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I. Weltall Erde Mensch

1. Sinnliches

Alles, was wir über diese Welt wissen, verdanken wir unseren Sinnen. Wir haben es irgendwann wahrgenommen und dann versucht, diese Wahrnehmungen zueinander in Bezug zu bringen. "Wahrnehmung" ist irgendwie ein schönes Wort. Wir nehmen es als wahr, was uns unsere Sinne an Informationen über die Welt liefern. Doch, wie wahr sind diese Wahrnehmungen eigentlich?

Licht soll es werden

Licht gehört zu den ersten Eindrücken, die ein werdender Mensch von seiner zukünftigen Umwelt aufnimmt. Bereits ab der 18. Woche der Schwangerschaft sind die Augen des Fötus lichtempfindlich. Das kann man getrost als Zeichen dafür verstehen, dass Licht eine herausragende Rolle für ihn und für sein Leben spielen wird. Es ist aber auch Indiz dafür, dass lichtempfindliche Sinneszellen bereits zu einem frühen Zeitpunkt der Evolution entstanden. Die meisten Pflanzen und Tiere reagieren auf Licht. Doch, was ist Licht eigentlich? Licht, das ist Energie in Form von Lichtquanten, Photonen genannt. Die wichtigste Licht- und damit Energiequelle für uns Erdlinge ist die Sonne, die uns mit Photonen geradezu überschüttet. Sie nähern sich uns mit einer Geschwindigkeit von rund 300.000 Kilometern in der Sekunde. Außer durch diese Reisegeschwindigkeit ist das Licht durch seine Frequenz charakterisiert. Die Frequenz des für uns sichtbaren Lichts bewegt sich im Bereich von 400 bis 750 Billionen Bewegungszyklen pro Sekunde. Ich gebe zu, dieser Takt sprengt jegliche Vorstellungskraft, was uns jedoch nicht daran hindern soll, der Frage nachzugehen, wieso gerade Photonen mit diesen Frequenzen eine wichtige Informationsquelle für uns sind. Wollten wir nur den Stand der Sonne feststellen, um ihr, der Sonnenblume gleich, unser Gesicht entgegenzustrecken, reichten einfache Sensorzellen aus, dazu wären keine komplexen Sinnesorgane, wie es unsere Augen sind, erforderlich. Der Informationswert des Lichts kann also nicht primär in der Lokalisierung der Sonne liegen.

Der Informationswert des Lichts resultiert daraus, dass die Dinge unterschiedlich auf die von der Sonne ausgesandten Photonen reagieren. Die einen fühlen sich von ihnen belästigt und geben die zusätzliche Energie schnell wieder ab, andere nehmen sie bereitwillig auf. Die meisten Dinge sind jedoch unentschieden, sie reflektieren einen Teil der Photonen und absorbieren einen anderen. Kann man die unterschiedliche Reaktion der Dinge auf die Photonen erfassen, dann ist es möglich, sie voneinander abzugrenzen. Genau dafür brauchen wir unsere Augen, speziell die Stäbchen und Zapfen auf ihrer Netzhaut. Diese Rezeptoren reagieren auf die von den Dingen reflektierten Photonen, indem sie diese aufnehmen und einen elektrischen Impuls erzeugen, der an das Gehirn weitergeleitet wird. Jeder Impuls vermittelt die Information, dass ein Photon eingetroffen ist. Da die Stäbchen und Zapfen über die Netzhaut des Auges verteilt sind, kann die Quelle, von der die eintreffenden Photonen abgestrahlt wurden, ziemlich genau bestimmt werden. Hinzu kommt, dass wir die jeweilige Lichtquelle mit beiden Augen, also aus unterschiedlichen Gesichtswinkeln lokalisieren, so dass eine räumliche Vorstellung der Welt entsteht.

Aus dem Fakt, dass unsere Augen zwei Arten von Lichtrezeptoren besitzen, leitet sich die Frage ab, worin sie sich unterscheiden. Fangen wir mit den Stäbchen an. Stäbchen reagieren auf das gesamte Spektrum des für uns sichtbaren Lichts. Sie sind dabei tausendmal empfindlicher als die Zapfen. Durch ihre hohe Empfindlichkeit ermöglichen die Stäbchen das Sehen auch dann, wenn nur eine geringe Lichtmenge vorhanden ist, wenn nur wenige Photonen auf die Augen treffen. Die Kehrseite dieser Lichtempfindlichkeit ist, dass die Stäbchen bei hoher Lichtintensität keine Informationen liefern können, da für sie dann alles nur noch “hell” erscheint. Jedes Stäbchen liefert die Information für einen Bildpunkt, der entweder angeknipst oder ausgeschaltet ist. Angeknipst heißt, Photon ist eingetroffen und der Bildpunkt ist hell; ist kein Photon eingetroffen, bleibt der Bildpunkt dunkel. Auf diese Weise entsteht ein Rasterbild mit hellen und dunklen Punkten. Da die Zahl der Bildpunkte deutlich höher ist als die Auflösung des Bildes, das uns das Gehirn zur Verfügung stellt, kann man diese Rasterpunkte, ähnlich wie beim Fernseher, nicht wahrnehmen. Das wird umso verständlicher, wenn man weiß, dass ein Auge rund 126 Millionen Lichtrezeptoren zählt, jedes Auge wohlgemerkt. Statt eines Teppichs heller und dunkler Punkte erkennen wir helle und dunkle Flächen, aber auch solche, die weniger hell oder weniger dunkel sind. Sie bilden eine Palette grau erscheinender Abstufungen.

Es ist ein besonderes Erlebnis, nachts durch einen Park zu schlendern. Nehmen wir an, der Park sei nicht beleuchtet und der Himmel eher verhangen, so dass nur ein geringes Restlicht den Weg weist. Nach einiger Zeit haben sich unsere Augen an die Dunkelheit gewöhnt, so dass sich die Umrisse der nahestehenden Bäume, mehr schemenhaft als scharf, abzeichnen. Sie sind dunkler als ihre Umgebung, da das Holz das Licht in starkem Maße absorbiert. Da taucht eine Pfütze auf. Sie verrät sich, weil an ihrer Oberfläche ein flüchtiges Sternenlicht gespiegelt wird. Oh, was war das? Da bewegte sich etwas. Es könnte ein Kaninchen gewesen sein, dass über die Lichtung huschte. Erwacht da etwa der Jagdinstinkt? Vielleicht war es auch nur eine Katze. In der Nacht sind alle Katzen grau. Je nachdem, wie stark ihr Fell das verbliebene Licht reflektiert, nehmen wir ein helleres oder ein dunkleres Grau wahr. Auf diese Weise grenzen sich für uns nicht nur Katzen, sondern alle Dinge voneinander ab. Sie lassen sich selbst bei geringem Licht nach ihrer Helligkeit unterscheiden, auch wenn ihre Umrisse etwas unscharf sind und alle irgendwie grau erscheinen. Die Vielfalt der Graustufen ermöglicht es, sich im Dämmerlicht zurechtzufinden und vielleicht sogar auf die Jagd zu gehen. Das mag für unsere Vorfahren von großer Bedeutung gewesen sein, hing das Überleben doch oft vom Jagderfolg ab. Wenn man dies bedenkt, ist es nicht verwunderlich, dass 95% der Lichtrezeptoren unserer Augen Stäbchen sind, obwohl wir heute doch eher selten auf die Jagd gehen.

