Читать книгу Landschaftsökologie - Gerhard Gerold - Страница 9

2. Räumliche Skalen und Horizontalstruktur

Оглавление

Überblick

Landschaftsökologisches Arbeiten findet in sehr unterschiedlichen räumlichen Skalen statt. Daher werden Raumeinheiten mit ihren räumlichen Dimensionen definiert und zugehörige Hauptprozesse erläutert. Dabei findet in der Landschaftsökologie das Homogenitätstheorem als funktionale Grundeinheit Anwendung. Ferner wird die Bedeutung der skalenabhängigen horizontalen Differenzierung in der Landschaft (Landschaftsmosaik) erläutert. An Beispielen wird der Zusammenhang von räumlicher Skala und wissenschaftlicher Fragestellung erläutert.

Skalenbegriffe und räumliche Hierarchien

Landschaft begegnet uns überall als Ausschnitt der Erdoberfläche (Biogeosphäre) und besitzt damit neben der zeitlichen Dimension seiner Entwicklung (Landschaftsgenese) immer eine räumliche Dimension (Skala). Warum ist die Skalenfrage – in welcher räumlichen Auflösung und in welcher Gesamtgröße ist mein Untersuchungsobjekt adäquat zu analysieren – in der Landschaftsökologie grundlegend und bedeutsam? Wie heterogen ist eine Landschaft und gibt es eine kleinste homogene funktionale Einheit?

Theoretische und praktische Gründe sind dafür anzuführen. Ökologische Grundlagenforschung basiert vielfach auf der Ökosystemdefinition von Ellenberg mit der Fragestellung nach dem funktionalen Wirkungsgefüge im Ökosystem (s. Ökosystemforschung, Schaefer 2003). Um dies quantitativ untersuchen zu können, konzentriert man sich auf repräsentative kleine Areale (z.B. Minimumareal pflanzensoziologischer Aufnahmen (zur floristisch-ökologischen Analyse mit Analyse und Bewertung ökologischer Artengruppen, Zeigerwerte nach Ellenberg s. Ellenberg 1992, Ellenberg & Leuschner 2010; zur Methodik der Vegetationskunde/Geobotanik s. Dierschke 1994, Pott 2005) – und/oder funktionale Verknüpfungen wie Tiernahrungskette oder Habitatanalyse (s. Kap. 9) oder vereinfachende Experimente (Labor- und Freilandexperimente), um deren Ergebnisse auf größere Gebiete zu übertragen (Extrapolationsproblem). Auch in der Landschaftsökologie nutzt man diese Vorgehensweise zur Erfassung vor allem der vertikalen Wirkungsgefüge in der Landschaft („Ökotopprinzip“ s. STICHWORT – Raumeinheiten-Begriffe). Andererseits verlangten und verlangen viele Umweltprobleme eine Analyse über größere Areale (makroskalig s. STICHWORT Skalenbegriffe), wie „Saurer Regen mit Waldschäden, Habitatfragmentierung, Gewässereutrophierung, Biodiversitätsschutz, climate change“. So liefert die „m2-Analyse“ z.B. detaillierte Erkenntnisse zu den Pflanze-Umweltbedingungen einer Strandhafergesellschaft in den Weißdünen einer Nordseeinsel (s. Abb. 6), zur Erklärung von Verbreitung und Entwicklung des Weißdünenökotops sowie seiner Gefährdung z.B. durch Tourismus-Trittschäden ist die Betrachtung der gesamten Strand-Dünenregion unter Berücksichtigung der jahreszeitlich klimatisch-marinen Bedingungen (Wind und Sturmfluten) und Materialbilanz (Sandan- und -abfuhr) erforderlich.

Ein Beispiel aus der Xeroserie der Dünenlandschaft auf den Ostfriesischen Inseln (s. Abb. 6) verdeutlicht die Skalenfrage und Heterogenität in der Landschaft als Skalenproblem.

