nocte alii orationi incumbebant, alii de satisfactione et compositione anxie tractabant (Übersetzung ebd., S. 63).

34 Vgl. Burchard von Ursperg, Chronik, a. 1164, S. 47: Cumque die dominico multi de nobilibus et principibus de facienda concordia et pace plus laborarent et orarent, quidam protervi et minus cauti de castris Welfi eruperunt et castro Toingen appropinquare ceperunt, quibus alii de castro obviam processerunt.

35 Vgl. dazu etwa das bezeichnende Verhalten des Bischofs Heinrich von Würzburg und des Abtes Erkanbald von Fulda, die ihren Auftrag, die Stammburg des Markgrafen von Schweinfurt zu zerstören, auf Intervention der Mutter des Markgrafen dahingehend änderten, daß sie der hochadligen Dame versprachen, sie würden das Zerstörte, wenn der König es erlaube, auf eigene Kosten wieder aufbauen; vgl. die diesbezüglichen Angaben in: Thietmar von Merseburg, Chronik, V, 38, S. 264; zum Hintergrund siehe Althoff, Königsherrschaft und Konfliktbewältigung (in diesem Band), S. 28. Die bekannte Sage der Weiber von Weinsberg thematisiert gleichfalls nichts anderes als das verbreitete Verfahren, Burgen kampflos gegen freies Geleit zu übergeben; vgl. dazu Bemheim, Sage von den treuen Weibern von Weinsberg, S. 242f., mit dem Hinweis, daß die gleiche Sage ungefähr 30mal überliefert ist. Zum historischen Hintergrund vgl. Bernhardi, Konrad III., S. 188ff.

36 Vgl. Historia Welforum, cap. 31, S. 64: Eodem tempore Gwelfo pater de Italia reversus, audito, quod acciderat, pro redimendis captivis agebat. Hugo igitur inito consilio captivos reddidit, et facta compositione terra eius ab omni infestatione per annum quievit.

37 Ebd. S. 66, findet sich nur der Satz: Humiliata est autem et ilico eiusdem palatini contumacia.

38 Vgl. Otto von St. Blasien, Chronik, cap. 19, S. 21f.: … auditis per principes in Cisalpinis partibus regni devastationibus Fridricus imperator ex Italia regreditur, eiusque iussu dimissis a palatino captivis militibus Welfonis generalis curia in quadragesima apud Ulmam principibus indicitur. Siehe ferner Burchard von Ursperg, Chronik, a. 1166, S. 48: Tandem tamen de Providentia imperatoris factum est, ut dictus palatinus in manus Welfonis et potestatem ipsius omnino se traderet aput Ulmam coram imperatore et principibus. Auch den kausalen Zusammenhang dieser kaiserlichen Maßnahme mit seiner Italienpolitik bezeugt Burchard, denn er fährt fort: Imperator namque exercitum contra Romanos movere decreverat et ideo in Alamannia pacem reformavit.

39 Vgl. Schmid, Graf Rudolf von Pfullendorf und Kaiser Friedrich I., S. 164; Feldmann, Herzog Welf VI. und sein Sohn, S. 68; Sydow, Geschichte der Stadt Tübingen, Bd. 1, S. 106.

40 Vgl. Otto von St. Blasien, Chronik, cap. 19, S. 22: Quo (sc. Ulm) Welf dux cum fratruele suo Heinrico duce Saxonie et Bawarie et Bertolfo duce de Zaringin ac multis aliis terre maioribus perveniens ab imperatore honorifice cum filio suscipitur, ac palatino, ut sine omni condicione in manus ipsorum se tradat pro iniuria ipsis illata aut regno cedat, ab imperatore iubetur.

41 Vgl. dazu die Literaturhinweise in Anm. 5. Vor allem ist hervorzuheben, daß im Königsgericht grundsätzlich zwei Urteiler vom König um eine sententia bzw. ein iudicum gebeten wurden, deren Vorschlägen dann die anderen wie der König folgten. Davon ist bei Otto von St. Blasien aber nicht die Rede. Der Hinweis auf den Befehl des Kaisers signalisiert daher eine andere Lösung des Konflikts als durch das Königsgericht.

