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KOCHABEND

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Der Diamantring kann doch nicht einfach verschwinden«, stellte Klaus kopfschüttelnd fest und sammelte mit der Gabel die letzten Risottoreste auf seinem Teller ein.

»Wenn ihr das gesamte Zimmer auf den Kopf gestellt habt, müsste er ja aufgetaucht sein.«

Der ihm gegenübersitzende Peter nickte zustimmend und sprach das aus, woran Klaus dachte.

»Vielleicht wurde der Ring gestohlen!«

Gernot hatte seine beiden Freunde Klaus und Peter zum turnusmäßigen gemeinsamen Kochen eingeladen. Seit über zwei Jahren pflegten die drei Junggesellen diese liebgewordene Tradition. Alle drei Wochen trafen sie sich bei einem der Zweibeiner zum Schlemmen. Jumper und ich waren stets gerne mit dabei. Die Essensreste fanden in uns dankbare Abnehmer. Einstein, der Mischling von Gernots Freundin Jule, leistete uns diesmal Gesellschaft. Jule, die bei einem örtlichen IT-Unternehmen arbeitete, war auf einem Seminar und Einstein war daher an diesem Donnerstagmorgen für ein paar Tage zu uns gekommen. Einstein war übrigens der hübscheste und klügste Hund, den ich kannte. Der große Physiker, der zufällig genauso hieß, durfte froh sein, solch einen renommierten Namen zu tragen. Einstein konnte sogar das wahrnehmen, was jemand nicht sagen wollte oder zu verbergen trachtete. Er hörte die Worte zwischen den Buchstaben. Ich mochte den vierbeinigen Einstein nicht nur wegen seiner Intelligenz, sondern auch wegen seiner charmanten Art, seiner braunen Augen und seines ehrlichen Charakters. Offen gestanden war ich total verliebt in ihn. Im vergangenen Sommer war er zusammen mit Jule und einer ihrer Freundinnen gepilgert und hatte die beiden auf dem Jakobsweg nach Santiago de Campostella begleitet. Seitdem pflegte er ein neues Hobby: Bibelzitate, die er bei allen ihm passend erscheinenden Situationen rezitierte und oftmals eigenwillig auslegte.

»Suchet und ihr werdet finden, Matthäus 7,7, zweiter Satz«, kommentierte Einstein Peters Meinung über den verschwundenen Ring von Gernots Mutter.

Klaus, der Anfang des Jahres zum Professor für Physik an der Uni Münster berufen wurde, hatte übrigens auch einen Vierbeiner, allerdings von einer völlig anderen Fraktion: eine Katze! Nicht auszudenken, wenn er die mitbringen würde. Dann gäbe es für uns Fellpopos sogar eine Extraportion Frischfleisch.

Nachdem unsere Hobbyköche schon bei der Vorspeise in Stammtischmanier die dringendsten Probleme der Menschheit gelöst und beim Hauptgang, Risotto mit Garnelen, Jakobsmuscheln und Weißburgunder, über die Niederungen der Hundehaltung palavert hatten, widmeten sie sich der Nachspeise.

»Das Blaubeer-Trifle schmeckt wieder köstlich«, schwärmte Peter. »Hoffentlich haben wir genug davon da«, sorgte er sich.

»Ich denke, Du willst abnehmen«, foppte Gernot ihn und schaute auf seinen Bauch, der eingeklemmt zwischen Stuhl und Tischkante den Raum ausfüllte.

»Also, daran habe ich natürlich auch schon gedacht«, nahm Gernot den ursprünglichen Gesprächsfaden wieder auf. »Der Ring könnte vom Heimpersonal gestohlen worden sein. Da kämen viele Personen in Betracht, schließlich ist das Zimmer meiner Mutter nicht abgeschlossen.«

»Hast Du denn einen bestimmten Verdacht?«, fragte Peter und trank den letzten Schluck Weißwein aus seinem Glas.

