Читать книгу Schottisches Feuer und englische Anmut - Giulianna G. Bailie - Страница 8

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Kapitel 2

Auf dem Versammlungsplatz hielten sich schon alle bereit. Dustin hielt Arac und Alec stieg auf.

„Marcus“ rief Alec „wenn mein Bruder eintrifft, soll er sich erst ausruhen und dann nachkommen. Ohne Schlaf ist er ein zu grosses Hindernis“. Marcus nickte. Jackson trabte neben ihn und sie ritten mit den Männern los.

Die verschiedenen Gruppen der Heerführer trafen in der Hälfte des Weges aufeinander und bildeten eine einzige grosse Front die gen Edinburgh ritt. Auch Alecs Offiziere stiessen mit seinen Männern hinzu und kannten nur eine Richtung. Wie schon bei Arcioldun zogen sich dunkelgraue Wolken am Himmel zusammen, je näher sie ans Ziel gelangten. Einige Meilen vor Edinburgh stand eine Front aus Schotten. Keine Kavallerie, nur Fusssoldaten. Die Engländer waren ihnen hoch aus überlegen. In dieser Distanz war es schwer zu erkennen, doch Alec glaubte, bevor die Sonne untergegangen war, Männer mit Stallgabeln bewaffnet gesehen zu haben. Thomas blickte ihn an

„Das ist wohl ein schlechter Scherz!? So wenige Schotten verteidigen eine so wichtige Stadt?!“ Thomas schüttelte ungläubig den Kopf „und ich könnte schwören, ich habe eine Stallgabel bei einem der Soldaten entdeckt“

„Arrrrh! Wir müssen etwas tun“ sagte Alec. Er winkte einen Knappen zu sich „Verbreite die Nachricht unter den Männern, sie sollen alle gefangen nehmen. Sie sollen die gegnerischen Männer überwältigen, wenn nötig mit Faustkampf“ der Knappe nickte und rannte los. Alec wendete Arac und galoppierte die Linie entlang zu James. „James!“ er drehte den Kopf und sah ihn an „die Soldaten“ sagte Alec und James erwiderte

„Ich habe es gesehen! Keine Kavallerie! Nur Stallgabeln und was weiss ich noch! Ich gab meinen Männern den Befehl sie zu überwältigen!“ Alec nickte

„und John?“

„Ich bin mir sicher, er handelt genauso!“. Alec nickte erneut und wendete Arac um zu Thomas zurückzureiten.

„Selbe Taktik?“ fragte Thomas.

„Ja“

Die letzten Strahlen der Sonne verblassten und die Dunkelheit breitete sich zwischen den beiden verfeindeten Linien aus. Das donnernde Klopfen und schlagen der Schwerter liess die Erde erzittern. Die Front aus Engländern zog nach vorne. Arac schnaubte vor Erregung und Alec hielt ihn so gut er konnte zurück. Immer näher kamen sich die beiden Linien. Als sie eine gewisse Distanz erreicht hatten, blieben beide Fronten stehen. Die Linie der Engländer war fünfmal so lang, wie diejenige der Schotten. Es grenzte an Wahnsinn, was diese Schotten hier taten. Die Piper stimmten ihr erstes Lied an und mit dem Schlachtruf begann der Kampf.

Ω

Seit Alexander sie vor zwei Tagen verlassen hatte fühlte sie sich rastlos und unruhig. Gedankenverloren strich sie sich immer wieder über ihren Bauch. Was sollte sie nur tun, wenn er im Kampf fiel? Schlimme Bilder stiegen auf und sie rieb sich ihren Kopf. Ruhe bewahren, sagte sie sich innerlich. Schuld war nur dieser König! Sie hatte einige Gespräche mitgehört, als Alexander hier seine Soldaten empfing. Dieser Henry war einfach noch jung und naiv, als dass er eine Ahnung hatte, wie viel Elend ein Krieg über das Volk brachte. Sie war entsetzt darüber gewesen, als sie Einzelheiten über diesen König erfahren hatte. Blutrünstig und rücksichtslos metzelte er alles nieder, was ihm in die Quere kam. Isabella hatte aus den Gesprächen vernommen, dass die Mehrheit der Peers absolut nicht hinter seinen Ideen standen und sie die Zeit seines Vaters zurücksehnten, doch sie hielten zu ihrem Treueschwur und würden für ihren König sterben.

„Wie dumm“ presste sie hervor. „Oje… Ruhe bewahren... Ruhe“. Es war schwer, sie konnte sich kaum abgrenzen. Sie fühlte sich verloren, da sie nichts ausrichten konnte. Doch sie musste Alec und dem Kind zu liebe ihre Wut vergessen. Nun gut, sie würde nun ihr Buch hervorholen und sich von den Zeilen ablenken lassen. Sie schlug ihr Buch auf Seite hundertneunzehn auf.

„Isabella? Bist du hier?“ fragte die vertraute Stimme von Rickard. Froh, um eine wirkliche Ablenkung schlug sie ihr Buch zu und setzte sich auf

„Rickard?“. Er trat ein

„Meine Schwägerin“ grinste er und umarmte sie.

„Welch glückliche Abwechslung. Alexander ist vor bald drei Tagen abgereist und ich langweile mich zu Tode“

„Dann bin ich froh, dass ich den Doktor gefunden habe. Der wird euch schon auf andere Gedanken bringen. Er muss sich nur erst frisch machen“

„Ach Rickard, Alec ist einfach überfürsorglich. Etwas Würzwein?“ Rickard nickte bejahend und Isabella goss ihm einen Becher ein.

„Er hat recht… ihr und das Kind, bedeutet meinem Bruder alles“ sagte Rickard aufrichtig, trank einen Schluck und meinte etwas wehmütig „wäre ich ein solch glücklicher Ehemann, mir würde es genauso ergehen“. Isabella sah ihn an und erkannte die Einsamkeit in seinen Worten.

