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„Weil alda die schönste music zu hören“

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Es gibt keinen Tag, schreibt Emmanuel de Coulanges über seinen Romaufenthalt von 1690, an dem nicht in einer der römischen Kirchen ein aufwendiges Fest gefeiert würde. Hier konnte man sicher sein, auf ganz Rom zu treffen; Diener informierten ihre Herrschaften. Der Andrang war meistens so groß, dass schon am Vorabend ein regelrechtes Wettrennen der vielen Kutschen entstand, die zur Kirche durchdringen wollten. Die Rangfolge der Kutschen war essentiell zur Verdeutlichung des eigenen Status innerhalb der römischen Gesellschaft und auch auf dem internationalen diplomatischen Parkett. Dafür reichte es, seine repräsentative Kutsche einzureihen, man musste nicht notwendig auch in ihr sitzen. Die Kirchenfassade erstrahlte durch prächtige Dekorationen in ihrem vollen architektonischen Glanz. Vor dem Eingang waren Trompeter und Trommler positioniert, um weitere Besucher anzulocken. Im Innern, wo der Blick vom Silber auf dem Hauptaltar gefangen wurde, erklang die schönste Musik der besten römischen Sänger und Instrumentalisten. Auch die Anwesenden selbst vervollständigten den Glanz der festlichen Messe; reichhaltige Blumenbouquets wurden den Kardinälen und dem hohen Adel überreicht. Die Besucher, die den meisten Aufwand trieben, brachten sich Eis und Schokolade zum Verzehr in die Kirche mit. Auch Coulanges probierte davon in Il Gesù und der Kirche der spanischen Karmeliterinnen.

Während des römischen Karnevals lockten weitere musikalische und lukullische Vergnügungen. Hier wurden die Buffets mit Früchten, Konfitüren und anderen Erfrischungen zu Bällen in den großen Opernhäusern aufgefahren. Einen solchen gab Antonio Ottoboni für die römischen Damen, so wie er es aus seiner Heimatstadt Venedig kannte. Getanzt wurde im Parkett. Nach der Oper stiegen die Zuschauer über eine extra für diesen Abend angelegte Treppe in den Saal. Im selben Moment wurde von der Decke eine unendlich scheinende Zahl von Kerzen in Kristallleuchtern heruntergelassen, und die Logen wurden mit Fackeln beleuchtet. Nachdem die Tänzer im Parkett angekommen waren, öffnete sich der Vorhang vor einer Gruppe von Darstellern mit venezianischen Masken, die auf den Stufen eines Amphitheaters an der Bühnenrückwand Platz genommen hatten. Nun erklang Musik, die auch hier schon mit den ersten Bogenstrichen überzeugte. Der Ball endete mit einigen französischen Menuetten, die man der Prinzessin Lante, dem Prince de Turenne und den weiteren ausländischen Gästen vortanzte, die sich für die französische Mode interessierten.

Im barocken Rom kam kein Fest, keine Messe, keine prächtige Theaterinszenierung ohne Musik aus. Die italienische Musik war über alle Maßen in ganz Europa als die „schönste“ und „herrlichste“ berühmt. Sie begeisterte nicht nur die römische Bevölkerung, sondern zog auch über die Grenzen der Stadt und sogar weit über die italienische Halbinsel hinaus Musiker, Fürstensöhne und Kaufleute an. Kein Adliger verzichtete auf seiner Grand Tour auf das Erlebnis einer musikalischen Darbietung in Rom, und auch in Musikerkreisen im Europa des 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts war die römische Musik in aller Munde: „Weil alda die schönste music zu hören, hieß es bei Maximilian Freiherr von Schurff 1718, der zwei Wittelsbacher Prinzen auf ihrer Italienreise begleitete, um die vielen Konzertbesuche mit seinen Schützlingen in römischen Kirchen zu rechtfertigen. Dass sie hier die schönste Musik zu hören bekommen haben, mögen viele andere Rombesucher ebenso empfunden haben, denn das römische Musikleben mit seinen vielen Konzerten, festlichen Messen, Opernaufführungen, Oratorien, Serenaden und privaten Musikaufführungen gab der Stadt einen ganz besonderen Reiz. Hier verdichteten sich Architektur, Kunst und Musik zu einem prachtvollen Spektakel. Nicht zuletzt deshalb war Rom oft das Hauptziel europäischer Reisender und Musiker im Barock.

Um das römische Musikleben ranken sich unzählige Geschichten, ernste und heitere, wahre und fiktive, nachprüfbare und bloß erzählte. In ihnen spiegelt sich die Aura des Papstsitzes als diplomatischem Zentrum Europas, in dem sich Gesandte aller europäischen Fürsten auf künstlerisch-musikalischem Gebiet gegenseitig zu übertreffen versuchten. Andererseits konnte man hier in die Musik eintauchen, die in Roms über 300 Kirchen tagtäglich erklang.

Im Folgenden geht es um die fruchtbaren Begegnungen zwischen römischen Musikern und fremden Sängern, Komponisten und Instrumentalisten, die aus ganz Europa nach Italien strömten, die Anerkennung, aber auch die Schwierigkeiten, die römische Mäzene mit ihrer Musik hatten, und um die Begeisterung der Musiker, das römische Musikleben kennenzulernen und davon für ihre eigene Musizier- und Komponierweise zu profitieren.



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