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Zwischen Landsmännern und Kollegen: Europäische Musiker und Rom
ОглавлениеAllerdings wurde Rom nicht erst seit dem 17. Jahrhundert zu einem beliebten Reiseziel und Wirkungsort europäischer Musiker, die von jenseits der Alpen stammten. Bereits in der Renaissance waren die päpstlichen Kapellen des Kirchenstaats größtenteils mit flämischen, nordfranzösischen aber auch spanischen Sängern besetzt. Die meisten dieser Musiker aus Nord- und Westeuropa, zu denen etwa Jacques Arcadelt (*1507 in Namur bei Brüssel, †1568 in Paris) und Cristobál de Morales (*um 1500 in Sevilla, †1553 in Marchena, Provinz Sevilla) gehörten, kehrten nach ihrer Wirkungszeit in Rom in ihre Heimat zurück. Die Arbeit am Papstsitz galt dementsprechend als Karriereziel europäischer Musiker, für das man ein Leben in der Fremde gerne in Kauf nahm.
Dass so viele wichtige Positionen des kirchlich dominierten römischen Musiklebens mit Musikern besetzt waren, die nicht von der italienischen Halbinsel stammten, hing eng mit Stilfragen zusammen. Im 16. Jahrhundert war die mehrstimmige Kompositionsweise der Nordfranzosen und Flamen aus kunstvoll kombinierten Einzelstimmen (frankoflämische Vokalpolyphonie) in ganz Europa verbreitet. Seit Orlando di Lasso (aus Mons im Hennegau) und Pierluigi da Palestrina die mehrstimmige Kompositionsweise der Frankoflamen ab den 1540er-Jahren in Rom zu einer neuen Blüte geführt hatten, galt die Stadt als eines der wichtigsten Zentren der Vokalpolyphonie – auch wenn sich verschiedene kirchliche Parteien und zuletzt auch das Trienter Konzil (1545-1563) immer wieder gegen diesen ausgeschmückten und mit weltlichen Melodien durchsetzten Stil wandten. Denn die virtuosen, mehrstimmigen Kompositionen dienten den Päpsten auch dazu, ihre weltliche Macht und politische Größe zu untermalen. Im 15. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts ließen die Päpste oft verzierte mehrstimmige Musik zu wichtigen Gelegenheiten aufführen und stellten in ihrer Kapelle die namhaftesten frankoflämischen und spanischen Sängerkomponisten an, damit sie bei den päpstlichen Messen vor dem ausgesuchten Publikum aus Kardinälen und Botschaftern sangen. Ende 1528 brachte Johannes Conseil von einer Reise nach Frankreich und Flandern, die er antrat, um „Sänger für die Kapelle Unseres Herrn“ anzuwerben, sechs neue Sänger für die päpstliche Kapelle unter Clemens VII. mit. Die äußerst kunstvolle Vokalmusik der päpstlichen Sänger wurde dabei oftmals mit himmlischen Klängen oder Engelsmusik verglichen, die den Papst verherrlichten. Auf diese Weise war der Widerspruch zwischen einer durch musikalische Virtuosität herbeigeführten Machtdemonstration des Kirchenoberhaupts auf dem weltlich-politischen Parkett und der religiösen Frömmigkeit aufgehoben.
