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KAPITEL 2 MIT DER LAGE FÄNGT ALLES AN WIE WEIN ENTSTEHT – DER WEG VOM REBSTOCK IN DIE FLASCHE

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DIE WEINLAGE UND WAS IHRE QUALITÄT AUSMACHT

Eine Weinlage im weitesten Sinn ist ein Stück Land, auf dem Rebstöcke wachsen. Das Land ist dafür mehr oder weniger geeignet, und so ist auch das Qualitätspotenzial für die Weine, die hier entstehen können, unterschiedlich groß. Die Qualität einer Lage definiert sich aus dem Zusammenspiel von Bodenbeschaffenheit und klimatischen Verhältnissen und natürlich der Rebsorte mit ihren spezifischen Eigenschaften, die hier angebaut wird. Nur wenn diese Faktoren miteinander harmonieren, können gute Weine entstehen.


GUTER WEIN MUSS LEIDEN

Gute Weine wachsen nicht etwa dort, wo man meinen sollte. Also da, wo die meiste Sonne scheint, der Boden besonders fruchtbar ist und es die richtige Dosis an Regenwasser gibt. Im Gegenteil: Unter solchen Voraussetzungen entstünden banale, langweilige Weine.

Die besten Weine der Welt kommen fast alle aus sogenannten klimatischen Grenzzonen – also daher, wo Weinbau gerade noch eben so möglich ist. Und sie wachsen häufig auf armen, alles andere als fruchtbaren Böden. Stellen Sie sich einen Rebstock vor, der in einem sonnigen Gebiet auf einem fetten, warmen, fruchtbaren Boden wächst. Dieser Wein wird schnell reifen, dabei aber rasch seine gesamte Säure abbauen, dadurch platt und langweilig werden und – wenn niemand korrigierend eingreift – große Mengen an Trauben produzieren. Schnelles Wachsen ist also absolut gar kein Kriterium für guten Wein.

Die besten Weine wachsen häufig dort, wo eine andere landwirtschaftliche Nutzung kaum noch möglich ist: also auf kargen, steinigen Böden; Böden, auf denen sich die Rebe ordentlich quälen muss. An den Schiefer-Steilhängen der Mosel beispielsweise graben sich die Rebwurzeln in ihrem Überlebenskampf Schicht um Schicht, manchmal bis zu fünfzehn Meter regelrecht durch den Fels.

In der Champagne ist die Erdschicht teilweise nur 20 Zentimeter dick – darunter liegt reine Kreide, in welche die Reben bis zu 45 Meter tief hineinwurzeln. Aus jeder Schicht, durch die eine Rebwurzel durch muss, holt sie sich Mineralien und Nährstoffe ab, die sich naturgemäß transformiert in den Trauben wiederfinden. Und letztendlich damit den Geschmack des Weines maßgeblich mitbestimmen.

Hier sind wir ganz en passant auch zwei Begriffen auf der Spur, die in der etwas kryptischen Weinsprache häufig Verwendung finden:

Da wird gesagt, Weine schmecken »mineralisch« oder »vielschichtig«. Klar: Ein Rebstock, dessen Wurzeln tief in einen steinigen Boden wie Schiefer oder Granit hineinragt, nimmt natürlich auch viele Mineralien aus dem Untergrund mit auf – und das ist manchmal schon zu schmecken, der Wein wird mineralisch. »Vielschichtig« wird ein Wein dann, wenn mit zunehmendem Alter der Rebstock in immer mehr Bodenschichten vordringt, aus denen er sich die verschiedensten Aromen herauszieht und an seine Trauben weitergibt. Wenn es dem Winzer gelingt, die Botschaft solcher Trauben in die Weinflasche zu bannen, also den Wein so ausbaut, dass möglichst viele von diesen besonderen Geschmacksnuancen sich hinterher in ihm wiederfinden – dann hat man es im Idealfall tatsächlich mit einem schmeckbar vielschichtigen, nuancenreichen Wein zu tun.

Unter anderem ein Grund, warum in letzter Zeit auch wieder vermehrt Weine aus alten Rebstöcken – als »Alte Reben« oder auf Französisch »Vielles Vignes« bezeichnet – ihren Platz im gehobenen Weinsegment zurückeroberten. Ist ja auch irgendwo logisch: Ältere Rebstöcke haben Wurzeln, die tiefer in den Boden hineinwachsen, also ist die Wahrscheinlichkeit, dass hier ein vielschichtiger Wein herauskommt, weitaus höher.

Und dass die Winzer ein bisschen damit angeben wollen, dass sie so alte Rebstöcke haben (die meist auch viel weniger Menge bringen als die jungen Hüpfer) kann man auch verstehen.


Große Weinfelder wie dieses ermöglichen eine rationelle Bearbeitung und maschinelle Lese.


Je »schwerer« es der Weinstock hat, desto besser am Ende das Resultat. Der Weinstock nimmt Mineralien aus dem Boden auf und gibt sie letztlich an seine Fürchte, die Trauben, ab.


EXTRAKT – DAS MENGE-GÜTE-GESETZ ODER: DIE REBSCHERE STEUERT DIE WEINQUALITÄT

Kommen wir zu einem weiteren Begriff aus der Weinsprache. Da wird von der Weinkennerszene ein guter Wein häufig mit dem Begriff »extrakt-reich« gelobt. Fleischextrakt kennen Sie, Kaffeeextrakt auch, aber Weinextrakt? Die Antwort ist ganz einfach: Bestimmt ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass ein preisgünstiger Wein manchmal irgendwie wässerig schmeckt – also wenig Aromen bietet, dass der Wein vielleicht nicht den ganzen Mundraum ausfüllt und beim Runterschlucken auch wenig bis gar nichts an Geschmack hinterlässt. Trinkt man dann einen teureren Wein, so schmeckt man oft (aber nicht immer) mehr von alledem: mehr Duft, mehr Aroma, oft auch einen länger anhaltenden Geschmack, sowohl im Mundraum als auch nach dem Schlucken. Kurz: Er macht einfach insgesamt viel mehr her im Mund.

