Читать книгу Unter Palmen und Buchen. Dritter Band. - Gerstäcker Friedrich, Jurgen Schulze - Страница 3

Eine Mesalliance
Drittes Capitel.
Der Brief

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Anderthalb Jahre waren nach der beschriebenen Scene verflossen, und »Baron Benner« hatte wirklich zum Erstaunen der ganzen Colonie nicht allein »Schrader's Dienstmädchen« geheirathet, sondern auch eine, dem alten Schuhmacher gehörende Section Land bezogen, auf der er sich selber ein kleines Häuschen baute und wacker zu wirthschaften anfing. Er schien in der That nicht zu viel versprochen zu haben, als er damals seinem Freund Krowsky sagte, er wolle ein neues Leben beginnen und mit dem alten vollständig und für immer brechen. Mit eisernem Fleiße hatte er gearbeitet, keine Stunde versäumt, kein Wirthshaus dabei betreten und sich in der kurzen Zeit mit zwei sehr glücklichen Ernten doch schon so viel verdient, daß er es als Grundlage einer künftigen gesicherten Existenz betrachten konnte.

Seine junge Frau hing dabei mit schwärmerischer Liebe an ihm, und Krowsky, der jetzt in Adelaide wohnte, und nach Verlauf eines Jahres noch einmal nach Tanunda hinauskam, um Abschied von Benners zu nehmen, blieb ordentlich überrascht stehen, als ihm das junge blühende Weibchen in all ihrer natürlichen Grazie mit einem prächtigen Jungen auf dem Arm entgegenkam und ihm, wie Purpur erröthend, die Hand reichte.

Krowsky selber verließ Süd-Australien und ging zu Schiff nach Neu-Süd-Wales, er sprach überhaupt davon, Australien vielleicht bald ganz zu verlassen. Er hatte das Leben zum Ueberdruß satt und konnte sich nicht hineingewöhnen – es gab doch nur ein Deutschland.

»Und was hast Du dort drüben?« sagte Benner. »Bist Du im Stande, wieder in die alten Verhältnisse, in die alte Stellung, in die alten Bekanntschaften einzutreten? – Nein, nie. Mittellos, der Spott der früheren Kameraden werden? Bei Gott, das hielte ich nicht aus, und darfst Du denn, mit Deinem Namen – dürfte ich es? – dort arbeiten? Wir wären ausgestoßen aus der Gesellschaft, in die wir dort nun einmal gehören, und würden uns unglücklich und elend fühlen. Nein wahrlich, da bleib' ich lieber hier und gründe mir hier meine eigene Welt, meinen eigenen Kreis. – Geh mir mit Deutschland und seinen schaalen hohlen Begriffen von Stand und Rang, seinen Prätensionen und übertünchten gesellschaftlichen Formen – ich will nichts mehr davon hören.«

Krowsky reiste am nächsten Tag ab, und Benner begleitete ihn bis nach Adelaide auf das Schiff, dann kehrte er nach Hause zurück und nahm das alte Leben wieder auf.

So vergingen noch wieder mehrere Monate; es war in den letzten Tagen des Mai, und Benner mit seiner Flinte in das Maisfeld hinausgegangen, da sich die ersten Kakaduschwärme zeigten und die noch saftigen Maiskolben bedrohten. Die gefräßigen Vögel, ein Schwarm von vielleicht funfzig bis sechszig Stück, die in die benachbarten Gummibäume einfielen, machten auch gleich einen Angriff auf die leckere Beute, flüchteten aber, als sie den Mann aus dem Haus kommen sahen, wieder in die Wipfel der riesigen Bäume hinauf, wo sie ein Schrotschuß gar nicht erreichen, ihnen wenigstens keinen Schaden thun konnte. Dort saßen sie und kreischten und tobten, bis sie richtig den Hauptzug herbeilockten, der gerade von Osten herüberstrich und die Ansiedelungen aufsuchte.

Wie eine weiße mächtige Wolke kam er heran, viele Tausende dieser geselligen Vögel, und mit einem Lärm, der bei stillem Wetter auf Meilen weit hörbar war, fielen sie plötzlich in die benachbarten Bäume ein, daß diese wie beschneit aussahen, so waren sie von ihnen bedeckt.