Betrachtet man vom Luftbild aus die Insel Spiekeroog, so erkennt man leicht bei mittlerem Tidehochwasser drei farblich klar unterschiedliche Regionen im Nord-Süd-Profil, den trockenen Strand mit Weißdünenstreifen, den Braundünenbereich und die grünen Salzwiesen. Zoomt man in den Braundünenbereich hinein, so fällt ein grün-grau/braunes mosaikartiges Muster auf, das nach Feldbeobachtung und Vegetationsaufnahme als Krähenbeeren- und Silbergrasökotop mit einer gewissen Regelhaftigkeit charakterisiert werden kann. Fragt man nach der ökologischen Charakteristik der beiden Ökotope, so erfolgte eine Analyse der Vegetations- und Bodenverhältnisse mit z.B. Kartierung der Pflanzenzusammensetzung, Struktur und Deckungsgrad nach Braun-Blanquet (1964) und der Aufnahme eines Bodenprofils (n. AG Bodenkunde) im Maßstab von 2 m × 2 m Probeflächen mit 3-facher Wiederholung. Als wichtiger Indikator des Stoffumsatzes würde man die Bruttoprimärproduktivität (BPP) der Pflanzendecke über z.B. die Erntemethode bestimmen. Die Auswertung der dominanten Pflanzenarten über die Zeigerwerte nach Ellenberg liefert dann erste Hinweise auf die Unterschiedlichkeit der abiotischen Standortbedingungen beider Ökotope. Das räumliche Muster im Braundünenbereich, was die Dünenlandschaft charakterisiert, kann damit jedoch nicht erklärt werden. Erst die Erfassung der Verteilung von Krähenbeeren- und Silbergrasökotop im Braundünenbereich offenbart eine Abhängigkeit von der Strahlungsexposition (Krähenbeerenökotop auf den N-exponierten Dünenhängen, Silbergrasökotop auf den S-exponierten Hängen). Weitere ökofunktionale Parameter wie die Analyse der unterschiedlichen Bodentemperaturen, Streuzersetzung, N-Mineralisation und Bodenfeuchtegang könnten dann gezielt zur Erfassung des ökosystemaren Wirkungsgefüges mit standörtlichen Messverfahren angesetzt werden. Das einfache Beispiel zeigt:

Analyse eines Landschaftsmosaiks – Skalenfrage

(1) Quantitativ-ökologische Methoden reichen aus zur Erklärung standörtlicher ökologischer Wirkungsgefüge und werden vielfach im Feldexperiment und/oder Messplots mit statistisch auswertbarem regelmäßigem Muster eingesetzt.

(2) Zur Erfassung und Erklärung des Landschaftsmosaiks muss aber die reale räumliche Anordnung an sich mit berücksichtigt werden. Im Beispiel ist dies ein Ergebnis übergeordneter Klimaparameter in Kombination mit der Dünengenese über die letzten 100–300 Jahre.

(3) Das Landschaftsmosaik mit seiner horizontalen Differenzierung liefert uns wertvolle Hinweise für eine zielgerichtete Auswahl von Untersuchungsstandorten, um das ökologische Wirkungsgefüge zu analysieren (s. Kap. 3 komplexe Standortanalyse).

(4) Die gewählte Skala für Messungen und quantitative Auswertungen mit Rasterzellengröße, Transektlänge, Größe des Monitoringgebietes beeinflusst das quantitative Ergebnis.