Später, als die negativen Stimmen gegenüber der Vokalpolyphonie im Zuge der katholischen Reformbestrebungen zur Mitte des 16. Jahrhunderts immer lauter wurden (im 15. Jahrhundert wurde die Sängerkapelle einmal als ein „Sack voller Ferkel“ bezeichnet, bei deren durcheinander singendem Lärm und Geschrei man nichts vom Text verstehen könne), bildete sich zwischen der weltlichen Selbstpositionierung und den strengen religiösen Maßgaben des Trienter Konzils die sogenannte Römische Schule heraus. Sie zeichnete sich durch eine Kompositionsweise aus, welche die von Palestrina aufgegriffene kunstvolle Mehrstimmigkeit der Frankoflamen mit eingängigen Choralmelodien verband. Zugleich maß die Römische Schule der Verständlichkeit der Texte eine große Bedeutung zu. Palestrina stellt in der Widmung seiner berühmten Missa Papae Marcelli an Papst Marcellus II. (im Amt lediglich vom 9. April bis 1. Mai 1555, bevor er an Nierenversagen starb) heraus, dass es ihm um genau diese kompositorische Balance zwischen dem Respekt vor dem heiligen Wort und seiner individuellen künstlerischen Fertigkeit gegangen sei. In dieser Form war die Kirchenmusik auch für die fromme Andacht des Großteils der musikalisch weniger gebildeten Gläubigen geeignet, denn das Trienter Konzil sah vor, die Messe als Zelebrierung der Frömmigkeit stärker auf das Volk auszurichten.
Die Anstrengungen, die frankoflämische Vokalpolyphonie in weniger kunstvolle, sondern andächtigere Bahnen zu lenken, spielten sich nicht nur auf der Ebene der Komposition ab. Gleichzeitig setzten sich einige Päpste immer mehr für eine Ausbildung der Musiker vor Ort in Rom ein, um dem Zustrom der nordeuropäischen Musiker entgegenzuwirken – und das lange vor dem herausragenden Schaffen Palestrinas. Im Jahr 1513 gründete Papst Julius II. eine zweite päpstliche Kapelle, die nach ihm benannt wurde. Die Cappella Giulia hatte zum Ziel, junge Sänger für den späteren Dienst in der Cappella Sistina, der hauptsächlichen päpstlichen Kapelle, auszubilden. Die neue Kapelle wurde schnell zu einem anerkannten Klangkörper, während die Ausbildung sich in den ersten Jahren auf wenige Knaben beschränkte. Ab 1546, unter Papst Paul III., war die Cappella Giulia schließlich ein etabliertes musikalisches Ensemble.
Neben diesem Einsatz für die Ausbildung italienischer Musiker vor Ort in Rom, die allmählich in Konkurrenz mit den Musikern aus dem übrigen Europa traten, wurde ein Aufenthalt in Rom für die nord- und westeuropäischen Musiker auch in finanzieller Hinsicht weniger lohnend. Um die Mitte des 16. Jahrhunderts erwirkte das Trienter Konzil eine Beschränkung der päpstlichen Vergabe von Pfründen, mit denen das Kirchenoberhaupt die franko-flämischen Sänger bisher großzügig versehen hatte. Die franko-flämischen Musiker im Dienst des Papstes hatten dabei vor allem Ländereien in ihrer Heimat erhalten. Auch aus diesem Grund gestaltete sich ein Aufenthalt als kirchlicher Sänger in Rom ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts also immer uninteressanter, zumal die europäischen Sängerkomponisten der Renaissance nach ihrer Wirkungszeit in Rom oft in ihre Heimat zurückgekehrt waren.