Benner kannte aber schon die Lebensart der Kakadus und versuchte nicht, an sie anzuschleichen, sondern versteckte sich hinter einen im Feld stehenden alten und abgestorbenen Baum, wo er ruhig und regungslos stehen blieb, bis sich die ziemlich scheuen Vögel endlich überzeugt zu haben glaubten, daß Alles da unten sicher sei. Jetzt löste sich der erste Schwarm aus den Wipfeln ab, vielleicht fünf- bis sechshundert, und strich lautlos in das Feld nieder, gerade über Benner's Kopf weg; da krachte der erste und gleich darauf der zweite Lauf mitten hinein in die Masse, und wie die erschreckten Thiere aufkreischend auseinanderstoben, stürzten zwölf oder vierzehn von ihnen todt oder geflügelt wie ein Regen in das Feld nieder.

Jetzt aber war es, als ob jeder der Vögel sein Bestes thue, den anderen zu überschreien; ein wahrer Höllenlärm entstand, und Hunderte, während die Verwundeten am Boden nicht weniger Spectakel machten, stießen von den Bäumen herab, wie um ihnen beizustehen, oder doch zu sehen, was da vorging.

Der junge Mann hatte indessen in aller Hast seine beiden Läufe wieder geladen, und wie Trupp nach Trupp mit wildem, ängstlichem Geschrei über den Platz wegstrich, suchte er sich wieder den zahlreichsten Schwarm aus und feuerte noch einmal hinein, wieder mit nicht viel schlechterem Erfolg. Das war ihnen zu viel. Daß sie außerdem den Feind nicht sehen konnten, ängstigte sie. Die Gegend kam ihnen zu unsicher vor, von den Bäumen strichen sie ab, kreisten ein paar Mal hoch in der Luft und weit außer Schußweite um den verdächtigen Platz und zogen dann in dichtgedrängtem Schwarm nach Westen hinüber.

Benner war noch damit beschäftigt, die Erlegten zusammenzusuchen und die Verwundeten vollends zu tödten. Die Kakadus haben zwar ein nichtswürdig hartes, dunkelrothes Fleisch und liefern einen nur sehr zweideutigen Braten, geben aber, wie die Ansiedler wenigstens behaupten, eine gute Suppe, und Henriette wußte die auch vortrefflich zuzubereiten. Da hörte er irgend wo im Feld draußen seinen Namen Rufen:

»Herr von Benner! – Herr von Benner!«

»Huhp!« antwortete er, um die Richtung anzugeben, in der er sich befand und richtete sich hoch auf.

»Huhp!« antwortete die Stimme wieder und irgend Jemand arbeitete sich durch den Mais durch nach ihm zu. – »Aber wo stecken Sie denn? Der Teufel kann Sie in dem Gewirr von Stöcken finden.«

»Hier!« antwortete Benner wieder und gleich darauf tauchte das schweißgeröthete Gesicht des kleinen Kaufmanns Becher aus dem Blattdickicht auf und lächelte vergnügt, als er den jungen Mann bei seiner Arbeit entdeckte.

»Hallo!« rief er, »haben Sie aber hier eine Verwüstung im zoologischen Garten angerichtet. Herr der Welt! Was wollen Sie mit all den Kakadus machen?«

»Suppe,« sagte Benner, »und wenn Sie nichts Besseres vorhaben, bleiben Sie bei uns zu Tisch.«

»Danke Ihnen, angenommen!« rief Becher, sich mit einer englischen Flagge dabei die Stirn trocknend. Er hatte nämlich in Deutschland eine bedeutende Quantität baumwollener Taschentücher als solche Flaggen drucken lassen, aber in der deutschen Colonie doch nicht den Absatz dafür gefunden, den er vielleicht erwartete, und nun selber, um damit aufzuräumen, ein Dutzend davon in Gebrauch genommen. »Nach Tanunda käm' ich auch bei der Hitze gar nicht wieder zurück, ohne unterwegs zu schmelzen. Ist das ein Land, dies Australien – Alles verkehrt – rein Alles! Ich habe sogar die Compasse in Verdacht, daß sie heimlicher Weise nach Süden statt nach Norden zeigen, und selbst die Sonne hier im Westen auf und im Osten untergeht – im Stande wär' sie's. – Ha, passen Sie auf, da drüben sitzt noch einer – nehmen Sie sich in Acht, die Racker beißen wie die Teufel – mich hat einmal einer ausgezahlt.«

Benner lachte, zog den bezeichneten Kakadu, der unter einem der dort überall als Unkraut wachsenden Pelargonienbüsche saß, bei einer Flügelspitze vor und schlug ihn vollends todt. Dann raffte er seine, nicht unansehnliche Beute zusammen und machte sich bereit, damit nach Hause zurückzukehren.

