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1. Landschaftsökologie – Wie ist Landschaft und
Ökologie verbunden? – Eine Einführung
ОглавлениеÜberblick
Begrifflichkeiten und Definitionen von „Landschaftsökologie“ werden im zeitlichen Entwicklungskontext seit Troll beschrieben. Unterschiede in der theoretischen Betrachtung und Ableitung des Landschaftsverständnisses zwischen deutschsprachigem und englischsprachigem Raum werden angesprochen. Landschaftsökologie stellt einen Querschnittsbereich in der Geographie und Ökologie dar mit der Verschneidung von geographisch-räumlicher Landschaftsanalyse und des ökologisch-funktionalen Ansatzes der Ökosystemforschung. Behandelt wird, was den landschaftsökologischen Ansatz charakterisiert und was Prinzipien landschaftsökologischen Arbeitens sind. Beispielhaft werden Hauptthemen der Landschaftsökologie angeführt.
Begriff und Definition Landschaftsökologie
Der Begriff Landschaftsökologie wurde erstmalig eingeführt und angewandt vom Biogeographen Carl Troll (1968) mit der Verknüpfung von Regionaler Geographie (Landschaft) und Vegetationsökologie. Troll sah die Landschaft als ein Mosaik von belebten Landschaftszellen, die eine funktionale („vor allem ökologische“) Einheit bilden. Damit werden bereits methodische Grundprinzipien der Landschaftsökologie angesprochen:
(1) Die Beschäftigung mit der Landschaft als heterogene Raumeinheit, geographisch-räumlich aus Landschaftselementen zusammengesetzt, die man nach ihrer räumlichen Anordnung und hierarchischen Struktur analysieren kann (horizontale Muster und vertikale Struktur, s. Abb. 8, 11).
(2) Die Analyse funktionaler Prozesse wie Energie-, Wasser- und Stoffflüsse zwischen Landschaftselementen, die man mit geoökologischen beziehungsweise biogeochemischen Methoden analysieren kann (s. Kap. 7).
Betrachtet man „Landschaft“ außerhalb der Wissenschaft, so ist das Landschaftsverständnis äußerst heterogen und geprägt von einer kulturhistorisch ganzheitlich-ästhetischen Sicht mit Begriffen wie beispielsweise „Parklandschaft, Stadtlandschaft, Heidelandschaft“. Daran wird deutlich, dass im Begriff Landschaft bereits die kulturelle sozio-ökonomische Prägung von Teilen der Erdoberfläche (Biogeosphäre) enthalten ist, was bedeutet, dass ein drittes wichtiges Grundprinzip in der Landschaftsökologie existiert:
(3) Die Analyse menschlicher Eingriffe in die Landschaft, ihre Auswirkungen auf Entwicklung und Veränderung der Landschaft („Landschaftsentwicklung“) und auf ökologische Prozesse mit ihrer Dynamik im Landschaftsmosaik.