Der Hauptgrund für diese Unterschiede ist, dass der Winzer in einem sehr wichtigen Bereich viel Einfluss darauf hat, wie sich die Qualität des Weines entwickeln kann: Und zwar bei der Weinmenge, die er aus einem Hektar Boden an Wein herausholt. Der Rebstock an sich ist äußerst undiszipliniert: Er produziert, wenn man ihn lässt, unglaublich viele, wuchernde Triebe, die wiederum möglichst viele Trauben ansetzen. Oft sind es so viele, dass der Rebstock diese dann am Ende entweder gar nicht oder nur mühsam ernähren kann – jedenfalls nicht so, dass ein vernünftiger Wein dabei herauskommen kann.

Das ist die Stunde des Winzers: Jetzt greift er mit der Rebschere ein und schneidet bereits schon in der Ruhephase den Rebstock so zurück, dass nur noch ein einziger Trieb übrig bleibt (manche Winzer lassen auch zwei Triebe stehen; das hängt von der Rebsorte und natürlich auch vom Terroir ab). Scheint dem Winzer im Sommer die Traubenzahl zu hoch, greift er nochmals zur Schere und entfernt einen Teil der noch ganz winzigen, grünen Trauben – Letzteres nennt man »Grüne Lese« oder »Grünlese«. Damit hat er es in der Hand, ob er mehr Masse oder mehr Qualität erhalten will. Ein Weinberg gibt eben nur eine bestimmte Menge an Nähr- und Geschmacksstoffen her; daher spielt es eine große Rolle, ob sich das auf viel oder wenige Weintrauben verteilt. Das nennt man das Menge-Güte-Gesetz. Die Erntemenge bei Wein wird in Hektoliter (1 Hektoliter sind 100 Liter) pro Hektar gemessen, die Bandbreite dabei ist sehr groß: Für einfachen Tafelwein oder Tafeltrauben ist es locker drin, bis zu 300 Hektoliter pro Hektar aus dem Boden herauszuholen.

Sehr qualitätsorientierte Winzer arbeiten, je nach Region und Rebe, bei ihren Spitzenweinen gerne mal mit Hektarerträgen zwischen 15 und 40 Hektoliter. Das bedeutet, dass bei Massenweinen der Ertrag pro Hektar durchaus zehnmal so hoch sein kann wie bei Rebanlagen, die für die Produktion von Spitzenweinen ausgelegt sind – bei mindestens gleichen Kosten pro Hektar für den Winzer, der so wenig produziert. Dass die Flasche Rot- oder Weißwein, die Sie beim Discounter Ihres Vertrauens für ca. 1,50 Euro bekommen, wohl nicht in die Kategorie der schmeckbar konzentrierten Spitzenweine fallen dürfte, liegt auf der Hand.


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Familienzwist um die »Grüne Lese«

Ein Generationskonflikt, bei dem sich gerade in Deutschland und Österreich schon Unmengen von Winzerfamilien richtig in die Haare bekommen haben, ist die »Grüne Lese«, also diese Aktion, bei der von den kleinen grünen Trauben einiges abgeschnitten wird und zu Boden fällt. Bis in die frühen 1980er-Jahre war nämlich der Fassweinpreis für Wein so gut, dass auch Winzer, die auf Menge produzierten, prima davon leben konnten und relativ gute Preise für ihre Trauben oder ihren Fasswein erzielten. In den Köpfen vieler Winzer der Nachkriegsgeneration ist bis heute jeder Liter Wein wertvoll, erstmal ungeachtet der Qualität. Nun rückte oder rückt in vielen dieser Weingüter die junge Generation an: Die Töchter und Söhne der Winzer sind häufig blendend ausgebildet, haben in guten Betrieben gelernt, meist in den Weinhochburgen Geisenheim oder Heilbronn Weinbau und Kellertechnik studiert und sich oft noch in Kalifornien, Neuseeland, Südamerika oder Südafrika den Wind der Weinwelt um die Nase wehen lassen.

Viele von ihnen, zum Beispiel in Rheinhessen und in der Pfalz, haben das brillante Potenzial ihrer bisher zum Teil völlig unbekannten Lagen erkannt und formen mit Feuereifer aus Weingütern, die vorher überwiegend Fassweine und billige Literflaschen verkauft haben, funkelnagelneue Spitzenweingüter. Das geht natürlich nur mit guten Qualitäten. Und dafür kann die »Grüne Lese« wichtig sein. Für viele der Senioren ist das unerträglich: Sie sehen nur, dass da »wertvoller« Wein einfach abgeschnitten und weggeworfen wird. Grund, den Junioren bittere Vorhaltungen zu machen, dass sie vorsätzlich Geld vernichten und das Weingut in den Ruin treiben würden. Ich kenne ein aufstrebendes Weingut, wo der Junior immer nur dann die »Grüne Lese« durchführen konnte, wenn sein Papa in Urlaub gefahren war. Unterstützung erhielt er jedoch vom Opa, der noch den Vorkriegs-Qualitätsgedanken verinnerlicht hatte und dem Enkel auch die ersten Barriques (kleine 225-Liter-Eichenfässchen) finanzierte. Mittlerweile ist das Weingut recht bekannt und erzielt viele Medaillen und gute Preise – seitdem ist Ruhe. Aber das ist beileibe kein Einzelfall, und viele junge Winzerinnen und Winzer (oder auch deren Eltern) rollen gequält mit den Augen, wenn dieses Thema zur Sprache kommt.


Mut zur Reduktion, das ist bei der »Grünen Lese« entscheidend.