„Rickard… ihr wisst schon, dass ihr an eurem Pech selbst Schuld habt?“ Abrupt hob er den Kopf und senkte seinen Becher

„Wie darf ich das nun verstehen?“ Isabella neigte den Kopf zur Seite

„Rickard… ich bin nicht blind. Ihr und Miss Beaufort?“ Eine zarte Röte stieg ihm den Hals hinauf und verfärbte seine hohen Wangenknochen. Er nippte verlegen an seinem Becher und Isabella fuhr fort „Als Dienstmädchen in einem Haushalt, erfährt man so allerlei Interessantes. Ich war der Ansicht, dass ihr euch sehr zugetan seid, bis zu dem Abend des“

„Maskenballes“ seufzte Rickard „allerdings… es ist nur… Penny ist, sie ist“ er sah sie direkt an „noch so jung, fast noch ein Kind“. Isabella strich ihr Kleid glatt und erwiderte

„Nun, mir kam sie nicht wie ein Kind vor. Im Gegenteil, ich habe sie als sehr reife Frau erlebt. Sie hat sich rührend um euch gekümmert, als ihr verletzt wart“. Isabella liess ihre Worte wirken. Rickard schien in Gedanken. „Ich weiss es geht mich durchaus nichts an, doch es würde mich interessieren wieso ihr gebrochen habt, denn danach kam mir Lady Penelope Beaufort ziemlich traurig vor“

„Wirklich?“ fragte Rickard erstaunt „Sie kam euch traurig vor?“ Isabella nickte und nahm einen Schluck Würzwein. „Isabella, ich weiss ich bin ein Tunichtgut“ er rieb sich die Augen „für mich war… ist dieses Gefühl vollkommen neu. Es hat mich verwirrt, ja gar geängstigt. Ich wusste nicht was ich tun sollte. Ich wusste schon länger, dass Penelope eine Art Schwäche für mich hatte, doch sie war so ganz anders als die anderen Damen, die mir unverblümt zu verstehen gaben, dass sie an mir interessiert waren. Ausserdem war sie für mich immer dieses kleine süsse Mädchen gewesen, das lieber in Büchern schmökerte als sich mit anderen Damen zu Klatschen. Sie war soo… ich nun ja, war sicherlich kein einsamer Mann. Ich habe einen gewissen Ruf und den habe ich als Junggeselle auch genossen“

„Und dann kam dieser Abend, als Miss Beaufort sich um euer Wohl gekümmert hat und ihr habt festgestellt, dass sie zu einer reifen und wunderschönen Frau herangewachsen ist?“ Rickard blickte Isabella an und schloss die Augen

„Jaa… genau so war es. Plötzlich habe ich sie als weibliches Wesen wahrgenommen und es hat mir gefallen... Ich wollte sie um mich haben und mich mit ihr unterhalten. Unbewusst behandelte ich sie wie eine Lady, die ich begehrte, machte Komplimente, berührte sie sanft und bevor ich mich versah, musste ich mir eingestehen, dass ich mich nach ihr verzehrte. Dann kam dieser eine Moment und ich habe sie geküsst“. Er schwieg, blickte betrübt in seinen Becher. Nach einer Weile sprach er weiter „Dieser Moment… er hat mir Angst eingejagt. Ich wollte alles rückgängig machen, ich würde sie nie glücklich machen. Ich bin nicht geschaffen für die Ehe. Ich wäre kein guter Ehemann“. Isabella streckte ihre Hand aus und legte sie auf seine.

„Rickard… in der Tat ihr seid ein Dummkopf“ lächelte sie „welchem Mann macht diese Hürde den keine Angst?“ Er schüttelte die Schultern

„Alec?“ Isabellas Lächeln wurde breiter

„Ihr glaubt wirklich euer Bruder war von Anfang an dafür mich zu ehelichen? Mich, eine Dienstmagd? Nein. Euer Bruder hat mir mehrere Angebote unterbreitet, die ein Mädchen in dieser Stellung dankend angenommen hätte. Wir beide hätten bestimmt niemals geahnt, dass unsere Geschichte so enden würde. Und als Frau kann ich euch nur sagen, es ist nicht einfach in einen Mann eurer Familie verliebt zu sein. Ständig laufen euch Damen und Dienstmädchen hinterher und gerade bei euch, kann ich mir vorstellen, dass es für Miss Beaufort nicht gerade einfach war mit anzusehen, hinter welchem Rock ihr nun erneut her seid“. Rickard erhob sich und lief im Zelt umher

„Ich weiss... ich weiss! Was habe ich nur angerichtet. Jetzt weiss ich, dass ich eigentlich nur Penelope an meiner Seite wissen will, doch ich bin Meilenweit entfernt von ihr und wer weiss wie lange dieser verdammte Krieg noch dauert“ er liess sich auf den Stuhl sinken.