»Aber was führt Sie bei der Hitze und Gluth hier in unsere abgelegene Gegend, mein guter Herr Becher?« fragte er, während er neben ihm her dem Haus wieder zuschritt. »Wollen Sie einen neuen Einkauf von Hühnern und Eiern machen, oder werfen Sie sich gar auf die Mehlspeculation, die uns die Preise in die Höhe treibt?«

»Diesmal nicht,« sagte Becher, – »aber bitte, lassen Sie mich doch eine Partie von den Bestien tragen – sie sind doch ordentlich todt?«

»Haben Sie keine Furcht, von denen beißt Keiner mehr. Hier, nehmen Sie die da, wenn Sie sich denn absolut nützlich machen wollen.«

»Danke Ihnen – nein, ich bin nur Ihretwegen heute herausgekommen; ich habe einen Brief für Sie.«

»Einen Brief? Für mich?« rief Benner, erstaunt stehen bleibend, »und woher?«

»Ja, ich weiß es nicht,« sagte der kleine Mann, »er steckt in meiner Satteltasche im Haus – er ist vom ***schen Consulat aus Sydney und nach Adelaide geschickt, von wo er an mich weiter befördert wurde.«

»An Sie?« sagte der junge Mann kopfschüttelnd; »aber was haben Sie denn mit dem ***schen Consulat zu thun?«

»Ja, sehen Sie,« lächelte Becher etwas verschämt, »Sie wissen doch, daß ich aus Anhalt-Köthen bin, und da habe ich schon seit einiger Zeit das Anhalt-Köthensche Consulat für Tanunda bekommen, um die Interessen unserer Staatsangehörigen zu vertreten.«

»Alle Wetter!« rief Benner, »da wird Ihnen verwünscht wenig Zeit für Ihre übrigen Geschäfte bleiben.«

»Ach nein,« meinte der kleine Mann, doch ein wenig verlegen, »eigentlich ist dies die erste Besorgung die ich bekommen, denn unserer Staatsangehörigen haben wir keinen einzigen in der ganzen Colonie. Aber wissen Sie, es hat doch auch manche Annehmlichkeit Consul zu sein und – meine Frau freut sich besonders darüber.«

Sie waren indessen an das Haus gekommen, wo Benner's junge Frau schon, sie erwartend, mit dem Kind auf dem Arm, in der Thür stand und ihnen freundlich zuwinkte. Und wie jubelte der Kleine, als ihm der Vater die erlegten Vögel zeigte und ihm dann einen Flügel zum Spielen abschnitt.

Becher war indessen geschäftig zu seiner Satteltasche gelaufen, um den Brief zu holen, der mit einem großen, aber schon breitgeschmolzenen Consulatssiegel verschlossen war, daß man das Wappen nicht einmal mehr erkennen konnte. Die junge Frau betrachtete dabei mit einem ihr selbst unerklärlichen beängstigenden Gefühl das große, wie amtliche Schreiben, das ihr Gatte noch immer kopfschüttelnd in der Hand hielt.

»Was um Gottes willen kann nur das ***sche Consulat an mich zu schicken haben,« sagte er dabei, als er die Adresse las. »Herrn Freiherrn Eduard von Benner zu Adelaide in Süd-Australien – Freiherrn – ja wahrhaftig, ein Freiherr bin ich im wahren Sinn des Worts, wenn auch wohl nicht in der Art, wie die Adresse meint – und von wem der Brief nur sein kann?«

»Aber warum brechen Sie ihn denn nicht auf?« sagte Becher, »da erfahren Sie ja gleich die ganze Mordgeschichte.«

»Mordgeschichte?« rief die Frau erschreckt.

»Oh Jemine,« lachte Becher abwehrend, »so war es ja nicht gemeint, – ich weiß ja gar nicht was d'rin steht, nicht einmal wo er her ist. Vielleicht ist es ja auch etwas recht Gutes, eine Erbschaftsangelegenheit möglicher Weise, oder ein Lotteriegewinnst – wer kann denn wissen, was in einem solchen Consulatsbrief steht?«

Benner hatte das obere Couvert abgerissen und fand einen anderen, schwarz gesiegelten Brief darin, der sein eigenes Wappen trug.

