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Regeländerungen im Fußball

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Fußball wurde ja bekanntermaßen in England erfunden und hat dann seinen weltweiten Siegeszug zur Sportart Nummer 1 angetreten. Meist wird als Begründung für die Beliebtheit angeführt, dass die Regeln relativ einfach und verständlich sind.

Wenn ich mir das heutige Regelwerk ansehe, so ist das eher zu bezweifeln. Das aktuelle Regelbuch des DFB umfasst ca. 150 Seiten, die Erläuterungen dazu (z. B. Fußballregeln in der Praxis – Bayerischer Fußballverband) inklusive der Regeln und Sonderbestimmungen zum Spielbetrieb weitere 200 Seiten.

Wie immer steckt hier der Teufel im Detail. Die meisten Menschen haben nur eine grobe Basiskenntnis, die Feinheiten sowie Ausnahmen und genauen Regelauslegungen sind oft nicht geläufig. Wenn ich bei Fußballvereinen Vorträge über Regelauslegungen und Regeländerungen halte, bringe ich oft einen Regeltest mit 15 sehr anspruchsvollen Fragen mit. Falls ein aktiver Fußballer dabei mehr als fünf Fragen richtig beantwortet, ist er richtig gut. Das zeigt deutlich, wie groß die tatsächlichen Lücken in der Regelkenntnis sind.

Dazu kommt, dass uns die obersten Regelhüter jedes Jahr regelmäßig mit diversen Regeländerungen beglücken. Höhepunkt war vor vier Jahren ein Sammelsurium von ca. 40 Änderungen. Da habe ich mich als langjähriger und erfahrener Schiedsrichter gefragt, ob die da oben überhaupt eine Vorstellung davon haben, was das in der Praxis bedeutet. Spätestens hier ist der Laie ausgeschieden. Wenn schon teilweise die Schiedsrichter Schwierigkeiten haben, den Überblick zu behalten, wie soll das dann der normale Fußballbetrachter und Fan schaffen?

Die Änderungen der Regeln werden vom International Football Association Board (IFAB) vorgenommen und normalerweise jährlich aktualisiert. Die IFAB wurde 1882 gegründet und besteht lediglich aus acht Mitgliedern, das sind quasi die obersten Gralshüter der Fußballregeln. Man könnte durchaus trefflich darüber philosophieren, ob dieses Gremium in der aktuellen Zusammensetzung überhaupt noch zeitgemäß und effizient ist.

Der Antrieb für Regeländerungen kommt aus verschiedenen Richtungen. Zum einen will man den Fußball immer noch attraktiver machen, zum anderen will man auch vereinfachen und aus negativen Erfahrungen lernen. Leider muss ich sagen, dass das Ergebnis in der Praxis oft nicht so gut ausfällt. Außerdem dauern die Reifeprozesse für wichtige Themen viel zu lang. Relativ wenigen guten Änderungen stehen oft eine große Anzahl von nicht unbedingt nachvollziehbaren Verbesserungen gegenüber. Aber die Vorgaben der IFAB sind nun mal absolutes Gesetz in der Fußballwelt.

Zwei einfache Beispiele für echte Rohrkrepierer möchte ich kurz anführen. Da war zum einen die Idee, das Abseits erst dann zu ahnden, wenn der angespielte Angreifer tatsächlich den Ball berührt. Durch diese Änderung kam es zu verrückten Szenen: Ein Stürmer – der einzige, der klar im Abseits stand – rannte über 50 m dem Ball nach. In dem Moment, als er ihn dann berührte, wurde Abseits gepfiffen. Ein Wahnsinn!

Oder die unheimlich wichtige Regeländerung beim Eckstoß: Früher musste der Ball nur irgendwie im Teilkreis liegen. Dann kam man auf die glorreiche Idee, dass der Ball in vollem Durchmesser innerhalb des Teilkreises liegen muss. Da ging es lediglich um 10–20 cm Unschärfe beim Eckstoß! Man fragt sich wirklich, was das soll. Beide Regeln wurden übrigens sehr schnell wieder annulliert, da sie einfach nicht praxisgerecht waren.

Wenden wir uns daher lieber den positiven großen und spielrelevanten Änderungen zu. Als ich 1976 die Schiedsrichterprüfung ablegte, waren viele Regeln, die wir mittlerweile verinnerlicht haben, noch gar nicht vorhanden. Daher versuche ich mal, ohne chronologische Perfektion, die aus meiner Sicht wichtigen und guten Änderungen nacheinander aufzuzählen:

Die Abseitsregel wurde geändert. Ursprünglich war die gleiche Höhe von Stürmer und Abwehrspieler schon Abseits. Bei der aktuellen Auslegung ist der Stürmer aber erst dann im Abseits, wenn er sich mit einem Körperteil, mit dem man ein Tor regulär erzielen kann (Kopf, Fuß, Knie etc.) im Moment der Ballabgabe vor dem vorletzten Abwehrspieler befindet. Da reichen dann eben auch fünf Zentimeter.

