Читать книгу Leonies geheimnisvolle Begegnung in der Vulkanhöhle - Gerhard Brenner - Страница 8

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1. Stress in der Schule

„Leonie, jetzt ist es aber genug!“, rief Frau Mosbacher und kam näher. Vor dem Tisch blieb sie stehen und streckte fordernd die Hand aus. Leonie war zusammengezuckt und starrte mit großen Augen die Englischlehrerin an. Ich blöde Kuh, ärgerte sie sich, lasse ich mich doch glatt beim Abschreiben erwischen! Das kann auch nur mir passieren! Sie fühlte, wie sie bis unter die Haarspitzen rot wurde. Sarah, ihre Banknachbarin, rückte ein wenig von ihr ab. Die Lehrerin sollte nicht merken, dass sie Leonie das Spicken sehr erleichtert hatte.

„Nun, wie lange soll ich noch warten?“ Frau Mosbacher war wie immer ungeduldig.

Ein paar Jungs in der Klasse 9a lachten schadenfroh. Leonie seufzte und gab der Lehrerin das Blatt mit dem Englischkurztest.

„Du weißt doch, was das bedeutet?“, fragte Frau Mosbacher zu allem Überfluss.

Leonie nickte ergeben. Die Mosi, wie die Studienrätin von den Schülern heimlich genannt wurde, war unerbittlich. Bei jedem noch so kleinen Test war sie mit ihren flinken grauen Augen überall. Immer wieder kam es vor, dass sie jemand beim geistigen Diebstahl, wie sie es nannte, ertappte. Dann hagelte es ohne Rücksicht auf Verluste eine glatte Sechs, da war nichts mehr zu machen.

Leonie stützte die Ellenbogen auf den Tisch und den Kopf auf die Hände. Ich hätte doch lieber die Vokabeln pauken sollen, dachte sie. Wenn das eine Fünf im Zeugnis gibt, flippen die Eltern aus!

Die Halbjahresinformation hatte im Fach Englisch nämlich nicht so gut ausgesehen. Die Note 4,5 hatte in der ersten Fremdsprache gestanden. Dabei machte Leonie die englische Sprache an sich Spaß, hörte und sah sie doch jeden Tag viele Songs und Videoclips im Radio und Fernsehen. Aber Vokabeln lernen war nicht gerade ihre Stärke. Wahrscheinlich muss ich jetzt doch in Nachhilfe, dachte sie, denn das hatte sie eigentlich vermeiden wollen.

Ob die Mosi jetzt zu Hause anruft? überlegte Leonie. Bestimmt, denn schon vor ein paar Tagen hatte sie etwas von einer notwendigen Elterninformation gesagt.

Rundherum waren die Schülerinnen und Schüler der 9a des Eduard-Mörike-Gymnasiums in den Kurztest vertieft. Immer wieder schaute Leonie auf das Blatt von Sarah neben sich. Das war ja jetzt egal. Die kriegt sicher wieder eine Eins, dachte Leonie und war schon ein wenig neidisch.

Fünf Minuten später war die Englischstunde zu Ende. Die Tests wurden eingesammelt, die Schüler strömten in die große Pause. Die Lehrerin behielt Leonie und Sarah zurück.

„So wird das aber nichts mit der Vier in Englisch“, begann sie, als die anderen draußen waren.

„Ich strenge mich jetzt unheimlich an, Frau Mosbacher, ganz bestimmt!“, erklärte Leonie schnell.