(5) Die Begriffe heterogen/homogen sind relativ in Bezug auf die jeweilige Betrachtungsdimension zu sehen. In Abb. 4 erscheint die Braundünenregion homogen, bei größerem Maßstab (kleinere Skala) wird der räumliche Zusammenhang (Expositionsabhängigkeit) deutlich, bei noch größerem Maßstab (z.B. plot-Experiment zum Wasser- und Nährstoffumsatz, 1 m2) geht das charakteristische Landschaftsmosaik verloren. Beachte, in der geographisch-kartographischen Bezeichnung bedeutet großmaßstäbig einen kleinen Erdoberflächenausschnitt (z.B. Maßstab 1:5000), in der Ökologie wäre dies mikroskalig! (s. STICHWORT Raumeinheiten – Begriffe)

Skalenkonzept

Räumliche Skala und wissenschaftliche Fragestellung bedingen einander. Das bedeutet, welche räumliche Skala ist angemessen, um meine Frage-/Problemstellung adäquat zu beantworten? Ferner, welche räumliche Auflösung (z.B. Rasterzellengröße bei der Satellitenbildauswertung) und welche Arealgröße benötige ich, um meine Fragestellung bearbeiten zu können? Konkret am Beispiel der Braundünenregion: Eine Landsat-Satelliten-Rasterauflösung von 30 m wäre zu grob, um das Krähenbeeren-Silbergrasmosaik ausreichend detailliert zu erfassen. Notwendig wären höherauflösende Satellitensysteme wie Quick Bird mit 1m Resolution. Mit zunehmender Größe des Untersuchungsgebietes wird im Allgemeinen der Grad an Detailliertheit von Informationen, der sich in der Dichte des Messpunktnetzes widerspiegelt (z.B. Satellitenbildauflösung) abnehmen. Der Verlust an Detailinformationen wird durch einen Gewinn an Überblicksinformationen ersetzt. Die Überblicksinformation kann über das Landschaftsmosaik („pattern“; s. Beispiel Braundünen) eine neue Qualität der Interpretation liefern, die über die untergeordnete Detailebene (m2-Maßstab) hinausgeht (holistisches Axiom: zum Prinzip des ganzheitlichen ökologischen Ansatzes s. Leser 1997: S. 64, 544). Angemerkt sei jedoch, dass die neuen wissenschaftlich-technischen Möglichkeiten (z.B. Satellitenaufnahmesysteme) mit ihrer Fülle an Datengenerierung vielfach ein Problem der Datenbewältigung und zeitangemessenen Verarbeitung besitzen.

Das Skalenkonzept besitzt vielfältige Bedeutung für die gezielte Anlage von Freilandexperimenten, Auswahl repräsentativer Messstandorte, vergleichende Studien und Interpretation von Beobachtungen und Monitoring von Erdoberflächenparametern. Was charakterisiert die Skala als räumliche Dimension und macht sie damit auch quantitativ im landschaftsökologischen Arbeiten verwertbar?

Die räumliche Skala wird charakterisiert durch ihre Zellengröße (z.B. Raster- oder Vektorzellen bei GIS-Verarbeitung) und Flächengröße des Untersuchungsgebietes. Die Frage des Verhältnisses zueinander und die Frage der Anordnung der inhaltlich klassifizierten Zellen zueinander stellt wichtige methodische Herausforderungen für die Charakterisierung des Landschaftsmosaiks dar (zur quantitativen Analyse der Horizontalstruktur – Analyse von Landschaftsmustern s. Walz 2013, Abb. 53, Tab. 23). Ein einfaches Beispiel soll dies verdeutlichen (Abb. 4, 6).


Abb. 4 Spiekeroog als Landschaftsökosystem – heterogene Struktur mit homogenen Teilbereichen (n. Google Earth vom 22.8.2015)

Betrachtungsmaßstab am Beispiel Spiekeroog

Das Beispiel Spiekeroog zeigt, dass je nach Betrachtungsmaßstab (Skala) unterschiedliche landschaftliche Organisationsebenen existieren, vom Pflanzenmosaik des Krähenbeerenökotops über das Braundünenmosaik (Abb. 6) bis zum Landschaftsmosaik der Insel Spiekeroog (Abb. 4), wobei die Komplexität von der Vegetationseinheit bis zur Insellandschaft zunimmt. In der deutschsprachigen Landschaftsökologie hat man seit den Arbeiten von Neef (1967), Haase (1967) und Leser (1997) ein räumlich-hierarchisches Ordnungsprinzip entwickelt, das bis heute für Fragen der Verknüpfung von Horizontaldifferenzierung der Landschaft und ökofunktionaler Analyse einen wertvollen methodischen Rahmen darstellt. Wie groß muss/darf ein Landschaftsausschnitt sein, um ihn als Grundbaustein der Landschaft zu charakterisieren?