Ein großer Teil landschaftsökologischer Arbeiten umfasst diesen Bereich der Analyse von Nutzungseingriffen in die Natur (Ökosystem) und der zeitlich-räumlichen wie funktionalen Änderung von Landschaftseinheiten durch die anthropogenen Eingriffe. Dies wird häufig unter dem Begriff „Angewandte Landschaftsökologie“ zusammengefasst (Schneider-Sliwa et al. 1999). Zu berücksichtigen ist ferner eine unterschiedliche Schwerpunktsetzung in der Inhaltsbestimmung und damit Definition von Landschaftsökologie zwischen dem deutschsprachigen und angelsächsischen Raum. Ein Vergleich der Einführungskapitel zur Landschaftsökologie von Steinhardt et al. (2005), Leser (1997) und Turner et al. (2001) macht dies deutlich. Im deutschsprachigen Raum besteht ein stärker kausalanalytisch-genetisches Landschaftsverständnis (Landschaft als Teil des Ökosystems), im angelsächsischen Raum ein pragmatisch räumlich-strukturelles Verständnis (Landschaft als „cluster“ von Landschaftselementen = „patches“). Eine festgefügte einheitliche Definition von Landschaftsökologie ist nicht möglich, aufgrund unterschiedlicher wissenschaftshistorischer und -theoretischer Ansätze. Zur kritischen Diskussion von Landschaftsbegriff und Landschaftsökologie wird verwiesen auf Haber (1996) und Hard (1983). Vor dem Hintergrund der Begriffe von „Landschaft“ und „Ökologie“ sind folgende Definitionen der Landschaftsökologie zu sehen:
Stichwort
„Landschaftsökologie ist das Studium des gesamten in einem bestimmten Landschaftsausschnitt herrschenden Wirkungsgefüges zwischen den Lebensgemeinschaften und ihren Umweltbedingungen. Die Landschaftsökologie geht … von dem funktional-ökologischen Zusammenhang von Boden, Wasser, Luft und Lebewelt aus.“
C. Troll (1968, S. 17/18) in: Pflanzensoziologie und Landschaftsökologie, Den Haag
„Landschaftsökologie ist jener Fachbereich, der sich mit den Wechselwirkungen zwischen jenen Faktoren beschäftigt, die im Landschaftsökosystem zusammenwirken und die sich funktional in der Landschaft repräsentieren.“
H. Leser (1997, S. 446) in: Wörterbuch Allgemeine Geographie, Westermann-Verlag
„Ein Ökosystem ist ein Wirkungsgefüge von Lebewesen und deren anorganischer Umwelt, das zwar offen, aber bis zu einem gewissen Grad zur Selbstregulation befähigt ist.“
H. Ellenberg (1973, S. 1) in: Ökosystemforschung. Ziele und Stand der Ökosystemforschung. Berlin
„Landscape ecology focuses on the spatial relationships among landscape elements or ecosystems; the flows of energy, mineral nutrients and species among the elements; and the ecological dynamics of the landscape mosaic through time.“
Forman (1983) in Turner et al. (2001, S. 2): Landscape Ecology. Springer-Verlag
Vereinfacht verbindet die Landschaftsökologie den ökologisch-funktionalen Ansatz der Ökosystemforschung (s. Definition Ellenberg) mit dem geographisch-räumlichen Ansatz (s. Definition Troll „Landschaftsausschnitt“ und Forman „spatial relationships“) auf ganz unterschiedlichen Skalen (Abb. 1, s. Kap. 2).
Abb. 1 Landschaftsökologie als Querschnittsbereich (n. Troll 1966)
Sowohl in der Landschaftsökologie wie Ökosystemforschung wird das Wirkungsgefüge zwischen Lebewesen und deren anorganischer Umwelt betrachtet. In der Landschaftsökologie wird jedoch explizit auf den Raum (Landschaftsausschnitt, „landscape element“) verwiesen, während in der Ökosystemdefinition auf die von der Ökosystemtheorie herkommende Eigenschaft „der Selbstregulation“ und „offenes System“ im Vordergrund steht. Zur Diskussion „Landschaft als offenes System“ und „Selbstregulation“ s. Kap. 3 (Landschaft als offenes System) in Steinhardt et al. (2005).
Prinzipien landschaftsökologischen Arbeitens
Was unterscheidet landschaftsökologisches Arbeiten dann vom ökosystemaren Arbeiten („Ökosystemanalyse“)?
(1) Landschaftsökologie betrachtet primär den Landschaftsraum und nicht ein Umweltmedium mit seiner räumlichen Struktur („pattern“) in Bezug auf dort ablaufende und/oder dominante ökologische Prozesse.