Trotz oder vielleicht auch gerade wegen der kirchlichen Reformbestrebungen im 16. Jahrhundert waren sich die Sänger der Cappella Sistina der hohen Anerkennung ihrer kunstvollen musikalischen Fertigkeiten vollauf bewusst. Sie begannen, sich in Szene zu setzen, wie zum Beispiel mithilfe von „Graffitti“ auf den Wänden der Sängerkanzel der Sixtinischen Kapelle: Eingeritzte Monogramme, kleine Zeichnungen oder Zitate standen hierbei für die selbstbewusste Verewigung der eigenen Person an diesem heiligen Ort, aber oft auch für die persönliche Bindung zur Sixtinischen Kapelle und ihren Mitgliedern. Der Altist Yves Barry schrieb sich im Jahr 1528 als „barry parisien“ („Barry aus Paris“) ein, nannte dabei also seine genaue Herkunft. Der Tenor und spätere Kapellmeister der Cappella Sistina, Giovanni Maria Nanino aus Tivoli bei Rom verewigte sich mit „IO MARIA NANN“ („Ich, Maria Nanino“) und dem Eintrittsdatum in das Sängerkollegium, dem 27. Oktober 1577. Nanino wurde in der Folge zu einem der bekanntesten Musiker Europas, dessen Werke auch über die italienische Halbinsel hinaus verbreitet waren. Zusammen mit seinem Bruder Giovanni Bernardino hatte Nanino in Rom eine große Schülerschaft und galt auch europaweit als wichtige Adresse für Musiker, die sich in Italien ausbilden lassen wollten. Die Nanino-Brüder standen dabei in engem Kontakt zur französischen Nationalkirche San Luigi dei Francesi, wo Giovanni Maria vor seiner Nominierung in der Cappella Sistina als Kapellmeister gewirkt hatte.
Abgesehen von diesen Graffitti, die für die herausragende Rolle der päpstlichen Sänger sprechen, wie diese sie auch selbst wahrnahmen, finden sich auf den Wänden der Sängerkanzel aber auch weniger positive Inschriften. So lautet ein gleich zweimal eingeritztes anonymes lateinisches Zitat in Anlehnung an Ovid: „Solange du glücklich bist, wirst Du viele Freunde haben, wenn die Zeiten umwölkt sein werden, wird es nichts sein.“ Gleich von welchem Sänger der multinationalen päpstlichen Kapelle es stammte, das Zitat auf der Sängerempore der Sixtinischen Kapelle verdeutlicht die spannungsreiche Verknüpfung von Musikerberuf, künstlerischem Renommee aber auch persönlichen Befindlichkeiten innerhalb des Kollegenkreises im römischen Musikleben und dazu noch der finanziellen Situation. Diese Aspekte bestimmten das alltägliche Wirken der einheimischen wie nicht-einheimischen Musiker in Rom als dem musikalischen Zentrum des 16. und 17. Jahrhunderts, wobei sich ab 1550 vor allem die fremden Musiker künstlerisch aber auch persönlich durch Kontakte im römischen Musikleben positionieren mussten, um sich ihren Lebensunterhalt verdienen zu können.
Vor dem Hintergrund der Prägung der römischen Kirchenmusik durch die franko-flämische Vokalpolyphonie ist es nicht verwunderlich, dass in Rom um 1600 immer noch viele französisch- und flämischsprachige Musiker in den großen Kapellen aktiv waren – sei es, um dort ausgebildet zu werden wie zum Beispiel der Sängerknabe Francesco „gallo“ in der päpstlichen Cappella Giulia im Jahr 1601, sei es als ordentliches Kapellmitglied, das sich für längere Zeit in der Stadt am Tiber niedergelassen hatte. Dies ist bei Christiano Ameyden aus Oirschot bei Lüttich der Fall, der seit 1563 mit einigen Unterbrechungen bis ca. 1603 als Kapellmeister in der Cappella Sistina wirkte. Ameyden wird dabei oft als der letzte frankoflämische Sänger der päpstlichen Kapelle bezeichnet, denn die nordeuropäischen Musiker wurden hier zunehmend durch italienische Sänger und Instrumentalisten ersetzt. Der aus Burgund stammende Bartolomeo Roy, der in den 1570er-Jahren die Kapelle von San Giovanni in Laterano, dem päpstlichen Bischofssitz in Rom, leitete, fand im Jahr 1579 am gerade von Cardinal William Allen gegründeten römischen Collegio Inglese eine neue Stelle. Dieses englische Priesterseminar hatte zum Ziel, durch eine gute Priesterausbildung dem katholischen Glauben in England wieder Geltung zu verschaffen.