DAS TERROIR – SCHLÜSSEL ZUR HERKUNFT DES WEINES

Und dann ist viel vom sogenannten »Terroir« die Rede. Damit ist in erster Linie, aber bei Weitem nicht nur, der Boden gemeint, auf dem und in dem der Wein wächst. Die unterschiedlichen Bodentypen geben den Weinen eine spezifische geschmackliche Prägung mit auf den Weg. Der Begriff »Terroir« bedeutet jedoch weitaus mehr:

Er umfasst die wesentlichen Voraussetzungen, welche die Biologie des Rebstocks und damit unmittelbar den Charakter der daran wachsenden Trauben beeinflussen. Dabei sind die wichtigsten Faktoren die chemische und physikalische Zusammensetzung des Weinbergbodens bis in die tieferen Schichten hinein, in welche die Wurzeln vordringen, das Klima mit Tages- und Nachttemperaturen und Niederschlagshäufigkeit, die Intensität der Sonneneinstrahlung und die Wasserversorgung der Reben. Weitreichendere Definitionen davon beziehen, was nur logisch erscheint, auch noch die Persönlichkeit des Winzers in den Terroirgedanken mit ein: Er prägt schließlich entscheidend mit, wie mit den naturgegebenen Voraussetzungen umgegangen wird.

Insgesamt gilt aber: Die genügsame und zähe Weinrebe kann sich mit allen möglichen, völlig unterschiedlichen Bodenarten anfreunden. Ob Schiefer, Muschelkalk, Buntsandstein, Kalkmergel, Lehm, Löss, Vulkanboden, Kiesel, Kreide oder Granit: Jeder Bodentyp kann charaktervolle, spannende und individuelle Weine erbringen.


DAS WISSEN UM TERROIRS – UND DIE KLASSIFIZIERUNG VON WEINEN

In traditionellen Weinbaugebieten ist das Wissen darum, wo welche Reben am besten gedeihen, seit Jahrhunderten verbreitet. So wurde im Burgund schon Mitte des 15. Jahrhunderts festgelegt, dass als einzige rote Rebe nur Pinot Noir angepflanzt werden durfte. 1787 verfügte der Trierer Kurfürst Clemens Wenzeslaus von Sachsen, dass in seinem Herrschaftsbereich nur noch Riesling als Rebsorte zugelassen werden durfte. Dadurch entwickelte sich die Mosel zum größten zusammenhängenden Rieslinganbaugebiet der Welt. Das profunde historische Wissen um besondere Lagen führte dann im Burgund zu einer weltweit beachteten Klassifikation: Unterste Kategorie der Qualitätsweine (Appellation controllée, AC) sind die Gebietsweine, die als »Bourgogne blanc AC« oder »Bourgogne rouge AC« angeboten werden. Dabei ist die Rebsorte Chardonnay für die Weißweine und die Rebsorte Pinot noir für die Rotweine zwingend vorgeschrieben. Darauf folgen die Weine mit dem Namen des Dorfes, aus dem sie stammen, also zu Beispiel »Pommard rouge AC«. Die besseren Lagen im Dorf bekommen dann die Bezeichnung »Premier Cru«, die allerbesten Lagen, deren Weine auch am teuersten sind, dürfen sich »Grand Cru« nennen. Der Nachteil: Durch die einst im Burgund praktizierte Realteilung, also der Aufteilung von Landbesitz unter allen erbberechtigten Kindern, sind diese begehrten und teuren Premier Cru- und Grand Cru-Lagen sehr zersplittert und gehören meist vielen verschiedenen Winzern – sehr guten, guten, mittelmäßigen und mäßigen. Es kommt also auch bei diesen kostspieligen Weinen bester Lagen in erster Linie auf den Winzer an. Einen anderen Weg beschritt man im Bordeaux. Da sind die jeweiligen Weingüter (»Châteaux«) klassifiziert, was das Ganze etwas übersichtlicher macht. In Deutschland, wo im nationalen Weingesetz der Terroirgedanke keinen Niederschlag findet, gibt es seit Jahren Bestrebungen einer Vereinigung von Spitzenwinzern, eine Klassifizierung nach burgundischem Vorbild auf den Weg zu bringen.


DIE BEDEUTUNG DER JAHRGÄNGE

Dem Jahrgang kommt erhebliche Bedeutung für die Qualität der Weine zu. Vom Witterungsverlauf hängt entscheidend ab, ob reife und gesunde Trauben gelesen werden können. Dabei sind die Jahrgangsunterschiede in kühleren, also hier in Europa nördlichen Klimazonen, stärker ausgeprägt als in wärmeren Anbauzonen, wo die Weine gleichmäßiger und leichter reifen können. Der Grund: In den nördlichen Anbauzonen, wo die Reben häufig lange um jeden Sonnenstrahl ringen müssen, ist es nicht immer sicher, dass die Trauben zur vollen Reife gelangen. Ein wichtiges Thema ist auch der Niederschlagsverlauf: Wenn es zur Unzeit, also gegen Ende der Reifeperiode, wenn die Trauben schon sehr weit entwickelt sind, in den Weinbergen warm und feucht ist, wird es gefährlich – Fäulnis droht! Ein verregneter Sommer spiegelt sich ebenfalls in der Qualität des jeweiligen Weines wider. Die Jahrgangsqualität ist häufig auch innerhalb der Weinbauländer in den einzelnen Anbaugebieten unterschiedlich.

In schwierigen Jahrgängen, die viel Aufmerksamkeit und Arbeit in den Weinbergen verlangen, hängt besonders viel vom Winzer ab: Ein guter Erzeuger wird auch in einem weniger guten Jahr alles dafür tun, um gute Weine hervorzubringen – und es zumeist auch schaffen.


AUS TRAUBEN WIRD WEIN – DIE ALKOHOLISCHE GÄRUNG

So, nun sind die – mehr oder minder guten – Trauben geerntet und werden anschließend ausgepresst. Man hat jetzt den Traubensaft (offiziell heißt er »Traubenmost«) und es soll Wein daraus werden. Dazu braucht man Hefen, welche die alkoholische Gärung auslösen. Dabei verwandelt sich Zucker in Alkohol, gleichzeitig wird Kohlensäure freigesetzt. Trinken kann man dieses Übergangsprodukt auch schon – das ist nämlich der sogenannte Federweiße (oder Federrote, wenn er aus rotem Taubensaft entstand). Je weiter die Gärung fortgeschritten ist, desto weniger Süße und desto mehr Alkohol hat der Federweiße.