42 Vgl. dazu die Zusammenstellung der einschlägigen Quellen in den Regesten der Markgrafen von Brandenburg, Nr. 354ff.; neuere Darstellung bei Jordan, Heinrich der Löwe, S. 116ff., und Claude, Geschichte des Erzbistums Magdeburg, Bd. 2, S. 148ff.

43 Vgl. die diesbezügliche Bemerkung Burchards von Ursperg, Chronik, a. 1166, S. 48, die in Anm. 38 bereits zitiert wurde. Die Forschung hat das politische Kalkül akzentuiert; vgl. Feldmann, Herzog Welf VI. und sein Sohn S. 68; zuletzt Opll, Friedrich Barbarossa, S. 93f.

44 Vgl. Historia Welforum, cap. 31, S. 66: In feria enim tertia capitis ieiunii sub generali curia Ulmae habita in praesentia ducis Heinrici, domini nostri, sub oculis quoque ipsius imperatoris ac Friderici ducis idem Hugo Gwelfoni iuniori ad deditionem venit ac se pedibus eius prosternens custodiae mancipari et vinctum abduci non respuit et sic in captivitate usque ad obitum ipsius Gwelfonis, per annum scilicet et dimidium, tenetur (Übersetzung ebd., S. 67).

45 Vgl. Otto von St. Blasien, Chronik, cap. 19, S. 22: Qui (sc. Hugo) tribus vicibus coram duce Welf in terram corruens, ipso suscipere dedignante, tandem receptus capitur captusque in exilium Reciam Curiensem ad castrum Nuinburch transportatur.

46 Vgl. dazu die immer noch hilfreiche Sammlung von Belegen durch Vogeler, Otto von Northeim, S. 136ff. Reuter, Unruhe Stiftung, Fehde, Rebellion, Widerstand, S. 320ff., mit zahlreichen einschlägigen Fällen, wobei allerdings zu betonen ist, daß solche Fußfälle in aller Regel gegenüber dem Herrscher bezeugt sind. Siehe dazu jetzt Althoff, Das Privileg der deditio (in diesem Band), S. 99ff.

47 Vgl. Historia Welforum mit der in Anm. 44 zitierten Stelle, die die Anwesenheit Herzog Friedrichs von Rothenburg in Ulm bezeugt, wie es auch die Urkunden Friedrichs I., Nr. 506f., S. 438ff., tun, in denen der Herzog als Zeuge erscheint. Als Mitkämpfer (propugnator) Hugos wird Herzog Friedrich in der Historia Welforum, cap. 31, S. 66, bezeichnet; ebd., cap. 30, S. 60, ist von der Anstiftung durch Friedrich die Rede: qui et eium ad hoc impellebat, quasi bonae famae Gwelfonis invidens et honestis actibus eius detrahens. Daß Herzog Friedrich seinen Partner später offensichtlich im Stich ließ, wird man als einen gravierenden Vorgang einschätzen müssen, ohne daß wir etwas über die Motive wüßten.

48 Die Nachricht über die Heirat bringt das Chronicon Montis Sereni, a. 1167, S. 152: Filius Conradi regis filiam Heinrici ducis in matrimonium sortitus est. Die Nachricht gehört jedoch, wie andere Meldungen in diesem Jahresbericht auch, sicher ins Jahr 1166; vgl. dazu Philippson, Heinrich der Löwe, S. 607 und 606. – Zu den Vorstellungshorizonten des Begriffes „Haus“ im Mittelalter vgl. zuletzt Oexle, Haus und Ökonomie; ders., Adeliges Selbstverständnis, S. 74f., wies zu Recht darauf hin, daß die festen Vorstellungen von Staufern auf der einen und Welfen auf der anderen Seite, die sich als festgefügte Einheiten gegenübergestanden hätten, nicht zuletzt angesichts der mehrfachen verwandtschaftlichen Bindungen moderne Vorstellungen beinhalten, die den Verhältnissen des 12. Jahrhunderts nicht angemessen sind.