„Ich bin mir sicher, dass sie euch noch eine Chance gibt. Sie wirkte auf mich nicht wie eine Lady, die sich schnell von einer Sache abwendet… ich denke sogar sie hat noch lange daran zu knabbern. Immerhin habt ihr sie vor den Kopf gestossen“. Rickard sass zusammengesunken auf dem Stuhl und Isabella überliess ihn seinen Gedanken. Sie war überzeugt, wenn Rickard sich endlich eingestehen würde, dass er tiefe Gefühle für Penelope Beaufort hegte, alles ein gutes Ende nehmen würde. Seit dem Tag an dem Rickard und sie einen Neuanfang beschritten hatten, behandelte er sie bereits wie eine Schwägerin. Er hatte sich immer nett mit ihr unterhalten und sie hatten eine freundschaftliche Basis geschaffen. Rickard war ein unsteter Mann, voller Energie und Lebensfreude und Isabella fand es interessant mitanzusehen, wie er langsam begann sein Leben in ernstere Bahnen zu lenken. Eine Penelope Beaufort würde nur allzu gut in sein Junggesellendasein passen, da sie für ihn einen guten Gegenpol darstellte. Sie verliess das Zelt und machte einen letzten Spaziergang bevor die Sonne am Horizont versank. Das Lager war um einiges ruhiger, wenn die Soldaten weg waren und erinnerte Isabella eher an ihr Dorf in den Highlands. Die Jungen gingen auf die Jagd und versorgten die Lagernden mit Wild. Obwohl Dustin oft freiwillig die Wache vor Isabellas Zelt übernahm und somit die meiste Zeit beschäftigt war, sah sie ihn auch wie er mit einigen seiner Kameraden mit Pfeil und Bogen in das Grasland und die Hügel neben dem Lager verschwand, um einige Stunden später mit fetten Hasen und Fasanen zurückzukehren. Wie auch jetzt. Dustin und eine Gruppe von jungen Soldaten kehrten ins Lager zurück. Er winkte ihr zu und verschwand dann im Versammlungszelt. Als Isabella in ihr Zelt zurückkehrte, wartete Rickard dort mit ihrem Arzt.

„Es tut mir leid, aber Doktor Hemsmith muss so schnell wie möglich weiterreisen. Deshalb, müsste er euch jetzt noch untersuchen, wenn es für euch genehm ist?“ fragte Rickard.

„Mylady“ sagte Doktor Hemsmith und machte einen Knicks.

„Doktor. Ich habe Rickard, wie auch meinem Ehemann bereits gesagt, dass mit mir und dem Kind alles recht ist, doch leider wollten sie nichts davon hören“ lächelte Isabella und setzte sich auf das Bett.

„Nun meiner Erfahrung nach, machen sich die Väter immer zu viele Sorgen um ihren Erben und die Mütter haben ein natürliches Gefühl für ihre Situation“ meinte er und stellte seine Arzttasche auf das Fussende des Bettes. „Wenn sie uns nun entschuldigen würden Sir“ meinte er an Rickard gewandt. Rickard nickte

„Natürlich Doktor. Isabella ich bin vor dem Eingang, falls ihr etwas benötigt“

„Mylady ich bitte sie sich zu entkleiden und unter die Decke zu schlüpfen. Hat schon jemals ein Arzt eine Untersuchung bei ihnen durchgeführt?“ meinte er sanft.

„Nein Doktor Hemsmith“ sagte Isabella sichtlich nervös.

„Keine Sorge meine Dame“ er hantierte mit seiner Tasche und Isabella nutzte die geschenkte Möglichkeit, streifte ihr Kleid ab und schlüpfte unter die Decke. „So, dann wollen wir mal nachsehen, wie es dem Kind geht. Bitte winkeln sie die Beine an Mylady“. Isabella befolgte seine Anweisungen. Doktor Hemsmith plauderte sichtlich entspannt weiter und verwickelte Isabella in ein angenehmes Gespräch. Als er fertig war, strich er die Decke wieder glatt und trat an ihre Seite „Mylady wo und wie genau waren die Schmerzen, die sie verspürt haben?“ Isabella setzte sich etwas auf und antwortete

„Sie waren auf der Seite des Bauches und es fühlte sich an wie ein sehr unangenehmes Ziehen“. Hemsmith schritt nachdenklich zu seiner Tasche

„Gut, was ich sagen kann ist, dass sich das Kind gut entwickelt und gesund ist für ein Kind im ungefähr fünften Monat. Auch habe ich keine Veränderungen ihrer Gebärblase erkannt und somit sehe ich keine Gefahr für euch und das Kind. Die Kontraktionen könnten allerdings frühe Wehen gewesen sein. Deshalb verordne ich euch Ruhe und das ihr euch entspannt“. Er machte eine Pause „und Mylady sie sollten den Beischlaf von jetzt an auslassen, bis das Kind geboren wurde. Denn leider führt häufiger Beischlaf zu frühen Wehen und sie wollen doch nicht, dass ihr Kind zu früh auf die Welt kommt?“ Isabella schüttelte den Kopf

„Natürlich nicht. Da mein Ehemann sich gegenwärtig im Krieg befindet und längere Zeit nicht zurückkehrt, sehe ich darin keine Gefahr mehr“. Die unverblümte Art und Weise, wie Isabella dies sagte, verursachte beim Doktor eine rosa Färbung im Gesicht. Scheinbar war er es nicht gewohnt, dass die Damen, die er sonst untersuchte, so offen darüber sprachen. Er verabschiedete sich und Isabella schlüpfte in ihr Kleid. „Rickard ihr könnt wieder eintreten“ rief sie nach draussen, da sie sicher war, dass er noch wartete. Er trat hinein und schmunzelte

„Uuund?“

„Rickard, ich habe es ja bereits gesagt, es geht uns gut“ und Isabella lächelte ihn an.

„Da bin ich beruhigt und Alec bestimmt auch. Ich werde ihm einen Boten senden… Morgen“ gähnte er.

„Tut das. Geht und ruht euch aus, ihr sieht furchtbar aus“ neckte sie ihn und Rickard folgte ihrer Aufforderung und verliess das Zelt.

