Читать книгу Unter Palmen und Buchen. Zweiter Band. - Gerstäcker Friedrich, Jurgen Schulze - Страница 6

El Comisario
Fünftes Capitel.
Baptista

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Der Capitän hatte seine Schuldigkeit gethan und sein Ziel viel rascher und vollkommener erreicht, als er je gehofft. Es drängte ihn deshalb wieder an Bord zurück. Aber so bald kam er noch nicht los, denn von allen Seiten strömten Menschen herbei, um ihm die Hand zu drücken und ihm zu erklären, daß sie gute Freunde bleiben und keinen Krieg miteinander haben wollten. Und nicht allein die Männer thaten das, sondern ganz besondere Energie entwickelten die Negerweiber, von denen die Insel ein außerordentlich starkes Contingent stellte, und wo solch eine alte würdige Dame einmal die Hand des Seemannes erwischte, ließ sie nicht sogleich wieder los. Sie versicherten ihm dabei stets mit ihrer gewöhnlich tiefen Baßstimme, daß sie sich unendlich glücklich schätzen würden, wenn er zu ihnen in das Haus kommen und eine Tasse Chocolade trinken wolle.

Er hatte Mühe sich ihrer zu erwehren, und sein Boot endlich wieder gewinnend, sprang er hinein und ließ sich an Bord zurückrudern.

Still vor sich hin mußte er freilich unterwegs lachen, wenn er sich überlegte, daß Tomaco eigentlich nur dadurch friedlich erobert und Mosquera eine neue Stadt gewonnen sei, daß sich beide Theile vor einander gefürchtet hätten, denn wie die Sachen standen, konnten sie sich gegenseitig keinen großen Schaden thun. Die List war aber gelungen; die Bewohner von Tomaco hatten sich durch eine völlig unausführbare Drohung: die Beschießung der Stadt, einschüchtern lassen, und es lag jetzt an Señor Fosca, das Weitere in Frieden und Freundschaft zu arrangiren und sich mit den Behörden zu verständigen.

Als der Capitän sein kleines Fahrzeug erreicht und den Befehl gegeben hatte, Munition und Kugeln wieder fortzuräumen und die »Geschützstücke« auf's Neue zu befestigen – ein sicheres Zeichen also, daß von einem Kampf nicht weiter die Rede war – trat plötzlich der Franzose zu seinem Admiral heran, und seinen kleinen Wachshut abnehmend, wollte er ihn eben anreden, als Señor Fosca mit triumphirendem Blick auf diesen zukam und rief:

»Ich weiß Alles! Schon ehe Sie zurückkamen war ein Fruchtboot hier. – Meine alten Freunde sind noch dieselben – der nämliche Eifer, Einer dem Andern einen Verdienst vor der Nase wegzuschnappen. – Aber ich habe auch Ihren Erfolg erfahren und – daß Señor Ramos wirklich hier mit seiner ganzen Familie lebt. Er kann uns jetzt nicht mehr entgehen und ich bitte Sie also, Almirante, mir nachher sechs Mann von Ihren Leuten zur Verfügung zu stellen, um den Verräther zu verhaften.«

»Mein bester Señor,« sagte der Seemann, dem die Sache augenscheinlich fatal war, – »ich habe den guten Leuten da drüben versprochen, sie nicht weiter zu schädigen.«

»Aber der Verräther war ausgenommen,« rief Fosca rasch, – »gehört er doch auch gar nicht nach Tomaco und geht der Stadt nicht das Geringste an. Señor Almirante, ich habe den strengen Auftrag von Sr. Excellenz, auf diesen gefährlichsten aller Staatsverräther zu fahnden und ihn nach Buenaventura zu liefern. Ich möchte nicht in des Mannes Haut stecken, der ihm Zeit und Gelegenheit ließe, zu entkommen.«

»Ach was!« brummte der Seemann verdrießlich vor sich hin, »so gefährlich wird die Sache nicht sein, Señor. Aber meinetwegen thun Sie, was Sie nicht lassen können und nehmen Sie sich von Leuten was Sie brauchen. Ich mache Sie aber dafür auch für alle Folgen verantwortlich, wenn Sie die jetzt beruhigten Einwohner wieder aufreizen und unser Aller Sicherheit dadurch gefährden.«

»Die Verantwortung übernehme ich,« sagte der Commissair, und ein boshaftes Lächeln zuckte über sein fahles Gesicht, als er sich umdrehte und wieder in die Cajüte hinunter stieg.

