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I.
In der Südsee
Die Bootsmannschaft
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Wohl waren sie an dem Raub des Mädchens vollkommen unschuldig, würden aber diese Barbaren darauf Rücksicht nehmen? Sie gehörten mit zu dem Schiff, das die Gastfreundschaft der Eingeborenen in so undankbarer, böser Weise vergolten, und was der Capitain gesündigt, konnte jetzt wahrscheinlich die Mannschaft entgelten.

Im Anfang nahm aber Niemand von ihnen auch nur die mindeste Notiz. Die Mannschaft der Canoes sprang, so wie ihre Fahrzeuge Grund berührten, über Bord und an Land, und schaute sich nicht einmal nach den Europäern um. Diese blieben auch noch immer, eines weiteren Befehls gewärtig, im Boote und richteten sich nur jetzt halb auf, dem wilden Toben am Lande zuzusehen.

„Guten Morgen, Lemon,“ sagte da Jonas, als er den also benannten Kameraden dicht neben sich erblickte – „auch mit angekommen? – und Spund, Pfeife und Lord Douglas sind auch mit da?“

„Die ganze blutige Gesellschaft,“ knurrte Lemon mit einem Gesicht, als ob er sich und die ganze übrige Welt hätte vergiften können. „Jetzt haben wir die Bescheerung!“

„Und wo ist unser zweiter Harpunier?“ fragte Jonas, sich nach diesem unter den Gefangenen umsehend, „denn unser Boot ist doch wenigstens hier beisammen.“

„Das ist dem zweiten Harpunier seine Sache!“ knurrte Lemon. „Wahrscheinlich frühstückt er heute Morgen mit irgend einem Haifisch – hol' ihn der Teufel!“

„Hallo, Mates, an Land!“ rief da der Schotte Mac Kringo seinen Kameraden zu – „seht ihr nicht, wie uns das dicke Rothfell da drüben zuwinkt und schreit? – Sie wollen die Canoes wahrscheinlich auf die Corallen ziehen.“

„Na dann look out for a squall!“ murmelte Jonas vor sich hin, indem er langsam den voransteigenden Gefährten folgte. „Jetzt wird die Bombe platzen.“

Seine Befürchtung zeigte sich indessen, wenigstens für den Augenblick, unbegründet, denn die Insulaner, die für jetzt noch viel zu sehr mit dem geretteten Mädchen, der Tochter des Häuptlings, zu thun hatten, thaten gar nicht, als ob die weißen Männer auch nur auf der Welt wären. Ohne selbst bei dem Aufslandziehen der Boote ihre Hülfe in Anspruch zu nehmen, ließ man den kleinen Trupp der eingebrachten Europäer unbeachtet, selbst unbewacht am Ufer stehen, und Alles drängte sich jetzt nur um Hua her, Männer, Frauen und Kinder, sie zu bewillkommnen, sie zu umarmen.

In vielen Augen standen sogar Freudenthränen, mit denen sie das geliebte und schon fast verloren gegebene Kind begrüßten.

Während aber noch ein Theil der Insulaner so umhersprang und jubelte oder sich wieder und wieder die Abenteuer der letzten Nacht von den Freunden erzählen ließ, gingen andere mehr praktisch auf die nächsten Bedürfnisse der Neuangekommenen ein, die jedenfalls nach ihrer langen gefährlichen Fahrt Hunger haben mußten. Im Schatten der nächsten Palmen wurden ihre gewöhnlichen Kochgruben zum Rösten der Ferkel rasch hergerichtet, Brotfrüchte, Bananen und Fische herzugeschafft und Alles geordnet, ein baldiges und reichliches Mahl zu versprechen.

Die Frauen verrichteten dabei gar keine oder nur die leichteste Arbeit, pflückten breite Blätter, besonders von den Hibiscusbäumen, die zu Tischtüchern und Servietten dienen sollten, holten in leeren Cocosnüssen Seewasser herbei, das die Stelle des Salzes vertrat, und pflückten Früchte von den nächsten Büschen, welche dann die Knaben zu den beabsichtigten Eßplätzen trugen.