49 Vgl. dazu neben den in Anm. 9 genannten Arbeiten vor allem Rennefahrt, Herkunft des Schiedsgerichtswesens, bes. S. 9ff., mit wichtigen Differenzierungen in „herrschaftliche“ und „genossenschaftliche“ Schlichtung und S. 10ff., mit Belegen der Friedenstiftung Friedrich Barbarossas und anderer durch Schlichtung. Um das Außergewöhnliche des Vorgangs von Ulm verständlich zu machen, genügt es vielleicht, darauf hinzuweisen, wie noch Arnold von Lübeck, Chronica Slavorum, II, 22, S. 67, die 1181 in Erfurt erfolgte Unterwerfung Heinrichs des Löwen unter Friedrich Barbarossa schildert. Dieser Vergleich macht nämlich unmittelbar einsichtig, daß der Unterwerfungsakt des Pfalzgrafen Hugo mit dreimaligem Kniefall und Fesselung über das gewöhnliche Maß weit hinausging. Arnold betont, daß der Kaiser den ihm zu Füßen gefallenen Heinrich den Löwen aufhob und ihn unter Tränen küßte. Dennoch gab es Zweifel, ob das Erbarmen echt sei, weil der Kaiser den Löwen nicht gleich wieder in seine frühere Würde einsetzte, was er wegen eines diesbezüglichen Eides nicht tun konnte. Mag diese Darstellung Arnolds von Lübeck auch geschönt sein, sie artikuliert sehr genau die Erwartungshaltung, die demjenigen entgegengebracht wurde, dem man sich unterwarf.

50 Vgl. Boshof, Staufer und Welfen, Zitat S. 330.

51 Vgl. dazu grundsätzlich Kroeschell, „Rechtsfindung“; neuerdings Althoff, Gewohnheit und Ermessen; vgl. Kaufmann, Art. Billigkeit, in: HRG, Bd. 1, Sp. 431–437.

52 Vgl. dazu unten in Anm. 82f. konkrete Beispiele für solche Konsequenzen.

53 Vgl. hierzu und zu den folgenden Fakten die Belege bei Bernhardi, Konrad III., S. 40ff.; zuletzt Schmidt, Königswahl und Thronfolge, S. 34ff.; Boshof, Staufer und Welfen, S. 314ff.

54 Vgl. Otto von Freising, Chronica sive Historia de duabus civitatibus, VII, 23, S. 345; Historia Welforum, cap. 24, S. 44ff. – Die Übernahme der Historia Welforum aus der Chronik Ottos bzw. die selbständigen Zusätze und Ergänzungen sind dort durch Drucktypen kenntlich gemacht.

55 Otto von Freising, Chronica sive Historia de duabus civitatibus, VII, 23, S. 345: Quo (sc. Regensburg) veniens regalia quidem reddidit, sed tamen ante conspectum regis non admissus infecto pacis negotio sine gratia eius recessit. Daß derjenige, der nicht die Huld (gratia) des Königs besitzt, auch nicht vor dessen Angesicht treten kann, ist auch anderwärts bezeugt; vgl. dazu Althoff, Huld (in diesem Band), S. 206ff. Zur Verhandlung durch Mittelsmänner und Schlichter, die im Falle von Dissens aus begreiflichen Gründen die direkte Verhandlung ersetzt, vgl. ders., Colloquium familiare (in diesem Band), S. 175ff.

56 Vgl. Historia Welforum, cap. 24, S. 46: Internuntii autem ac mediatores ad hanc causam praenominati per triduum huc ac illuc saepius transmeantes nichil profecerunt. Rex enim non aliter compositionem fieri voluit, nisi dux quaedam de his, quae a Lothario imperatore susceperat ac possederat, resignaret. Zur rechtlichen Problematik des Besitzes zweier Herzogtümer vgl. Boshof, Staufer und Welfen, S. 322ff.