»Was wollen Sie?« wandte sich der Capitän nun, eben nicht in bester Laune, an den jungen Franzosen, der indessen zurückgetreten war, um sein Anliegen später vorzubringen.

»Señor Almirante,« sagte der Franzose, »wie ich zu meiner Freude sehe, ist kein Krieg mehr nöthig. Unter diesen Verhältnissen brauchen Sie aber auch keinen master at arms mehr, und da ich jetzt ein unnützes Möbel an Bord bin, so wollte ich Sie ersuchen, mir meine Entlassung zu geben. Ich möchte gern in mein eigenes Vaterland zurückkehren.«

»Thut mir leid,« sagte der Seemann barsch, »Ihre Zeit ist noch nicht um und außerdem brauche ich Sie nothwendig. Sie sind Schiffszimmermann, nicht wahr?«

»Ein sehr mittelmäßiger,« bestätigte achselzuckend der Gefragte.

»Thut nichts! Wahrscheinlich immer noch besser als unsere carpinteros in Buenaventura. – Sie müssen mit helfen, den Schooner wieder in Stand zu setzen, wenn wir zurückkommen.«

»Den Schooner?« lächelte der Franzose. – »Ach ja, es geht, wenn er einen neuen Rumpf und andere Masten bekommt und nachher frisch aufgetakelt werden kann. An den alten Kasten werden Sie aber doch keine Reparaturkosten mehr wegwerfen wollen?«

»Das ist Sache der Regierung,« brach der Capitain kurz ab. »Sie gehen jedenfalls mit zurück und dort findet sich das Weitere. Sehen Sie indessen zu, daß mir das Volk kein Unglück mit dem Pulver anrichtet – daß sie besonders da unten nicht rauchen. Haben Sie mich verstanden?«

»Vollkommen gut, Señor,« sagte der Franzose mit einer Verbeugung, als der Seemann an ihm vorüberschritt und dem Commissair in die Cajüte folgte.

»Abgeblitzt!« lachte der Engländer, der, als er auf das Quarterdeck kam die Unterredung gehört hatte. – »Hätte ich Euch auch vorher sagen wollen, Camerad, denn wenn der Alte uns paar Europäer von Bord ließe, wen behielt er denn da zurück als die Buschläufer, die ein Fallreep nicht von der Besanschote zu unterscheiden wissen. Nein, damit ist's nichts! Ich hätte selber Einsprache dagegen erhoben, also schlagt Euch die Phantasien aus dem Kopfe.«

»Wird wohl nicht anders werden, Mr. Culpepper,« stimmte der Franzose bei, indem er leise vor sich hinpfeifend, nach vorn ging.

Der Nachmittag war indessen schon ziemlich weit vorgerückt; die Sonne stand kaum noch eine halbe Stunde hoch am westlichen Himmel und die Wolken begannen schon die den Tropen eigene, violette Färbung anzunehmen, als Señor Fosca mit seinem Boot an Land fuhr. Statt der erbetenen sechs Mann Wache hatte er sich aber zwölf ausgesucht, die vollständig bewaffnet ihn begleiten sollten, und der Capitain that da auch keinen Einspruch. Er wollte augenscheinlich mit der ganzen Sache nichts zu thun haben.

Am Land wurde er von den Spitzen der Behörden empfangen, der Alkalde, der Postmeister und der Steuerbeamte – dessen Posten er selber früher einmal auf Tomaco bekleidet hatte – standen an der Landung und die Begrüßung – wenn man überhaupt auf äußere Anzeichen schließen konnte – war eine herzliche.

Am liebsten hätte Señor Fosca nun allerdings das vorgenommen, was ihm am meisten am Herzen zu liegen schien: die Verhaftung des Hochverräthers – aber das ging doch nicht – der wichtigere Act und zwar die Uebernahme der Insel und die Huldigung des neuen Präsidenten mußte vorausgehen, und die Spitzen der Bevölkerung, von den meisten dort Ansässigen begleitet, begaben sich demnach in das »Regierungsgebäude« (ein Haus, das sich vor den übrigen nur durch einen etwas größeren Umfang auszeichnete), um den feierlichen Act dort vorzunehmen.