Das English College ist nur eines der Beispiele dafür, wie eng die Ausbildung in kirchlichen Berufen damals mit der Kirchenmusik verwoben war. Rom war für beides der zentrale Ort. Die einzelnen Nationen gründeten in Rom ihre eigenen Priesterseminare, in denen mit der römischen Kirchenmusik vertraute Musiker und Komponisten nicht fehlen durften. Dies war sowohl für das Collegio Germanico der Fall, das im 17. Jahrhundert unzählige Musiker aus dem deutschsprachigen Raum aufnahm, die in Rom eine Etappe ihrer Ausbildung absolvierten, als auch im von den Jesuiten geführten Collegio Romano, dem eigentlichen römischen Priesterseminar, das nach dem Konzil von Trient zur Verbesserung der Seelsorge gegründet worden war. Vor allem die von Jesuiten geführten Collegi öffneten sich auch der Ausbildung junger Adliger, bei der Musik und Tanz vollkommen in den humanistischen Bildungskanon eingegliedert waren. Die Studienabschlüsse der zum Teil aus Spanien, Polen, Griechenland oder dem deutschen Raum stammenden adligen Laureanden wurden im Collegio Romano mit einer sogenannten „lateinischen Ode“, das heißt einem Instrumentalkonzert mit Gesang, im festlichen Rahmen begangen. Am Ende des 17. Jahrhunderts gehörten französische Tänze und auch das Kastagnettenspiel neben Latein, Fechten und Naturwissenschaften zur schulischen Ausbildung.
Die gleichzeitige Präsenz verschiedener kultureller Einflüsse und Kontakte zwischen Menschen unterschiedlichster Herkunft ist für das römische Musikleben zur Renaissance- und Barockzeit absolut charakteristisch. In einigen Fällen spiegeln die Kontakte die politischen Verhältnisse des Herkunftslandes wider, da es den einzelnen Musikern wahrscheinlich von Haus aus nahelag, in Rom mit schon vertrauten Nationen in Kontakt zu kommen: Christiano Ameyden, der aus dem den Spanischen Niederlanden zugehörigen Herzogtum Brabant im heutigen Belgien stammte, pflegte in Rom enge Kontakte zu spanischen Musikern. In seinen letzten Berufsjahren gegen Ende des 16. Jahrhunderts holten die Spanier Francisco Espinosa aus Toledo und Diego Vasquez seinen Lohn bei den monatlichen Auszahlungen der päpstlichen Sänger für ihn ab. Die beiden Spanier selbst schienen dabei zeitweise weniger miteinander im Reinen zu sein: Im Jahr 1592 erhielt Vasquez eine Strafe, da er während einer Prozession auf Francisco Espinosa eingeschlagen hatte. Vasquez wurde zwar bald darauf begnadigt, da er sich wohl entschuldigt hatte, aber dieser Vorfall zeigt, wie hochgradig individuell die Beziehungen zwischen den einzelnen europäischen Musikern im Rom der Frühen Neuzeit waren. Musiker unterschiedlicher Herkunft hielten sich um 1600 nicht nur an ihre Landesgenossen, sondern mussten auch andere berufliche Kontakte knüpfen, um in Rom künstlerisch erfolgreich zu sein. Dies war oft auch mit Konkurrenz oder Neid verbunden. Nicht zuletzt deshalb ging es im 17. Jahrhundert immer mehr darum, mit den römischen Musikern in Kontakt zu kommen, die am berühmtesten waren, das heisst mit Arcangelo Corelli gemeinsam zu musizieren, Kompositionsunterricht bei Giacomo Carissimi zu genießen oder nach einem Konzert ein paar Sätze mit Girolamo Frescobaldi oder Antonio Caldara zu sprechen.