Geht man vom terrestrischen Ökosystem als oberste Organisationseinheit in der Ökologie aus, wobei sowohl in der nordamerikanischen Landschaftsökologie („cluster of interacting ecosystems“ – Turner et al. 2001) wie deutschsprachigen Landschaftsökologie (Definition „Landschaftsökosystem“ in Leser 1997, S. 187) Landschaft zusammengesetzt aus Ökosystemen gedacht werden kann, so wären die biotisch ausgerichteten räumlichen Hierarchien vom komplexen zum einfacheren: Ökosysteme (z.B. Heideökosystem), Lebensgemeinschaften (Zönosen, z.B. Heidelerchehabitat), Organismen (Heidelerche, Callunaheide), Organe (Blätter), Zellen (Zelleigenschaften), Moleküle (Chlorphyllgehalt). Mehr abiotisch ausgerichtete Hierarchien wären: Ökosysteme, Relief-Vegetation-Bodeneinheit, Substrat-Bodentyp, Bodentextur, Minerale (weitere Ausführungen s. Kap. 3 Vertikalstruktur der Landschaft). Jede Organisationsebene besitzt ihre eigene Struktur (Anordnung ihrer Elemente) und Funktionen, die sowohl horizontal (innerhalb der Ebene) wie vertikal (zwischen den Ebenen) miteinander verknüpft sind. Aus der Reichweite der raumbezogenen Strukturen und Funktionen ergibt sich die räumliche Dimension der Organisationsebene und damit der betrachteten Landschaft. Bei der Frage nach der kleinsten Einheit im Raum kann man theoretisch vom km-Maßstab (Ökosystem) bis in den nm-Bereich (Molekül, Mineralkristallgitter) gehen, da z.B. der Aufbau des Zweischichttonminerals Kaolinit die Austauschkapazität an der Tonmineraloberfläche für Nährstoffionen mit bestimmt oder die chemische Verwitterung die Nährionenfreisetzung. Erkenntnisse dazu werden genutzt (z.B. Frage der Bodenfruchtbarkeit, Kationenaustauschkapazität als Kenngröße des Bodens), jedoch macht es wenig Sinn, dies im Landschaftsmaßstab anzuwenden. Basierend auf dem Hierarchitätsprinzip, den praktischen Anforderungen (Umweltprobleme – s. Angewandte Landschaftsökologie Kap. 12) und dem holistischen Prinzip einer homogenen kleinsten Raumeinheit als Grundbaustein jeden Ökosystems wurden Dimensionsstufen der topischen, chorologischen bis zonalen Dimension definiert.

Stichwort

Raumeinheiten – Begriffe

Econ: „Econ ist ein konkreter Teil der Landschaft mit einer spezifischen Vertikalstruktur der Landschaftskomponenten. Diese Komponenten bedingen spezifische Prozesse zwischen den Kompartimentsphären der Landschaft.“

Ökotop: „Räumlicher Repräsentant verschiedener Econs gleichartiger Struktur und gleichen Prozessgeschehens.“ (Steinhardt et al. 2004)

„Die räumliche Ausprägung des Ökosystems, das von tendenziell einheitlich verlaufenden stofflichen und energetischen Prozessen bestimmt wird, so dass man den Ökotop als „quasi homogen“ betrachtet und damit eine abgrenzbare ökologische Raumeinheit darstellt.“ (Leser 1997)

Landschaftszone/-region: Sie werden von planetarisch wirksamen Prozessen bestimmt (z.B. Atmosphärische Zirkulation) und unterliegen Kategorien des geographischen Formenwandels (polar-äquatorial, maritim-kontinental, vertikal, paläogeographisch) sowie der Landschaftsgenese.