57 Vgl. Historia Welforum, cap. 24, S. 46f.: Quod cum dux renuisset ac se potius dubiae sorti supponi elegisset, colloquium infecto pacis negotio dissolutum est. Rex ergo metuens aliquid in se machinari, dum peracta cena cubitum se ire simularet, adductis clam equitaturis, cum paucis, nulli de principibus valedicens, exivit ac militem suum reliquum in magno dicrimine relinquens Herbipolim pervenit. Ubi iudicio quorundam principum dux proscribitur, ducatusque ei abiudicatur (Übersetzung ebd., S. 49).

58 Vgl. die Diskussion der Forschungsmeinungen bei Boshof, Staufer und Welfen, S. 323ff.; siehe vor allem Mitteis, Politische Prozesse, S. 43.

59 Vgl. Wibaldi epistolae, Nr. 234, S. 354: … iudiciorum, que tanto pondere opponerentur, vocem intra paucissimos pagos vix posse audiri; opus bellicum cum aliquo splendore gestum per maiorem orbis partem diffundi.

60 Vgl. dazu Bernhardi, Konrad III., S. 110ff.; Boshof, Staufer und Welfen, S. 322.

61 Vgl. Bernhardi, Konrad III., S. 112 mit Anm.24f., in denen die zahlreichen Quellenbelege aufgeführt sind, die von dem Kriegszug und der Vermittlung berichten; vgl. insbesondere die Nachricht des Annalista Saxo, a. 1139, S. 777: Sed episcopi, qui perplures illo cum rege convenerant, pugnaturis impedimento fuerunt. Von dem Vermittlungsversuch handelt auch die Lebensbeschreibung des Trierer Erzbischofs Albero, der den Sachsen zur Beruhigung einige Fuder Wein geschickt habe, wohl wissend, daß man mit einem Vorrat Wein mehr ausrichten könne als mit einem vieltausendköpfigen Heer von armen Schluckern; vgl. Balderich, Gesta Alberonis, cap. 15, S. 252.

62 Vgl. Arnold von Lübeck, Chronica Slavorum, II, 10, S. 48: In Haldeslef tamen constitutus, per internuncios colloquium domni imperatoris expetiit. Imperator itaque exivit ad eum ad locum placiti. Quem dux verbis compositis lenire studuit. Imperator autem quinque milia marcarum ab eo expetiit, hoc ei dans consilium, ut nunc honorem imperatorie maiestati deferret et sic ipso mediante gratiam prineipum, quos offenderat, inveniret. Illi autem durum visum est tantam persolvere pecuniam, et non acquiescens verbis imperatoris discessit. Heinemeyer, Der Prozeß Heinrich des Löwen, S. 46f., hält dieses colloquium für einen Teil des „ordentlichen Gerichtsverfahrens“, übersieht dabei jedoch, daß der Preis ausdrücklich für die Vermittlung Barbarossas gezahlt werden soll …et sic ipso mediante …

63 Vgl. Arnold von Lübeck, Chronica Slavorum, II, 22, S. 66: Dux autem se videns in arto positum rogavit domnum imperatorem, ut ipsius conductu veniret Luneburg, sperans se apud ipsum aliquo pacto misericordiam invenire. Qui cum inter Hertheneburg et Bardewich conduceretur, occurrit ei multitudo militum de castris imperatoris, pacifice salutantes eum. Quibus resalutatis: Non consueveram, ait, in his partibus alicuius conductum accipere, sed magis dare. Et ita veniens Luneburg, omnibus modis per internuncios animum imperatoris lenire studuit. Captivos etiam suos, Lodewicum lantgravium et Hermannum fratrem eius palatinum, de captivitate laxavit, sperans se his beneficiis gratiam aliquam mereri; set nichil inde consecutus est. Imperator tamen inde proficiscens, curiam apud Quidelingenburg ei prefixit, ut ibi inter prineipes quid de ipso fieret, iustitia mediante, decerneretur. Vgl. dazu Jordan, Heinrich der Löwe, S. 208.

64 Vgl. dazu Feldmann, Herzog Welf VI. und sein Sohn, S. 14ff.; Boshof, Staufer und Welfen, S. 331ff., mit weiteren Hinweisen.