Methodische Grundlage meiner Betrachtungen ist die Dialektik. Im Mittelpunkt des dialektischen Denkens steht das Wirken von Gegensätzen respektive Widersprüchen, deren Wirkungsweise ich im zweiten Teil behandele. Dort werden auch Fragestellungen aus dem ersten Teil noch einmal aufgegriffen, um die ihnen innewohnende Dialektik zu vertiefen. An dieser Stelle sei auf den Abschnitt „Die Dialektik von hell und dunkel“ verwiesen.

Heutzutage ist für die meisten die Vielfalt des Grauen in der Dämmerung eher zum Fürchten, wir lieben es hell und bunt. Nun kommen die Zapfen ins Spiel. Es gibt drei Arten von Zapfen, S-Zapfen, M-Zapfen und L-Zapfen. „S“ steht für short, das heißt, sie reagieren auf Photonen mit kurzen Bewegungszyklen, das heißt hohen Frequenzen, M-Zapfen erfassen Photonen mit mittleren und L-Zapfen mit langen Bewegungszyklen, also geringen Frequenzen. Die Zapfen reagieren allerdings erst ab einer bestimmten Intensität des Lichts, eigentlich erst dann, wenn die Stäbchen ihren Dienst wegen Überlastung bereits eingestellt haben. Also, hell muss es sein. Die Wirkungsweise der Zapfen ist dabei kaum anders als die der Stäbchen. Sie reagieren auf das Eintreffen von Photonen, indem sie einen elektrischen Impuls generieren, der an das Gehirn weitergeleitet wird. Der Unterschied zu den Stäbchen besteht darin, dass die Zapfen nicht alle gleichermaßen auf das sichtbare Licht reagieren, sondern jede Art nur auf Photonen mit speziellen Frequenzen. Wozu soll das gut sein, fragen sie sich? Nun, die Dinge um uns herum reflektieren das eintreffende Licht nicht nur mehr oder weniger stark, wofür eine Unterscheidung nach hell und dunkel ausreichend wäre, sie sind bei der Reflexion des Lichts auch noch wählerisch, das heißt, sie nehmen einige Teile des Lichts, deren Frequenzen ihnen nützlich sind, auf, während sie andere schnell wieder loswerden wollen. Letztere werden reflektiert, das heißt, in Form von Photonen wieder abgestrahlt. Da die Dinge jeweils eigene Vorlieben in Bezug auf die Photonen haben, werden sie zu spezifischen Quellen von Licht, eines Lichts, das jeweils nur einige Frequenzen umfasst. Kann man diese Eigenart der Dinge erfassen, lassen sie sich deutlich besser differenzieren als es mit hell und dunkel möglich wäre. Der Nachteil des Ganzen besteht darin, dass auf diese Weise große Mengen an Informationen entstehen, die so verarbeitet werden müssen, dass sie tatsächlich bei der Orientierung in der Umwelt helfen und nicht etwa nur Verwirrung stiften. Die Lösung, die Mutter Natur für dieses Problem gefunden hat, sind die Farben.

Ich liebe Rosen. Besonders mag ich Rosen in einem leuchtenden Rot. Doch, wieso sind die Blütenblätter dieser Rosen so wunderbar rot? Sie reflektieren nur Photonen mit einer Frequenz von 430 bis 480 Billionen Zyklen pro Sekunde, alle anderen Lichtbestandteile werden durch die Blütenblätter absorbiert, das heißt aufgesogen. Das Resultat dieses Vorgangs ist, dass nur ein Teil der Zapfen des Auges, nämlich die L-Zapfen, beim Anblick der Rose etwas zu tun bekommen. Die anderen Zapfen können nur konstatieren, dass sie nicht betroffen sind. Die L-Zapfen senden Impulse an das Gehirn, die signalisieren, dass die Blütenblätter dieser Rose Licht einer bestimmten Frequenz intensiv reflektieren, das heißt abstrahlen. Das Gehirn verarbeitet diese Impulse ebenso wie das Nichtbetroffensein der beiden anderen Zapfenarten und kommt zu dem Schluss, dass die Blüte dieser Rose satt rot sein muss. Und, wie macht das Gehirn das? Zuerst wertet es die Gesamtheit der von allen drei Zapfenarten registrierten Lichtquanten aus und ordnet ihm ein Helligkeitswert zu; die Stäbchen waren ja von dem vielen Licht bereits überfordert und hatten ihren Dienst eingestellt. Außerdem ist den Signalen der einzelnen Zapfen ein Sinneseindruck, eine Farbe fest zugeordnet, den Signalen der S-Zapfen blau, denen der M-Zapfen grün und denen der L-Zapfen rot, so dass ein Farbeindruck entsteht. Doch, unsere Welt ist nicht nur blau, rot und grün. Wie entstehen die anderen Farben? Nun, die verschiedenen Grundfarben können miteinander kombiniert werden. Wenn zum Beispiel die L- Zapfen (rot) und die M-Zapfen (grün) das Eintreffen von Photonen registrieren und die S-Zapfen Fehlmeldung geben, dann ordnet das Gehirn dem Ganzen die Farbe Gelb zu. Melden alle drei Zapfen gleichermaßen Photonen, dann ist der zugeordnete Sinneseindruck weiß. Falls alle drei Zapfen das Fehlen von Photonen registrieren, kann nur schwarz die Folge sein. Doch halt, wenn ich in meinem Farbkasten rot und grün mische, bekomme ich zwar auch eine neue Farbe, aber gelb ist das nicht.

Das sind noch längst nicht alle Merkwürdigkeiten der Farbwahrnehmung, denn wir besitzen zwar nur drei Arten von Zapfen, kennen aber eine fast unüberschaubare Vielfalt von Farben, Farbübergängen und Nuancen. Wie kann das sein? Bisher haben wir so getan, als gäbe es um uns herum nur reine Oberflächen, die die Lichtstrahlen einer bestimmten Frequenz reflektieren, oder eben nicht. Stoffe sind aber nicht rein, sie weisen im Gegenteil mehr oder weniger große Beimengungen anderer Stoffe auf. Das bedeutet, der Farbeindruck, der von einer Oberfläche hervorgerufen wird, müsste eigentlich eine Mischung von mehr oder weniger regelmäßig verteilten Farbpunkten sein. Da dies für die Orientierung in der Umwelt wenig hilfreich wäre, werden Farbpunkte, die relativ regelmäßig auf der Oberfläche verteilt sind, vom Gehirn zu einem einheitlichen Farbeindruck verschmolzen. Da die Häufigkeit der verschiedenen Farbpunkte unterschiedlich sein kann, was eine wichtige Information für die Unterscheidung der Dinge wäre, wird diese Unterschiedlichkeit vom Gehirn durch Abweichungen von den Grundfarben deutlich gemacht. Auf diese Weise entsteht eine ganze Palette von Farben und Farbtönen mit einer Vielzahl von Nuancen. Sind die Beimengungen nicht gleichmäßig verteilt, sondern unregelmäßig platziert, könnte auch dies eine wichtige Information sein. Die Unterschiede in der Oberfläche werden in einem solchen Fall nicht durch einen einheitlichen Farbeindruck zugedeckt, sondern sie bleiben als Flecken oder sonstige Muster erkennbar.