Econ als Grundbaustein

Nach Löffler (2002) ist das Econ der gedachte kleinste quasi homogene Landschaftskörper, der die strukturellen und prozessualen vertikalen Zusammenhänge aller Landschaftskomponenten beschreibt und damit als Grundbaustein der Landschaft aufgefasst werden kann. Die wesentlichen ökologischen Prozesse laufen zwischen dem oberen Grundwasserleiter und der Obergrenze der bodennahen bzw. vegetationsnahen Luftschicht ab (Abb. 5).


Abb. 5 Econ – Grundbaustein zur standörtlichen Untersuchung in der Landschaftsökologie (verändert n. Steinhardt et al. 2005)

Im Unterschied zu anderen Naturwissenschaften, die sich mit der Wasserspannung im Bodenporensystem (Bodenkunde) oder zellulären Prozessen (Photosynthese-Biologie) beschäftigen, dient das Econ als räumlich kleinste Einheit mit der Annahme einer horizontalen Homogenität und einer stets gegebenen vertikalen Heterogenität (Analyse der vertikalen Energie-, Wasser- und Stoffumsätze; s. Abb. 5, 8, 10). Zwar ändert sich die Landschaft streng genommen von Punkt zu Punkt, jedoch gibt es in der Umgebung jeden Punktes andere Punkte, die diesem stärker ähneln als entferntere (Ähnlichkeitsprinzip). Damit geht man in der Horizontalen parallel dem „pattern-patch“ Konzept der angloamerikanischen Landschaftsökologie mit:

Stichwort

Patch is a „nonlinear surface area differing in appearance from its surroundings“ (Turner et al. 2001).

Übertragen auf die GIS-Verarbeitung mit Rasterzellenalgorithmen bedeutet dies:

„A contiguous group of cells of the same mapped category“, zum Beispiel bei der Nordseeinsel Spiekeroog die Vegetationskategorien Krähenbeerengesellschaft und Silbergrasgesellschaft. Die horizontale Homogenität könnte jedoch auch durch ähnliche Bodeneigenschaften definiert werden (z.B. Moderhumus-Braunerde Bodentyp), der unterschiedliche Pflanzengesellschaften besitzt und im Sinne des Homogenitätstheorems zur „Pedotopdifferenzierung“ der Landschaft gehört (Begriff s. Leser 1997, S. 147–148, STICHWORT –Begriffe in der topologischen Dimension). Dies zeigt, Econs wie auch „patches“ sind keine absoluten Landschaftselemente, jedoch sinnvolle Konstrukte zur räumlichen horizontalen Gliederung, Quantifizierung räumlicher Heterogenität (s. Kap. 4) und grundlegender Methodik der „landschaftsökologischen Komplexanalyse“. Turner et al. (2001, S. 107) formulieren daher: „Patches are not fixed elements of the landscape, but are useful spatial constructs that vary with the objectives of a given study.“

Aus der Verknüpfung von „horizontaler Homogenität“ und ökofunktionalem Ansatz (ähnliche energetische und stoffliche Prozesse in einer Raumeinheit) resultiert die Charakterisierung der topischen Dimension in der landschaftsökologischen Methodik mit dem Ökotop als Grundbegriff (s. Mosimann 1990).