Irgendwann sterben die Hefen, meist mangels Nahrung, ab. Der Wein ist dann in der Regel »trocken«, hat also kaum noch Zucker. Der Rest Zucker, der nach dem Vergären im Wein verbleibt, heißt offiziell genau so: Restzucker. Als »trocken« dürfen in Deutschland Weine bis maximal 9 Gramm Restzucker pro Liter bezeichnet werden, als »halbtrocken« Weine bis maximal 17 g/l Restzucker. Darüber hinaus sind Weine »lieblich«, ab 45 g/l Restzucker »süß«. Die immer häufiger auf Etiketten zu findende Geschmacksangabe »feinherb« wird meistens für Weine im halbtrockenen oder unteren lieblichen Bereich verwendet, ist aber gesetzlich nicht definiert und insofern erst mal wenig aussagekräftig. Ganz wichtig: Die Winzer oder Kellereien können diese Geschmacksangaben aufs Etikett schreiben, müssen es aber nicht. Im Kapitel »Was das Etikett erzählt« (siehe >ff.) werden wir uns also noch mal eingehend damit befassen, wie Sie, zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit, einen trockenen, halbtrockenen oder lieblichen Wein identifizieren können.


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»Reinzucht« oder »Sponti« – die Sache mit den Hefen

Dass die alkoholische Gärung beim Traubenmost durch Hefen ausgelöst wird, wissen Sie ja.

Früher gab es keine Alternativen, der Winzer musste sich auf die Hefen verlassen, die an den Weintrauben kleben oder die sich in den Ritzen und Winkeln im Weinkeller verstecken. Diese »Naturhefen« sind jedoch kapriziös: Manchmal machen sie auf halber Strecke schlapp und der Wein bleibt halbtrocken oder sogar lieblich, obwohl der Winzer eigentlich einen trockenen Wein haben wollte. Oder es können unerwünschte Aromen gebildet werden. Um solche unliebsamen Überraschungen auszuschalten, haben sich in den letzten Jahrzehnten sogenannte »Reinzuchthefen« durchgesetzt. Das sind Hefen, die so gezüchtet sind, dass sie dem Winzer zu dem Geschmacksbild verhelfen, das er sich wünscht. Und: Es sind Hochleistungshefen, die dafür Sorge tragen, dass der Wein auch zu Ende gärt, also in der Regel trocken wird. Sie tragen den schönen lateinischen Namen Saccharomyces cerevisiae. Darin steckt das Wort Saccharose für Zucker und, die Asterix-erprobten Leser erinnern sich, cervesia für Bier. Denn auch Bier wird ja durch die alkoholische Gärung hergestellt. Aber: Keine Bewegung ohne Gegenbewegung. So haben sich in den letzten Jahren wieder einige Winzer zur »Spontanvergärung« bekannt – das ist die traditionelle Vergärung mit den Hefen, welche die Natur liefert. Die Weine, die so entstehen, werden im Fachjargon »Spontis« genannt. Wenn Sie also einen Winzer kennen (lernen) und ihn fragen, wie er es mit den »Spontis« hält, werden Sie mit Ihrem Insiderwissen mächtig punkten. Was nun besser ist? Eine Glaubensfrage: Viele Winzer schwören auf eine der beiden Richtungen und erzielen dabei jeweils eindrucksvolle Resultate, einige machen, je nach Wein, beides parallel. Wenn Ihnen ein Winzer einreden will, eine der beiden Alternativen sei die allein selig machende: Machen Sie es wie bei allen Extremisten – glauben Sie ihm einfach nicht.

TROCKEN, HALBTROCKEN, LIEBLICH: SO KOMMT DIE SÜSSE IN DEN WEIN

Die alkoholische Gärung führt dazu, dass nahezu der gesamte Zucker aus dem Traubenmost sich in Alkohol verwandelt und somit die meisten Weine also von Natur aus eigentlich »trocken« sind.

Nun gibt es aber im Handel ausgesprochen viele Weine zu kaufen, die halbtrocken oder lieblich sind – teilweise sogar für sehr wenig Geld.

Grundsätzlich gibt es zwei Arten von süßeren Weinen. Da sind einmal die klassischen »edelsüßen« Weine, bei denen die Beeren, aus denen sie gewonnen wurden, einfach so viel Zucker enthielten, dass irgendwann die Gärung von alleine aufhört. Das ist meist bei den wertvollen Beerenauslesen oder gar Trockenbeerenauslesen der Fall. Um so hohe Zuckerkonzentrationen im Most zu erreichen, müssen die Trauben von der Edelfäule (siehe >) befallen sein. So erzeugte Weine sind aber sehr teuer und bilden nur einen winzigen Bruchteil der Produktion aller lieblichen oder süßen Weine.

Im Normalfall, also bei über 95 Prozent der weltweit produzierten lieblichen oder süßen Weine, läuft das anders ab: Hier wird meist durch den Kellermeister der erwünschte Süßegrad gesteuert. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten. So kann zu dem Zeitpunkt, an dem noch die erwünschte Zuckermenge im Wein ist, die Gärung durch Kälte abgestoppt werden. Gärhefen brauchen eine bestimmte Temperatur, um ihre Arbeit zu verrichten; und wenn es ihnen zu kalt wird, machen sie einfach Feierabend. Wenn die Hefen dann anschließend herausfiltriert werden, kann nichts mehr passieren – die Süße bleibt drin und der Wein ist stabil, kann also nicht mehr nachgären und sich damit verändern. Voraussetzung dafür aber ist ein sehr sauberes und penibles Arbeiten im Keller. Bei guten Winzern und für gehobene Weine, die einen Hauch Süße behalten sollen, ist das die aufwendigste, aber beliebteste Methode. Denn die Süße, die so im Wein verbleibt, ist ja die weineigene, und es kommen keine anderen geschmacklichen Elemente hinzu, die den Charakter verwischen könnten.