Es ist jedoch noch immer nicht recht klar, wie aus dem Gemisch von Farbpunkten ein ganzheitlicher Farbeindruck, der noch dazu viele Abstufungen zeigen kann, entsteht. Dafür gibt es eigentlich nur eine Erklärung, nämlich, dass das Gehirn den Impulsen der einzelnen Zapfen einen Wert beigibt und dann die gesammelten Werte miteinander verrechnet. Auf diese Weise entsteht ein rechnerischer Farbwert, dem ein Farbton für die gesamte betrachtete Teilfläche zugeordnet werden kann. Auf diese Weise könnten auch die Farbeindrücke zu den im Tuschkasten gemischten Farben entstehen. Ein rechnerisch ermittelter Durchschnittswert hat allerdings den Nachteil, dass er aus der Kombination unterschiedlicher Lichtbestandteile resultieren kann. Das hätte zur Folge, dass Oberflächen, die Licht unterschiedlich reflektieren, mitunter trotzdem der gleiche Farbton zugeordnet würde, obwohl sie doch eigentlich eine unterschiedliche Farbigkeit aufweisen sollten. Dieses tatsächlich auftretende Phänomen wird als Metamerie bezeichnet.

Der rechnerische Farbwert hängt auch von der Zusammensetzung des auftreffenden Lichts ab. Fehlen beim auftreffenden Licht einige Bestandteile können sie auch nicht reflektiert werden, können sie nicht in den Farbeindruck, den das Gehirn bereitstellt, einfließen. So kann sich ein Farbeindruck mit dem Stand der Sonne verändern, zum Beispiel dann, wenn sich die Sonne dem Horizont nähert und einzelne Lichtanteile durch den schrägen Einfallwinkel stärker von der Atmosphäre reflektiert werden und somit dem Auge nicht zur Verfügung stehen. Noch augenscheinlicher ist der Einfluss der Lichtquelle auf den Farbeindruck bei künstlichem Licht, da dieses meist anders als das Sonnenlicht zusammengesetzt ist. Deshalb sollte man nur Kleidungsstücke kaufen, die man auch bei Tageslicht gesehen hat, da dann deren Farbigkeit buchstäblich in einem anderen Licht erscheint. Wenn aber die Zusammensetzung des Lichts Einfluss auf unsere Farbwahrnehmung hat, dann kann das nur heißen, dass Farben keine originären Eigenschaften der Dinge sind. Es sind Fiktionen, die uns helfen, die generierte Informationsflut zu überblicken, damit wir sicher in der Umwelt agieren können. Basis sind die von den Augen registrierten Photonen, die sich wiederum nur in ihrer Frequenz unterscheiden. Weder die Photonen noch die elektrischen Impulse, die die Informationen an das Gehirn weiterleiten, haben eine Farbe oder einen Helligkeitswert. Diese können folglich erst im Gehirn entstehen.

Musik ist meine Welt

Ich habe den Eindruck, Musik wird für uns Menschen immer wichtiger. Ob beim Sport, beim Autofahren oder in öffentlichen Verkehrsmitteln, beim Tanzen, Lieben, Lernen, im Film oder in einer Show - Musik ist immer dabei. Woher kommt das? Sind die Menschen heute musikalischer als früher? Musik hat im Leben der Menschen schon immer eine Rolle gespielt. In den Anfängen der Menschheitsentwicklung war das wichtigste Instrument sicher die Stimme - die ruhige Stimme der Mutter, die ihr Baby in den Schlaf summt, die fordernde Stimme, die zur Jagd oder gar zum Kriegszug ruft und natürlich die werbende Stimme des Liebenden. Bald wurden auch Instrumente eingesetzt, vor allem um den Rhythmus zu betonen und auf diese Weise zum Tanz zu animieren. Später kamen Worte hinzu, die beschwörend oder beschwichtigend das Anliegen der Musik unterstützten. Wahrscheinlich war es aber mehr der Klang der Worte, der Einfluss ausübte, denn ihr Inhalt muss erst verstanden und ausgewertet werden, bevor er eine Wirkung erzielen kann. Musik hat den Vorteil, dass sie direkt Zugang zu den Gefühlen der Menschen findet.

Der ein oder andere war vielleicht schon einmal in der Situation, eine Liebeserklärung oder gar einen Heiratsantrag formulieren zu wollen. Oh Schreck, das kann ziemlich in die Hose gehen, denn auf die wohl gesetzten Worte ist nicht immer Verlass. Man kann sich alles so schön ausmalen, doch, wenn die Umstände nicht passen oder die Angebetete nicht in Stimmung ist, dann steht der Erfolg in den Sternen. Also, eine entsprechende Stimmung muss her. Gutes Essen, Blumen, Kerzen, vielleicht ein Geschenk können von Nutzen sein. Eines sollte nicht fehlen - die passende Musik. Sie hilft, ein stimmungsvolles Ambiente zu erzeugen. Außerdem spielen der Klang und die Färbung der Stimme des Werbenden eine wichtige Rolle, denn sie drücken seine Gefühle besser aus, als die Worte es vermögen. Letztlich ist es in einer solchen Situation wohl nicht einmal entscheidend, was man sagt, sondern wie es gesagt wird. Mit der Stimme lassen sich jedoch nicht nur liebevolle Gefühle, sondern auch Abneigung, Hass, Überheblichkeit oder Desinteresse transportieren. Das Gleiche gilt natürlich auch für die Musik, auch sie kann ganz unterschiedliche Gefühle ansprechen. Zur Untermalung eines Heiratsantrags würde man wahrscheinlich nicht auf einen Militärmarsch vertrauen, denn der würde bei der Angebeteten kaum eine gnädige Stimmung erzeugen. Wahrscheinlich würde sie einem "Durchmarsch" ins Ehebett mit Widerstand begegnen. Zum Glück gibt es für jede Situation die passende Musik, seien es Kinderlieder, Kirchenlieder, Liebeslieder, Trauermusik, Tanzmusik, Musik zur Entspannung oder zum Anheizen von Aggressionen. Die verschiedenen Arten von Musik sind Ausdruck von Stimmungen und sie erzeugen oder verstärken diese. Worte sind dazu nicht zwingend erforderlich, sie können jedoch die emotionale Wirkung der Musik verstärken.