Topische Dimension mit Ökotop

Das Ökotop setzt sich somit aus verschiedenen Econs mit gleichartiger horizontaler Verknüpfung zusammen (gleichartige Struktur und ähnliche ökologische Prozesse). So ist das Ökotop der Braundüne gekennzeichnet durch eine ähnliche Dünengenese mit Entkalkung, Substrat/Bodenversauerung und festgelegte Dünenoberfläche durch die dichte Vegetationsdecke, ausgestattet mit hoch sickerungsaktiven sauren Braunerden oder schwach podsolierten Braunerden und Nährstoffarmut (Abb. 6). Die in der Pflanzenzusammensetzung erkennbare mikroklimatische Differenzierung (über Strahlungsexposition) kann als Econ mit Krähenbeerengesellschaft und Econ mit Silbergrasgesellschaft aufgefasst werden. Die innerhalb des Braundünenökotops verlaufenden vertikalen Prozesse wie vertikaler Wasserumsatz (hoch sickerungsaktiv), bodenbildende Prozesse mit Entwicklung des Humushorizontes, Stoffumsatz (z.B. gehemmte Mineralisation) liegen in ähnlicher Größenordnung, auch wenn im Detail natürlich die Verdunstung (Transpirationsunterschied Krähenbeere, Silbergras) unterschiedlich ausfällt. Entscheidend ist, dass zu benachbarten Landschaftseinheiten wie den Weißdünen- oder Salzwiesenökotopen (s. Abb. 6) vertikale wie laterale Prozesse deutlich verschieden sind (laterale Sand- und Salzzufuhr, initiale Bodenbildung bei den Weißdünen; marine Prozesse bei den Salzwiesen).

Dies zeigt, die horizontale Ausdehnung von Ökotopen wird vielfach durch die Reichweite lateraler Prozesse gekennzeichnet (hier im Braundünenökotop mit Entkalkung, Versauerung, Humushorizontbildung, N-Anreicherung). Die Größenordnung von Ökotopen (topische Dimension) variiert je nach Reichweite gleichartiger vertikaler Umsatzprozesse sowie lateraler Prozesse sehr stark vom Meter- (z.B. Primärdüne am Trockenen Strand) bis Hundertemeterbereich (Salzwiesen Ostplate Spiekeroog).

Die als topische (auch topologische) Dimension bezeichnete Betrachtungsebene besitzt in der Landschaftsökologie eine grundlegende methodische Bedeutung (Steinhardt et al. 2005, S. 35):

Stichwort

Topische Dimension

1) Top stellt eine nach Inhalt und Funktion gedachte homogene Grundeinheit dar und kann mit Einzelgeofaktoren verknüpft werden (z.B. Pedotop = Bodeneinheit mit gleicher Pedogenese und bodenökologischen Prozessen wie „sickerungsaktive, wechselfeuchte saure Braunerde“).

2) In der topischen Dimension werden wesentliche ökologische Prozesse der Landschaft strukturell wie funktionell erfasst.

3) Das funktionale Wirkungsgefüge ist in der topischen Dimension erkennbar und messtechnisch erfassbar.

Die zugehörige grundlegende Methodik für die topische Dimension erfolgt über die komplexe Landschaftsanalyse (s. Kap. 5).

Chorische bis globale Dimension

Zur Analyse größerer Landschaftsausschnitte wurde in Anlehnung an das hierarchische Ordnungsprinzip für die horizontale Landschaftsstruktur eine systematische Abfolge räumlicher Einheiten definiert (s. Leser 1997, Kap. 5), die von der chorischen bis zur globalen Dimension reicht. Mit der chorischen Dimension verlässt man das Prinzip der quasi homogenen Raumeinheit und Fragen nach dominanten Prozessen in der Ökochore oder Region werden gestellt. Im angelsächsischen Sprachraum (s. Turner et al. 2001) wird die räumliche Dimension („scale“) ganz pragmatisch über das betrachtete Objekt (z.B. Waldkategorie) oder Prozess (z.B. fluviale Bodenerosion) mit seiner Reichweite und elementaren Auflösung („extent and grain“) einbezogen. Bei der Abgrenzung größerer heterogener Landschaftsteile folgt man dem Prinzip der dominanten Ähnlichkeit der nächst kleineren Raumeinheiten (bei der Ökochore das Mosaik der Ökotope) sowie dem Dominanzprinzip lateraler Prozesse und Prozesse der Landschaftsgenese, die die Ökotope miteinander verbinden bzw. charakterisieren. So lässt sich die Ökotopabfolge einer ostfriesischen Düneninsel vom Strand bis zu den Braundünen als Xeroserie über die Dünengenese (Alter) und dominanten äolischen lateralen Prozess der Sandakkumulation mit einer typischen Bodenvergesellschaftung als Dünenökochore charakterisieren (s. Abb. 6).

