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Was in Russland außerhalb der Montage sonst noch so geschieht. Nicht selten muss man in Russland an einem Tag 1.000 km und mehr mit dem Auto zurücklegen, um zu seinem Ziel zu kommen oder zu einer größeren Stadt, in welcher man hofft, ein Hotel zu finden, um am nächsten Tag weiterzufahren.

Die Ziele waren in der Regel die Baustellen, auf der die Franz Kirchfeld GmbH und Co. KG einen schlüsselfertigen Betrieb geliefert, montiert und in Betrieb genommen hat. Das geschah während meiner Tätigkeit bei Franz Kirchfeld zwischen 1990 und 2003 insgesamt vierzehnmal. Dabei handelte es sich in der Regel um Anlagen zur Fleisch- und Milchverarbeitung. Die Maschinen und Ausrüstungen waren zumeist in 20- und 40-Fuß-Container verpackt und standen oftmals schon 2 bis 4 Jahre beim Kunden vor Ort, bevor wir mit der Montage beginnen konnten. Nachdem der Baukörper, ebenfalls von F.K. geliefert und mithilfe eines Chef-Monteurs (Supervisor) und einer lokalen russischen Montagefirma errichtet wurde, begann mein Einsatz für die Ausrüstungsmontage.

Um nicht vor Ort von den Möglichkeiten und den Launen des Kunden abhängig zu sein war es wichtig, dass man während der Montagezeit, was die Mobilität betraf, autark war. Die Straßen, auf denen man sich bewegte, sind gesät mit natürlichen Hindernissen, Schlaglöchern und Straßenverwindungen, deren Kantenunterschiede nicht selten 10 bis 15 cm betragen. Unbefestigte Straßenränder legen kilometerweite Staubfahnen entlang der Fahrbahn in die Fahrersicht, die selbst starken Nebel zur Bagatelle degradieren. Auch wenn die Straße frei und deren Belag gut befahrbar ist, wird dieser Dreckrand immer wieder hauptsächlich von LKWs gern befahren. Die Windschutzscheibe und die Nasen- und Mundschleimhäute können das bezeugen. Weitere Hindernisse sind Straßenbaustellen (diese rechne ich in Russland noch mit zu den natürlichen), die urplötzlich vor einem auftauchen und ohne jegliche Umleitungsempfehlungen versehen sind. Auf offener Landstraße (1. Ordnung in Russland mit M für Magistrale bezeichnet) bahnt sich der Tross oftmals einen eigenen Weg durch Feld und Wald und Schlamm. Stecken gebliebene Fahrzeuge werden kollegial mit vereinten Kräften wieder auf Strecke gebracht. Verheerend jedoch wirkt sich so eine Sperrung in einer Großstadt aus, die ja in der Regel mindestens 1 bis 2 Millionen Einwohner hat. Auf Seitenstraßen muss man sich dann, wenn möglich, am Sonnenstand, hohen Bauwerken, eventuell Flüssen und eigenem Richtungssinn solange orientieren, bis man eine der Hauptstraßen mit Beschilderung wiedergefunden hat. Auf so einer Strecke, die man, wenn man Glück hat, in 12 bis 14 Stunden bewältigen kann, kommen dann noch die künstlichen Hindernisse hinzu.

Oftmals schon gestresst durch die bereits erwähnten Verhältnisse gibt es noch die sogenannten GAI (Государственная автомобильная инспекция). Auf Deutsch „Staatliche Automobil Inspektion“. Diese Einrichtungen dienen eigentlich der technischen Begutachtung der Kfz. Benutzt werden sie aber hauptsächlich zur Durchsuchung der Fahrzeuge einschließlich sämtlicher Privatsachen und zur Erfragung woher und wohin. Ab 23.00 Uhr muss auf manchen Strecken gar jeder Kraftfahrer in einen eigens für diese GAI errichteten Glasturm (mit Rundumsicht wie ein Bademeisterturm) in ein überdimensionales Buch eingetragen werden. Alle Daten werden dabei erfasst. Ein GAI ist mit maximal 10 km/h zu passieren. Bei einer Tagesfahrt von rund 1.000 km berührt man etwa 15 GAI-Punkte, die an bedeutenden Transitknotenpunkten, aber auch an Ortsein- und -ausgängen stehen und Kontrollen durchführen. So geschieht es, dass man im Durchschnitt zehnmal von Polizisten, bewaffnet mit Kalaschnikow im Arm und gekleidet in schusssicheren Westen, zwecks Kontrollen aufgehalten wird. Der Vorwand für eine eventuelle Fahrzeugdurchsuchung sind Waffen und Drogen. Interessanter jedoch sind Zigaretten. Teilweise wird man nach einem Präsent befragt. Misstrauisch werden die Milizionäre spätestens dann, wenn sie in den Dokumenten feststellen, dass mein VW-Bus einem gewissen Herrn Franz Kirchfeld gehört und in der Fahrerlaubnis ein gänzlich anderer Name steht. Wie auch immer diese „Milizkontrollen“ ausgehen, sie rauben einem insgesamt rund 1 ½ Stunden pro Tag, die man später am Ziel ankommt.

Hinzu kommen die Geschwindigkeitskontrollen auf russische Art. Allein durch die oft fehlenden Ortseingangsschilder und auch jene, die das Ende einer Geschwindigkeitsbegrenzung angeben, ist man oft verunsichert, ob noch eins kommen wird oder ob die normale zulässige Geschwindigkeit von 90 km/h wieder gefahren werden kann. Die Auswahl der Fahrzeuge ist willkürlich. Ist die Miliz gerade mit einem Opfer beschäftigt, kann man ohne weitere Beachtung – egal mit welcher Geschwindigkeit – weiterfahren. Ist man selbst im Sucher der Stopppistole, hat man keine Chance noch zu reagieren. Die gestoppten Geschwindigkeiten hatten meistens zu 100 Prozent gestimmt. Diese werden elektronisch durch LED-Anzeige nachgewiesen mit Zeitangabe, wann gestoppt wurde. Die Abstrafung ist meist mit fünf bis zehn DM erledigt. Schwierig jedoch wird es, wenn man erst auf der Hinreise zur Baustelle ist und noch keine Rubel in der Tasche hat, denn es gibt an der Grenze keine Wechselstuben. In diesem Fall gibt man die Fahrzeugpapiere ab und muss eine Bank auftreiben, die Valuten führt, sprich DM, und für Umtausch zugelassen ist. Diese Prozedur dauert mindestens bis zum nächsten Tag. Zur nächst größeren Stadt ist das meistens über 100 km weit. Die Öffnungszeiten sind recht willkürlich. Und steht man dann endlich am Schalter, wird unfreundlich Auskunft gegeben, dass man gerade heute keine DM tauschen kann, weil man bereits zu viel getauscht hat. Also zwingen die Umstände, sich anderweitig mit dem Vertreter der Staatsmacht, dem Milizionär, zu einigen, was meist gelingt.

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