Vorher hatte der Postmeister, der jetzt die Geschmeidigkeit selber zu sein schien und gar nicht so that, als ob er je den geringsten Widerstand gegen Mosquera's Ansprüche geleistet, eine längere und geheime Unterredung mit Señor Fosca, und dann erfolgte in ziemlich summarischer Weise die Uebergabe der Stadt und Insel an den neuen Herrscher, mit der Bestätigung der jetzigen Beamten in ihrem Dienst.

Es war unterdessen vollkommen dunkel geworden und die beiden »Kriegsfahrzeuge« in dem Canal hatten jedes an ihrem Vormast eine rothe Laterne aufgezogen. Wachen brauchte es nicht an Deck, denn die ganze Mannschaft lag zerstreut darauf herum oder saß plaudernd vorn auf der Back oder auf den Railings. Hinten auf dem Quarterdeck ging der Franzose mit verschränkten Armen auf und ab; der englische Steuermann lag bequem auf einer Bank ausgestreckt und rauchte seine Cigarre.

Der Franzose hatte seine Jacke neben sich auf dem Steuerrad hängen, jetzt ging er hin und zog sie wieder an.

»Nun, Bill,« lachte Mr. Culpepper. »Ihr friert doch nicht in der Temperatur?«

»Das nicht, Sir,« sagte der Mann gleichgiltig, »aber der Thau fängt an zu fallen, und da drüben zieht auch wieder ein Wetter herauf. Wir bekommen eine böse Nacht.«

»Ob es in dem verbrannten Lande nicht auch alle Tage vom Himmel herunterschüttet!« brummte der Engländer und rauchte ruhig weiter. – Der Franzose beschäftigte sich damit, einen Theil der noch unordentlich umherliegenden Brassen aufzurollen. Eine davon aber, ohne daß es Mr. Culpepper sehen konnte, nahm er und hing sie über Bord, dann stieg er langsam und gleichmüthig über die Railing, ließ sich an dem Tau geräuschlos hinab und verschwand im nächsten Augenblick unter Wasser.

»Heh, Bill!« rief der Engländer nach einer Weile, ohne jedoch den Kopf zu wenden. – »Wohin wolltet Ihr denn eigentlich, wenn Euch der Alte losgelassen hätte?«

Er bekam keine Antwort und sah sich jetzt erstaunt um. – Das Deck war leer.

»Hm!« brummte Mr. Culpepper vor sich hin. »Habe ihn doch gar nicht fortgehen hören – «

»Du, Juan, da schwimmt ein Fisch!« sagte einer der Leute vorn an Bord. »Wetter! Das muß ein großer Kerl sein. Ich mache meine Angel zurecht, vielleicht fangen wir ihn.«

Es hatte sich für einen Moment ein dunkler Gegenstand über Wasser gezeigt, verschwand aber sogleich wieder und einige der Leute holten ihr Angelgeräth vor. Es gab wirklich viel Fische dort in der Nähe des Landes und das aufsteigende Gewitter begünstigte den Fang.

Bill, wie ihn Mr. Culpepper alter Gewohnheit wegen nannte, hieß eigentlich weder Bill, noch Guillaume, sondern Baptiste Lecomb, und hatte unterdeß seine Flucht so keck und rasch ausgeführt, daß er als ein ganz vortrefflicher Schwimmer das Land erreichte und längst zwischen den dunklen Häusern verschwunden war, ehe er an Bord vermißt wurde. Am Land zog er sich vor allen Dingen aus, und rang seine Kleider soweit als möglich trocken, daß er sich nirgends durch die übergroße Nässe verrieth – eine Erkältung brauchte er in dem heißen Clima nicht zu besorgen – und erkundigte sich dann bei dem ersten Eingeborenen, den er antraf, ob kein Europäer, besonders ob kein Franzose in dem Orte wohne. Er befand sich nicht weit von Renard's Haus und als er zu diesem hingewiesen war, machte er keine weitern Umstände einzutreten.

Unter Palmen und Buchen. Zweiter Band.

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