„Das kenne ich, das hast du mir auch schon im Februar erzählt. – Ich muss mal mit deinen Eltern sprechen.“

„Bloß wegen der Fünf in Englisch? Ich bleibe deswegen doch nicht gleich sitzen, oder?“

„Das nicht, aber ich will nicht, dass aus der Fünf am Ende auch noch eine Sechs wird, verstehst du?“

Leonie überlegte, was sie darauf sagen könnte, da wandte sich die Lehrerin bereits Sarah zu. „Du solltest es Leonie nicht so leicht machen, abzuschreiben“, meinte sie. „Damit hilfst du ihr nicht. Es wäre besser, wenn du mit ihr Vokabeln lernen würdest!“

Sarah wurde rot. „Okay“, nickte sie, „das lässt sich organisieren.“

Damit war die Lehrerin zufrieden und die beiden Mädchen beeilten sich, in den Pausenhof zu kommen. Dort reihten sie sich in die Warteschlange beim Bäcker ein, die um diese Zeit schon nicht mehr so lang war. Doch auch nach ihnen stellten sich noch einige Schülerinnen und Schüler der unteren Klassen an, die von der Sporthalle herübergekommen waren.

Leonie war gerade dabei, sich bei Sarah für die Schützenhilfe zu bedanken, da wurde ihre Freundin unsanft angerempelt. Durch den Stoß wurde sie aus der Warteschlange gedrängt und wäre beinahe gestürzt. „Du lässt mich doch vor, ja?“, sagte Maik Mangold, den sie nicht hatten herankommen sehen.

Er war schon 17 und ging in die 11b. Er war um einiges größer und breiter als Leonie und Sarah und trug schwarze Kluft mit Springerstiefeln. Blonde Strähnen hingen bis zu den Schultern herab. Das volle, runde Gesicht wurde von zwei winzigen Öhrchen eingeschlossen, an denen goldene Ringe prangten.

„He, was soll das?“ Wütend ging Sarah auf Maik los, um sich ihren Platz in der Schlange wieder zurück zu erobern. Der behauptete aber seine Stellung und stieß sie unsanft von sich weg.

„Sag mal, was fällt dir eigentlich ein?“, legte jetzt Leonie los. „Stell dich gefälligst hinten an!“

Als Maik keine Miene machte, der Aufforderung nachzukommen, nickten sich die beiden Mädchen zu und gaben ihm gemeinsam einen kräftigen Schubs. Der große Kerl hatte nicht damit gerechnet und sah sich plötzlich selbst aus der Reihe gedrängt. Rundum wurde gelacht. Maik war zunächst sprachlos. War es denn möglich, dass diese beiden jungen Hühner es gewagt hatten, sich an ihm zu vergreifen?

„Jetzt gibt’s Ärger“, drohte er und drang auf Sarah ein. Aber der Lehrer, der die Pausenaufsicht führte, war herangekommen und schickte Maik zurück ans Ende der Warteschlange. Die beiden Mädchen grinsten schadenfroh. Maik aber drohte mit der Faust und zog ein grimmiges Gesicht.

Nach dem Unterricht eilten die Freundinnen zur Bushaltestelle. Sie waren früh dran und so konnte Leonie ihren Lieblingsplatz ergattern – gleich hinter dem Fahrer. Sarah setzte sich neben sie und das Gespräch drehte sich um Maik Mangold, den Störenfried. „Hat der was gegen dich?“, fragte Leonie soeben.

„Keine Ahnung“, erwiderte Sarah. „Ich jedenfalls habe ihm nichts getan, was so eine Gemeinheit rechtfertigen würde.“

„Er ist noch nicht lange an unserer Schule, soviel ich weiß“, meinte Leonie.

„Stimmt. Kurz nach dem Schulhalbjahr kam er zu uns. Offiziell freiwillig. Aber man munkelt, dass er am Johannes-Kepler-Gymnasium rausgeflogen ist – und das nicht gerade wegen guter Führung.“

„Hoffentlich war die Rempelei eine Eintagsfliege. Sonst kann es ja heiter werden!“ Damit hatte Leonie unbewusst Recht, denn im selben Moment stieg Maik in den Bus und sah die beiden ganz vorne sitzen.

„Abmarsch“, befahl er mit einer drohenden Gebärde. „Das ist ab jetzt mein Platz!“

Die Mädchen dachten nicht daran, ihre Plätze zu räumen.

Maik packte Sarah, die ihm am nächsten saß, am Arm und zog sie vom Sitz. „Aua“, rief die und gab ihm einen Faustschlag gegen die Brust.