In der Horizontalstruktur wird der Dünenbereich abgegrenzt durch den Trockenen Strand zur Nordsee hin und durch die Salzwiese mit dominantem marinen Einfluss ihrer Entwicklung, Struktur und Ökofunktionen. Auf der Ökotopebene ist die Boden-Pflanzenvergesellschaftung mit ihren jeweiligen Wasser- und Stoffumsatzprozessen charakteristisch, auf der chorischen Ebene die äolischen Prozesse über die Zeit mit der Dünenabfolge. Die räumliche Anordnung der Ökotope ändert am Charakter der einzelnen Ökotope nur wenig, kann aber zu einer neuen Einheit auf dem höheren Betrachtungsniveau führen. So führten in der Vergangenheit vor Gründung des Nationalparks Wattenmeer Trittschäden durch den Tourismus im Braundünenökotop zur Wiederbelebung äolischer Erosion, Dünenumlagerung und Neuakkumulation (Übersandung), was im Extremfall zur Bildung einer Wanderdüne führte. Gekennzeichnet durch den lateralen Prozess der Sandumlagerung in Vergesellschaftung mit Weiß- und Braundünen stellt dies eine eigene Ökochore dar. Es ist und bleibt eine spannende Frage in der Landschaftsökologie, wie und in welchem Umfang mit der räumlichen Aggregation (vom Top zur Chore und Region, s. Kap. 6) Strukturen und Prozesse erhalten bleiben oder qualitativ neue Prozesse bestimmend sind („Upscaling-Problem“). Geht man über die chorische Dimension hinaus (regionische Dimension), so wechselt die Vorgehensweise der räumlichen Gliederung zur deduktiven und Parameter von Relief, Klima, Vegetation wie auch stoffliche Umsatzgrößen (z.B. C-Speicherung, BPP = Bruttoprimärproduktivität der Vegetation) können zur Differenzierung herangezogen werden. In unserem Beispiel der Nordseeinsel Spiekeroog könnte die Nordseeküste als Region angesprochen werden. Kategorien des geographischen Formenwandels nach Lautensach (1952) (Kategorien sind: polar-äquatorial, maritim-kontinental, hypsometrisch, paläogeographisch) können zur Erklärung von Ökoregionen wie Ökozonen herangezogen werden. Die zonale Gliederung nach Landschaftszonen oder Ökozonen stellt eine klassische deduktive Vorgehensweise in der Geographie dar. Eine ausführliche Charakterisierung der Ökozonen der Erde ist in Schultz (2008) zu finden. Primär planetarisch wirksame Prozesse wie die Atmosphärische Zirkulation, breitenabhängige Globalstrahlung und Energiebilanz, Wasserhaushaltsbilanz (Niederschlag-Verdunstungsverhältnis mit Aridität/Humidität) oder Produktivitätsparameter (z.B. oberirdische Biomasse mit Bruttoprimärproduktivität) können zur Gliederung der Erde herangezogen werden. Tab. 1 fasst die geographischen Raumdimensionen mit Beispielen zusammen und STICHWORT Skalenbegriffe ordnet dem Betrachtungsmaßstab typische Strukturen und Prozesse zu.