In dieser Nacht schlief Isabella äusserst schlecht, sie wälzte sich unruhig zwischen den Fellen und wachte mehrmals schweissgebadet auf. Als sie erneut aus dem Schlaf hochschreckte, strich sich Isabella im Dunkeln über ihren Bauch. Irgendetwas beunruhigte sie, liess sie nicht zur Ruhe kommen. Sie entzündete eine Kerze und setzte sich aufrecht ins Bett. Gerade als sie sich davon überzeugen wollte, die Kerze zu löschen und dem Schlaf noch einmal eine Chance zu geben, vernahm sie Stimmen. Es waren mehrere. Sie klangen aufgeregt, hektisch und waren ihr vollkommen unvertraut. Ihr Herz begann wild zu pochen und sie spürte den Herzschlag bis zu ihrem Hals. Hastig schlüpfte sie unter den Fellen hervor, griff auf ihrem Nachttisch zum Stilett und hielt es sich hinter den Rücken. Stille. Ihr weisses Nachthemd flatterte ihr um die Fesseln. Dann konnte sie schnelle Schritte hören, die sich entfernten. Ihr Atem wurde flacher und sie stützte sich etwas vom Bett ab. Kaum merklich vibrierte der Zelteingang und eine Hand schob sich hinein. Die grobe massig behaarte Hand schob die Zeltwand weiter zurück und es erschien ein dicker behaarter Oberarm. Isabella schluckte und umklammerte ihr Stilett. Zu der Hand und dem dicken Oberarm gehörte ein verboten wüst aussehender Mann. Der Kopf schien viel zu klein für einen solch massigen Körperbau. Seine schwarzen Käferaugen blitzten rasch hin und her. Scheinbar hatte er nicht erwartet jemanden anzutreffen. Er grunzte und eine Reihe brauner Zähne offenbarten sich Isabella. Sein Gesicht war mit Stoppeln versehen und sein schwarzes lockiges Haar fiel ihm fettig in den Nacken. Mit seinen dreckigen Fingern strich er sich nervös über sein Haupt. Bevor sie ein Wort herausbrachte, machte dieser Wüstling einen Satz und sprang sie an. In ihrer Verzweiflung riss sie ihr Stilett nach vorne, um sich vor diesem Bastard zu verteidigen. Sie versuchte sich an die Worte von Alec zu erinnern, der ihr erklärt hatte, wie sie einen Angreifer ausser Gefecht setzte. Ihr Angreifer jedoch schien nicht einmal bemerkt zu haben, dass sie bewaffnet war. Er griff nach ihren Händen und Isabella stach zu. Er jaulte auf und sank vor ihr nieder. Sie hatte ihm ihr Stilett ziemlich nah an der Stelle in den Unterleib gerammt, die Alec ihr gezeigt hatte. Der Mann grabschte mit seinem Arm nach Isabellas Nachthemd und fiel dann vorneüber auf den Boden. Was zum Teufel ging hier vor?! Das Stilett immer noch umklammert, schlich sie zur Zeltwand und riskierte einen Blick. Es war nichts zu erkennen. Sie musste sich vergewissern, ob noch mehr Banditen ins Lager gekommen waren oder ob dieser hier der Einzigste war. Sie schlich an den Zelten vorbei, doch sie konnte keinen ihrer Soldaten ausfindig machen. Je näher sie allerdings ans Versammlungszelt kam, hörte sie eine Stimme immer deutlicher. Am letzten Zelt angelangt, dass vor dem Versammlungsplatz mit dem grossen Feuer stand, duckte sie sich und spähte daran vorbei. Die Stimme war nun klar zu hören

„Findet sie! Nah macht schon! Ddas kann doch nicht so verdammt schwer sein!“ Eisige Schauer rannen ihr über den Rücken. Ein kleiner rundlicher Mann stand in altbewährter Manier da und schritt vor dem Feuer auf und ab. Hinter ihm bestimmt sechzig bullige Männer, die einen Grossteil von Alecs Soldaten in Schach hielten. Die Männer teilten sich und zwei weitere Männer schleiften einen grossen schweren Körper zwischen sich zum Feuer und liessen ihn vor die Füsse des kleinen Mannes fallen. Einer der beiden knurrte

„Lexington. Tod“. Der auf und abgehende Mann hielt inne

„Sie ist hier!“

„Sucht ihr mich Talbot?“ sagte Isabella und stellte sich vor das Zelt, hinter dem sie sich versteckt gehalten hatte. George Talbot wendete sich und grinste über sein ganzes Gesicht

„Was glaubst du denn?! Du listiges Biest!“ Er stemmte beide Hände in die Hüfte „schnappt sie euch!“ schrie er seinen Männern zu.

„Neeeeeeeeeiiiiin!!“ schrie jemand und sprang schützend vor Isabella. Es geschah alles sehr schnell. Der Junge warf sich voller Inbrunst vor Isabella und streckte schützend seine Arme vor ihr aus. Isabella vernahm das Surren eines Pfeiles und die Gestalt vor ihr sank zu Boden. Isabella schrie

„Dustin!!“ Sie fiel auf die Knie zu ihm hinunter und nahm seinen Kopf in ihren Schoss „Dustin… Dustin“ wisperte sie. Der Pfeil steckte tief in seiner Brust. Die Federn schwankten noch immer von der Wucht des Einpralls. Dustin schluckte mehrmals und versuchte zu sprechen. „Dustin, es wird alles gut… alles wird wieder gut“ wimmerte sie „wir haben einen Arzt… er kann noch nicht allzu weit entfernt sein“ sagte sie mit zitternder Stimme. Dustin benetzte mit seiner Zunge seine spröden Lippen und flüsterte

„Es ist meine… meine Schuld“ er hustete „ich hätte“ das Atmen viel ihm sichtlich schwer „ich hätte meinen Posten nie… nie verlassen sollen“ heftiges Husten verschlang seine letzten Worte. Dustins Mundwinkel schimmerten rosa. „Verzeiht mir… Mylady“. Sein Brustkorb wölbte sich in Isabellas Armen und dann wurden seine Atemströme flacher, leiser. Er blinzelte noch einmal und dann versiegte sein Atem und Dustins Körper wurde weich.