Es bleibt die Frage, warum Musik für uns scheinbar immer wichtiger wird. Wir leben in einer stark vernetzten Welt, in der verbale Kommunikation, basierend auf Sprache und Schrift, allgegenwärtig erscheint. Nur wer in der Lage ist, persönliche Netzwerke aufzubauen, zu pflegen und zu erweitern, hat gute Chancen auf beruflichen Erfolg. Ob man einen Job sucht, Produkte vermarkten oder seine Ideen unter das Volk bringen will, keiner kommt an einem auf verbaler Kommunikation beruhenden Networking vorbei. Das führt dazu, dass man sich mit seinem Leben immer mehr in die Öffentlichkeit begibt. Dieses Leben in der Öffentlichkeit schreit förmlich nach einem Gegengewicht, nach Möglichkeiten des "Für-sich-seins". Eine solche Möglichkeit bietet die Musik. Sie eröffnet gleichzeitig die Chance, dieses "Für-sich-sein" mit anderen zu teilen, wenn man es denn will. Musik ist darüber hinaus in unserer so kompliziert gewordenen Welt etwas Einfaches, das nicht erklärt werden muss, das direkt die Gefühle anspricht. Nicht zu unterschätzen ist auch die Tatsache, dass Musik jeder Art heute beinahe immer und überall verfügbar ist.

Aber, was ist Musik überhaupt? Ganz nüchtern betrachtet entsteht Musik dadurch, dass mit Hilfe von Instrumenten Schwingungen erzeugt werden. Derartige Instrumente können die Stimmbänder eines Menschen sein, aber natürlich auch die mechanisch zum Schwingen gebrachten Saiten einer Gitarre oder eine Lautsprechermembran, die mit Hilfe von elektrischem Strom Schwingungen erzeugt. Das, was da zum Schwingen gebracht wird, ist die Luft. Die Schwingungen der Luft breiten sich in Form von Schallwellen aus. Doch, wie wird bewegte Luft zu Musik? Wir nehmen Musik mit einem Sinnesorgan wahr - dem Ohr. In das Ohr gelangen die Schallwellen vorwiegend über die Ohrmuschel und den äußeren Gehörgang. Sie werden zum Trommelfell weitergeleitet, dass von den Schallwellen seinerseits in Schwingungen versetzt wird. Im Innenohr werden die Luftwellen dann in Flüssigkeitswellen, das heißt in Bewegungen der dort vorhandenen Lymphe, umgewandelt. Diese eigenartige Umwandlung haben wir wahrscheinlich dem Fakt zu verdanken, dass das Leben im Wasser entstand. Die Flüssigkeitswellen treffen auf Haarzellen, die die eigentlichen Sinneszellen sind. Wird eine der zirka 3.500 Haarzellen durch die Lymphe bewegt, generiert sie einen elektrischen Impuls, der an das Gehirn weitergeleitet wird. Die unterschiedliche räumliche Struktur, in der die Haarzellen angeordnet sind, ermöglicht die Differenzierung der Schallwellen in einem Bereich von 16 bis 20.000 Schwingungen pro Sekunde. Außerdem haben die eintreffenden Schallwellen einen unterschiedlichen Energiegehalt, der sich im Druck, mit dem sie auf das Ohr treffen, manifestiert. Der unterschiedliche Druck führt zu unterschiedlich starken Bewegungen der Haarzellen und damit zu unterschiedlich intensiven Impulsen an das Gehirn. Damit sich die Haarzellen überhaupt bewegen, das heißt, damit man etwas hören kann, muss die auftreffende Schallwelle eine Mindeststärke besitzen. Ist sie zu energiereich, kann sie die Haarzellen schädigen, unter Umständen sogar zerstören. Soweit so gut, doch wie wird aus den von den Haarzellen ausgehenden elektrischen Impulsen Musik?

Es ist wieder das Gehirn, dass den von den Haarzellen eintreffenden Impulsen Sinneseindrücke, in diesem Fall Geräusche, Laute oder Töne, zuordnet. Mit hohen Tönen werden hochfrequente Schallwellen gekennzeichnet, tiefe Töne stehen für Schallwellen mit niedriger Frequenz. Die Stärke des Impulses wird über unterschiedliche Lautstärken differenziert. Würde das Gehirn es dabei bewenden lassen, dann wäre uns wahrscheinlich wenig geholfen, schon gar nicht, wenn wir in einer Großstadt leben. Der hereinbrechende Schwall von Geräuschen, Lauten und Tönen würde uns binnen kurzer Zeit zur Verzweiflung treiben. Damit die Schallwellen zur Orientierungshilfe werden können, muss das Wirrwarr an Geräuschen und Tönen aufgelöst, müssen die eintreffenden Schallwellen voneinander abgegrenzt werden. In diesem Zusammenhang ist es hilfreich, dass wir zwei Ohren haben und auf diese Weise den jeweiligen Verursacher der Schallwellen recht präzise orten können, so dass das Gehirn unwichtig erscheinende Schallquellen ausblenden kann. Außerdem wertet es nicht nur die von den Haarzellen eingehenden Impulse aus, auch das Fehlen von Impulsen ist eine wichtige Information, die in die Auswertung einfließt. Dem Ausbleiben eines Signals ordnet das Gehirn den Eindruck von Stille oder Lautlosigkeit zu. Diese Fähigkeit ermöglicht es, die kurzen Pausen zwischen den Lauten und Tönen zu erfassen, so dass einzelne Geräusche, aber auch Laut- beziehungsweise Tonfolgen voneinander abgegrenzt werden.

Nun bleibt noch die Frage, wie wir die registrierten Geräusche oder Laut- und Tonfolgen erkennen. Dazu müssen wir sie schon einmal gehört haben, das heißt, sie müssen zu unserem Erfahrungsschatz zählen. Das Hinzuziehen von Erfahrungen spielt in allen Bereichen des Lebens eine große Rolle. Selbst unsere Sprache basiert auf Erfahrungen, denn das Gehirn muss den registrierten Lauten und Lautfolgen einen Sinn zuordnen, den es aus dem Abgleich mit Erlerntem bezieht. Das Erkennen von Musik beruht ebenfalls auf einem solchen Abgleich. Wird das Gehirn in den gespeicherten Erfahrungen fündig, kann man die Melodie erkennen und gegebenenfalls mitsummen. Selbst wenn die konkrete Melodie nicht erkannt wird, kann sie vielleicht einem Musikgenre zugeordnet werden, so dass schon nach den ersten Takten klar wird, ob einem diese Musik gefällt oder nicht. Da immer wieder neue Erfahrungen hinzukommen, können sich diese Vorlieben ändern. Wie dem auch sei, jedenfalls werden erst im Kopf aus bewegter Luft Geräusche, Sprache und Musik.