Die Europäer standen indessen noch immer auf einem Trupp und leise flüsternd zusammen, sahen zu, wie die Ferkel ausgenommen und geröstet wurden, und wie die Gäste schon Miene machten, ihre verschiedenen, ihnen durch den Rang angewiesenen Plätze einzunehmen.

Da trat plötzlich Toanonga, der Häuptling der Insel und Vater Hua's, aus dem Kreis der Seinen, wackelte gemüthlich auf die Matrosen zu, vor denen er, beide Hände auf seine Hüften legend, stehen blieb, und sagte:

Chio do fa, ihr Männer – chio do fa – ihr seid nicht lange fortgeblieben und habt schöne Streiche mit eurem großen Canoe gemacht. Wi23! – Wi, ihr Burschen, war das der Dank, daß ihr so viel Brotfrucht und Cocosnüsse und Bananen und Ferkel hier bekommen habt und so freundlich von uns aufgenommen worden seid? – Wi! schämt euch – und wie ihr jetzt da steht! – Toanonga möchte nicht in eurer Haut stecken, nicht um alle Glasperlen der ganzen Welt.“

Wenn die Meisten der Schaar auch nicht die Worte verstanden, fühlten doch Alle deutlich genug, was der Mann eigentlich zu ihnen sagte, was er sagen und denken mußte – und er hatte Recht. Die armen Teufel befanden sich so unbehaglich wie möglich und sahen, nach einem spätern Vergleich Spund's, wirklich gerade so aus, wie ein Hund, den man beim Stehlen erwischt.

Der alte würdige Insulaner war dabei sehr ernst und finster geworden, und Spund, der Furchtsamste der Schaar, that schon einen Schritt vor, ihm wo möglich zu Füßen zu fallen und um Gnade zu bitten. Mac Kringo jedoch, der Einzige von ihnen, der die Landessprache verstand und darin verkehren konnte, während die Übrigen bis jetzt nur Worte davon begriffen, trat da vor und sagte:

„Du hast Recht, Toanonga, es war ein schlechter Streich, den dir der Capitain gespielt – aber was können wir dafür? Waren wir in dem Boot, das deine Tochter vom Lande stahl? Nicht ein Einziger. Frag sie selber, und sie muß dir meine Worte bestätigen. Du bist deshalb auch zu vernünftig, uns das entgelten zu lassen, was ein Anderer verbrochen hat.“

„Schweig du, bis du gefragt wirst, mein Bursche,“ rief aber Toanonga, der es für unter seiner Würde hielt, sich mit einer untergeordneten Person – und er wußte recht gut, daß die Matrosen das an Bord der Schiffe waren – in ein Argument einzulassen. „Ihr steckt alle mit einander unter einer Decke, und wenn du in dem Boote gewesen wärest, würdest du eben so gut gerudert haben, und wie die Anderen es gethan, sobald es dir dein Capitain befohlen.“

Tai halla! tai halla! – gewiß!“ schrieen jetzt eine Menge junger Burschen, die sich herbeigedrängt, so wie sie sahen, daß ihr Häuptling mit den Papalangis sprach, und wilde Ausrufe, hier und da auch mit Verwünschungen gemischt, kreuzten toll und laut durch einander.

Da hob Toanonga nur den Arm auf, und im Augenblick verstummte der Lärm. Auf ein zweites, eben so gebieterisches Zeichen bemächtigte sich aber eine Anzahl kleiner Burschen der Männer und suchte sie unter Lachen und Schreien von ihrer Stelle hinweg und dem Holzrand zuzuführen.

Widerstand wäre unter allen Umständen fruchtlos gewesen, und die Leute wollten dem Befehle schon ruhig gehorchen. Spund jedoch, der glaubte, daß es jetzt an ihr Leben ginge, drängte sich bis zu Toanonga hin, und vor diesem richtig auf die Kniee fallend, bat er den alten ehrlichen Häuptling im breitesten Irisch um sein Leben.