„Dustin! Dustin!“ rief Isabella und schüttelte den Jungen. Sie presste Dustin an ihre Brust und blickte zornesentbrannt zu Talbot „Du! Das wirst du mir bezahlen du ekliges Stück von einem Bastard!“ Talbots Augen blitzen voller Freude

„Ach und wie? Du verdammtes Weibsstück! Greift sie euch, ihr Narren!“

„Wag es ja nicht“ rief Isabella und hielt ihr Stilett vor sich.

„Talbot! Wir haben ihn“ wieder teilte sich die Menge von Talbots Männern und zerrten einen Mann vor seine Füsse, dieser lebte allerdings noch.

„Das ist er! Der Dreckshundesohn von de Warenne! Er war doch hier!“ rief einer der Männer siegessicher. Er riss an den längeren Haaren des Mannes und hielt Talbot sein Gesicht hin. Isabellas Herz begann zu galoppieren.

„Ihr Dummköpfe!! Das ist nicht de Warenne, das ist nur sein Bruder“. Das Lächeln auf dem Gesicht des Mannes fror ein und er blickte zu Rickard hinunter

„Nicht de Warenne? Aber er ist doch auch ein de Warenne?“ fragte einer der Wachmänner dumpf.

„Verdammt! Ich will Alexander de Warenne ihr Hohlköpfe und nicht Rickard“. Rickard sah ziemlich mitgenommen aus, doch er blickte mit dem einen noch gesunden Auge zu Isabella, denn das andere war vollkommen zugeschwollen. Der zweite Mann der ebenfalls Rickard festhielt, meldete sich zu Wort

„Dieser Bastard hat drei unserer Männer getötet, dafür soll er hängen Talbot!“ sagte er zornig. Die Menge hinter ihm stimmte lauthals zu.

„Nein!“ schrie Isabella über den gesamten Platz und alle drehten sich zu ihr um. „Nein, Talbot, dass lasse ich nicht zu! Wenn ihr ihm oder einem der anderen Soldaten ein Haar krümmt, werdet ihr niemals die Dokumente erhalten, die ihr unbedingt von mir haben wollt! Und auch meine Bereitschaft mich euch zu unterwerfen werdet ihr nicht erhalten!“. Wie die Rädchen in Talbots Hirn drehten, konnte Isabella förmlich hören. Sie stand aufrecht in gewissem Abstand zu ihm und hielt das Stilett immer noch drohend gegen George Talbot. Er schien äusserst unschlüssig, doch was hätte er schon für eine Chance? Die Dokumente würde er nie ohne ihre Hilfe finden und wenn die Bewohner von Argyll Castle erfahren würden, dass sie tot wäre, würden sie ihn niemals als Clanoberhaupt akzeptieren. Anscheinend wurde dies nun auch Talbot klar, denn sein fieses Grinsen verschwand und ein grimmiger, mit roten Flecken versehender Ausdruck trat an dessen Stelle. Er geiferte

„Wenn du Hexe mir diese Dokumente und Argyll Castle nicht überreichst, wirst du zusehen, wovor dich dein Vater und dieser de Warenne versucht haben zu beschützen! Ich werde jeden einzelnen dieser Männer auseinandernehmen und in ihren Eingeweiden ein Fest veranstalten lassen und Rickard de Warenne wird der Erste sein! Während du bei jedem einzelnen zusehend darfst, bis auch du als Letzte an die Reihe kommst!“ Sein Blick fiel auf ihren gewölbten Bauch und da kehrte sein gieriges Lachen zurück „Ha! Der räudige Bastard hat dich also bestiegen, wie ein wildes Vieh!? Wer hätte das gedacht? Hahaha“ sein hinterlistiges lachen hielt an „Oh meine liebe Hexe, wenn du mir nicht gibst was ich will, werde ich natürlich dafür sorgen, weil es mir ungeheure Freude bereitet, dass diese Männer auseinandergerissen werden und zum Schluss sorgt mein Mann fürs Grobe, dass der ungeborene Bastard aus deinem Bauch geschnitten wird!“ Der Wahnsinn war ihm ins Gesicht geschrieben. Isabella schluckte und senkte ihr Stilett. „Jahha genau! Tu lieber was man dir sagt!“ Er machte eine unbedeutende Geste mit seiner rechten Hand und zwei Wachmänner schritten aus der Reihe und nahmen sie fest. Einer der beiden quetschte ihre Hand, damit sie das Stilett fallen liess. Talbot watschelte zu ihnen, baute sich vor ihr auf. Die beiden Männer drückten ihre Knie in den Boden, so dass sie sich vor ihm verbeugte. Talbot grinste erneut und holte mit seiner Faust aus. Dann war alles schwarz.