65 Feldmann, Herzog Welf VI. und sein Sohn, S. 24, mit allen weiteren Hinweisen.

66 Vgl. Historia Welforum, cap.27, S. 54: In hoc ergo laborioso itinere Chounradus rex commilitoni suo Gwelfoni (sic enim eum nominare solebat) saepissime in necessitate subveniebat ac de omnibus, quae a regio fisco Constantinopolitani imperatoris sibi offerebantur, partem illi tradebat. Vgl. auch Feldmann, Herzog Welf VI. und sein Sohn, S. 24 mit den Anm. 99–103, und weiteren Einzelheiten über König Konrads Bemühungen um Welf VI.

67 Vgl. Historia Welforum, cap. 28, S. 56: Nam Fridericus fratruelis regis, sororius eiusdem Gwelfonis, medium se ad compositionem faciendam interposuit captivosque duci Gwelfoni reddi ac regem de cetero securum penes illum esse provida deliberatione confirmavit. Rex ergo accepto consilio Gwelfoni aliquos reditus de fisco regni cum villa Mardingen concessit, ac sic confirmata pace … (Übersetzung ebd., S. 57).

68 Vgl. dazu Althoff, Colloquium familiare (in diesem Band), S. 176, dort in Anm. 51 auch der Hinweis auf den für das Verhalten von Vermittlern wichtigen Fall des Erzbischofs Friedrich von Mainz, von dem Widukind von Corvey, Sachsengeschichte, II, 25, S. 87f. berichtet.

69 Vgl. die Einzelheiten bei Bernhardi, Konrad III., S. 865 und 881; Jordan, Heinrich der Löwe, S. 44f.; Boshof, Staufer und Welfen, S. 336f.

70 So Konrad selbst in einem Brief an Wibald von Stablo und Corvey; vgl. Die Urkunden Konrads III. und seines Sohnes Heinrich, Nr. 243, S. 424.

71 Ebd.: Ipse vero ad eandem curiam non solum venire neglexit, verum etiam armata manu ducatum Bauuarie, oecupare conatus est. Nos itaque debitum regalis censure, magis quam eius facta attendentes aliam curiam ex iudicio principum in festo Barnabe, apostoli Ratispone ei prefiximus, querimonie, ipsius deo auctore satisfacturi.

72 Vgl. Die Urkunden Heinrichs des Löwen, Nr. 16, S. 24: Pollicitus (sc. Konrad) est enim, quod secundum iusticiam vel principum consilia, qui ad curiam confluent, se nobis responsurum. Heinrich der Löwe bittet in diesem Zusammenhang um Unterstützung (nobis assistatis), für die der Abt seiner Meinung nach deshalb besonders geeignet ist, quia dominus et vera loquendi audatiam eademque discrete proferendi vobis pre multis aliis contulit scientiam. Von einem Bewußtsein Heinrichs, einer Ladung des Königs unrechtmäßig nicht Folge zu leisten, ist in diesem Brief nichts zu spüren.

73 Vgl. dazu Krause, Consilio et iudicio.

74 Vgl. Gislebert von Mons, Chronik. Zu der pragmatischen Funktion der Geschichtsschreibung Gisleberts bereitet Karen Strupp (Münster) eine Dissertation vor. Ich danke Frau Strupp für im folgenden verarbeitete wertvolle Hinweise.

75 Vgl. dazu schon Ficker, Vom Reichsfürstenstande, Bd. 1, S. 107ff.; zuletzt Engels, Der Niederrhein und das Reich im 12. Jahrhundert, S. 189ff., mit der älteren Literatur in Anm. 52.

76 Vgl. Gislebert von Mons, Chronik, cap. 109, S. 161: Dominus autem im perator Romanorum comiti Hanoniensi gratiam suam super omnibus bonis avunculi sui comitis Namurcensis, tam allodiis quam feodis, concessit, et ei secundum consilium sociorum suorum et eorum dispositionem et Gisleberti ipsius comitis notarii ordinationem privilegio suo confirmavit. Dieser Akt geschah auf dem berühmten Mainzer Hoffest von 1184, über das Gislebert nicht zuletzt deshalb so ausführlich berichtet; vgl. dazu Joachim Bumke, Höfische Kultur, Bd. 1, S. 276ff. Das Fortbestehen dieser gratia versicherte Barbarossa dem Grafen vom Hennegau auf dessen Anfragen noch mehrmals; vgl. Gislebert von Mons, Chronik, cap. 129, S. 196; cap. 132, S. 199; 1188 erlangte man auch die gratia Heinrichs VI., die vordem zweifelhaft gewesen war; vgl. ebd., cap. 139, S. 207f.