Bei spontan vergorenen Weinen haben die Hefen häufig weniger Kraft als bei den mit Reinzuchthefen vergorenen Weinen. Daher hören diese Weine häufig schon zu gären auf, wenn der Wein im halbtrockenen oder leicht lieblichen Bereich »festhängt«. Hier macht sich dann sozusagen der nichttrockene Wein von alleine.


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Was sind eigentlich die »Öchslegrade«?

Mit dem Zucker hängen übrigens auch die häufig zitierten »Öchslegrade« zusammen, die für die Einstufung der deutschen Weine in verschiedene Qualitätsstufen ausschlaggebend sind (siehe Kapitel 4 – Was das Etikett erzählt). Je höher die »Öchslegrade« des frisch gepressten Traubenmostes, desto höher ist in Deutschland die Qualitätsstufe, in die der Wein eingeteilt werden darf. Diese Öchslegrade sind eine Maßeinheit für die Dichte des Traubenmostes. Je mehr Zucker der Most enthält, desto mehr nimmt die Dichte zu. Dabei entspricht 1 Grad Oe, Öchsle, etwa 2,6 Gramm Zucker in 1 Liter Wasser. Das bedeutet: Ein Traubenmost mit 90 °Oe enthält etwa 230 g natürlichen Fruchtzucker pro Liter. Je höher also die Öchslegrade, desto höher später der potenzielle Alkoholgehalt des Weines. Und woher kommt der seltsame Name? Ganz einfach: Die Grad Öchsle werden mit einer sogenannten Mostwaage (Senkspindel) gemessen, die in den 1830er-Jahren der Pforzheimer Mechaniker Christian Ferdinand Öchsle erfunden hat.



Bilder links:

Zu Anfang des Spätsommers beginnen die Winzer mit dem Messen des Zuckergehaltes in den Trauben. Der Zucker ist der Maßstab für die Reife und er bestimmt das Mostgewicht, das in Öchslegraden (°Oe) ausgedrückt wird.

Bild unten:

Öchslegrade werden mit einer Mostwaage gemessen. Mit dieser Methode kann der Winzer den potentiellen Alkoholgehalt des fertigen Weins gut einschätzen.



DIE SÜSSRESERVE

Eine andere Möglichkeit, die insbesondere bei günstigen Konsumweinen häufig angewandt wird, ist der Zusatz von Traubensaft zum fertigen, durchgegorenen Wein. Dabei wird Traubensaft nach der Ernte intensiv »blank filtriert«, also so gründlich »gereinigt«, dass alle potenziell zur Gärung führenden Hefeteilchen draußen sind, und anschließend kühl und steril gelagert, bis er benötigt wird. Dann wird dieser Traubensaft vergorenem Wein im gewünschten Umfang zugesetzt.

Er dient also als Reserve zum Süßen des Weines und heißt demzufolge offiziell im Weingesetz genau so: »Süßreserve«. Dieses Verfahren lässt sich einfach und kostengünstig für große Weinmengen anwenden und ist bei sauberem Arbeiten, ebenso wie das Abstoppen der Gärung durch Kälte, für den Genuss und die Bekömmlichkeit völlig unbedenklich. Dabei geht zwar durch die gleichsam den Wein überschminkende Süße Individualität verloren, aber ausgeprägten Terroircharakter wird bei der Supermarkt-Spätlese für 1,99 Euro oder bei der Liter-Tetrapackung »Ratskellerglück – Verschnitt aus verschiedenen Weinen der Europäischen Union« auch niemand ernsthaft erwarten.

EDELFÄULE UND WINTERFROST – DIE KÖNIGSWEGE ZUM SÜSSEN WEIN

Früher, als es die ganzen modernen kellertechnischen Verfahren noch nicht gab, waren natursüße Weine weltweit rar, teuer und begehrt. Deutsche Süßweine aus den besten Rieslinglagen von Mosel und Rheingau wurden um 1900 herum höher bezahlt als die teuersten Rotweine aus dem Bordeaux – so mancher in Spitzenlagen begüterte Moselwinzer konnte sich aus den Einnahmen eines einzigen sehr guten Jahrganges den Bau einer prachtvollen Villa leisten. Der Grund: Weine mit sehr hoher natürlicher Restsüße lassen sich nur aus Trauben gewinnen, die von der Edelfäule befallen sind. Besonders gut für die Erzeugung edelsüßer Weine eignen sich die Rebsorten Riesling, Scheurebe und Chenin blanc. Von Edelfäule spricht man dann, wenn die reifen Beeren der Weintraube vom Schimmelpilz Botrytis cinerea befallen werden. Das klappt nur dann, wenn die Trauben mindestens 80° Oe (Öchsle) aufweisen.

In der Regel ist das erst im Herbst, kurz vor Beginn der normalen Ernteperiode, der Fall. Zum Wachsen benötigt die Edelfäule Feuchtigkeit, die sie meist durch herbstliche morgendliche Frühnebel erhält, dann sollte aber ein warmer Tag im Anschluss folgen. Das dafür notwendige spezielle Klima gibt es allerdings nur in wenigen Weinbaugegenden. In Deutschland sind dies zum Beispiel Teile von Mosel und Rheingau, in Österreich ist es der Neusiedlersee. Der Schimmelpilz zerstört große Teile der Beerenhaut, sodass bei Wärme und Trockenheit Feuchtigkeit aus den Beeren austritt und verdunstet. Das Ganze ist also ein natürlicher Konzentrationsprozess. Gleichzeitig verändert der Pilz die Zusammensetzung des Saftes der Beere und beeinflusst dadurch entscheidend die Aromatik. Er verbraucht beispielsweise viel mehr Säure als Zucker, sodass die Zuckerkonzentration in der Beere extrem ansteigt.