Das schien ihn aber nicht weiter zu stören, denn als er Sarah nach hinten gedrängt hatte, griff er nach Leonie.

Leonie war sauer wie schon lange nicht mehr. Ihre Augen funkelten. Dem werde ich zeigen, wie man sich Damen gegenüber benimmt, dachte sie und nahm all ihre Kraft zusammen. Blitzschnell trat sie ihm kräftig auf den Fuß und gab ihm eine Ohrfeige.

„Was ist denn hier los?“, hörte man plötzlich die Stimme des Busfahrers vom Einstieg her rufen. Er war noch draußen gewesen, um irgendetwas am Bus zu kontrollieren. Jetzt stieg er schnell ein und zerrte Maik zurück. Er konnte aber nicht mehr verhindern, dass sich Leonie von dem groben Kerl eine saftige Ohrfeige einfing.

„Dreckskerl!“ Leonies Augen blitzten und alle Muskeln verkrampften sich in ihr. Am liebsten wäre sie ihm auf der Stelle an die Gurgel gesprungen. „Du traust dich wohl nur gegen Mädchen, wie?“

„Kann ich was dafür, dass du kein Junge bist?“, giftete Maik zurück.

„Lass ihn“, beschwichtigte Sarah und rieb ihren Arm. Dann sah sie nach Leonies Wange, auf der sich ein dunkelroter Fleck auszubreiten begann. „Tut’s arg weh?“, wollte sie wissen.

„Na ja, es gibt Angenehmeres“, erwiderte Leonie und hielt sich die Backe. Ja, das tat ganz schön weh, aber die vielen Schülerinnen und Schüler im Bus sollten ihr nichts anmerken.

„Geht’s wieder?“, fragte der Busfahrer kurz darauf. Er hatte Maik ganz nach hinten verfrachtet.

„Alles okay“, meinte Leonie, „ich werde es überstehen.“

„Wenn der Knabe noch einmal aufdringlich wird, steigt er an Ort und Stelle aus“, versprach der Fahrer. Dann schaute er auf die Uhr, denn es war Zeit zum Abfahren. Er setzte sich, startete den Motor, schloss die Türen und fuhr los. Immer wieder schickte er prüfende Blicke in den großen Innenspiegel. Er wollte es nicht noch einmal zu einer Auseinandersetzung kommen lassen.

Vom Eduard-Mörike-Gymnasium aus, das nahe der Stadtmitte lag, ging die Fahrt nach Süden. An der nächsten Haltestelle stiegen die Real- und Hauptschüler zu, die am südlichen Rand oder in der Umgebung von Westenbach wohnten. Jetzt war der Bus zum Bersten voll. Am Stadtrand leerte sich der Bus fast zur Hälfte.

Als auch Maik Mangold mit ausstieg, atmeten die beiden Freundinnen hörbar auf. Auf seine bösen Blicke achteten sie nicht weiter.

Dann ging es aus der Stadt hinaus und über Land. Denn Leonie und einige andere Schülerinnen und Schüler wohnten in Steinburg, einem kleinen Ort, der etwa 15 Kilometer von Westenbach entfernt war. Sarah hingegen musste früher aussteigen als Leonie. Sie wohnte mit ihrer Familie auf einem Aussiedlerhof kurz vor Steinburg. Etwa zwei Kilometer vor Leonies Heimatort gab es eine Bushaltestelle in freier Landschaft, von der Sarah noch einen Kilometer weit zu Fuß nach Westen gehen musste, um zum Melchiorhof zu kommen. Aber das war sie seit der Grundschulzeit so gewohnt.

„Bis heute Mittag dann“, rief sie zum Abschied, denn die Freundinnen hatten vereinbart, dass Leonie am selben Tag noch zur ersten Englischstunde kommen solle.

„Alles klar, ich komme ganz bestimmt!“ Leonie winkte Sarah zum Abschied kurz zu. Die Freundinnen hatten sich erst zu Beginn der Grundschulzeit kennen gelernt, denn Sarah hatte nie den Steinburger Kindergarten besucht. Seit damals gingen sie in dieselbe Klasse und waren meistens Banknachbarinnen gewesen.