Das musikalische Rom des ausgehenden 16. und beginnenden 17. Jahrhunderts spielte sich dabei in einer regelrecht multinationalen Gesellschaft ab. Am Papstsitz, der in der Frühen Neuzeit als wichtiges diplomatisches Zentrum Europas galt, hatten sich über die Zeit unzählige Nationen niedergelassen, und ihre Präsenz reichte weit über eine bloße diplomatische Vertretung hinaus. Die Spanier, Franzosen, Deutschsprachigen, Flamen und Engländer hatten nicht nur eigene Nationalkirchen, die als „Collegio“ bezeichneten Priesterseminare und Bruderschaften gegründet, sondern es waren – zumeist um die landeseigene Botschaften herum, deren umliegende Gassen „in Sichtweite“ als jeweils landeseigenes Terrain galten – auch von Angehörigen einzelner Nationen dominierte Wohnviertel entstanden. Ein solches bestand ab 1662 um den Palazzo Farnese herum, als hier – nach langer Zeit und kurz nachdem die zum Katholizismus konvertierte Königin Christina von Schweden hier ab 1656 residiert hatte – der französische Botschafter seinen römischen Wohnsitz nahm. Beides stellte für Neuankömmlinge eine wichtige Anlaufstation in der Metropole dar, wo sich orts- und vor allem sprachkundige Hilfe finden ließ. Solche „compatrioti“ („Landsmänner“), die schon seit fünf bis zehn Jahren in Rom lebten, hatten meist schon mehrere berufliche und auch weitere soziale Kontakte zum römischen Stadtleben, von denen die Neuankömmlinge profitieren konnten.
Für die Musiker mögen besonders die Nationalkirchen, die vom Adel und den Diplomaten des jeweiligen Landes und seiner römischen Anhänger regelmäßig besucht wurden, eine exzellente Kontaktbörse für mögliche Auftritte und Anstellungen gewesen sein. Hier traf man auf Personen gleicher Herkunft. Francisco Soto de Langa, ein aus der Diözese Burgos de Osma stammender Sänger der päpstlichen Kapelle, pflegte in seinen letzten Lebensjahren um 1600 zum Beispiel enge Kontakte zur spanischen Nationalkirche San Giacomo degli Spagnoli. Im Jahr 1743 stellte der Kirchenvorstand von San Giacomo den gebürtigen Barceloner Domingo Terradellas als Kapellmeister ein. Dies ist insofern erstaunlich, da Terradellas in Neapel ausgebildet worden war und eigentlich eine Karriere als Opernkomponist anstrebte. Während die Kirchenmusik, die Terradellas in seinem Leben komponierte, fast ausschließlich für seine dreijährige Amtszeit in San Giacomo entstand, verließ er alsbald die Stadt, um nach London zu gehen.
Gleichzeitig strebten die Nationalkirchen bei großen Anlässen wie dem jährlichen Patronatsfest (San Giacomo für die Spanier oder San Luigi für die Franzosen) nach symbolischer Größe, die nicht allein religiös motiviert war, sondern auch eine politische Funktion erfüllte. Hierfür versuchte man, ganz Rom anzulocken. Musiker mit virtuosen Spielfertigkeiten oder auch untypischen Instrumenten waren immer willkommen, wie es der Erfolg von André Maugars 1638 zeigt, der in San Luigi dei Francesi vor 23 Kardinälen auf seiner Bassgambe spielte. Durch dieses viel beachtete Konzert kam sein herausragendes Talent auch dem Papst zu Ohren, der ihn wenige Zeit später empfing und für sein virtuoses Spiel lobte. Auch der aus Dalmatien stammende Komponist Ivan Lukačić , der um 1600 in Rom ausgebildet wurde, um dann das Amt als Kapellmeister der Kathedrale Sveti Duje in Split zu bekleiden, nahm am Patronatsfest des heiligen Hieronymus in der kroatischen Kirche San Girolamo degli Illirici in der Nähe des Tibers am Mausoleum des Augustus teil. War man als Musiker in Rom erst einmal etabliert, hingen die Möglichkeiten für eine Anstellung im beginnenden 17. Jahrhundert jedoch kaum von der ursprünglichen Herkunft ab. Im Gegenteil: Die Praxis des gegenseitigen Austauschs von Sängern und Instrumentalisten über nationale Zugehörigkeiten und politische Einstellungen hinweg war die Regel. Dieser Austausch zwischen den römischen Kapellen funktionierte reibungslos, wenn für große Festmusiken zusätzliche Musiker gebraucht wurden. Das musikalische Talent oder Fähigkeiten, bestimmte Genres zu bedienen, standen eher im Vordergrund als die Herkunft.