Die Anzahl der Ersatzspieler wurde von zwei auf drei erhöht. In einer Übergangslösung war der dritte Wechsel zunächst immer auf den Torwart beschränkt, inzwischen kann der Trainer frei entscheiden. Ganz neu ist die Regel bei Pokal- und Entscheidungsspielen: Hier darf aktuell bei den Profis in der Verlängerung ein vierter Spieler eingewechselt werden.

Im Amateurbereich sind drei Auswechselspieler im Herrenbereich, vier Auswechselspieler bei Junioren, Juniorinnen und Frauen sowie fünf im Seniorenbereich zugelassen. In den unteren Klassen jetzt sogar mit Rückwechselmöglichkeit. Ab der Bezirksliga aufwärts ohne Rückwechsel. Gerade im Amateurbereich ist das sehr sinnvoll, denn die Kondition und Spielerverfügbarkeit sind einfach geringer als bei den Profis. Und während der Coronaphase können jetzt vorübergehend bei allen Spielen fünf Spieler ausgewechselt werden – auch bei den Profis.

Das Zuspiel zum Torwart durch einen eigenen Feldspieler wurde deutlich eingeschränkt. Man erinnert sich noch an frühere Spiele, bei denen der Ball mehrfach zwischen den Verteidigern und dem Torhüter hin- und hergespielt wurde. Das war damals ein beliebtes Instrument, um Zeit zu schinden. Der Torwart durfte bei Bedarf den Ball immer wieder mit den Händen aufnehmen. Heute darf der Torhüter den Ball in folgenden Situationen gar nicht mehr mit der Hand aufnehmen – auch nicht im eigenen Strafraum: nach dem Einwurf durch einen Mitspieler und nach einem kontrollierten Zuspiel mit dem Fuß durch einen Mitspieler. Tut er dies dennoch, gibt es gegen ihn einen indirekten Freistoß. Mit Knie, Kopf, Schienbein etc. ist das Zuspiel aber nach wie vor erlaubt. Im Volksmund heißt diese Regel auch Rückpassregel. Das ist jedoch eigentlich falsch, denn sie gilt für ein Zuspiel aus jeder Richtung.

Aus einem Anstoß und einem Abstoß können heutzutage Tore direkt erzielt werden, aus einem Schiedsrichterball nicht. Das war früher genau umgekehrt.

Kommen wir nun zu den Änderungen bei den persönlichen Strafen. Eine der wichtigsten Neuerungen war die Einführung der Notbremse bzw.Torverhinderung durch absichtliches Handspiel. Bei der Notbremse gibt es immer sofort Rot, wenn eine eindeutige und klare Torchance des Stürmers durch ein wie auch immer geartetes Foulspiel verhindert wurde, also auch ein Zupfen am Trikot oder ein einfaches Beinstellen führt nun sofort zum Platzverweis. Bei der Spielstrafe blieb alles beim Alten. Das Gleiche gilt für ein absichtliches Handspiel mit Torverhinderung: Früher Gelb, heute sofort Rot.

Die Bewertung, ob eine klare Torchance vorliegt, ist alleine dem Schiedsrichter vorbehalten. Ähnlich wie bei der Handspielregel geht es um einen komplexen Sachverhalt, bei dem viele verschiedene Kriterien gemeinsam greifen müssen: Ballkontrolle durch den Stürmer, Laufrichtung des Stürmers, Abstand zum Tor, wo befinden sich die restlichen Abwehrspieler und können die noch eingreifen etc. Ein reines Schwarz-Weiß-Kriterium gibt es hier nicht, sondern eine breite Grauzone, die die Entscheidungsfindung deutlich erschwert.

In der vorletzten Saison hat man hier noch mal eine Anpassung vorgenommen und unterscheidet jetzt bei diesen Vergehen im Strafraum und außerhalb des Strafraums. Während bei Vergehen außerhalb des Strafraums die Auslegung gleichbleibt, entscheidet man innerhalb zwischen einem nicht-ballorientierten und einem ballorientierten Vergehen. Bei Letzterem gibt es dann neuerdings nur noch Gelb, um eine harte Doppelbestrafung (Strafstoß und Rot) zu vermeiden.

Ganz revolutionär war vor Kurzem, dass die Auswechselspieler und sogenannten Teamoffiziellen (Trainer, Masseur, Betreuer – eben alle, die offiziell auf der Ersatzbank sitzen dürfen) beim unerlaubten Eingriff in das Spiel von außen jetzt mit den im Spiel befindlichen Spielern gleichgestellt wurden. Gab es früher einen indirekten Freistoß oder Schiedsrichterball beim Eingreifen, so ist jetzt der Strafstoß oder direkte Freistoß zu verhängen. Läuft z. B. der Auswechselspieler oder Betreuer unerlaubt in den Strafraum und greift aktiv in das Spielgeschehen ein, gibt es jetzt Strafstoß und eine persönliche Strafe, je nach Vergehen.

