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Vorwort

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Die hier vorgelegten Forschungen nehmen das Papsttum des Hochmittelalters unter einer neuen Fragestellung in den Blick. Keine andere Institution der Zeit ist aber so intensiv erforscht worden wie dieses Papsttum. Jeder, der über die Päpste dieser Zeit arbeitet, steht damit vor dem Problem, eine Ökonomie der Literaturhinweise entwickeln zu müssen, damit diese nicht die eigenen Untersuchungen überwuchern. Auch ich habe vorrangig Arbeiten zitiert, die für meine eigene Argumentation wichtig waren, und auf jeden Versuch verzichtet, eine in irgendeiner Weise vollständige Dokumentation bisheriger Forschungsbemühungen zu diesem Feld zu liefern. Dafür bitte ich gleich eingangs um Verständnis.

Die bisherige Beschäftigung mit dem Papsttum im Allgemeinen und mit dem Reformpapsttum im Besonderen geschah nicht selten cum ira et studio, da das höchste Amt der römisch-katholischen Kirche aus unterschiedlichen Gründen polarisierte. Deshalb erfuhren die Geschichte und die Taten der Päpste deutlich unterschiedliche Wertungen, die vom jeweiligen Zeitgeist und Parteienstandpunkt geprägt waren. Dies führte auch zu einer latenten Tendenz, einschlägigen Arbeiten a priori zu unterstellen, sie verfolgten entweder apologetische oder denunziatorische Ziele. Eine derartige Unterstellung liegt beim Thema „Papsttum und Gewalt“ besonders nahe. Deshalb weise ich eingangs ausdrücklich auf die eigentlich selbstverständliche Verpflichtung historischer Forschung hin, geschichtliches Geschehen aus kritischer Distanz darzustellen und dabei lebensweltlich bedingte Voreingenommenheit welcher Art auch immer so weit wie eben möglich auszublenden. Zwar kann sich kein Historiker von der Prägung durch seine Zeit und Lebenswelt gänzlich lösen. Doch gibt es zwischen Apologie und Denunziation viele Zwischenstufen, die einzunehmen keine übernatürlichen Fähigkeiten erfordert. Ich fühle mich jedenfalls keinem der beiden hypostasierten Lager zugehörig. Ob ich dies in ausreichendem Maße deutlich machen konnte, müssen aber andere entscheiden.

Die Rahmenbedingungen für die hier vorgelegte Arbeit waren überaus günstig. Sie entstand seit 2008 im münsterischen Forschungscluster „Religion und Politik in den Kulturen der Vormoderne und der Moderne“, in dem Vertreter verschiedenster geistes- und kulturwissenschaftlicher Fächer – darunter die katholische wie evangelische Theologie, die Islamwissenschaft und Judaistik, die Rechtswissenschaft mit verschiedenen ihrer Grundlagenfächer, die Religionssoziologie und nicht zuletzt die Literatur- und Geschichtswissenschaft – zusammenarbeiten, die in vielfacher Hinsicht Sachkompetenz und Interesse für die Fragen aufbrachten, vor die ich gestellt war. Dies hat zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit in durchaus verschiedenen Formen geführt, die ich in dieser Intensität bisher noch nicht erlebt habe. In unzähligen Einzelgesprächen und in Arbeitsgruppen habe ich immer wieder von kritisch-kompetentem Mitdenken profitiert, auf Tagungen und in Ringvorlesungen mehrfach Teilbereiche der Arbeit zur Diskussion stellen können. Es gibt überdies ein gutes Dutzend Personen des Clusters, die diese Arbeit in ihren verschiedenen Rohzuständen ganz oder in Teilen gelesen und kommentiert haben. Von diesem fruchtbaren Umfeld hat die Arbeit in weit größerem Maße profitiert, als es der herzliche Dank ausdrücken kann, den ich namentlich Reinhard Achenbach, Rainer Albertz, Arnold Angenendt, Nils Jansen, Hagen Keller, Christel Meier, Peter Oestmann, Detlev Pollack, Theo Riches, Rüdiger Schmitt, Johannes Schnocks, Ludwig Siep, Barbara Stollberg-Rilinger und Erich Zenger (†) aussprechen möchte.