Ω

Er lehnte am Zelteingang und blickte in den trüben Himmel. Dicke grauverhangene Wolken drängten sich zusammen. Bald würde ein erneuter Schauer nieder prasseln. Er schloss seine Augenlieder und atmete die kalte nasse Luft ein. Die Tore vor Edinburgh waren verschlossen und man hörte kaum ein Geräusch aus der Stadt. Ihre Zelte waren wohl der reine Hohn für die Städter, doch sie hatten bisher keinen Angriff gewagt. Sie blieben hinter ihren Mauern und Alec, sowie James und John hatten nicht vor die Stadt anzugreifen. Es war äusserst merkwürdig. In einer Nacht hatten sie die Schotten hier vor Edinburgh geschlagen und konnten ihre Zelte kurz vor der Stadt aufstellen. Die Gefangenen hatten sie in Zelten untergebracht und es waren keine weiteren Kämpfer vor sie getreten. Alle drei hatten sich ihre Köpfe zerbrochen, was die Schotten den für einen Plan verfolgten. Nach Stunden der Diskussion hatte Alec seine Vermutung geäussert. Er war überzeugt, dass die Schotten einen Hinterhalt planten und sie vermutlich von mehreren Seiten angreifen würden. So würde er selbst vorgehen. Danach herrschte schweigen, bis John und James mürrisch nickten und ihm zustimmten. Sie mussten dahinterkommen! Deshalb hatte er sich gestern Nacht noch einmal Ogilvy vorgenommen, doch trotz der harten Linie die Alec fuhr, schwieg Eoin Ogilvy zu ihrem Vorgehen eisern. Erst als Alec ihm Geld und Reichtum versprach, wenn er ihnen die Taktik der Schotten verraten würde, erfuhr er ein interessantes Detail. Eoins Gesicht lief rot an und er spuckte Alec vor die Füsse. Soviel hatte Eoin in seiner gesamten Gefangenschaft nicht gesprochen. Er polterte, dass er nicht einer dieser Clanoberhäupter sei, der seine Brüder für eine Kiste Gold an die Engländer verkaufen würde. Alec würde sich täuschen, wenn er glaubte die Mehrheit der Schotten wäre wie diese einzelnen. In den letzten Jahren hätten sich die Clans zusammengerauft und Allianzen geschmiedet, da sie schon ahnten, dass Henry VIII im Gegensatz zu seinem Vater Schottland einverleiben wollte und das galt es zu verhindern. Die Engländer seien zu stolz und zu arrogant, um dieser Tatsache ins Auge zu sehen. Dies hatte Alec ziemlich überrascht. Die Schotten waren schon immer stolz und stur gewesen, doch immer nur im eigenen Interesse ihres Clans. Nun hatte er seine Antwort erhalten. Die Schotten waren bereit Allianzen zu schmieden, um Henry VIII entgegen zu treten und dies bedeutete, dass sie noch einen Trumpf im Ärmel hatten. Keine Folter hätte ihn bei diesem Schotten weitergebracht. Dafür gebührte ihm Alecs Respekt. Alec selbst hatte einen Grossteil seiner Ausbildung in fremden Kulturen verbracht und dadurch einen Einblick in spezielle Techniken des Kampfes erhalten. Ihm wurde beigebracht nicht nur alleine seinen Körper auf alle möglichen Arten zu trainieren, sondern auch seinen Geist. Dieses Wissen hatte ihm bisher immer geholfen die Oberhand in jedem Krieg zu erlangen. Alec drehte sich um und lief zu seinem Tisch. Dort lag der Schlachtplan. Er betrachtete die Truppen, die von den Engländern aufgestellt worden waren. Er, James und John hatten die erste Front gebildet und waren ungefähr einen Tag vor der Zweiten. David Brandon, König Henry und die vielen anderen Peers bildeten die zweite Front. Allerdings war Brandon noch immer in der Nähe von Duns... Er hatte noch keine Botschaft erhalten in der Brandon bestätigte, dass seine Männer in Richtung Edinburgh unterwegs wären. Duns. Brandon war ziemlich ungeschützt... Er trat einen Schritt zurück, verschränkte die Arme vor der Brust und kniff seine Augen zusammen.

„Hauptmann! Hauptmann de Warenne!“ hallte eine Stimme von draussen ins Zelt. Alec drehte sich hastig um, gerade als ein Bote ins Zelt hineinstürmte. Ein mittelgrosser Mann, sein blondes Haar klebte ihm auf der schweissnassen Stirn. Er beugte sich nach vorne und stütze seine Hände auf die Knie. Alec schritt auf ihn zu, der Bote keuchte „Alexander de Warenne?“ Alec nickte. „Ich… ich habe eine Botschaft… eine Botschaft vom König. Die Schotten sind von Aberdeen und Dundee mit Schiffen nach Ayemouth aufgebrochen und dort an Land! Sie“ er keuchte „sie sind dann Keulen schwingend Richtung Duns marschiert und wollen über die Grenze“. Alexander sprang zum Tisch und betrachtete seinen Plan. Er schob die Holzfiguren über die Karte. Alle grossen Heere waren hier oben, nur Brandon war in Duns.

„Wie viele?“ presste Alec hervor. Der Bote schluckte

„Hunderte… tausende Mylord“ nach einer Pause fuhr er fort „Der König hat vor bald zwei Tagen davon erfahren und mich losgeschickt. Ihre Majestät ist mit seinen Männern sofort aufgebrochen“

„Nimm dir einen Kelch und etwas zu essen. Dann ruh dich aus! Wir haben einen weiten Weg vor uns!“ sagte Alec und ging an ihm vorbei. Als er im Zelt von James ankam, waren auch Thomas und John anwesend.

„Du siehst aus als würde die Welt untergehen Alec“ sagte James amüsiert.

„Gut, ihr seid alle hier. Ein Bote überbrachte gerade eine Nachricht des Königs. Die Schotten haben die Linie durchbrochen und sind in Ayemouth an Land. Sie sind vor mehr als zwei Tagen Richtung Duns marschiert und wollen dann über die Grenze nach England“. John Beaufort sprang sofort aus seinem Sessel

„Dort ist nur dieser unnütze David Brandon! Sie werden ihn und seine Männer zerfleischen. Wir müssen sofort aufbrechen!“. Thomas stellte die gleiche Frage wie zuvor Alec

„Wie viele Männer Alec?“

„Es seien tausende“ schluckte Alec. James rieb sich über den Kopf und bemerkte trocken

