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Einleitung: Warum dieses Buch?

Die sadomasochistische Szene in Deutschland ist mittlerweile recht groß geworden. Partys mit bis zu tausend Besuchern können inzwischen mit relativ geringem Aufwand organisiert werden, und es gibt auch die entsprechenden Räumlichkeiten dazu. Zudem ist die Szene in einem virtuellen Netzwerk perfekt organisiert: In verschiedenen Foren kommunizieren täglich Tausende von Usern über das Thema SM miteinander.

Soziale Netzwerke sind in letzter Zeit auch in der Allgemeinheit sehr im Schwange. Die BDSM-Szene kennt diese indessen schon seit ungefähr sieben bis zehn Jahren in größerem Umfang. Alle nur erdenklichen Themen und Gebiete werden hier diskutiert und sind bereits diskutiert worden, wieder und wieder.

Und jetzt eine Art Ratgeber für Paare? Wozu soll der nun gut sein?

Nun, es gibt im Internet eine große Menge an Information über SM, doch ist aus meiner Sicht eine Schieflage entstanden. Denn nach meiner Wahrnehmung melden sich in erster Linie Einzelpersonen, nicht jedoch Paare zu Wort, und es scheint mir auch so, dass die Halbwertszeit der jeweiligen Beziehung, wenn es denn überhaupt eine gibt, recht kurz ist.

Nun ist das zunächst einmal nichts, was ich zu bewerten hätte; dennoch sehe ich hierbei ein Problem: Diskutanten und Darsteller, die entweder keinen Partner haben und/oder die auf Partnersuche sind beziehungsweise in einer ganz neuen Beziehung unbestimmter Dauer verweilen, vielleicht auch nicht mit dem Partner dauerhaft zusammenleben, vermitteln zwangsläufig ein anderes Bild des Sadomasochismus, als es langjährige Paare täten – wenn letztere sich überhaupt zu Wort melden würden.

Hinzu kommt, dass in der virtuellen Szene ein »Höher, schneller, weiter« geradezu unvermeidlich ist, nicht nur, weil die Diskutanten nur bedingt der Wahrheit verpflichtet sind, sondern weil sich das Berichten im Gegensatz zu dem Erleben an sich nun einmal mehr an den Superlativen als am Realismus orientiert.

»Mein Herr hat mich am Wochenende hundert Schläge mit dem Rohrstock verpasst. Das was sooo geil!« schreibt und liest sich eben griffiger als »mein Geliebter hat intuitiv erfasst, was ich aushalte, und hat sich dieses Mal etwas zurückgehalten, um mich nicht zu überfordern«. Letzteres transportiert ohne Zweifel die brauchbarere Botschaft für den interessierten Newcomer. Nur liest man solches eben selten.

Ein weiteres Problem der Szene ist das Bedürfnis, zu klassifizieren und zugleich immer neue Begriffe mit immer überspitzteren Bedeutungen zu etablieren. Nehmen wir das Beispiel »24/7«, ein an sich schon nahezu unerfüllbares Gedankenkonstrukt, welches ja eigentlich besagt, dass der sich unterwerfende Partner 24 Stunden sieben Tage die Woche zur Verfügung zu stehen habe – fürwahr ein Anspruch der Superlative, der ein normales Leben, eine Berufstätigkeit, oder die Erziehung von Kindern beispielsweise eigentlich unmöglich macht und daher realistisch betrachtet aus gesellschaftlichen wie finanziellen Gründen nur sehr wenigen Menschen vorbehalten sein dürfte. Da nun mit der Zeit viel zu viele SMler diesen Begriff für sich und ihre Beziehung beanspruchten, musste bald ein neuer her: TPE (total power exchange). Es werden weitere folgen.

Ich möchte an dieser Stelle gerne zurückrudern. Ich möchte ein anderes Bild von SM in einer andauernden Partnerschaft vermitteln.