Über das Gesicht des Alten stahl sich aber ein gutmüthiges Lächeln, denn es that ihm wohl, nicht allein den Weißen gegenüber seine Autorität gezeigt zu haben, sondern sich auch von ihnen gefürchtet zu sehen. Er war aber viel zu weichherzig, ihnen irgend ein Leid anzuthun. Seine Tochter hatte er wieder zurück, das Schiff, welches ihm hatte Schaden zufügen wollen, war verbrannt, und die paar davon an seine Insel verschlagenen Weißen dachte er nicht für Vergangenes zu bestrafen. Die jungen Burschen hatten im Gegentheil die Papalangis nur eben zum Frühstück führen sollen, das etwas abseits von den Eingebornen für sie hergerichtet worden, und als ihnen dies jetzt von dem alten Häuptling erklärt wurde, war dem armen Teufel eine große Last von der Seele gewälzt.

Der leichte Muth, den Matrosen vor allen übrigen Menschen so besonders eigen, gewann auch bald bei ihnen wieder die Überhand, und als sie jetzt in einem kleinen Dickicht von Pandanus, Casuarinen und einzelnen hochstämmigen Cocospalmen, unbelästigt von einem der Eingeborenen, um das reichliche Mahl saßen, kehrte die, wenn auch nicht fröhliche, doch sorglose Laune rasch zurück.

„Und da hätten wir endlich unseren Wunsch erfüllt,“ brach Legs zuerst das Schweigen, „da säßen wir auf dem Trocknen mit Schweinebraten und Brotfrucht, statt Salzfleisches und Schiffszwiebacks, und Cocosmilch, statt faulen Wassers und dünnen Grogs. Jungens, wenn die Sache nicht schlimmer wird, so können wir es hier ruhig aushalten, und wenn erst ein paar Tage vorüber sind, daß von der fatalen Mädchengeschichte nicht weiter gesprochen wird, so dürfen wir am Ende gar noch unserem Schöpfer danken, uns aus dem alten verbrannten Kasten hieher zurückgeführt zu haben.“

„Sei nicht zu sicher, mein Bursche,“ brummte jedoch der Schotte, „wir wissen noch gar nicht, ob uns der Brand des Schiffes zum Heil ausschlagen wird; denn ehe wir es uns versehen, kann uns die braune Rotte über dem Halse sein.“

„Der liebe Gott hat es jedenfalls gethan,“ bestätigte aber auch Spund, eben mit einem delicat gebackenen Rippenstück beschäftigt, und Spund gehörte überhaupt – wo es ihm gerade paßte – einer streng religiösen und zwar methodistischen Richtung an. „Der liebe Gott hat es gethan, und daß er euch nichtsnutziges Gesindel ebenfalls in seinen erbarmenden Schutz genommen, ist nur wieder einer von seinen unbegreiflichen, aber sicher zum Heil führenden Wegen.“

„Na, wir wollen hier nicht untersuchen, ob wir es verdient oder nicht verdient haben,“ sagte da Pfeife, „hier sind wir aber einmal, durch die gütige Fürsehung von dem Wassertode und vielleicht noch vor Schlimmerem bewahrt, und wie ich die Insulaner bis jetzt gefunden, so glaube ich kaum, daß uns noch eine Gefahr für unser Leben droht. Hätten sie Böses mit uns im Sinne, so brauchten sie uns nur einfach ersaufen zu lassen; kein Mensch hätte ihnen dabei einen Vorwurf machen können. Kalter, berechneter Blutdurst liegt aber nicht in ihrer Natur, und da sie uns nicht im ersten Augenblicke die Schädel eingeschlagen haben, so denk' ich, dürfen wir für unsere Sicherheit auch weiter nichts fürchten.“

„Ich möchte nur wissen,“ knurrte da Lemon, einen Seitenblick nach dem Böttcher werfend, „warum Spund um Gnade gebeten hat, wie sie uns zum Frühstück riefen.“

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Wie: Pfui – schäme dich.

Inselwelt. Erster Band. Indische Skizzen

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