Die regen Austauschmöglichkeiten zwischen Musikern unterschiedlicher Herkunft ergaben sich im Rom des ausgehenden 16. und im 17. Jahrhunderts nicht zuletzt aufgrund der unzähligen musikalischen Kapellen, der vielen kirchlichen, aber auch weltlichen Feste (wie dem Karneval) sowie der großen Rolle, die Musik als Unterhaltung auch im privaten Bereich des römischen Adels und der europäischen, in Rom residierenden Diplomaten spielte. Neben der Oper, die sich ab den 1630er-Jahren in jährlichen Karnevalssaisons etablierte, war Rom durch das Oratorium geprägt, welches auch den meisten Romreisenden aus Europa im Gedächtnis blieb. Viele Reisende berichteten allerdings nicht von einzelnen Werken, Konzerten oder Opern, sondern nannten nur die Anzahl der Aufführungen, die sie besucht hatten. Besonders eifrig hörten die Wittelsbacher Prinzen Clemens August und Philipp Moritz während ihres Romaufenthalts im Jahr 1717–18 Musik. Ihr Reisebegleiter dokumentierte einen musikalischen Marathon, der sich am besten anhand eines beliebig herausgegriffenen Abends vor Augen führen lässt: Am 24. Januar besuchte man am frühen Abend zunächst ein Oratorium, um Mitternacht wechselten die Prinzen mit ihrem Hofmeister zu einer Messe bei der Akademie der Agonizanti, nicht zuletzt, um die dort berühmte Musik zu hören; und anschließend, noch in der gleichen Nacht, ging es weiter zur Kirche des Collegio Germanico. Allerdings fällt das Urteil vernichtend aus: Obwohl die Musik in Sant’Apolinare berühmt sein sollte, hatte sie den jungen Wittelsbachern „aber nit vil gefallen“.
Über die Kirchenmusik hinaus waren im 17. Jahrhundert Serenaden äußerst beliebt, die Grafen, Papstnepoten und Diplomaten im Sommer auf den großen römischen Plätzen, vor allem auf der Piazza di Spagna zwischen der Spanischen Botschaft und dem Kloster Trinità dei Monti auf dem Monte Pincio abhielten, das unter französischer Protektion stand. Dieser Platz war für nächtliche Spazierfahrten in den heißen Sommermonaten sehr frequentiert, auf denen man sich von Musikern, die zumeist in einer gesonderten Kutsche spielten, unterhalten ließ. Während des spanischen Erbfolgekriegs um 1700, bei dem das Haus Habsburg und die französische Krone um den Nachfolger des kinderlosen spanischen Königs stritten, kam es auf der Piazza di Spagna häufig zum musikalischen Wettstreit der von französischen und spanischen Mäzenen engagierten Sänger. Dies konnte geplant sein, wenn zum Beispiel der spanische Botschafter am Namenstag von Ludwig XIV., an San Luigi im Jahr 1687, just eine großangelegte Serenade zum Namenstag der spanischen Königin Maria Luisa organisierte. Daneben sind aber auch zahlreiche kleinere, spontane Serenaden überliefert, wie der Wettstreit zweier Sängerinnen, die jeweils im Dienst des spanischen und französischen Botschafters standen und vor beziehungsweise auf dem Balkon des Palazzo di Spagna um die Wette sangen. Politische Machtdemonstrationen durch Musik wurden dabei vonseiten der diplomatischen Auftraggeber durchaus mit Elementen der eigenen nationalen Kultur aufgeladen. Zu Beginn seiner römischen Amtszeit plante der spanische Botschafter Don Gaspar de Haro y Guzmán, genannt Marquis del Carpio, gar einen Stierkampf auf der Piazza di Spagna zu veranstalten. Die zwei Versuche aus den Jahren 1677 und 1679, eine Corrida mitten in Rom zu organisieren, scheiterten jedoch an der Ablehnung durch den Papst und auch durch den römischen Adel, der das Vorhaben als „eher barbarisch, denn christlich“ einstufte. Im Folgenden fügte sich der spanische Marquis den römischen Usancen. Mit Musikern der spanischen Nationalkirche San Giacomo degli Spagnoli führte er wie andere Adlige und Diplomaten mehrere Serenaden vor der spanischen Botschaft auf der Piazza di Spagna auf. Er griff dabei zunehmend auf italienische Musiker und Komponisten wie Arcangelo Corelli zurück, der zur damaligen Zeit der wohl bekannteste Violinvirtuose Roms war.