77 Zu den Vermittlungsversuchen vgl. die Angaben in Anm. 76; über Fehdehandlungen berichtet Gislebert von Mons, Chronik, vor allem in cap. 143, S. 219ff., cap. 151, S. 235 und cap. 158, S. 244. Die Fehdehandlungen wurden jeweils begleitet von Vermittlungsversuchen, für die sich einmal die staufischen Herrscher selbst (ebd., cap. 148, bes. S. 229), aber auch der Kölner Erzbischof Philipp (ebd., cap. 157, S. 243f., cap. 161, S. 245) verantwortlich zeichneten.

78 Vgl. ebd. cap. 170, bes. S. 252ff.; vgl. dazu Toeche, Heinrich VI., S. 164; die Ausführungen in RI IV, 3, Nr. 108f., werden der Problematik und Komplexität des Geschehens in Schwäbisch Hall nicht gerecht.

79 Gislebert von Mons, Chronik, cap. 170, S. 250f.: Quo audito dux Lovaniensis dixit, quod in hoc (sc. die Erhebung des Hennegauers zum Markgrafen) sue dignitati derogabatur, et super hoc consilium vellet habere et inde loqui. Habitoque comitis Flandrensis consilio, et hominibus suis adhibitis per prolocutorem suum, scilicet comitem Flandrie, dixit, quod in terra Namurcensi vel Rocha nullus fieri potest princeps, quia in ducatu suo erat…

80 Ebd., S. 251: Dicebatque Gislebertus clericus domino regi: Domine rex, dominus meus comes Hanoniensis marchiam Namurcensem a vobis tenet ut princeps, sicut cognoscitis, unde pares et testes habet principes. Si quis autem contra tenorem vel honorem suum habet dicere, ipse paratus est die legitimo sibi constituto juri et judicio stare.

81 Ebd., S. 252; die Entscheidung beider Urteiler fiel zugunsten des Hennegauers aus mit der Begründung: cum dux (sc. von Brabant) tenorem ducatus in terris illis se vel suos antecessores habuisse non posset monstrare.

82 Ebd., S. 253f.: Postea autem dux Lovaniensis, per auxilium comitis Flandrie, laborabat per dies 9, ut sententia in detrimentum suum et ad promotionem comitis Hanoniensis lata apud Hallam in Suevia, per alios principes apud Augustam civitatem congregatos revocaretur, et inde a consiliariis ducis domino regi et curie 500 marce promittebantur, unde dominum regem ad hoc inducerent, quod ipse Privilegium faciendum revocaret; attamen contra comitem Hanoniensem nichil proficere potuerunt, sicque stetit lata sententia.

83 Ebd., cap. 148, S. 229; ein ganz ähnlicher Fall, in dem ein iudicium durch eine Geldzahlung verhindert worden sein soll, ist aus der Zeit Ottos III. überliefert; vgl. Franklin, Das Reichshofgericht im Mittelalter, S. 36ff.; Althoff, Gewohnheit und Ermessen, S. 165. – Das Denken in Kategorien wie „Buße“ und „Genugtuung“ bewirkte wohl grundsätzlich die Akzeptanz solcher Zahlungen, die wir als Bestechung deklarieren würden; vgl. dazu oben Anm. 22. Ähnliche Denkkategorien ermöglichten etwa den Kauf von Stimmen bei der Königswahl; vgl. Stehkämper, Geld bei deutschen Königswahlen.

84 Vgl. dazu White, „Pactum … legem vincit et amor iudicium“.

Spielregeln der Politik im Mittelalter

Подняться наверх