Dahinter steht, dass Zusammensetzung und Form eines Landschaftsausschnittes ökologische Prozesse und damit das Ökosystem selbst beeinflusst. Ökologische Studien mit Fokus auf naturnahe Ökosysteme oder Ökosystemteile (z.B. Salzwiesenökosystem, Buchenwaldökosystem) untersuchen die Pflanze/Tier-Umweltinteraktionen und zugrundeliegenden ökologischen Prozesse in meist experimenteller, standörtlicher oder kleinräumlicher Perspektive mit der Prämisse einer Extrapolation der Erkenntnisse auf ähnliche homogene Flächen (Ökotopprinzip s. Kap. 2). Der landschaftsökologische Ansatz berücksichtigt die Heterogenität z.B. der Salzwiesenlandschaft nicht nur im Hinblick auf die klassische Differenzierung in Quellerwatt, untere (Andelzone) und obere Salzwiese (Rotschwingelzone) in Abhängigkeit von Überflutungshäufigkeit, Salzgehalt und Pflanzenzusammensetzung, sondern betrachtet auch Zerschneidung durch Priele, Größe der Salzwiesentypen und gegebenenfalls die anthropogene Nutzung (früher und heute) in Relation zu den geoökologischen Prozessen.
(2) Landschaftsökologie betrachtet Landschaftsräume in ganz unterschiedlicher Ausdehnung, vom Salzwiesenökotop bis zum Nationalpark Wattenmeer oder vom Landschaftselement („patch“) Regenwald-Brandrodungsfeld bis zur Regenwaldzone der Inneren Tropen.
Abb. 2 Salzwiesen auf Spiekeroog – ökologische Heterogenität bei landschaftlicher Homogenität: Wattkante (mTHw) mit Quellerwatt (überflutet) und untere Salzwiesengesellschaft (Andelgras)
Die Raumgröße in der Landschaftsökologie ist jedoch nicht absolut zu sehen und hängt meist von der Fragestellung und räumlichen Heterogenität ab.
(3) Landschaftsökologie bezieht a priori den wirtschaftenden Menschen mit seinen verursachenden Auswirkungen auf die Landschaftsentwicklung wie umweltverändernden Auswirkungen mit ein. Damit verbunden sind Veränderung und Steuerung biogeochemischer Prozesse in der Landschaft.
Als Ergebnis haben wir es mit anthropogen gestalteten oder veränderten Ökosystemen (z.B. Agrarökosystem, Forstökosystem) oder räumlich manifestierten Umweltproblemen (z.B. Versiegelung und Bodenverdichtung, Gewässereutrophierung) zu tun, die von der Angewandten Landschaftsökologie vielfach bearbeitet werden (Schneider-Sliwa et al. 1999).
Landschaftsökologie als wissenschaftshistorisch junges Lehr- und Forschungsgebiet stellt einen breit angelegten interdisziplinären Arbeitsbereich dar, der die Rolle des Menschen als Bestandteil der räumlichen Heterogenität wie auch als Faktor und Prozess der darin ablaufenden ökologischen Prozesse betrachtet. Nach Mosimann (1999) und Turner et al. (2001) gelten als Prinzipien landschaftsökologischen Arbeitens:
Stichwort
1. Landschaftsökologie betrachtet Zusammenhänge, Prozesse und Wirkungen im heterogenen Landschaftsraum kompartimentübergreifend.
2. Landschaftsökologie versucht Entwicklung und Dynamik der räumlichen Ausprägung ökologischer Prozesse, die Rolle von Störungen und anthropogenen Eingriffen in Ökosysteme und charakteristische raum-zeitliche Skalen ökologischer Ereignisse zu verstehen.
3. Landschaftsökologie behandelt unterschiedlichste Skalen von der Parzelle bis zur Region mit der Rückkopplung von Landschaftsstruktur und ökologischen Prozessen.
4. Landschaftsökologie entwickelt Modelle und Theorien zur Erklärung und Analyse von Raumstrukturen und deren Prozessfeldern.
5. Landschaftsökologie beschäftigt sich mit Landnutzung, Landschaftsmanagement und ökologischer Planung und liefert wichtige Grundlagen für die Regional- und Landschaftsplanung.