„Wir sind da“, rief der Busfahrer über die Schulter, als er am Rathaus von Steinburg angehalten hatte. Leonie bedankte sich für sein Eingreifen und stieg aus. Dann machte sie sich auf den Heimweg.

Steinburg hatte etwa 1.200 Einwohner und die dringend benötigten Geschäfte. Industrie gab es kaum, aber viele Landwirte waren hier ansässig. Ein paar Fachwerkhäuser aus längst vergangenen Zeiten säumten die Hauptstraße, schön renoviert und herausgeputzt. Das kleine Rathaus war das auffälligste von ihnen mit seinen Torbögen vor dem Erdgeschoss. Das höchste Gebäude war der Glockenturm der romanischen Dorfkirche, um die sich die Häuser wie Küken um die Henne scharten.

Walter und Charlotte Bernstein, Leonies Eltern, hatten am Ortsrand ein Einfamilienhaus gebaut, als sie noch klein war. Der Vater arbeitete in der Stadt Hofberg, die in östlicher Richtung lag, denn ein Landwirtschaftsamt war hier im Ort natürlich nicht zu finden. Trotzdem hatten sie sich in Steinburg niedergelassen. Die Eltern liebten die ruhige Lage, das dörfliche Flair und die Nähe zum Erlensee.

Es war am selben Abend. Leonie war mit dem Rad vom Melchiorhof zurückgekommen und hatte die Schulsachen für den nächsten Tag hergerichtet. Die Mutter, die vormittags zur Arbeit ging, hatte noch nichts über ihre Leistungen in Englisch gesagt, also hoffte Leonie, dass die Mosi doch nicht anrufen würde.

Leonie war in ihrem Zimmer im ersten Stock. Der Länge nach legte sie sich auf ihr Bett, stützte die Ellbogen auf und legte den Kopf auf die Hände. Wenn ich nur wüsste, was wir gegen diesen blöden Mangold machen sollen, dachte sie. Sie fühlte, wie sich ihre Muskeln wieder zusammenzogen. Unbewusst zog sie ein ganz grimmiges Gesicht, obwohl das hier natürlich niemand sehen konnte. Wenn der jeden Tag Stunk macht, kann mir die Schule vollends gestohlen bleiben, überlegte sie.

Leonie hörte die Tür des Zimmers gegenüber gehen. Dort wohnte Tobias, ihr Bruder. Er klopfte kurz, dann stand er bei Leonie im Raum. Tobias war schon 19 Jahre alt, einen Kopf größer als seine Schwester und machte seine Lehre als KFZ-Mechatroniker im Autohaus Silcher in Westenbach, Leonies Schulort. Tobias war müde von der Arbeit und gähnte erst mal herzhaft vor sich hin. „War ein harter Tag heute“, entschuldigte er sich. „Mama sagt, wir können zum Abendessen kommen.“

Als Leonie nicht antwortete, sah er sie erstaunt an. „Ist was passiert?“, fragte er.

„Warum müssen Jungs eigentlich immer stärker sein als Mädchen?“, murmelte Leonie vor sich hin.

„Das ist nun mal so – da hat die Natur doch gut vorgesorgt!“

Das sollte ein Scherz sein, aber Leonie seufzte nur.

„Was ich noch sagen wollte“, meinte Tobias an der Tür stehend, „ich habe gehört, dass in deiner Schule jetzt ein gewisser Maik Mangold sein Unwesen treibt. Er ist beim Kepler Gymnasium rausgeflogen, weil er einen Lehrer mit dem Messer bedroht hat. – Nimm dich vor ihm in Acht, ja?“

„Zu spät“, seufzte Leonie.

„Was soll das heißen, Schwesterherz?“ Tobias’ Stimme klang besorgt. Also blieb Leonie nichts anderes übrig, als die ganze Geschichte von Anfang an zu erzählen. Sie setzte sich dazu aufs Bett und Tobias nahm neben ihr Platz.