So entsteht der sogenannte, an Honig erinnernde »Botrytiston«. Aus den am Ende rosinenartig eingeschrumpften Beeren wird dann natürlich nur noch sehr wenig Saft gewonnen. Deshalb sind so entstandene Beerenauslesen und Trockenbeerenauslesen auch heute noch in der Regel sehr teuer, halten dafür aber aufgrund des Zuckergehaltes ewig. Ein Sonderfall ist der Eiswein. Auch hier wird der Saft in den Trauben konzentriert, aber durch Kälte. In Deutschland und Österreich muss das Mostgewicht der Trauben für Eiswein mindestens dem von Beerenauslese entsprechen.

Geerntet wird Eiswein bei mindestens -7°C.

Dann gefriert das meiste Wasser in der Traube, und der sofort noch im gefrorenen Zustand der Trauben abgepresste Most ist ein Konzentrat aller Inhaltsstoffe. Im Gegensatz zu Beeren- und Trockenbeerenauslesen, bei denen der Botrytis-Pilz einen Großteil der Säure abgebaut hat, ist im Eiswein die Säure genauso konzentriert wie die Süße. Eisweine ergeben also ein Geschmackserlebnis mit intensivem Süße-Säure-Spiel. Während früher eigentlich nur Deutschland und Österreich für ihre Eisweine berühmt waren, ist heute der weltgrößte Eisweinproduzent Kanada.



Als eine Besonderheit unter den Süßweinen gelten die Eisweine. Die Beeren werden in gefrorenem Zustand geerntet und dann auch gleich in besonders leistungsstarken Pressen verarbeitet. Das Resultat: hoch konzentrierte natursüße Weine, mit einem besonders kräftigem Süße-Säure-Verhältnis.


AUS TRAUBEN WIRD ROTWEIN, WEISSWEIN ODER ROSÉ – UNTERSCHIEDE IN DER HERSTELLUNG

Die Weinherstellung, auch Weinbereitung, Vinifikation oder Vinifizierung genannt, verläuft für Rotweine und Weißweine in unterschiedlichen Verfahren. Die Reihenfolge der Arbeitsschritte macht hierbei den Unterschied aus. Rosé ist in der Regel nicht etwa, wie man meinen könnte, ein Gemisch aus Weiß- und Rotwein, sondern ein Wein aus roten Trauben, das dem Weißweinverfahren ähnelt. Allerdings darf hier die Maische noch ein bisschen ruhen und angären, damit sich der Farbstoff aus den Schalen der Trauben herauslösen kann. Dieses Verfahren ergibt meist einen fruchtigen Rosé. Nicht zu verwechseln ist der Rosé mit dem sogenannten Rotling, einem Wein aus einem Gemisch aus Rot- und Weißweintrauben.


WIE WEISSWEIN ENTSTEHT

Beim Weißwein kommen die geernteten Beeren meist direkt zum Pressen in die Kelter. Heutzutage werden meistens pneumatische Keltern verwendet, die den Wein besonders schonend pressen, ohne Bitterstoffe aus den Traubenkernen freizusetzen. Unter anderem ein Grund, warum manche Winzer die Reben von Stielen und Blättern nicht mehr befreien (entrappen).

Früher war das anders: Da kamen die Trauben häufig noch in eine Traubenmühle, die, um mehr Saft herauszuholen, die Trauben quetschte.

Allerdings wurden dabei auch die Traubenkerne verletzt, sodass deren Bitterstoffe in den Most gelangen konnten.

Heute ist das erklärte Ziel vieler Winzer ja, weniger Menge, dafür eine bessere Qualität zu erzeugen. Und diese liegt in einem sauberen Wein, also einem Wein, der auch wirklich nur aus dem Saft der Trauben besteht – und keinerlei sonstige ausgequetschte Kerne, Stiele und Blätter beinhaltet.

Beim modernen Verfahren der pneumatischen Kelter hat es der Winzer in der Hand, ob er auf Menge oder Qualität geht. Er kann die Maschine entsprechend einstellen: Bei extrem geringem Pressdruck ist die sogenannte Mostausbeute, also der Prozentsatz des Saftes, der aus einem Kilo Trauben herausgeholt wird, geringer, aber der Saft wird besonders »reintönig«. Das heißt, der Sortenausdruck der jeweiligen Rebsorte kommt intensiver zum Ausdruck. Bei höherem Pressdruck ist die Mostausbeute höher, aber es besteht die Gefahr, dass anteilig Bitterstoffe aus Schalen oder Kernen in den Most gelangen. In der Regel gewinnt der Winzer aus einem Kilo Trauben zwischen 650 und 750 ml Saft. Natürlich haben Pressdruck und Mostausbeute auch bei der Rosé- oder Rotweinkelterung eine ähnliche Bedeutung für die Qualität.

Der ausgepresste Traubensaft kommt dann in einen Gärtank, wo er die alkoholische Gärung durchläuft. Diese Gärtanks sind häufig temperaturkontrolliert, das heißt, der Winzer reguliert von Hand die Gärtemperatur. Das ist insofern wichtig, als die Gärtemperatur sonst sehr hoch wird – bis zu 30 °C. Und je höher die Gärtemperatur, desto schneller »rauscht die Gärung durch«, das heißt, der Most gärt zu schnell zu Ende. Und dabei bleiben häufig die frische Frucht und wertvolle Aromen auf der Strecke. Qualitätsorientierte Winzerinnen und Winzer sind also meist bestrebt, die Weißweingärung möglichst lange bei Temperaturen zwischen 15 °C bis 18 °C durchzuführen, um Frische, Frucht und Aromatik zu bewahren. Bei einigen hochwertigen Weißweinen wird die Gärung auch gleich in Barriques, also kleinen 225-Liter-Eichenfässchen, vollzogen.

So lange sich die Hefen noch im Wein befinden, praktizieren qualitätsorientierte Winzer bei einigen Weinen, die im Barriques gären, gerne eine sogenannte Bâtonnage: Dabei werden die Hefen im Fass mehrfach aufgerührt. Das hat zur Folge, dass die Hefen vor einer schnellen Zersetzung geschützt werden. Außerdem lässt dieser Prozess den Wein intensiver und dichter werden.

