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4.6.2 Die gefühlsbedingte Sprachentlehnung

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Das Phänomen des Affective Borrowing gefühlsbedingter Entlehnungen (Pavlenko 2005: 36) beschreibt hingegen die Entlehnung einzelner Wörter aus einer Fremdsprache mit dem Ziel, emotionalen Zuständen Ausdruck zu verleihen. Im Gegensatz zum CS handelt es sich hier um einzelne L2-Lx Wörter, die oft wiederholt in einen L1-Diskurs eingebaut werden. Dabei wird ein besonderer kommunikativer Effekt der Entfremdung erzielt. Diese Entfremdung ermöglicht es, vom Gesagten Abstand zu gewinnen und es kritisch zu hinterfragen, da der automatisierte Sprachgebrauch von L1 unterbrochen wird und es zu einer Störung im reibungslosen Gesprächsablauf kommt. Diese Störung zwingt zum Innehalten und Reflektieren über die Gesprächssituation und die Bedeutung der verwendeten Wörter bzw. Fremdwörter. Durch diesen Moment der Reflexion und des Vergleichs werden Bedeutungsebenen und Färbungen freigelegt, die anderenfalls ohne Berücksichtigung blieben. Andererseits werden durch die gezielte Verwendung von Fremdwörtern Bedeutungsnuancen einzelner Wörter genutzt und dadurch ein Effekt der Bedeutungserweiterung des Diskurses erzielt (vgl. Schülerauswertung). Pavlenko beschreibt dieses sprachliche Phänomen mit „disembodied cognition“1 (Pavlenko 2012: 424). Das heißt, dass die Kognition sich durch das Phänomen des Affective Borrowing vom Körperlichen trennt und somit auch vom unmittelbar Emotionalen und Gefühlsbedingten, das später gelernte Sprachen nicht so stark emotional codiert wie L1. Es kommt durch den Sprachwechsel zu einer vorübergehenden Trennung zwischen Kognition und Emotion, wodurch Raum geschaffen wird für den bewussteren Umgang mit beidem und, im Idealfall für ein kritisches Hinterfragen derselben. Aus den Schülerauswertungen geht hervor, dass in diesem durch sprachliche Entfremdung entstandenen Freiraum nicht nur die kritische Reflexion über die eigenen Emotionen und Denkprozesse angeregt wird, sondern auch Platz für den kreativen Umgang mit Sprache gegeben ist und dass ein Prozess der Bedeutungserweiterung stattfinden kann.

Emotionale Ausdrücke können also mehrfach kommunikativ genutzt werden. Einerseits wird das Repertoire an emotionalen Ausdrücken und der Wahrnehmung von Gefühlen in einer Sprache durch das Hinzukommen von Emotionsausdrücken in anderen Sprachen ergänzt, wie z.B. das englische Wort excited in der deutschen Sprache nicht kodiert ist (Pavlenko 2005: 139f.). Umgekehrt kann es zu einem Entfremdungseffekt kommen, durch den die Sprechenden die Intensität der Emotionen abschwächen können, z.B. bei der Verwendung von Schimpfwörtern. Mehrsprachige SprecherInnen kombinieren Sprachen und Gefühlsausdrücke kreativ und es kann ein emotionaler Sprachtransfer erfolgen. Es werden Sprachgrenzen aufgebrochen und kreative neue Vernetzungen hergestellt. Zwei- und mehrsprachige SprecherInnen bedienen sich eines mehrsprachigen affektiven Repertoires, das strategisch eingesetzt wird. Dabei spielt nicht immer die Kommunikationsabsicht eine zentrale Rolle. Es wird von ProbandInnen immer wieder darauf hingewiesen, dass die persönliche Genugtuung und Bedürfnisse hier eine große Rolle spielen. Mehrsprachige Sprecher greifen aus verschiedensten Gründen auf unterschiedliche Sprachen zurück, dazu gehören: Ausübung von Autorität, Prestige der Sprache, sich absichtlich unverständlich machen, Selbstkontrolle, Sprachübung, wahrgenommene Emotionalität der Sprache(n) (ibid.: 140). Unausgesprochene Angemessenheitsregeln in den verschiedenen Sprachen können dabei respektiert, aber auch gebrochen werden.

Kompetenzentwicklung und Mehrsprachigkeit

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