„Bin gespannt, was Martin dazu sagt“, meinte der Bruder am Ende und legte die Arme schützend um Leonie. Das tat ihr gut. Sie war hier, in ihrem eigenen Zimmer, zwar nicht in Gefahr, aber schon das Erzählen hatte sie wieder ganz schön aufgewühlt.

Martin war nicht nur Tobias‘ Freund und Arbeitskollege, sondern auch Sarahs älterer Bruder.

Plötzlich tauchte auch noch die Mutter in Leonies Zimmer auf. „Was gibt es denn hier so Wichtiges zu besprechen, dass ihr darüber das Essen ganz vergesst?“, wollte Mama Charlotte wissen.

„Och, nichts von Bedeutung“, sagte Leonie schnell. Sie wollte nicht, dass sich die Mutter Sorgen machte. Bei Tobias und Martin war die Sache mit Maik in guten Händen, da war sich Leonie sicher. So beeilte sie sich, mit ihrem großen Bruder unverzüglich beim Essen zu erscheinen.

Am nächsten Morgen ging Leonie nicht allein zur Bushaltestelle am Rathausplatz. Tobias begleitete sie. Er hatte auf die Fahrt in seinem betagten Corsa verzichtet, um im Bus mal nach dem Rechten zu sehen, wie er sich ausgedrückt hatte. Beim Autohaus hatte er vorab Bescheid gesagt, dass es heute etwas später werden würde. Leonie war sehr froh darüber, denn sie rechnete nicht damit, dass Maik Mangold so schnell klein beigeben würde. Wie immer hatte sie sich hinter den Busfahrer gesetzt, Tobias hatte wegen des Überblicks die letzte Sitzbank vorgezogen.

An der Haltestelle zum Melchiorhof stieg Sarah zu und setzte sich neben Leonie. Auch sie war diesmal nicht allein. Ihr Bruder Martin begleitete sie. Er schaute sich kurz um, sah Tobias hinten sitzen und gesellte sich zu ihm. Martin war schon 21 und etwas kleiner als Tobias, aber von kräftiger Statur. Außer seine gestählten Muskeln fielen auch noch seine ungewöhnlich großen Hände auf.

„Wo der hinhaut, wächst kein Zaun mehr“, hatte Vater Melchior einmal zu Tobias gesagt. Damit hatte er auf eine Begebenheit angespielt, die Martin im Alter von zwölf Jahren erlebt hatte. Er war mit Freunden unterwegs ins Kino gewesen. Die Jungen hatten sich nebenher im Schattenboxen geübt. Das hieß, sie schlugen auf einander ein, ohne den andern jedoch zu treffen. Einmal hatte Martin weit ausgeholt und so getan, als würde er voll zuschlagen. Dabei war er mit einer seiner Riesenfäuste am nächsten Lattenzaun hängen geblieben. Pech für den Zaun, dem fortan ein Stück fehlte. Pech aber auch für Martins Hand, deren Rücken eine Weile sehr zerschunden war.

Bis zum Ortsrand von Westenbach passierte nichts Aufregendes. Doch dann stieg Maik Mangold zu. Er hatte alle anderen Schüler vorgelassen, um bei den Mädchen in der ersten Reihe stehen bleiben zu können. Ein Dunst von Alkohol und Nikotin umgab ihn.

„Na, Jungbäuerin“, begann er höhnisch und sah dabei Sarah an, „hast du heute schon die Kühe gemolken und die Schweine gestriegelt?“ Dabei rümpfte er die Nase, obwohl es natürlich keinerlei Grund dazu gab.

Sarah sagte nichts. Sie grinste ihn nur frech an. Damit hatte Maik offenbar nicht gerechnet. Deshalb wandte er sich jetzt Leonie zu.

„Und du, Bernsteinchen, musst dir schon auf dem Bauernhof die Englischwörter beibringen lassen?“

Wie in aller Welt hat er das schon wieder rausgekriegt, dachte Leonie erschrocken. Sie spürte, dass die in der Nähe Sitzenden die Hälse reckten und die Lauscher aufsperrten bei dem Auftritt, der jetzt zu erwarten war.