Betrachtet man landschaftsökologische Arbeiten in Forschung und Anwendung, so beschäftigen sich die meisten Arbeiten mit Teilsystemen (wie Boden oder Vegetation) und Einzelprozessen des Wasser-, Stoff- und Energiehaushaltes. Daher gibt es sowohl methodisch wie inhaltlich vielfältige Überschneidungen seitens der Landschaftsökologie mit den stärker ökologisch spezialisierten Wissenschaftsdisziplinen, was in Anlehnung an Mosimann (2011) für den Bereich des Umweltschutzes schematisch dargestellt ist.
Leser (1997, S. 40) konstatiert: „Die anthropogenen Beeinflussungen der Lebensumwelt des Menschen sind global anzutreffen und zum Teil von globalen Auswirkungen. Insofern ist der Arbeitsgegenstand der Landschaftsökologie die gesamte Biogeosphäre vom lokalen bis globalen Maßstab. Daraus leitet sich die Fülle der Betrachtungsgegenstände ab und erklärt die Vielfalt im Fachgebiet Landschaftsökologie.“
Abb. 3 Stellung der Landschaftsökologie im Bezugsfeld von Umweltschutzbereichen (aus Mosimann 2011 in Gebhardt, Glaser, Radke, Reuber (Hrsg.): Lehrbuch Geographie)
Stichwort
„Landschaftsökosysteme sind der Lebensraum schlechthin.“ Leser 1997, S. 42
Kernthemen und jüngere Entwicklungen
Aus der Entwicklung der Landschaftsökologie in den letzten 20–30 Jahren können einige Kernthemen ohne Anspruch auf Vollständigkeit genannt werden. Die historische Entwicklung der Landschaftsökologie wird ausführlich in Leser (1997; s. Abb. 4) beschrieben.
Stichwort
Kernthemen in der Landschaftsökologie
– Konsequenzen anthropogener Eingriffe in das Ökosystem
– Landnutzungsmanagement und ökologische Planung
– Natürliche Strukturelemente in der Landschaft und ihre Bedeutung für Flora, Fauna und Landschaftshaushalt
– Abschätzung und Bewertung landschaftsökologischer Funktionen im räumlichen Kontext
– Räumlich explizite Modelle geoökologischer Prozesse (z.B. Habitatmodellierung, Bodenerosionsmodellierung)
– Umweltmonitoring, Risikoanalyse und ökologische Planung
Die zunehmende Bedeutung der Landschaft als Subjekt landschaftsökologischen Arbeitens hat durch drei Entwicklungen deutlich zugenommen:
(1) Zunahme von Umwelt- und Landmanagementproblemen, die einen nichtsektoralen räumlichen Lösungsansatz erfordern.
(2) Entwicklung neuer raumbasierter Konzepte, Methoden und Modelle in der Ökologie.
(3) Technologisch-methodischer Fortschritt mit digital räumlichen Erfassungssystemen (wie Satellitenbildauswertung) und Verarbeitung großer räumlicher Datenmengen (z.B. über GIS) und Verfügbarkeit digitaler Datenbanken.
Turner et al. (2001, S. 22) schreiben: „Problemstellungen von Landschaftsökologen verknüpfen typischerweise die Analyse, dass Landschaftsmosaike eine räumliche Struktur haben, mit ökologischen Inhalten, die seit Entwicklung der ökologischen Wissenschaften untersucht wurden“ (s. Wörterbuch der Ökologie, Schaefer 2003).
Wissens-Check
1. Ergänzen Sie den Satz „Landschaftsökologie ist in einem Landschaftsausschnitt ein Wirkungsgefüge zwischen …“
2. Definieren Sie Landschaftsökologie als Querschnittsbereich von …
3. Benennen Sie einen Unterschied zwischen landschaftsökologischem Arbeiten und ökosystemarem Arbeiten.
4. Nennen Sie drei Prinzipien landschaftsökologischen Arbeitens.
5. Benennen Sie beispielhaft drei Kernthemen aus der Landschaftsökologie.