Die Geschmäcker sind verschieden

Wo mag diese Binsenweisheit herkommen? Sicher, der Geschmack der Menschen ist in puncto Farben, Design, Musik und vielem anderen unterschiedlich. Gott sei Dank, möchte man sagen. Die Alternative wäre ein abgeschmacktes Einerlei - wie langweilig. Aber warum sind die Geschmäcker unterschiedlich? Man kommt dieser Frage wohl nur näher, wenn man sich der Bedeutung des Wortes "Geschmack" zuwendet. Der Geschmack steht eigentlich nicht allgemein für das, was gefällt, er hat vielmehr etwas mit dem Schmecken, also einer speziellen Wahrnehmung zu tun. Der dafür verantwortliche Geschmackssinn wird zu den am wenigsten ausgeprägten Sinnen des Menschen gezählt. Für unsere frühen Vorfahren war er wohl trotzdem überlebenswichtig, denn mit Hilfe des Schmeckens kann das, was in den Mund geschoben wird, dahingehend bewertet werden, ob es als Nahrung taugt oder eher nicht. Neugeborene haben zum Beispiel eine Vorliebe für Süßes und für den Geschmack von Eiweiß (umami). Beides signalisiert, dass das, was da gerade in den Mund gelangt, nahrhaft ist. Saures und Bitteres werden dagegen vehement abgelehnt. Sauer sind Früchte, die noch nicht reif oder gar vergoren sind. Sie sind nur bedingt bekömmlich und kommen als Energielieferanten kaum in Betracht. Bitteres kann sogar giftig sein. Salziges mögen wir in Maßen, weil der Körper Salz braucht. Zu viel Salz bringt ihn um.

So weit so gut, aber wie entsteht Geschmack? Energetische Strahlen oder bewegte Luft scheinen diesmal nicht im Spiel zu sein, erforderlich sind jedoch Sinneszellen, die einen elektrischen Impuls generieren, der an das Gehirn weitergeleitet wird. Solcherart Sinneszellen befinden sich zu jeweils 30 bis 70 Stück in Geschmacksknospen, die an Zunge, Gaumen und Kehldeckel sitzen. Ein Erwachsener verfügt über 2.000 bis 5.000 solcher Knospen, bei Jugendlichen zählt man allerdings bis zu 9.000. Warum nimmt deren Zahl mit dem Erwachsenwerden ab? Wahrscheinlich hängt das mit den Veränderungen, die sich im Laufe der Evolution ergaben, zusammen. Ursprünglich mag der Geschmack, wie gesagt, überlebenswichtig gewesen sein, was sich in seiner Rolle, die er noch heute für Neugeborene hat, widerspiegelt. Im Laufe der Evolution gewannen jedoch andere Informationsquellen beziehungsweise Sinnesorgane größere Bedeutung. Diese Veränderung scheint ihren Niederschlag in einer Verringerung der Geschmacksknospen während des Heranwachsens zu finden.

Die in den Geschmacksknospen versammelten Rezeptoren sind auf unterschiedliche Stoffe spezialisiert, die als süß, sauer, salzig, umami oder bitter identifiziert werden. In den letzten Jahren hat man auch Rezeptoren für Fett nachgewiesen. Die einzelnen Stoffe reizen die Sinneszellen des Geschmacks auf unterschiedliche Weise. Man vermutet, dass salzige und saure Stoffe eine schwache elektrische Spannung im Inneren der entsprechenden Sinneszellen erzeugen und auf diese Weise einen elektrischen Impuls auslösen. Bitter, süß und umami werden identifiziert, indem die im Speichel gelösten Moleküle an entsprechende Rezeptoreiweiße andocken und dort biochemische Prozesse bewirken, die wiederum einen elektrischen Impuls freisetzen. Die Rezeptoren für Bitteres sind ihrerseits noch einmal in 25 verschiedene Unterarten differenziert. Als bitter werden Stoffe wahrgenommen, die für den Körper schädlich sein können, weshalb es wichtig ist, diese Stoffe zuverlässig zu bestimmen, um sofort eine gezielte Reaktion zu ermöglichen. Ausspucken könnte eine Maßnahme sein, aber auch das Herauswürgen des bereits Verschluckten. Süß und umami sind nicht gefährlich, im Gegenteil. Die entsprechenden Rezeptoren sind deshalb nicht eng spezialisiert, sie gleichen eher einem Universalschloss, in das verschiedene Schlüssel ähnlicher Bauart passen. Das hat zur Folge, dass an die Rezeptoren für Süßes nicht nur Zucker andocken können, auch andere ähnliche Moleküle finden Zugang. Sie werden dann ebenfalls als süß wahrgenommen, was man sich beim Einsatz von Süßstoffen zunutze macht.

Den verschiedenen Geschmackszellen ist gemeinsam, dass sie einen elektrischen Impuls an das Gehirn senden, sobald ein entsprechender Stoff registriert wird. Das Gehirn ordnet dem Signal der Sinneszelle einen Geschmack oder besser eine Geschmacksnuance zu. Der Geschmack im komplexen Sinne ergibt sich aus der Kombination der zum gleichen Zeitpunkt eintreffenden Informationen, die zueinander in Beziehung gesetzt werden, so dass ein Geschmacksbild entsteht. Das Gehirn gleicht dieses Geschmacksbild mit Erfahrungen ab, um auf diese Weise die jeweilige Kombination von Geschmacksnuancen zu identifizieren und ihm eine Bewertung, zum Beispiel "wohlschmeckend", zuzuordnen. Nehmen wir nun Zucker als süß wahr, weil er süß ist, oder ordnet unser Gehirn dem Zucker die uns angenehme Wahrnehmung "süß" zu, weil er eine vielversprechende Energiequelle darstellt? Süß als Anreiz, sozusagen. Da die Geschmackszellen elektrische Impulse an das Gehirn senden, die selbst weder süß noch sauer sein können, muss es wohl wieder das Gehirn sein, das sich als sorgender Übervater betätigt und den einzelnen Signalen spezifische Wahrnehmungen zuordnet. Im Umkehrschluss heißt das, auch Geschmack ist nur eine Fiktion. Weder Zucker, noch Fleisch, noch irgendetwas anderes, was man in den Mund schiebt, hat "Geschmack". Der Geschmack wird den Stoffen vom Gehirn zugeordnet. Mehr noch, jedem Geschmack wird gleich noch eine Bewertung beigegeben. Nahrhafte Dinge sind wohlschmeckend beziehungsweise angenehm, potenziell gefährliche eher weniger.