»Von meiner Schwester,« rief er erschreckt, wie nur sein Auge auf die Adresse fiel.

Er war leichenblaß geworden, und Henrietten's angsterfüllte Blicke hingen an seinen Zügen.

»Hm – sollte mir leid thun, wenn eine unglückliche Nachricht darin stände,« meinte Becher gutmüthig – »aber wer zum Henker kann so was vorher wissen. Vielleicht ist's aber auch nur ein weitläufiger Verwandter, der Sie in seinem Testament bedacht hat, lieber Benner. – Famose Geschichte wenn so ein alter reicher Onkel stirbt, von dem man nur erst durch das Testament erfährt, daß er überhaupt gelebt hat.«

Benner hörte gar nicht mehr was Jener sprach. Er hatte den Brief in ungeduldiger Hast aufgerissen und verschlang die Zeilen der bekannten, lieben Handschrift mit den Blicken.

Endlich ließ er den Brief sinken und starrte still und schweigend vor sich nieder.

»Darf ich wissen, was Dir so weh thut, Eduard?« flüsterte Henriette und legte ihren Arm um seine Schulter.

»Ja, mein Herz,« sagte er leise, und ein paar große helle Thränen perlten ihm in den Bart. »Du darfst und mußt es wissen – bleiben Sie, lieber Becher – es ist überhaupt kein Geheimniß – der Brief enthält die Nachricht von dem Tode meines Vaters.«

»Armer Eduard,« sagte die junge Frau und schmiegte sich fester an ihn – »oh, wie leid mir das Deinetwegen thut!«

»Aber ich denke, Benner,« sagte der kleine Kaufmann, in reiner Verzweiflung, nur irgend einen Trost zu finden, »Sie – Sie haben mit Ihrem Herrn Papa nicht immer ganz harmonirt?«

»Es war mein Vater,« flüsterte der junge Mann, »und ich selber trage auch wohl viel – viel die Schuld jener unseligen Zwistigkeiten.«

Er war auf einen Stuhl niedergesunken und barg das Antlitz eine Weile in der linken Hand. Endlich stand er auf; er sah sehr blaß aus, war aber vollkommen ruhig, und Becher die Hand hinüberreichend, sagte er freundlich:

»Ich danke Ihnen, lieber Becher, daß Sie sich so viel Mühe meinethalben gegeben haben – lassen Sie mich jetzt einen Augenblick allein hinausgehen – es sind viele Dinge, die mir den Kopf kreuzen.«

»Aber, bester Freund, ich komme lieber auf ein ander Mal wieder.«

»Nein – nein – laß ihn nicht fort, Jettchen – nur sammeln möchte ich mich – der Schlag kam zu plötzlich – zu unvorbereitet – mein Vater war noch so rüstig, noch in seinen besten Jahren.«

»So war er nicht lange leidend –«

»Er ist auf der Jagd erschossen worden.«

»Du großer allmächtiger Gott,« sagte sein Weib erschüttert, »das ist ja furchtbar.«

»Ja, die verfluchte Jagd!« rief Becher leidenschaftlich, »was da schon für Unglück geschehen ist! – und das nennen die Leute nun ein Vergnügen, mit geladenen Büchsen im Walde nach allen Richtungen hin herumzuschießen, ob da Menschen stehen, oder nicht, wenn sie nur einen Hasen treffen. Na, ich danke.«

»Willst Du allein gehen, Eduard?«

»Laß mich einen Augenblick, mein Herz – ich muß auch den Brief noch einmal ordentlich überlesen. Es steht so viel, so Verworrenes darin, daß mir der Kopf ordentlich schwindelt – ich bleibe gewiß nicht lange aus.«