»Nicht wirklich«, antwortete Gernot. »Sie hat eine Pflegerin und einen Pfleger, die sich hauptsächlich um sie kümmern. Aber die werden wohl nicht so dreist sein, sie zu bestehlen. Ich tippe eher auf jemand anderen aus dem Heim, dem sich einfach die Gelegenheit bot, den Ring an sich zu nehmen. Meine Mutter ist seit einigen Monaten auch zunehmend tüttelig und würde es einem Langfinger ziemlich einfach machen. Jedenfalls ist sie nach dem Verlust des Ringes so richtig durch den Wind.«

»Wenn der Ring wertvoll ist und deiner Mutter so viel bedeutet, dann hefte doch eine Notiz ans Schwarze Brett im Heim und lobe eine ordentliche Belohnung für den Finder aus«, schlug Peter vor und überlegte gleichzeitig, ob sein Kalorienhaushalt einen weiteren Dessertnachschlag vertragen würde.

Wir Vierbeiner bekamen den Rest Risotto und jeder eine Garnele. Gernot goss uns sogar etwas Wein, ungefähr ein Fingerhutvolumen, in den Napf. Die Aromen umarmten einander wie ein frisch verliebtes Paar. Unverständlicherweise ließ Einstein diese Zugabe unberührt. Er war in Sachen Alkohol Abstinenzler. Manchmal ist Einstein wirklich ein schwacher Hund, der der Versuchung nachgibt, sich eines Genusses zu versagen.

»Oder du kaufst einen ähnlich aussehenden Ring im Internet. Vielleicht merkt deine Mutter den Unterschied gar nicht und ihre Welt ist wieder in Ordnung«, schlug Klaus vor.

Die Zweibeiner entwickelten mit zunehmendem Grappagenuss, den Gernot als Digestiv reichte, weitere nicht allzu ernst zu nehmende Vorschläge zum Wiederauffinden des Ringes. Meine Freunde und ich mussten uns das alles von unserem Liegeplatz aus anhören. Männer, die in fortgeschrittener Weinlaune labern, sind noch schlimmer als Frauen, die Florian Silbereisen Unterwäsche auf die Bühne werfen.

Neben dem Heizkörper auf dem Boden liegend, konzentrierten wir uns auf den Austausch unserer Erlebnisse. Jumper und Einstein erzählte ich von Anna, die Gernots Mutter pflegte und sich so viel Zeit für den Gassigang mit mir genommen hatte. Zeit ist für einen Hund die wertvollste Währung. Anna schien eine reiche Frau zu sein. Zudem war sie die Besitzerin eines unerschöpflichen Leckerlivorrats.

In Jumpers Kopf kullerte der Rotwein, als er mit offenen Augen träumte: »Mein Peter kann Gernot doch auf der nächsten Fahrt nach Düsseldorf begleiten, dann kommen wir alle zu Anna und fressen uns die Bäuche voll.«

»Lasst zuerst die Kinder satt werden; denn es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und den Hunden vorzuwerfen, Markus 7,27«, erwiderte der stocknüchterne Einstein ernst.

»Nein, nein«, entgegnete ich mit entspannter Miene. »Anna hat keine Kinder, wir bräuchten mit niemandem zu teilen.«

Einen Moment malten wir uns in unserer Fantasie eine nimmer endende Fressorgie aus, bis mir wieder dieser seltsame Glaskasten in ihrer Wohnung einfiel. Ich erzählte meinen beiden Freunden davon und fragte:

»Habt ihr eine Ahnung, wozu so etwas gut sein kann?«

»Soso«, überlegte Einstein laut, legte seine Stirn in Falten und kaute intensiv auf seinem Golfball, was bei ihm immer ein Zeichen für angespanntes Nachdenken war. »Ein Glaskasten wie ein Aquarium, aber ohne Wasser und Fische.«

»Ja«, bestätigte ich, »nur mit Luft gefüllt. Ob etwas auf dem Boden lag, konnte ich allerdings nicht erkennen. Der Kasten stand einfach zu hoch.«

Jumper, noch im Fressmodus gefangen, meinte: »Vielleicht eine große Vorratskiste aus Glas, damit man immer sieht, wie viele Leckerlis noch da sind.«

Einstein sah den gerade aus der Pubertät entwachsenen Jumper mit Nachsicht an und sagte: »In Sprüche 10,3 heißt es: ‚Jahwe lässt keinen verhungern, der gottgefällig lebt, doch die Gier der Gottlosen stößt er zurück

Mörderjagd in Mecklenbeck

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