Es bleibt die Frage, wieso die Geschmäcker von Mensch zu Mensch verschieden sind? Dafür kommen mehrere Ursachen in Frage. Eine relativ große Rolle spielen die Gene. Man hat herausgefunden, dass zirka 50 Gene den Geschmack des Menschen beeinflussen. Von diesen Genen ist immer nur ein Teil aktiv. Bei wem welche geschmacksrelevanten Gene aktiv sind und welche nicht, dafür scheint es keine Regel zu geben, jedenfalls hat man bisher keine gefunden. Auf diese Weise entsteht eine riesige Zahl von möglichen Kombinationen aktiver, den Geschmack bestimmender Gene. Der Geschmack wird aber nicht nur durch Gene, sondern auch durch Erfahrungen geprägt und verändert. Man denke nur daran, dass kaum einem Heranwachsenden Bier wirklich schmeckt, denn es ist leicht bitter. Leider ist dies keine dauerhafte Barriere, wie man weiß. Der Rausch, den der Alkohol erzeugt, überdeckt die Abneigung gegen Bitteres nur allzu schnell. Da ich Wein liebe, fand ich auch folgendes Beispiel interessant. Die Erfahrung lehrt, dass Rotweine meist durch kräftigere Aromen gekennzeichnet sind als Weißweine. Bei einer Verkostung eines roten und eines weißen Weines, die ansonsten einen ähnlichen Charakter zeigen, würde die Bewertung der Weine, der Erfahrung folgend, dem roten kräftigere Aromen bescheinigen. Werden dieselben Weine mit verbundenen Augen verkostet, dann stellen die meisten Probanden jedoch kaum mehr Unterschiede fest.

Neben den Genen und den Erfahrungen gibt es weitere Faktoren, die ein Geschmackserlebnis beeinflussen. Einer dieser Faktoren ist das Allgemeinbefinden. Wenn ein Mensch krank ist und es ihm schlecht geht, dann kann ihn Essen womöglich nicht locken. Nichts würde schmecken. Hat gar Montezumas Rache zugeschlagen, dann können schon geringste Spuren eines eigentlich geliebten Gewürzes Brechreiz auslösen. Auch das Wetter spielt eine Rolle. Ist es bitter kalt, schmecken andere Dinge, als wenn es drückend heiß ist. Natürlich kann auch das, was wir kurz vorher gegessen oder getrunken haben, das Geschmackserlebnis beeinflussen. Noch etwas. Wir wissen, Hunger ist der beste Koch. Das heißt, je hungriger jemand ist, desto besser wird ihm das Essen schmecken. Für den Ausgehungerten ist selbst trockenes Brot eine Delikatesse. Umgekehrt mag dem Satten auch die tollste Leckerei ungenießbar erscheinen. Eine lila Kuh wird nach dem Verzehr von drei Tafeln Vollmilchschokolade bei den meisten Menschen eher Ekel als freudige Erwartung auslösen. Es soll nicht unterschlagen werden, dass auch der Geruch einen gewichtigen Anteil am Geschmackserlebnis hat. Hinzu kommen der Tastsinn im Mund, der uns die Konsistenz der Speisen signalisiert, sowie das Wärme- und das Schmerzempfinden. Letzteres ist für die von vielen geschätzte Schärfe zuständig, denn diese ist eigentlich ein Schmerz, den scharfe Gewürze im Mundraum verursachen. Zu guter Letzt trägt auch das Auge seinen Teil bei, es „isst mit“, wie man sagt. Gemeint ist, dass ein ansprechendes Aussehen und Arrangement der Speisen, ebenso wie ein gelungenes Ambiente im Raum, das Geschmackserlebnis befördern.

Gerade beim Geschmack wird also deutlich, dass das Gehirn dem ursprünglichen Signal der Sinneszellen nicht nur einen spezifischen Eindruck, einen Geschmack zuordnet, sondern dass es auf der Grundlage vielfältiger Faktoren diese Wahrnehmung jedes Mal neu bewertet. Auf diese Weise entsteht für ein und dieselbe Speise nicht nur bei verschiedenen Menschen ein unterschiedlicher Geschmack, das Geschmackserlebnis wird auch beim selben Menschen je nach Lebenssituation unterschiedlich sein. Diese individuelle Bestimmtheit des Geschmacks trug sicher dazu bei, dass der Begriff des Geschmacks auch in anderen Zusammenhängen Anwendung fand.

Ich kann dich nicht riechen

Riechen und schmecken gehören eng zusammen. Man könnte sagen, sie sind Partner, wobei sich der Geruch in vielerlei Hinsicht als Chef geriert. Das liegt auch daran, dass man etwas erst schmecken kann, wenn das zu begutachtende bereits in den Mund gelangt ist, was für viele Gefahren, die auf uns lauern, etwas spät ist. Wenn man Asche im Mund wahrnimmt, dann ist das Feuer bereits so nah, dass es mit dem Weglaufen schwierig wird. Aber, kein Feuer ohne Rauch. Der Rauch besteht aus Molekülen, die der Wind davonträgt und die deshalb den Flammen weit vorauseilen können. Diese Partikel werden vom Geruchssinn registriert, der nun Alarm schlagen kann. Der Geruch warnt jedoch nicht nur vor Gefahren, er hilft auch bei der Nahrungssuche. Die Partikel offenbaren zudem, ob eine anvisierte Nahrung genießbar ist oder vielleicht schon verdorben. Als verdorben erkannte Nahrung braucht man nicht mehr in den Mund zu schieben, um festzustellen, dass sie nicht bekömmlich ist. Wie der Geruch hilft, eine Nahrungsquelle aufzuspüren, zeigen uns wieder die Neugeborenen. Sie erschnuppern die Milchquelle, die sie noch nicht sehen können, und docken zielstrebig an. Das Baby trifft dazu keine Entscheidung nach dem Motto "oh, eine Milchquelle, die sollte ich probieren", der Geruch der Milch löst vielmehr direkt eine in den Genen programmierte Reaktion aus.

Gerüche spielen auch bei der Partnerwahl eine große Rolle, denn die genetische Verfasstheit eines Kandidaten kündigt sich über seinen Geruch an. So können sich Menschen, die sich genetisch ähnlich sind, oft "nicht riechen", sie werden als Partner für die Fortpflanzung abgelehnt. Diese Ablehnung erfolgt nicht aus einer überlegten Entscheidung heraus, sie wird vielmehr unwillkürlich vom Geruch provoziert. Die meisten Menschen könnten in einem solchen Fall wohl nicht einmal sagen, warum sie den einen oder die andere als Partner beziehungsweise Partnerin ablehnen. Der Geruch kann auch andere Informationen zur allgemeinen biologischen und psychischen Verfassung eines Menschen vermitteln, denn Krankheiten, Stress oder Angst verändern sein Geruchsbild. Hunde und Katzen zeigen uns mit ihrem Verhalten, dass sie solche Veränderungen erkennen, eine Fähigkeit, die wir Menschen scheinbar verloren haben. Es ist aber auch möglich, dass wir diese Gerüche zwar wahrnehmen, aber nicht einordnen können. Ich finde es eine vielversprechende Idee, dieses Manko durch Technik auszugleichen, so dass aus der Atemluft oder aus Körperausdünstungen auf den Gesundheitszustand des Untersuchten geschlossen werden kann.