Der Busfahrer hatte schon mehrmals in den Rückspiegel geschaut. „Hock dich endlich hin“, befahl er, aber Maik hörte nicht auf ihn. Er setzte gerade zur nächsten Gemeinheit gegen die Mädchen an, da spürte er, wie ihm plötzlich eine schwere Hand von hinten auf die Schulter gelegt wurde. Verblüfft drehte er sich um und sah sich Martin und Tobias gegenüber.

„He, was soll das?“, rief er und wollte die Hand von sich abschütteln. Doch der Griff der Bärentatze war eisern und tat weh.

„Hör mal, Junge“, begann Martin und sah im Spiegel, dass der Busfahrer über das ganze Gesicht zu grinsen begann, „die Jungbäuerin hier ist meine Schwester – falls du das noch nicht gewusst haben solltest, und sie hat sich bitter über dich beklagt! Ich gehe davon aus, dass du dich auf der Stelle bei ihr entschuldigen willst.“

„Du kannst mich mal“, stieß Maik hervor, dann schrie er aber laut auf, weil der Druck von Martins Fingern an seinem Schlüsselbein rapide zugenommen hatte. Die andere Hand ballte Martin langsam zur Faust.

Jetzt schien es Maik doch mulmig zu werden, denn ohne eine weitere Aufforderung presste er seine Entschuldigung zwischen den Zähnen hervor. Wenn er allerdings gedacht hatte, dass die Sache nun zu Ende wäre, hatte er sich getäuscht, denn nun war Tobias an der Reihe, um seine Entschuldigung bei Leonie zu fordern. Zähneknirschend gehorchte der grobe Kerl, denn wohin er auch blickte, Hilfe war für ihn nirgends in Sicht.

Die Freunde nickten ihren Schwestern zu und machten sich wieder auf den Weg nach hinten. Martin ging voraus. Da konnte sich Maik nicht mehr beherrschen. In seinen Augen blitzte es gefährlich auf. Diese Demütigungen vor den überwiegend jüngeren Insassen im vollen Bus ließen ihn alle Vorsicht vergessen. Er holte aus und rammte dem ahnungslosen Tobias mit aller Gewalt die Faust in den Rücken. Der hatte mit keinem solch hinterhältigen Angriff gerechnet, schrie laut auf und fiel der Länge nach auf den Boden.

Martin, der schon ein Stück weiter nach hinten gegangen war, fuhr herum. Und was jetzt passierte, geschah so schnell, dass man gar nicht richtig sehen konnte, was alles vor sich ging. Mit einer Hand zog er Tobias hoch, dann schob er sich rasch an ihm vorbei. Jetzt hatte Martin freie Bahn. Mit einem Riesensatz stürzte er sich auf Maik, packte ihn am Kragen, dann hagelte es eine Reihe von Ohrfeigen, so schnell, so heftig und präzise, dass dem Kerl Hören und Sehen verging.

Der Busfahrer hatte inzwischen angehalten und Maik wurde auf die Straße gesetzt. Mit knallrotem Kopf und blutunterlaufenen Augen stierte er hinter dem Bus her.

„Der kann ganz schön zuschlagen“, bemerkte Tobias und rieb sich den schmerzenden Rücken. Und zu Martin gewandt, sagte er: „Prima, dass du ihn gleich verarztet hast. Wehe, wenn uns der Kerl noch einmal in die Quere kommt!“

Tobias und Martin blieben im Bus, bis Leonie und Sarah ausgestiegen waren. Dann fuhren sie bis zum Omnibushof in der Stadtmitte weiter. Dort wechselten sie ein paar Worte mit dem Fahrer. Der versprach, jedes weitere Vorkommnis umgehend zu melden. Die Linie sieben brachte sie dann zum Autohaus Silcher, ihrer Arbeitsstätte.

Leonies geheimnisvolle Begegnung in der Vulkanhöhle

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