„Nun wenigstens wissen wir jetzt, wo all die verdammten Schotten abgeblieben sind! Ich würde sagen auf nach Duns“. Alec nickte. Zurück in seinem Zelt, verfasste er hastig eine Nachricht für Marcus und Isabella, indem er ihnen den Kurswechsel erklärte und sie bat den Heimweg nach Carlisle Castle in Angriff zu nehmen. Die offenen Lowlands waren nun zu gefährlich, wenn alle Engländer wieder Richtung Heimat ritten. Ausserdem bat er Rickard das Lager sicher nach Hause zu bringen. Er übergab Alfred Ranney diesen Auftrag und kurze Zeit später galoppierte er mit seinem Pferd und dem Bogen aus ihrem Lager in Richtung Dun Rig. Die Heerlager waren schnell abgebrochen und die schwerfälligen Truppen machten sich auf den Weg Richtung Duns und englischer Grenze. Was ihnen allerdings auf dem Weg in den Dörfern der Schotten begegnete, trug unweigerlich die Handschrift von König Henry VIII. Die Felder zerstört, die Dörfer niedergebrannt und die Menschen brutal abgeschlachtet. Selbst den erfahrensten Kämpfern war dieses Bild ein Graus.

„Er ist des Wahnsinns!“ sagte John Beaufort bedrückt, als sie durch ein weiteres Dorf ritten „Wir schaffen uns neue Feinde, welche in Zukunft unter derselben Flagge wie wir reiten sollen?!“ Alec, Thomas und James schwiegen. Es musste nach diesem Krieg etwas geschehen, darin waren sich alle einig.

Ω

Sie blinzelte. Ihr Schädel brummte. Sie versuchte ihre Augen an das Licht zu gewöhnen. Sie fühlte sich elend. Ihr Bauch schmerzte und Isabella fühlte, wie das Ungeborene von Tag zu Tag schwächer wurde. Mehrere Tage waren seit Talbots Überfall in ihr Lager vergangen und nichts hatte sich verändert. Kein Bote von Alexander oder eine der anderen Truppen waren bei Dun Rig vorbeigekommen. Sie lehnte sich nach rechts und versuchte ihren halb tauben Arm zu entlasten. Talbot hatte sie sofort in einem Zelt untergebracht und zwischen zwei Pfählen angekettet. Er hatte erwartet, dass sie ihm sofort sagen würde, wo sie die Dokumente untergebracht hatte, doch das hatte sie nicht vor. Sie selbst musste die Dokumente holen. Es wäre zu gefährlich, wenn einer von Talbots Männern an die Orte reisen würde, wo sie die Dokumente verteilt hatte. In ihrem vor Tagen noch klugen Kopf, hatte sich diese Idee ziemlich gerissen angehört. Mittlerweile wusste sie nicht, ob sie es durchhalten würde. Denn obwohl Talbot ein Dummkopf war, seine Männer waren es nicht. Er hatte ihr seit Tagen nichts mehr zu Essen gegeben, um sie dazu zu bringen den Ort des Versteckes zu verraten. Es zerrte an ihren Nerven und sie würde schon bald nicht mehr in der Lage sein, einen klaren Gedanken zu fassen. Sie hörte zwei Stimmen, die unmittelbar vor ihrem Zelteingang stehen mussten.

„Talbot meine Männer wollen weiter in den Norden. Wir wollen nicht warten bis ein Bote oder Späher von de Warenne hier eintrifft“ sagte der Mann. Talbot lachte verlegen auf

„Ihr seid doch nicht etwa eingeschüchtert von de Warenne?“

„Talbot“ sagte der Mann bedrohlich „wir haben eine Abmachung, aber ich werde nicht das Leben all meiner Männer aufs Spiel setzen, weil ihr eine lächerliche Familienfehde anzetteln wollt. Ich will meine Belohnung und wenn ich sage meine Männer wollen, meine ich; meine Männer haben entschieden, dass wir nach Norden gehen. Wenn du dich de Warenne und seiner Armee alleine stellen willst, nur zu“

„Schon gut… schon gut. Ich habe verstanden Rosco“ ein Säcklein mit Münzen klimperte „Sorgt einfach dafür, dass die Gefangenen die Klappe halten“ sagte Talbot verärgert und um Fassung ringend. Die tiefe raue Stimme des Mannes erwiderte

„Sobald wir gepackt haben, brechen wir auf und ziehen weiter“. Die Zeltwand wurde aufgeschoben und Talbot kam herein. Isabella hob ihren Kopf. Ihre Schultern schmerzten durch die ungewohnte Haltung und sie versuchte sich aufzurichten, doch ihre Knie gaben nach. Talbot grinste breit

„Ja ein paar Tage ohne Essen schwächt sogar den tapfersten Krieger. Bist du immer noch nicht bereit zu sagen, wo sich die Dokumente befinden?“ Isabella lehnte sich in ihre Fesseln

„Ich selbst werde euch die Dokumente bringen Talbot!“

„Hältst du mich für so dumm? Als würde ich dich laufen lassen!“ keifte Talbot.

„Ihr seid ein Dummkopf und ein Narr! Ich könnte die Dokumente schneller beschaffen als jeder eurer Lakaien“ sagte Isabella erbost.

„Verdammtes Weibsbild! Ich dachte meine Mutter hätte dir den Teufel aus dem Leib geprügelt!“ Isabella schnaubte. Talbot drehte sich um und wollte ihr Zelt verlassen.

„Talbot, je mehr ihr meine Männer foltert, desto schneller vergesse ich, wo ich die Dokumente untergebracht habe!“ Er drehte sich ruckartig um und Isabella war darauf gefasst. Er holte erneut aus und schlug sie heftig ins Gesicht.

