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4.5.3 Translanguaging
ОглавлениеTranslanguaging1 wird von Busch als die Fähigkeit definiert, vorgelernte kommunikative Kompetenzen zu nutzen und miteinander zu vernetzen, um (neue) Bedeutung zu schaffen. Dabei ist die Bedeutungsgebung abhängig vom kommunikativen Kontext und von der Intention der Sprecher. Es werden dadurch Räume geschaffen für Kreativität und persönlichen Umgang mit Sprachstrukturen und Bedeutung. Gleichzeitig setzt diese Form der Sprachpraxis kritisches Hinterfragen des vorgelernten Welt- und Sprachwissen voraus. Denn will man mit Normen und Regeln frei umgehen, vielleicht sogar sich darüber hinwegsetzen, so müssen diese Normen, Regeln und Bedeutungen erst einmal erkannt, kritisch beleuchtet und hinterfragt werden (Busch 2013: 58; Li Wei 2011).
Für Aronin & Singleton und Hornberger & Link (Aronin & Singleton 2012: 154; Hornberger & Link 2012: 265) bedeutet TL, sich zwischen Sprachstrukturen und Bedeutungen zu bewegen, aber auch jenseits derselben. Durch TL werden soziale Räume geschaffen, in denen Mehrsprachigkeit ihre verschiedenen Dimensionen, Erfahrungen und Haltung in einer abgestimmten und in sich schlüssigen und sinnvollen Ausführung ausdrücken kann. Es handelt sich daher also keineswegs um Sprachvermischung oder fehlende Sprachdifferenzierung (Aronin & Singledon 2012: 154), sondern um eine Ressource, eine Kompetenz, durch die mehrsprachige Sprechende fähig sind, in einem Prozess der ständigen Entscheidungsfindung mehrsprachige Mittel einzusetzen, um spezifische kommunikative Wirkungen zu erreichen. Folglich setzt TL ein hohes Maß an Sprachsensibilität voraus, einhergehend mit einem höchst differenzierten Wissen um Sprachstrukturen und deren Anwendung (Garcia & Wei 2014: 89).
Im Translanguaging werden z.T. völlig heterogene sprachliche Elemente zusammengebracht, in ihrer Funktion entfremdet und einem neuen Bedeutungsfeld zugeordnet. In der aktiven Sprachproduktion kann das vom einfachen Zitat bin hin zur ironischen bzw. parodierenden Distanzierung gegenüber geläufigen sozialen oder ethnischen Annahmen führen. Stereotypen und Kategorisierungen aller Art werden translingual leichter aufgeworfen und thematisiert und auch auf sprachlicher und diskursiver Ebene hinterfragt. Dadurch kann das Subjekt sich laut Bausch selbst positionieren in einem mehrsprachigem sozial markierten Umfeld. Durch TL nutzt es die vielfältigen sprachlichen Ressourcen, die ihm zur Verfügung stehen, um Identität zu konstruieren (Busch 2013: 59).
Das Fluktuieren zwischen den Sprachen kann durch ein gezieltes Unterrichtsdesign gefördert werden, um das metasprachliche Bewusstsein zu steigern. Es entspricht dem natürlichen Sprachverhalten im Alltag und ermöglicht es den Lernenden, eine Verbindung zwischen der sozio-kulturellen Gemeinschaft und sprachlichen Domänen herzustellen. Mit anderen Worten: Es werden Haltungen verändert und Lernende können sich so auch im Klassenzimmer durch natürlichere Umgangsformen im Umgang mit einer polyglotten und transkulturellen Realität üben. Guerra spricht in diesem Zusammenhang von Transcultural Repositioning, der Fähigkeit also, sich zwischen Sprachen, Dialekten, unterschiedlichen sozialen Diskursen und auch künstlerischen Ausdrucksformen ohne Anstrengung bewegen zu können. Dieses Transcultural Repositioning kann in der heutigen Gesellschaft, die Guerra als „fluid and hybridized“ bezeichnet (Guerra 2004: 15), als Grundvoraussetzung für erfolgreiche Kommunikation und des sich Positionierens des Individuums in seiner Einzigartigkeit in einer Welt der Perspektivenvielfalt, in der die Grenzen unterschiedlicher Denkweisen aufgebrochen werden, angesehen werden (ibid.: 8). Diese wichtige strategische Fähigkeit kann zu MMK gezählt werden, sie setzt eine rhetorische Geschicklichkeit voraus, die im Unterricht zu vermitteln dringend vonnöten ist.
Damit CS und TL im Unterricht einen zentralen Platz einnehmen können, bedarf es laut Dewaele (Dewaele 2010: 222) interaktionaler Unterrichtssettings, die Gelegenheiten für weitgehend unkontrollierte Sprachproduktion bieten. Laut Dewaele steigt die Häufigkeit von CS und TL in solchen Situationen erheblich und bietet den Lernenden die Möglichkeit, Versuche zu unternehmen, sich über ihr aktuelles Sprachkompetenzniveau hinaus zu wagen und neue Wege zu beschreiten, da hier die Korrektheit zugunsten von kommunikativen Anforderungen zurücktritt. Als besonders geeignet angesehen werden Aushandlungsprozesse, in denen Lernende zusammenarbeiten und Bedeutung aushandeln. Bedeutungskonstruktion kann so mehrsprachig und sprachübergreifend erfolgen (Bono 2011a: 32; Bono & Melo-Pfeifer 2011b: 293). Dabei spielen kontextuelle Faktoren wie Sprachkompetenz, empfundene Emotionalität des Gespräches, Intention der Sprechenden und Autorität und Prestige der einzelnen Sprachen eine nicht minder wichtige Rolle (vgl. Pavlenko 2005: 147).