Über das gesamte 17. Jahrhundert hinweg ist eine Vorliebe der Römer für italienische Komponisten, Musik und Werke zu erkennen. Zu den päpstlichen Maßnahmen in der Folge des Trienter Konzils kam zwischen 1575 und 1600 ein entscheidender Durchbruch für einen neuen Gesangsstil und vor allem für eine neue musikalische Gattung, der Oper, hinzu. Die italienische Oper und der dazugehörige Sologesang, bei dem die Musik den Gehalt der Texte auf dramatisch-emotionale und nicht mehr symbolisch-ausschmückende Weise stützte, hatten sich in weltlichen Madrigalkompositionen mit Instrumentalbegleitung schon im 16. Jahrhundert angekündigt und traten nun von den italienischen Fürstenhöfen ihren Siegeszug durch ganz Europa an. Wie auch schon bei der frankoflämischen Vokalpolyphonie – nur viel stärker und jetzt explizit im weltlichen Bereich – machten sich die Höfe von Beginn an die virtuosen und opulenten Qualitäten des einstimmigen Gesangs und der neuen Gattung der Oper für politische Machtdemonstrationen zunutze: Schon bald nach den ersten Opernaufführungen in Florenz und Mantua, im Rahmen derer sich das Engagement herausragender Sänger mit großartigen Bühnenausstattungen samt aufwendigen Kostümen verbinden ließ, entdeckte der italienische Adel sie als Mittel, um sich im Konkurrenzkampf der einzelnen Fürstentümer und Höfe in Szene zu setzen. Schnell interessierten sich auch nicht-italienische Fürsten und Könige für das neue musikalische Spektakel. Rom stand der Entwicklung der Monodie und der Oper auf der sonstigen italienischen Halbinsel in nichts nach: Nachdem der aus Venedig eingewanderte Paolo Quagliati ab 1574 in Rom den sogenannten „stile nuovo“ mit seinen als Solo-Lieder, Duette oder Terzette angelegten Canzonette und Madrigalen eingeführt hatte, wurde im Jahr 1600 das „Melodramma spirituale“ – also eine „geistliche Oper“ – mit dem Titel Rappresentazione di anima e di corpo von Emilio de’ Cavalieri aufgeführt. An der weiteren Entwicklung des „neuen Stils“ in Rom war ein deutschstämmiger Musiker aus Venedig maßgeblich beteiligt: Ab den ersten Jahren des 17. Jahrhunderts wirkte Johann Hieronymus Kapsberger in der Ewigen Stadt, die er mit „tausenden Anmutigkeiten von Trillern, Melodiefolgen, Synkopen, Trema, Finten von piano und forte und weiteren ähnlichen Galanterien“ erfreute. Diese von Pietro della Valle genannten musikalischen Elemente sind äußerst charakteristisch für den Barockstil, der sich in Windeseile in ganz Europa verbreitete.