Mittlerweile wird die Bâtonnage auch in Edelstahltanks angewandt.

Ob mit oder ohne Bâtonnage: nach Abschluss der Gärung sinken die abgestorbenen Hefen zu Boden. Sie werden dann aus dem Wein entfernt, indem man den nun fast klaren Wein darüber abfließen lässt und in ein anderes Fass oder anderen Tank umfüllt. Dieses Verfahren heißt »Abstich«. Nun reift der Weißwein, meist in einem Edelstahl- oder Betontank oder auch in einem großen Holzfass bis zur Abfüllung. Hin und wieder werden auch Weißweine in Barriques weiter ausgebaut. Insbesondere voluminösere, kraftvolle Chardonnays werden gerne ins Barrique gesteckt.


Klassische Maischegärtanks aus Holz, wie sie besonders für hochwertige Rotweine gerne verwendet werden.

WIE ROSÉ ENTSTEHT

Rosé ist in aller Regel nicht, wie viele Menschen meinen, eine Mischung von Rot- und Weißweinen, sondern wird aus roten Trauben gewonnen.

Sicher ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass das Fruchtfleisch von roten Weintrauben gar nicht rot ist – sondern gelb, wie bei Weißweintrauben.

Die roten Farbstoffe stecken nämlich alle in der Schale. Wenn rote Trauben in die Kelter kommen, wird beim Auspressen nur ein ganz geringer Bruchteil der roten Farbstoffe an den Traubenmost abgegeben. Der Wein wird ein Rosé. Auch Roséwein wird in einer pneumatischen Kelter schonend gepresst. Werden die Trauben nur ganz besonders schonend ausgequetscht, kann es sogar sein, dass gar keine roten Farbstoffe in den Wein gelangen. Dann gibt es einen Weißwein aus roten Trauben, der französische Ausdruck dafür lautet »Blanc de Noirs« (Weißer aus Schwarzen).

Diese Art der Weinbereitung ist verbreiteter als man denkt: So bestehen weiße Champagner im Durchschnitt zu mehr als 50 % aus ursprünglich roten Trauben.

DAS SAIGNÉE-VERFAHREN

Eine weitere Methode Rosé zu erzeugen, nennt sich »Saignée-Verfahren«: Hierbei wird von der Rotweinmaische vor Beginn des Gärprozesses ein Teil des dann noch rosafarbenen Mostes »abgezogen«, also dem Maischegärbehälter entnommen.

Dieser rosafarbene Most wird dann separat vergoren und wird so zu einem Roséwein. Die Winzer tun dies häufig, um im verbleibenden Rotwein eine höhere Konzentration von Farb- und Aromastoffen zu erreichen.


WIE ROTWEIN ENTSTEHT

Die Trauben für einen Rotwein werden zumeist gleich nach der Ernte »entrappt«, d. h. Stiele und Blätter werden entfernt, sodass sie überhaupt nicht in den Gärvorgang mit hineinkommen. Der Grund: Sie enthalten zu viele Bitterstoffe, die den Wein in seinem Eigengeschmack erheblich beeinträchtigen.


In aller Regel unter Verschluss: Weinfässer mit ihren kostbaren Inhalten.

DER UNTERSCHIED

Anschließend – und das ist der große Unterschied zur Weißwein- oder Rosébereitung – kommen die ungepressten Trauben in einen Gärbehälter. Allein durch den Druck der Trauben aufeinander tritt Saft aus, es entsteht ein Saft-Schalen-Gemisch, die sogenannte Maische. Jetzt beginnt die Gärung mit den Schalen – diese heißt folgerichtig auch Maischegärung. Bei diesem Prozess werden die roten Farbstoffe aus den Traubenschalen gelöst und gehen in den Most über. Nach einiger Zeit wird der gärende Most dann abgepresst. Je nachdem, um welche Rebsorte es sich handelt, wie lange die Maischegärung dauert, und bei welchen Temperaturen sie stattfindet wird mehr oder weniger Farbe abgegeben. Der Winzer kann also steuern, ob er später einen eher dunklen oder einen etwas helleren Rotwein haben möchte. Neben den roten Farbstoffen geht bei der Maischegärung noch ein weiterer Stoff mit in den Wein über: das Tannin. Diese Gerbstoffe – fachsprachlich Tannine genannt – prägen später einmal den Charakter des Rotweins. Hat er viele Tannine, wird er eher herzhaft und kräftig, wirkt aber in der Jugend oft »pelzig« auf der Zunge, wie zu lange gezogener schwarzer Tee. Das Tannin hat aber neben seiner Geschmacksfunktion noch eine weitere Aufgabe:

Es konserviert den Wein recht gut. Weine mit weniger Tanninen sind in ihrer Jugend weicher und zugänglicher, allerdings natürlich oft weniger lange haltbar. Der Tanningehalt eines Weins hängt auch stark von den einzelnen Rebsorten ab.

Der abgepresste Most kommt dann in das Gärfass oder den Gärtank, häufig auch ins Barrique.

Ab jetzt verläuft die alkoholische Gärung nach dem gleichen Muster, wie beim Weißwein, allerdings idealerweise bei etwas höheren Gärtemperaturen (22 °C bis 25 °C).

WAS ÜBRIG BLEIBT

Wenn der Wein, ob rot oder weiß, gepresst ist, bleiben die nährstoffreichen Schalen übrig: der Trester. Trester ist ein begehrter Dünger, man kann aber auch Schnaps daraus brennen. Er heißt in Deutschland Tresterbrand, in Frankreich Marc und in Italien Grappa.



DER AUSBAU DES WEINES IM FASS

Viele Menschen denken, dass ein guter Wein in Holzfässern gelagert wird, bevor man ihn abfüllt.

