Читать книгу Weltall Erde Mensch und Dialektik - Gerd Freiwald - Страница 5
ОглавлениеVorwort
Es ist nicht so einfach zu sagen, wann ich begann, selbstbestimmt, das heißt kritisch reflektierend zu denken. Wahrscheinlich war es während des Studiums, als ich mich mit unterschiedlichen Theorien zu Geld und Markt auseinandersetzen musste. Außerdem hatte sich in unserer Studiengruppe ein Kreis gebildet, der sich intensiv mit dem „Anti-Dühring“ von Friedrich Engels beschäftigte. Sein dialektisches Denken hat mich nachhaltig geprägt. Einige Jahre später hatte ich mich in Vorbereitung der Dissertation mit den ökonomischen Werken von Marx auseinanderzusetzen. Diese Schriften sind wohl für jeden eine intellektuelle Herausforderung, aber auch eine gute Schule für konzentriertes Nachdenken.
Dann wendete sich das Blatt und alle vermeintlichen Gewissheiten gerieten ins Wanken. Die Frage „Marx – was bleibt“ trieb mich um. Augenscheinlich war, dass die Visionen von Marx und Engels über die gesellschaftlichen Perspektiven den Praxistest nicht bestanden hatten. Wie sah es mit der ökonomischen Lehre von Marx aus? Seine Analyse des vorindustriellen Kapitalismus war brillant, den angestrebten Nachweis von dessen gesetzmäßigen Untergang konnte sie jedoch nicht erbringen. Dann war da noch die Dialektik, die Marx und Engels in Auseinandersetzung mit Hegel weiterentwickelt hatten. Für mich war sie der Kern dessen, was bleiben würde. Das war vor zwanzig Jahren. Heute ist „Dialektik“ nicht nur ein Fremdwort, für die meisten ist es auch ein „fremdes Wort“, ein Wort, mit dem sie nichts verbinden. Diese große Schule des Denkens, deren Wurzeln bis in die Antike reichen, ist fast in Vergessenheit geraten, so scheint es.
Anliegen dieses Buchs ist es, den Nachweis zu erbringen, dass mit Hilfe der Dialektik auch heute grundlegende Fragen der Natur-und Geisteswissenschaften in neuer, weiterführender Weise beantwortet werden können. Damit die vorgestellten Gedankengänge nachvollziehbar sind, schien es mir erforderlich, eine Einführung in die Methodik des dialektischen Denkens zu geben. Doch, wie würden sich diese beiden Anliegen miteinander verbinden lassen? Nach einer Reihe von mehr oder weniger befriedigenden Versuchen habe ich mich entschieden, das Buch in zwei Teile zu gliedern. Im ersten Teil werden Fragen aus dem Bereich der Natur- und Geisteswissenschaften behandelt, der zweite Teil ist der Dialektik als Methode des Denkens vorbehalten. Im ersten Teil gebe ich an mehreren Stellen Verweise auf Abschnitte im zweiten Teil, da dort einige der aufgeworfenen Probleme vertiefend betrachtet werden. Umgekehrt wären die Überlegungen im letzten Abschnitt nicht ohne die Ergebnisse des ersten Teils möglich gewesen.
Berlin, im Januar 2021