Schon in den 1620er-Jahren luden der Wiener, Prager, Innsbrucker und Dresdener Hof italienische Musiker, Sänger und Komponisten ein, Opern für ihren Hof zu schreiben und dort aufzuführen. Die mutmaßlich erste italienische Oper in Paris hingegen, die dort im Jahr 1647 zur Aufführung kam, war das römische Werk Il giuditio della ragione tra la Beltà e l’Affetto (Rom, 1643). Das Libretto hatte Abbé Francesco Buti auf eine Anregung des Kardinals Mazarin verfasst, und die Musik stammte vom römischen Komponisten Marco Marazzoli. Die Oper wurde von einer italienischen Truppe mit der berühmten römischen Sopranistin Leonora Baroni und dem jungen Kastraten Atto Melani aufgeführt. Melani hatte ab 1644 in Rom bei Luigi Rossi und Marc’Antonio Pasqualini studiert, die beide in den Diensten des Kardinals Antonio Barberini standen. Die Truppe war auf Einladung des Kardinals Mazarin und durch die Vermittlung der Barberini-Familie zum französischen Hof nach Paris gereist. Obwohl die Aufführung selbst kein großer Erfolg war (die Franzosen taten sich vor allem mit den Rezitativen schwer; man hatte die Oper dabei von vornherein mit neuen Balletten, einem für Frankreich typischen Genre, versehen), begann auch der französische Hof sich mit dieser neuen Gattung auseinanderzusetzen, wo repräsentative, selbstdarstellerische Funktionen des Musiktheaters bisher vornehmlich vom Ballet de cour erfüllt worden waren.
Der Bedarf an italienischer Oper aber auch an italienischen Instrumentalmusikern von Lissabon über Madrid, London, Paris, Hamburg und Dresden bis nach Warschau und Sankt Petersburg vergrößerte das Interesse an Italienreisen, aber auch an der konkreten Musikerausbildung in den großen Musikzentren Venedig, Neapel und nicht zuletzt Rom enorm. Europäische Musiker reisten nun nicht mehr vorrangig in den Kirchenstaat, um ihre hohe Kunst dort in den Dienst des Papstes zu stellen, sondern um von den ortsansässigen italienischen Komponisten zu lernen. Sie waren im Europa des beginnenden 17. Jahrhunderts zum Maß aller Dinge geworden. Einer der wichtigsten Anziehungspunkte war die römische Violinschule, deren herausragendster Vertreter ab dem Ende des 17. Jahrhunderts Arcangelo Corelli war. Der Meister war nicht nur bei Diplomaten und dem römischen Adel äußerst gefragt, sondern zog Schüler aus ganz Europa an. Vom Talent des jungen Jean-Jacques-Baptiste Anet aus Paris, der zwischen 1695 und 1696 bei Corelli in Rom studierte, war der römische Violinvirtuose so begeistert, dass er ihn einmal innig umarmte und fortan wie einen Adoptivsohn behandelt haben soll. Nachdem Anet nach Paris zurückgekehrt war, trat er in den Dienst des musikbegeisterten und italophilen Philipp II. von Orléans. Diesem spielte er Corellis Sonaten Opus 5, die um die Jahrhundertwende publiziert wurden, als erster Musiker in Frankreich auf der Geige vor. Zuvor hatte der Herzog von Orléans die Sonaten von drei Sängern ausführen lassen, da kein französischer Violinist in der Lage gewesen war, Akkorde zu spielen („joüer par accords“). Anet gehörte im Folgenden zu einem ganzen Ensemble „italienisch“ ausgebildeter Musiker des Herzogs – darunter zwei Kastraten, die man aus Italien geholt hatte–, das mit seinem Kantaten-Repertoire in Versailles und weiteren umliegenden Schlössern großen Eindruck machte.