Er verließ das Zimmer, und Becher überlegte sich eben im Stillen, ob er nicht besser gethan, wenn er seinen ersten Consulatspflichten weniger treu nachgekommen wäre und den ominösen Brief mit der Post zugeschickt, oder durch einen expressen Boten besorgt hätte! Er hatte auf einen vergnügten Tag gerechnet und kam in ein Trauerhaus; es ließ sich aber jetzt nicht mehr ändern. Seine Gutmüthigkeit trieb ihn auch dazu an, die arme, sehr niedergeschlagene Frau zu trösten, und in seinem Eifer, sie zu zerstreuen, erzählte er ihr jetzt eine Unmasse von anderen, dem ähnlichen, ihm bekannten Unglücksfällen. Da hatte ein guter Freund von ihm einmal einen Schrotschuß in den Unterleib bekommen und nur noch lange genug gelebt, um seiner herbeigeeilten Frau Lebewohl zu sagen. Auf einem Nachbardorfe war dem Pfarrer das eigene Gewehr los und der Schuß durch die Hand gegangen, und ehe sie abgenommen werden konnte, bekam der Mann die Maulsperre und starb. – Und der Herr von Pescow gar, der Gutsbesitzer, wo er zu Hause war, der kommt Abends von der Jagd zu seiner Braut – am nächsten Tage sollte die Hochzeit sein, und er wollte nur noch einen Rehbock dazu schießen, und wie er die Flinte in die Ecke stellt, geht sie los und trifft ihn gerade durch den Kopf, daß er todt in die Stube fällt. – Und dann Schulmeister Lettweilen, ein seelensguter Mensch, wenn auch ein Bischen leichtsinnig –

Henriette ließ ihn nicht weiter erzählen; sie bat ihn, um Gotteswillen mit den Schreckensgeschichten aufzuhören – ihr würde ganz übel und weh dabei zu Muthe, und Becher, dem in diesem Augenblick gar nichts Anderes einfiel, war damit völlig auf's Trockene gesetzt. Aber die Frau hatte auch jetzt viel in der Küche zu thun, um das Essen herzurichten – die Kakadus könnten freilich für heute nicht mehr verwandt werden, denn sie bedurften ihre gehörige Zeit, um gahr zu werden. Becher setzte sich indessen in der Stube auf einen bequemen Rohrstuhl, wo er von der Hitze und dem langen ungewohnten Ritt heut' Morgen in der Sonne bald ermüdet einschlief.

Henriette fand ihn da, störte ihn aber nicht, sondern deckte nur so geräuschlos als möglich den Tisch, damit Eduard, wenn er wieder nach Hause kam, das Essen fertig und Alles bereit fände. Erst als sie ihn kommen sah, weckte sie Herrn Becher und konnte, trotz ihrer trüben Stimmung, kaum ein Lächeln unterdrücken, als sie das verdutzte Gesicht des kleinen, aus dem Schlaf auffahrenden Mannes sah, der mit weit geöffneten Augen ganz bestürzt um sich starrte und um's Leben nicht zu wissen schien, wo er sich eigentlich befand und was mit ihm vorgegangen. Erst nach und nach kam er wieder zu vollem Bewußtsein und versicherte jetzt die junge Frau ganz ernsthaft, er sei so müde gewesen, daß er »beinah' eingeschlafen wäre«.

Benner war still, aber freundlich. Er ging, als er in's Zimmer trat, auf Henrietten zu, nahm sie in den Arm und küßte sie herzlich auf Stirn und Augen; aber er sprach nicht weiter über den Brief oder den Todesfall; ja, als Henriette ihn direct deshalb fragte, sagte er: »Laß das heute, mein Kind; der Schmerz ist für mich noch zu neu, um ihn ruhig zu besprechen. Morgen reden wir darüber; ja, Du sollst selber den Brief lesen und mir Deine Meinung sagen.« Er wurde dann gesprächiger, ja selbst heiter und unterhielt sich lange mit Becher über die jetzigen australischen Zustände, über das Deportationswesen im Norden, über Mehl- und Wollpreise, selbst über die kleinlichen Religionsstreitigkeiten in Tanunda zwischen den Alt-Lutheranern und sogenannten »Weltkindern«, d. h. solchen, die der freien, oder auch wohl gar keiner Gemeinde angehörten.

Es war spät, als Becher endlich den Heimritt aber jetzt in der Kühle des Abends, antrat, und es schien fast, als ob Benner allen weiteren Erörterungen zu Hause noch selber so lange als möglich aus dem Weg gehen wollte, denn er sattelte sein eigenes Pferd und begleitete den kleinen Mann fast bis Tanunda hinein. Erst als sie die Lichter des Städtchens schon von weitem sehen konnten, wandte er sein Thier und kehrte langsam nach Hause zurück.

Unter Palmen und Buchen. Dritter Band.

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