Apropos persönliche Strafen: Zu Beginn meiner Schiri-Zeit gab es nur die Verwarnung (Gelbe Karte) und den Platzverweis (Rote Karte). Die farbigen Karten wurden übrigens erstmals 1970 bei der WM in Mexiko eingeführt und vom deutschen Schneidermeister und internationalen Schiedsrichter Rudolf Kreitlein erfunden. Sein Spitzname war Tapferes Schneiderlein.

Dann führte man vorübergehend im Amateurbereich erfolgreich die Zeitstrafe ein. Dadurch konnte man als Schiedsrichter je nach Schwere des Vergehens sogar zwischen drei Varianten abwägen. Die Idee der Zeitstrafe war vor allem, dem Spieler vor dem endgültigen Platzverweis noch mal eine Besinnungspause außerhalb des Platzes zu geben, damit er sich beruhigen konnte. Leider wurde diese Zeitstrafe nach ein paar Jahren zugunsten der Gelb-Roten Karte wieder abgeschafft. Damit war dann aber zumindest wieder über alle Spielklassen im Amateur- und Profibereich alles einheitlich.

Lediglich im Amateur-Jugendbereich ist die Zeitstrafe nach wie vor mit fünf Minuten vorgesehen und eine sehr gute erzieherische Maßnahme. Eine Gelb-Rote Karte gibt es hier nur in der Juniorenbundesliga.

Neu sind folgende Änderungen seit letzter Saison:

Beim Abstoß oder Freistoß aus dem eigenen Strafraum heraus musste der Ball vor der Berührung eines anderen Spielers bisher immer erst den Strafraum verlassen, vorher war der Ball gar nicht im Spiel. Ab sofort reicht eine Bewegung des Balles, dieser ist sofort im Spiel und die Mitspieler können den Ball auch schon innerhalb des Strafraums annehmen. Die Gegner dürfen aber wie bisher den Strafraum vorher nicht betreten.

Bei einer Mauerbildung mit drei oder mehr Spielern müssen die Angreifer mindestens einen Meter entfernt von den Verteidigern stehen. Damit sollen Rangeleien innerhalb der Mauer vermieden werden.

Eine Gelbe oder Rote Karte kann ab sofort auch gegen alle Teamoffiziellen auf der Bank ausgesprochen werden.

Berührt der Ball den Schiedsrichter, so gibt es ab sofort Schiedsrichterball (früher war der Schiedsrichter Luft und das Spiel lief immer weiter – auch wenn der Ball plötzlich beim Gegner landete). Der Schiedsrichterball wird jetzt immer nur mit einem Spieler alleine ausgeführt. Früher waren es oft zwei gegnerische Spieler ähnlich wie beim Eishockey-Bully. Die Handspielregel wurde weiter modifiziert (siehe vorletztes Kapitel Verwirrung um die Handspielregel).

Die Hauptziele der wichtigen Regeländerungen sind meistens Beschleunigung des Spiels, Erhöhung der Attraktivität des Spiels (mehr Tore) und angemessene Bestrafung von unterschiedlichen Vergehen. Es gibt aber noch etliche Baustellen, die aktuell optimierbar sind. Zum einen die ins Kreuzfeuer geratene Handhabung der Handspielregel, zum anderen die korrekte Strafstoßausführung. Hier wird sehr häufig von den Schiedsrichtern ein Auge zugedrückt, wenn die Spieler zu früh in den Strafraum eindringen. Nur in den extremsten Fällen wird eingegriffen.

Bei den persönlichen Strafen sollte man das heftige Reklamieren, die Schauspielereien und Unsportlichkeiten noch stärker unterbinden. Mit den aktuell neuesten Anweisungen werden die Schiedsrichter hier in allen Leistungsklassen endlich aufgefordert, schneller und konsequenter einzugreifen. Mal sehen, was es bringen wird. Hier muss die Bundesliga einfach als Vorbild für die Amateurklassen dienen.

Meinem Lieblingsthema – die Auswertung von Brutto-/Nettospielzeit und die grundsätzliche Handhabung der Nachspielzeit im Profibereich – widme ich am Ende des Buches ein eigenes Kapitel und nehme entsprechend ausführlich dazu Stellung. Denn was da abläuft, ist für mich im sportlichen Sinne nicht nachvollziehbar.

Und noch ein Hinweis:

Oft wird gesagt, dass die Regelanwendung im Profi- und Amateurbereich möglichst einheitlich sein soll. Spätestens seit der Einführung technischer Hilfsmittel ist dies faktisch nicht mehr der Fall und meiner Meinung nach auch gar nicht mehr möglich, denn dazu spielen das Geld und die Wirtschaftsmacht des Profifußballs eine viel zu große Rolle.

Keller-Schiri

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