Für uns ist im Moment jedoch die Frage wichtiger, wie Geruch entsteht. Lebewesen, wie auch alle Dinge um uns herum, sondern Moleküle ab beziehungsweise diese lösen sich aus dem Verbund der Stoffe. Sie werden durch die Luft davongetragen, bis sie sich wieder irgendwo anlagern. Atmet man diese Moleküle mit der Luft ein, gelangen sie auf ihrem Weg durch die Nase zur Riechschleimhaut. Auf diesem, nur wenige Quadratzentimeter großen Fleck befinden sich 10 bis 30 Millionen Riechzellen, die insgesamt 350 bis 400 verschiedene Duftrezeptoren tragen. Jeder Duftrezeptor hat sich auf Moleküle mit einer bestimmten Struktur spezialisiert, die bei ihm den perfekten Platz zum Andocken finden. Lagert sich ein entsprechendes Molekül an, wird durch die Sinneszelle ein elektrischer Impuls an das Gehirn gesandt. Das Gehirn registriert, welcher Rezeptor reagiert hat und ordnet dem Signal einen Duft zu. Da die eingeatmete Luft viele unterschiedliche Moleküle transportiert, reagieren auch eine ganze Reihe unterschiedlicher Rezeptoren. Als Ergebnis entstehen komplexe Düfte, und dies in unzähligen Varianten. Ein gesunder Mensch kann immerhin mehr als 10.000 solcher Kombinationen unterscheiden, ohne freilich alle benennen zu können. Die meisten Düfte lösen keine unmittelbaren Aktionen aus, weil das Gehirn extrem schwache und andere, als unwichtig bewertete, Gerüche vorsorglich aussortiert. Die als wichtig eingestuften Düfte führen in der Regel zur Aktivierung eines in den Genen hinterlegten Reflexes. So macht der Duft von leckerem Essen den Mund wässrig, ohne dass man darüber nachdenken muss. Wird den eingehenden Duftinformationen große Bedeutung für Leib und Leben zugemessen, zum Beispiel, weil sie Feuer signalisieren, dann ist jedoch eine komplexe Bewertung der Situation und eine darauf basierende Entscheidung zum weiteren Verhalten angezeigt. Weglaufen, könnte eine Maßnahme sein, oder das Feuer löschen, wenn es denn möglich ist.

Es ist warm oder mir ist warm?

Wir haben noch nicht alle fünf Sinne beisammen. Die Haut fehlt. Sie ist ein wahres Multitalent. Mit der Haut ertasten wir Formen, spüren Druck, registrieren leichteste Berührungen genauso wie Vibrationen und Dehnungen. Als kleine Zugabe zeigt sie uns auch noch die Wärme oder Kälte der Dinge an, mit denen sie in Berührung kommt. Letzteres wollen wir uns etwas näher ansehen.

Die Wärme eines Stoffes widerspiegelt seinen Energiegehalt, der wiederum Ausdruck der Bewegungsintensität seiner Bestandteile ist. Wenn man einem Stoff Energie entzieht, wird er kälter, die Bewegungsintensität in seinem Innern nimmt ab. Würde man ihm alle Energie entziehen, würde auch jede Bewegung in ihm ersterben, der absolute Nullpunkt wäre erreicht. Im Experiment ist man dem absoluten Nullpunkt sehr nahegekommen, man erreicht ihn jedoch nie ganz, weil absolute Bewegungslosigkeit wider die Natur, mithin ausgeschlossen ist. Natürlich ist auch der umgekehrte Fall möglich, dass ein Stoff Energie aufnimmt und dadurch wärmer wird, wobei die Bewegung in seinem Innern zunimmt. Die Aufnahme oder Abgabe von Energie erfolgt durch direkten Kontakt der Stoffe oder durch Strahlungsprozesse. Wärme kann zum Beispiel als warme Luft aus dem Mittelmeerraum zu uns gelangen, aber auch durch die Strahlen der Sonne. Das heißt, die Luft kann warm sein, obwohl sich die Sonne den ganzen Tag nicht blicken ließ. Sie kann aber auch kalt sein und uns frieren lassen, trotzdem möchte man die Jacke ausziehen, sobald die Sonne ausdauernd scheint.

Der Mensch braucht für sein Wohlbefinden eine möglichst gleichbleibende Körperwärme. Eine der Aufgaben der Haut ist es festzustellen, ob und inwieweit die Umgebungswärme von der Körperwärme abweicht. Wenn die Umgebung kälter ist, als dem Körper guttut, muss dieser vor Energieverlust geschützt werden. Dazu zieht sich die Haut zusammen, Gänsehaut entsteht. In einer solchen Situation ist es auch wichtig, den Stoffwechsel auf Touren zu bringen, um dem Körper zusätzlich Energie bereitzustellen. Das kann zum Beispiel durch Zittern erreicht werden. Es soll dem Menschen zudem klarmachen, dass mehr Bewegung jetzt vorteilhaft wäre. Ist es dagegen wärmer, als ihm zuträglich ist, wird das körpereigene Kühlsystem in Gang gesetzt. Es produziert Schweiß, der durch die Wärme verdunstet und dem Körper auf diese Weise Energie entzieht. Doch, wie stellt die Haut fest, ob es in der Umgebung zu warm oder zu kalt ist? Für diese Aufgabe hat sie zwei Arten von Sensoren: Kaltpunkte, die auf Temperaturen zwischen 5 und 36 Grad Celsius reagieren und Warmpunkte, die bei Temperaturen von 25 bis 45 Grad Celsius ansprechen. Werden diese Sensoren aktiviert, dann generieren sie einen elektrischen Impuls, der an das Gehirn geleitet wird. Auffallend ist, dass sich die Reaktionsbereiche der Kaltpunkte und der Warmpunkte knapp unterhalb unserer Körpertemperatur überlappen. In diesem Bereich heben sich die Impulse der Kalt- und Warmpunkte weitgehend auf. Es sind Temperaturen, die für den Körper zuträglich sind, so dass keine Maßnahmen erforderlich werden. Außerhalb des Überlappungsbereichs kann eine kritische Situation entstehen, die Gegenmaßnahmen, wie Gänsehaut, Zittern oder Schweißausbrüche, erfordern. Mitunter reichen diese spontanen Reaktionen allerdings nicht aus, dann sind Entscheidungen und gezielte Aktionen, wie die Flucht in eine schützende Unterkunft oder das Überwerfen einer wärmenden Jacke, gefragt. Liegen die Temperaturen gar außerhalb des Bereichs der Kälte- bzw. Wärmesensoren, dann schalten sich die Schmerzrezeptoren ein, damit Mensch endlich „seine Haut rettet“.