Tab. 1 Hierarchien geographischer Raumdifferenzierung


Stichwort

Skalenbegriffe landschaftlicher Einheiten mit dominanten Prozessen

1. topologische Dimension (Mikroskala)

Anspruch funktioneller und struktureller Homogenität mit einheitlichem stofflichen Haushalt. Bsp. Bodenfeuchteregime, biotische Aktivität … Bsp. Ökotop: Talterrasse, Quellmulde, Weißdüne …

2. chorologische Dimension (Mesoskala)

heterogene Räume durch aktual-dynamische oder genetisch einheitliche Merkmale bestimmt. Bsp. Dünenlandschaft, Salzmarschwiesen, Endmoränenbereich

3. regionische Dimension (Makroskala)

großräumiger Ausschnitt der Erdoberfläche (Geosphäre) durch einheitliche Merkmale der Ausstattung (z.B. Schichtstufe, Regenwald), Genese (Moränenlandschaft, Puna-Hochgebirge) oder Kategorien des geographischen Formenwandels charakterisiert (z.B. Sahel, alpine Mattenstufe)

4. zonale Dimension (Megaskala)

Zonaler Ausschnitt der Erdoberfläche (Geosphäre) durch planetarisch wirksame Prozesse differenziert und charakterisiert. Grundlage sind primär klimatische Prozesse mit der Atmosphärischen Zirkulation (z.B. Klimazonen, Vegetationszonen, Ökozonen)

5. geosphärische Dimension (Gigaskala)

Globale Prozesse: C-Kreislauf, Wasserhaushalt, Strahlungs- und Wärmehaushalt

Räumliche und zeitliche Skalen (s. z.B. Abb. 2.2.-13 in Steinhardt et al. 2005) dienen der Raum- und Zeitgliederung nach Größenklassen, um sich über die Dimension des Untersuchungsgegenstandes Klarheit zu verschaffen und danach Arbeitsmethoden, Modellansätze und Lösungsansätze auszuwählen. Zwischen der topischen und chorischen Dimension und der regionisch-zonalen Dimension existiert ein grundlegender Wandel in der Betrachtungsweise: einmal mehr der „bottom-up“-Ansatz, ausgehend vom Wirkungsgefüge der kleinsten homogenen Einheit mit Ableitung der räumlichen Vergesellschaftung, zum anderen der deduktive „top-down“-Ansatz mit räumlicher Differenzierung nach augenscheinlichen Landschaftsmustern (z.B. Vegetation und Landnutzung) oder übergeordneten Prozessen (z.B. Gebirgshöhenstufung). Der topische Ansatz findet inzwischen vielfache Verwendung in den naturwissenschaftlichen Nachbardisziplinen der Geographie, wie die Verwendung der Begriffe Biotop, Hydrotop, Pedotop zeigen.

Stichwort

Fachwissenschaftliche Begriffe in der topologischen Dimension

Biotop: Durch abiotische Umweltbedingungen geprägter Lebensraum einer spezifischen Artengemeinschaft von Pflanzen oder Tieren (Biozönose)

Habitat: Lebensraum einer Tierart, einer Population oder eines Individuums

Morphotop: Elemente des Reliefs mit einheitlichen Neigungs- und Wölbungsverhältnissen

Pedotop: Bodeneinheit, bei der die Merkmale eines Bodentyps weitgehend einheitlich ausgebildet sind

Pedohydrotop: Bereich eines einheitlichen Bodenfeuchteregimes, das durch Art, Ausmaß und Jahresgang der Durchfeuchtung gekennzeichnet wird

Hydrotop: Hydrogeographische Basiseinheit mit einheitlicher Ausprägung von Merkmalen des vertikalen(Sickerung) und lateralen Wasserumsatzes (Abfluss)

Klimatop: Klimatische Basiseinheit mit einheitlicher Ausprägung geländeklimatischer Merkmale

Patches: Areale, die nach ihrem Erscheinungsbild sich von ihrer Umgebung deutlich unterscheiden

Matrix: Hintergrundareal einer Landschaft, charakterisiert durch hohen Bedeckungsgrad und Konnektivität

Landschaftsökologie

Подняться наверх