Das stimmt nicht immer – und dass dem so ist, ist auch gut so. Denn die meisten Weine, insbesondere Weißweine, werden heute am liebsten jung und frisch getrunken. Dafür eignet sich eine Lagerung in Edelstahltanks besser, weil der Wein dort in der Regel luftdicht gelagert wird und seine Frische behält. Und die Frische ist für die meisten Weine ein wichtiges, erhaltenswertes Gut.

Lagert der Winzer Weine im Holzfass, kann er damit verschiedene Dinge anstreben: In 1000 bis 5000 Liter großen, zumeist alten Holzfässern »atmet« der Wein, weil das Holz wie eine Haut ein wenig Sauerstoff durchlässt, nimmt aber kaum Geschmack vom Holz an. Das macht man gerne bei Weißweinen, die lange reifen können, wie beispielsweise die klassischen Rieslinge von der Mosel. Verbreitet ist der Ausbau im großen Holzfass besonders auch bei Rotweinen, die ebenfalls eine sanfte Fassreife bekommen sollen, ohne nach Holz zu riechen oder zu schmecken. Anders sieht es aus bei den ebenfalls sehr beliebten »Barriques«: Das sind kleine 225-Liter-Fässchen aus Eichenholz, deren Sinn und Zweck es ist, Aromen an den Wein abzugeben. Bei der Herstellung dieser Fässchen werden die Fassdauben, also die gebogenen Bretter, aus denen später das Fass gemacht wird, über Feuer auf der künftigen Innenseite ausgebrannt, fachsprachlich heißt das getaostet, um das Fass in die gewünschte Form biegen zu können. Neben- oder Hauptzweck dieser Aktion: Durch das Brennen entstehen typische Röstaromen. Wird das Fass mit Wein befüllt, löst dieser aus dem Eichenholz des Fasses Gerbstoffe und die beim Ausbrennen entstandenen Aromastoffe, die den Geschmack des Weines zusätzlich beeinflussen. Je neuer das Fass ist, desto stärker ist dieser Effekt. Wird eine Barrique das erste Mal mit Wein »belegt«, also befüllt, gibt sie wesentlich mehr Aroma- und Gerbstoffe an den Wein ab als beim zweiten, dritten oder vierten Mal. Danach ist es ohnehin vorbei, dann hat sich dieser Effekt erledigt.


WELCHE WEINE KOMMEN INS FASS?

In Barriques werden hauptsächlich wertvolle Rotweine gelagert. Die Winzer versprechen sich komplexere Aromen und dichtere Weine davon, was häufig auch klappt, wenn sie gekonnt mit Wein und Holz umgehen. Manche Kellermeister versuchen auch, minderwertige, dünne Weine mit Barrique aufzupeppen. Das geht häufig grausam daneben, weil die Barrique die Weine eben auch ganz schön strapaziert und einem sauren, dünnen Stöffchen schon mal final das Genick bricht.

Auch einige Weißweine kommen in die Barrique. Besonders bei der Rebsorte Chardonnay ist das sehr beliebt: Hier können dank des Fassholzes mollige, volle Weine mit schönen Vanilletönen entstehen. Säurebetontere Rebsorten wie Riesling oder Sauvignon blanc eignen sich in der Regel nicht so gut für den Barriqueausbau. Mehr über den Charakter der einzelnen Rebsorten erfahren Sie im nächsten Kapitel. Nun hat das Arbeiten mit den Barriques einen gravierenden Nachteil:

Es ist aufwendig und teuer. Ein 225-Liter-Barriquefässchen, das von einem sehr guten Küfer stammt, kann schon mal stolze 1000 € kosten – und bringt die schmeckbarsten Resultate für den Wein eigentlich nur in den ersten zwei Jahren, in denen man Wein darin lagert. Außerdem ist es eine Menge Arbeit, den Wein in die Barriques hineinzufüllen und irgendwann wieder herauszuholen.

VON TOAST UND CHIPS – WIE DAS HOLZ IN DEN WEIN KOMMT

Manche Winzer möchten ihren Weinen aber eine Holznote geben, ohne extra eine Fasslagerung durchzuführen. Das hat neben den hohen Kosten für die Fässer auch mit deren Qualität zu tun.

Barriquefässer werden aus Eichen unterschiedlicher Lagen und Länder hergestellt, wodurch sie sich schon mal deutlich unterscheiden. Besonders Barrique aus französischer und amerikanischer Eiche geben später unterschiedliche Geschmacksnuancen an den Wein ab. Wie beim Wein spielt auch beim Fass eine wesentliche Rolle, wo und auf welchem Boden die Eiche gewachsen ist.

Die Vanilletöne, die beim Barriqueausbau im Wein entstehen, sind aber auch bei den Produzenten preiswerter Konsumweine sehr beliebt.

Allerdings ist ein Barriqueausbau bei einem 3-Euro-Wein schlicht nicht finanzierbar. Was also tun? Für diese Zwecke hat die Weinkellereibedarfsindustrie »Chips« entwickelt: Eichenspäne oder -stifte, die in verschiedenen Toastgraden angeboten werden. Sie werden entweder während der Gärung direkt auf die Maische gegeben oder in einem Netz in den Wein im Tank gehängt und nach einiger Zeit, wenn sie genügend Aromen abgeben haben, wieder entfernt. Hinterher werden diese weingetränkten Holzstücke manchmal getrocknet und in Baumärkten als aromatisches Grillholz verkauft.


AROMENSPENDER HOLZBRETT

Eine andere Möglichkeit der Aromatisierung sind getoastete Holzbretter, die eine Zeit lang in den Weintank gestellt werden. Das ist alles nicht sonderlich romantisch, ermöglicht es aber, preiswert und in großem Stil Konsumweine mit leichtem oder auch derbem »Holztouch« zu produzieren.

Die Finesse und Komplexität der ganz großen Barriqueweine erreicht man so nicht – aber das sollte man bei einem gefälligen 3- bis 5-Euro-Wein auch nicht unbedingt erwarten.

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