Meiner Meinung nach ist es für sich schon eine große Herausforderung, SM in einer Partnerschaft überhaupt lang anhaltend auszuleben. Zum einen würde ein »Höher, schneller, weiter« sehr bald in eine Sättigung führen, zum anderen tun sich nach einem ersten Überschwang ganz andere Probleme auf: Zunächst ist da die Herausforderung, die von der gängigen Norm abweichende Sexualität in den Alltag zu integrieren. Inwieweit ist es tatsächlich möglich und auch gewünscht, ein in der Sexualität entstandenes Machtgefälle in den Alltag hinüber zu transportieren?

Was geschieht an den Schnittstellen zwischen Sexualität und Alltag?

Haben beide Partner dieselbe Vorstellung eines Machtgefälles?

Und selbst wenn, welche Einflüsse gibt es von außen, die eine dominant-submissive Rollenverteilung erschweren?

Welchen Forderungen an Selbstbehauptung ist der submissive Teil von dritter Seite ausgesetzt (Kinder, Verwandtschaft, Kollegen, Bekanntenkreis)?

Wie geht der dominante Teil mit der Mehrverantwortung für den submissiven um?

Kommt es zu Abwertungstendenzen, beispielsweise im Streit?

Wie kann dem kulturellen Druck widerstanden werden, dass die Unterwerfung des weiblichen, devoten Parts den Emanzipationsanstrengungen der letzten Generationen widerspricht? Endet das Ganze in einer Spirale aus Destruktion und Autodestruktivität?

Mit anderen Worten: Was geschieht, wenn ein Paar diese Büchse der Pandora öffnet, wenn sexuelle Gewalt ihren Einzug in die Beziehung hält, und sei sie auch noch so einvernehmlich?

Viele Fragen werfen sich an dieser Stelle auf, und es wäre schön, darauf auch Antworten zu haben. Ich habe sie nicht, zumindest keine allgemeingültigen. Was ich zu geben vermag, sind Anregungen, teils fußend auf meinen eigenen Erfahrungen in einer mittlerweile über 30 Jahre andauernden SM-Beziehung mit Kindern, Hund und Haus, teilweise auch bezogen auf die vielen Diskussionen, die wir in den letzten Jahren in der Szene geführt haben. Und Anregungen, so meine ich, werden am besten durch Geschichten transportiert, weil diese sowohl Handlung wie auch Rahmenbedingung zugleich transportieren können. Im ersten Teil habe ich ein paar Basics aus der Praxis zusammengeschrieben; weiterführende Literatur und Bezugsquellen von speziellem Equipment gibt es bei Bedarf zuhauf im Internet. Gegen alle meine Vorbehalte versuche ich im zweiten Teil des Buches explizit dennoch auf einige Fragestellungen einzugehen, welche sich aus dem Zusammenleben eines Paares mit SM-Neigungen ergeben. Ich möchte aber nochmals betonen, dass dies eine sehr subjektive Sicht darstellt.

Das, was ich in diesem Buch an praktischen Betätigungen beschreiben möchte, sind Vorgehensweisen, die sich ohne Weiteres im ehelichen Schlafgemach umsetzen lassen. Auf die Beschreibung von teurer Ausrüstung oder aufwendiger Raumgestaltungen habe ich bewusst verzichtet, weil ich der Meinung bin, dass beides zwar eine zusätzliche Bereicherung darstellen mag, jedoch nicht unbedingt im Vordergrund stehen sollte. Letzten Endes ist es Geschmackssache: Natürlich kann es beispielsweise höchst befriedigend sein, seine Geliebte mit hochwertigen Fesseln zu schmücken, und ich gebe zu, dass der Satz Ledermanschetten, der nun in unserer Spielkiste liegt, ein kleines Vermögen gekostet hat, aber für mein Dafürhalten gibt es inzwischen eher zu viele Anbieter, die bereit sind, diese Bedürfnisse nicht nur zu befriedigen, sondern sie auch kräftig zu schüren …

Nun denn:

Schlag mich! Fessel mich! ... aber mach es richtig'!

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