Iris Fleßenkemper und Viola van Melis haben mit ihren Teams für weitere optimale Rahmenbedingungen gesorgt, gemäß der Philosophie des Clusters, man müsse den Mitgliedern nicht zuletzt die Möglichkeit schaffen, Monographien zu schreiben. David Crispin, Stephanie Kluge und Fabian Weimer haben als studentische Hilfskräfte viel Akribie und Energie in die unterstützende Arbeit investiert und sich dabei auch so mit der Sache identifiziert, dass sie in ihren Qualifikationsarbeiten benachbarte Themen behandeln. Für diesen ermutigenden Nachweis des Zusammenwirkens von Forschung, Lehre und Teamarbeit bin ich dankbar und glücklich.

Aber auch auswärtige Kollegen waren in die Diskurse über dieses Buch integriert. Wilfried Hartmann (Tübingen) hat während einer Gastprofessur in Münster und danach seine breite Kompetenz zu vielen Aspekten dieses Themas intensiv eingebracht. Vor allem die zwei Kolloquien sind in Münster unvergessen, in denen wir die meisten der jetzigen Kapitel unter Beteiligung eines größeren Interessentenkreises diskutierten. Die Arbeit hat durch diese Diskussionen erst ihre heutige Gestalt bekommen. Knut Görich (München) war während seiner münsterischen Gastprofessur wie immer ein kompetenter und ebenso hilfsbereiter wie hilfreicher Gesprächspartner, der auch später am Fortgang dieser Arbeit intensiven Anteil nahm. Dies gilt gleichermaßen für Stefan Weinfurter (Heidelberg), der wie schon bei „Heinrich IV.“ mündlich-persönlich und telefonisch die ganze Zeit mitdiskutiert und auch mitgelesen hat. In der Spätphase der Arbeit ist Andreas Thier (Zürich) ein wichtiger Gesprächspartner gerade, aber nicht nur, für Fragen des kanonischen Rechts geworden. Ihnen allen bin ich zu großem Dank verpflichtet und hoffe sehr, wenigstens einiges vom Erhaltenen zurückgeben zu können.

In der Endphase der Arbeiten an diesem Buch erschien eine „Streitschrift“: Johannes Fried, Canossa. Entlarvung einer Legende. Ich habe nach einigem Überlegen darauf verzichtet, ein Kapitel anzufügen, das sich kritisch mit dem neuen Sachstand auseinandersetzt. Doch weise ich darauf hin, dass mein Buch in der Sache auch eine Antwort auf diese „Streitschrift“ enthält, weil es nicht zuletzt die religiös-politische Vorstellungswelt Gregors VII. zum Thema hat. Aus der Vorstellungswelt dieses Papstes ergeben sich viele Argumente gegen die These der „Streitschrift“ von den federa pacis, dem Friedensbündnis zwischen Gregor VII. und Heinrich IV. in Canossa, das 1077 die Welt kurzzeitig verändert haben soll.

Die vermeintliche Entdeckung eines spektakulären Bündnisses veranlasste Fried dazu, die zahllosen Quellenaussagen, die der von ihm unterstellten Bedeutung des Friedensbündnisses widersprechen, zugunsten eines allgemeinen Satzes bei einem Zeitgenossen (Arnulf von Mailand) beiseitezuschieben, dem bis dahin niemand diese Bedeutung gegeben hatte – und das meines Erachtens zu Recht. Die Kapitel 2, 4 und 5 dieses Buches handeln vor allem von den Grundlagen und Inhalten des päpstlichen Amtsverständnisses, das Gregors Handeln bestimmte. Seine zahlreichen Äußerungen zu diesem Thema wie die seiner Anhänger und Gegner lassen keinen Raum für die Annahme, er habe in Canossa alle diese Vorstellungen kurzerhand über Bord geworfen und sich auf das Wagnis eines politischen Friedensbündnisses mit Heinrich IV. eingelassen. Man kann diesem Papst Einiges vorwerfen, aber gewiss nicht einen prinzipienlosen Aktionismus.

Münster, im Juli 2012 Gerd Althoff
»Selig sind, die Verfolgung ausüben«

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