Worauf die Kalt- und Warmpunkte eigentlich reagieren, ist aber immer noch nicht recht klar. Die Kalt- und Warmpunkte messen den Energiegehalt der Luft, indem sie ihn mit ihrem eigenen Energiegehalt abgleichen. Die Warmpunkte, die etwas tiefer im Gewebe liegen, beziehen auch die Energie der Sonnenstrahlung in ihren Abgleich ein. Wird die Energiedifferenz zu groß, dann generiert die Sinneszelle einen Impuls, der an das Gehirn weitergeleitet wird. Das Gehirn muss die Information mit anderen Informationen abgleichen und bewerten, um die gegebenenfalls erforderlichen Aktionen in Gang zu setzen. Dabei kann es durchaus sein, dass ein gleicher Sachverhalt je nach Situation unterschiedlich bewertet wird. Ein Bad im kalten See kann, trotz der Abweichung von der Körpertemperatur, als "sehr angenehm" empfunden werden, wenn der Körper vorher gehörig aufgeheizt war. Ist dem Schwimmer dagegen ohnehin schon kalt und er springt trotzdem in den See, dann wird er mit Bibbern und Zähneklappern bestraft.

Ausgangspunkt für die Bewertung der Situation sind die Impulse, die die Kaltpunkte und die Warmpunkte generieren und als elektrische Ladungen an das Gehirn senden. Diese Ladungen sind weder warm noch kalt. Die Wahrnehmung "warm" wird den Impulsen der Warmpunkte vom Gehirn zugeordnet, "kalt" den Impulsen der Kaltpunkte. Diese Sinneseindrücke wie auch ihre Bewertung sollen den Menschen motivieren, sich um sein körperliches Wohlbefinden zu kümmern. Im Umkehrschluss heißt das, auch warm und kalt sind keine Eigenschaften der Welt um uns herum, sondern Erfindungen des Gehirns, die jedoch auf realen Schwankungen der energetischen Situation basieren. Wenn warm und kalt subjektive Empfindungen sind und keine objektiven Eigenschaften der Dinge, dann wäre die Formulierung "mir ist warm" der Formulierung „es ist warm“ vorzuziehen.

Was ist da draußen?

Heute scheint die Sonne. Es ist hell, das Licht lässt die Farben erstrahlen und es wärmt meine Haut. Vögel singen. In der Luft ist ein Hauch von Lindenblüten, so dass man meint, Honig zu schmecken. Dazu tönt aus dem Radio angenehme Musik. Kann ein Morgen schöner sein? Nun brauche ich noch einen Kaffee und ein frisches Brötchen und alles ist perfekt. Aber was von alldem ist real? Real sind das Brötchen und der Kaffee, die Vögel und das Radio auch. Natürlich auch die Sonne, die Lindenblüten und der angenehme Luftzug an diesem Morgen. Dass der Morgen hell ist, die Farben erstrahlen und die Haut von der Sonne gewärmt wird, das ist Fiktion. Es ist die Übersetzung des Gehirns für die Tatsache, dass mich gerade energiereiche Sonnenstrahlung erreicht. Die Strahlung selbst ist weder hell noch dunkel oder gar farbig und warm. Auch Schwingungen der Luft sind noch lange keine Töne, sie sind lediglich Ausdruck für die Ausbreitung von Energie. Damit aus den Luftwellen, die ein kleiner Vogel erzeugt, Töne werden, wird ein Sinnesorgan, das die Luftschwingungen registriert, elektrische Impulse erzeugt und an das Gehirn weiterleitet, gebraucht. Das Gehirn, der große Kapellmeister, lässt daraus Musik oder eben Vogelgezwitscher werden. Ähnliches gilt für den Geruch der Lindenpollen, den Duft des Kaffees oder den Geschmack des frischen Brötchens. Dass sie riechen oder schmecken, ist eine Hilfe, eine Krücke, die uns das Gehirn an die Hand gibt, damit wir uns in unserer Umwelt zurechtfinden und nicht elend verhungern. Alles, was schön ist, aber auch alles, was uns ärgert oder gar wehtut, hat seinen Ursprung im Gehirn, diesem kleinen Tyrannen. Es dient dazu, dass dieser große Körper Mensch, den das Gehirn nun mal zum Überleben braucht, auch das tut, was ihm, dem Gehirn, am besten bekommt. Gott-sei-Dank, ist dieses Beste für das Gehirn auch meist das Beste für den Körper.

Wenn also alles, was wir mit unseren Sinnen erfassen, vom Gehirn bearbeitet und umgedeutet wird, was ist dann wirklich da draußen, außerhalb unseres Kopfes? Dazu sollten wir uns noch einmal anschauen, was die Sinnesorgane tatsächlich registrieren, bevor ihre Informationen vom Gehirn in Wahrnehmungen umgewandelt werden. Licht und Farben, wie auch die wohltuende Wärme der Sonne sind Wahrnehmungen ihrer Strahlung, die ihre Energie aus der Bewegung der Photonen bezieht. Die Haut misst die Wärme der Luft, indem sie deren Energiegehalt mit dem eigenen abgleicht. Das Hören ist die Wahrnehmung von Bewegungen der Luft, die ebenfalls Ausdruck ihres Energiegehalts sind. Im Gegensatz dazu basieren das Schmecken und das Riechen auf dem Erkennen von stofflichen Strukturen, denn die Moleküle, die sich an diese Sinneszellen anlagern, haben einen für den jeweiligen Stoff charakteristischen Aufbau. Das Sehen besteht aber nicht nur im Erkennen von hell und dunkel und von Farben, wir sehen auch Flächen, Linien, Formen und andere räumliche Strukturen sowie Bewegungen in diesen. Sie sind tatsächlich vorhanden. Mag sein, dass das Gehirn auch hier hilfreich zur Seite steht, zum Beispiel indem es Konturen verstärkt oder Formen durch den Abgleich mit Erfahrungen identifiziert. Trotzdem gilt, dass Flächen, Linien, Formen und Strukturen sowie Bewegungen darin tatsächlich in der Umwelt vorhanden sind, sonst könnten wir uns auch nicht zielgerichtet in ihr bewegen. Dann gibt es noch das Druckempfinden der Haut, mit dem wir von außen einwirkende Kräfte wahrnehmen, sowie den Gleichgewichtssinn und das Erkennen von oben und unter, die beide auf das Wirken der Schwerkraft zurückgehen.

Wenn wir das zusammenfassen, dann registrieren unsere Sinne

• die Strahlung der Sonne, deren Wirkung aus der Bewegung der Photonen resultiert

• den Energiegehalt der Luft, der sich in der Bewegungsintensität ihrer Bestandteile widerspiegelt

• mikroskopisch kleine Strukturen, bestehend aus Atomen und Molekülen

• Räume, die durch Flächen, Linien, Formen, Abstände und andere Strukturelemente bestimmt sind

Bewegungen in diesen Räumen sowie

Kräfte, die auf uns und alles, was uns umgibt, wirken.

Das, was außerhalb unseres Kopfes existiert, besteht also summa summarum aus

Bewegungen, Strukturen und Kräften.

Und, was sonst? Sonst nichts!

Weltall Erde Mensch und Dialektik

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