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4.6.1 Sprachen erfassen Emotionen unterschiedlich

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Sprachen erfassen Emotionen unterschiedlich und es gibt große Differenzen in der Bandbreite der Beschreibungen emotionaler Zuständen. Gemeinhin wird nicht davon ausgegangen, dass kulturbedingt durch Emotionen hervorgerufene körperliche Reaktionen einfach ausfallen, sondern dass diese in sehr unterschiedliche Auffassungen von inneren Zuständen und deren Bedeutung übersetzt werden (Pavlenko 2005: 88). Angesichts dieser zwischensprachlichen Unterschiede liegt die Annahme nahe, dass zwei- bzw. mehrsprachige Menschen eine Vielfalt von Emotionsdefinitionen in ihrem mentalen Lexikon zur Verfügung haben, die sich auf ihr emotionales Leben auswirken (ibid.: 92). Außerdem stehen ihnen in der Konstruktion des Diskurses inner- und zwischensprachliche Ausdrucksmittel zur Verfügung, die in der Aushandlung sozialer und emotionaler Gegebenheiten und von Machverhältnissen eine wesentliche Rolle spielen (ibid.: 114). Laut Pavlenko bilden sich aufgrund der unterschiedlichen affektiven sprachlichen Repertoires sog. Affective Personae in den verschiedenen Sprachen heraus. Das heißt, die SprecherInnen übernehmen sprachspezifische emotionale Rollen, die sehr unterschiedlich ausfallen können (ibid.: 118), da Emotionen unterschiedlich wahrgenommen und vermittelt werden. Diese Affective Personae können je nach individueller Sozialisationsgeschichte und Sprachlernerfahrung miteinander vernetzt sein oder auch nicht.

Ein gleicher oder ähnlicher kultureller Hintergrund bedeutet demzufolge eine ähnliche Kodierung von Emotionen und eine daraus resultierende Überlappung der Gesprächserfahrungen, dies wiederum wirkt sich synchronisierend auf die Kommunikation aus. So sind etwa Intonation oder die Dauer von Sprechpausen aufeinander abgestimmt: Das Gespräch ist synchronisiert, denn es werden dieselben Annahmen über die Gesprächsstrategien geteilt. Findet die Kommunikation hingegen unter Voraussetzung verschiedener kultureller und kommunikationsstrategischer Hintergründe statt, können die Wahrnehmungen über ein korrektes und angemessenes Verhalten sehr unterschiedlich sein und es kommt folglich zu Missstimmungen im Gespräch. Nur ein sprachlicher Transfer auch auf pragmatischer und kommunikationsstrategischer Ebene kann, vor allem bei der Mitteilung emotionaler Inhalte, Missverständnisse aus den Weg räumen, indem die sprachliche und kulturelle Vorgeschichte des anderen wahrgenommen und anerkannt wird (Gumperz 1982: 123). Ausdruck von Emotionen ist demzufolge kulturspezifisch und folgt einem genau kodierten Angemessenheitsprinzip. Diese affektiven Repertoires beeinflussen sich jedoch, so Pavlenko (Pavlenko 2012: 410f.) durch CLIN gegenseitig, wodurch neue Konzepte und mentale Skripts entstehen. Die sprachliche Rahmung kann sich bei längerem Gebrauch auch zugunsten der neuen dominanten Sprache ändern (vgl. auch Òzańska-Ponikwia 2013; Panayioutou 2004a/b).

Dieses kooperative Prinzip in der Kommunikation (vgl. Grice 1975) kann aber auch bewusst außer Kraft gesetzt werden. In diesem Fall wird CS nicht eingesetzt, um ein Argument verständlich für alle zu entwickeln, sondern um Emotionen freien Lauf zu lassen. Das Prinzip der Verständigung wird in diesem Falle zugunsten des unmittelbaren Ausdrucks emotionaler Befindlichkeiten hintan gestellt. CS erfolgt hier fast ausschließlich nach L1, da sich für die meisten zwei- bzw. mehrsprachigen Menschen das Mitteilen der eigenen Emotionen und Gefühle in einer L2 bzw. Lx nicht authentisch anfühlt. Dahinter liegt die Annahme, dass das Übertragen von Emotionen von einer Sprache auf die andere mit einem Sozialisationsprozess in der L2/Lx verbunden ist und nicht unmittelbar erfolgen kann. Erst durch das Sich-Herausbilden einer neuen Sprachrolle kann sich das emotionale Repertoire erweitern und als solches agieren, ohne dass im Sprecher das Gefühl der Künstlichkeit entsteht (Pavlenko 2005: 134). Es muss also auch zu einem affektiven Sprachtransfer kommen, damit Emotionen in L2/Lx ausgedrückt werden können.

Kompetenzentwicklung und Mehrsprachigkeit

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