„Wag es ja nicht mit mir Spielchen zu spielen! Meine Geduld solltest du nicht weiter ausreizen!“ Damit trat er aus dem Zelt und sagte zu einem Soldaten

„Gebt ihr etwas zu Essen und zu Trinken. Ich kann es mir nicht leisten, dass sie mir verhungert!“ Als der Soldat in ihr Zelt trat und ihr die Schüssel mit der heissen Suppe reichte, konnte Isabella sich kaum zurückhalten. Sie trank die Suppe hastig und spürte, wie sie sich ihren Mund verbrühte, doch das störte sie nicht. Das harte Stück Brot benutzte sie, um die Schüssel auszuwischen und biss mit ihren Zähnen grosse Stücke ab. Es war ungewohnt, nach einer solch langen Zeit wieder ihre Zähne zu benutzen. Der Soldat schien ziemlich schockiert über ihr Verhalten, denn er starrte sie unentwegt an. Nachdem sie einen besonders grossen Bissen hinuntergeschluckt hatte, sagte sie

„Noch eine?“ und hielt ihm die leere Schüssel hin. Der Soldat nahm sie und verliess das Zelt, um kurze Zeit später mit einer weiteren vollen Schüssel zurückzukehren. Das Loch in ihrer Magengegend war nun etwas gefüllt und sie liess sich bei der zweiten Schüssel mehr Zeit. Das Kind bewegte sich angeregter und gab Isabella Hoffnung. Gerade als sie ihr Mahl beendet hatte kam Talbot in ihr Zelt, begleitet von zwei Wachmännern.

„Macht sie los“ sagte er und die beiden Männer schritten an sie heran und lösten ihre Ketten. Ihre Arme sanken an ihren Körper und fühlten sich merkwürdig fremd an. Sie rieb sich ihre Gelenke und versuchte sich zu erheben. Durch das lange Knien hatte sie das Gefühl in ihren Beinen verloren und sie schaffte es nicht sich zu erheben. „Stützt sie und bringt sie hin“ meinte Talbot und beobachtete sie scharf.

„Wohin bringt ihr mich?“ fragte Isabella überrascht. Die beiden Soldaten hoben sie hoch und stützten sie, als sie aus dem Zelt und Richtung Kommandozelt gingen. Isabella blickte auf das grosse Zelt in der Mitte des Lagers. Hier hatte Alec sie vor einem Priester zur Ehefrau genommen und ihr ewige Treue und Fürsorge geschworen. Tränen brannten in ihren Augen. Nein! Jetzt durfte sie nicht daran denken! Sie würde ihn wiedersehen, ihm sein Kind schenken und mit ihm den Rest ihres Lebens verbringen! Das Zelt wurde immer grösser. Die Soldaten zerrten sie hinein, liessen sie auf einen Stuhl niedersinken. Das Kommandozelt wirkte unverändert, so als würde gleich Thomas durch den Eingang schreiten und verkünden, dass der Krieg vorbei sei. Die beiden Soldaten blieben kurz hinter ihr stehen. Talbot stand an dem runden Steintisch in der Mitte und schien auf jemanden zu warten. Verunsichert was nun passieren würde, liess Isabella ihre Augen langsam zum Eingang wandern. Sie hörte etwas. In das Zelt trat ein grosser muskulöser Mann. Sein Gang war aufrecht, er versprühte eine Aura aus Brutalität und Angst und man sah ihm seine grosse Selbstsucht an. Er hatte seinen Blick, wie ein Raubtier, auf Talbot gerichtet und schritt auf ihn zu. Er erinnerte sie ein wenig an den grossen barbarischen Söldner, den sie in Carlisle gesehen hatte. Sein braungebranntes Gesicht war mit unzähligen Narben gesühnt und seine eiskalten blauen Augen verrieten nichts Gutes. Er stellte sich vor Talbot und meinte fast ironisch

„Wie ihr befohlen habt“ dann wandte er sich um und blickte ebenfalls zum Eingang. Ein weiteres Mal schritten Männer in das Zelt. Sie schleiften einen Gefangenen mit sich. Isabella erkannte nicht um wen es sich handelte. Der Mann hatte unzählige Striemen und Verletzungen auf seinem Körper. Er trug eine zerschlissene Hose und kein Hemd mehr. Die Haare waren blutverschmiert und klebten ihm im Gesicht. Als die Söldner ihn, nicht unweit von Isabella, auf den Boden stiessen, erhaschte sie einen Blick auf seinen Rücken. Isabella glaubte Ohnmächtig zu werden. Sie hielt sich die Hand vor den Mund und ihre Augen waren starr vor Entsetzen. Die Haut hing in Fetzen von seinem Rücken. Man sah alte und ganz frische Peitschenstriemen. Getrocknetes Blut zwischen frisch fliessendem. Der Gefangene hatte bis jetzt jedoch noch kein Wort von sich gegeben, er rührte sich kaum und blieb zusammen gekauert auf dem Boden liegen. In Isabellas Hals formte sich ein dicker Kloss, der ihr fast den Atem nahm. Leise flossen ihr Tränen übers Gesicht und sie fragte sich, wie sie dieses Unglück hätte verhindern können. „Talbot, ihr habt mir die Erlaubnis erteilt und ich werde es vollbringen. Also versucht erst gar nicht mich davon abzuhalten“ sagte der Söldner, welcher als erster ins Zelt gekommen war. Isabella sah wie Talbot schluckte

„Ja, Rosco. Ihr habt mein Wort“. Isabella blickte von dem zerfetzten Rücken zu Talbot. Was wollte er tun? Eine Art Beutel wurde gereicht und Rosco entrollte ihn auf dem Steintisch. Sie konnte aber nicht erkennen was darin verborgen lag. Als Rosco sich zu ihnen wandte, hielt er eine Art Klemme aus Eisen in der Hand. In ihrem Innern machte sich eine Gewissheit breit und liess ihr kalte Schauer über den Rücken gleiten. Mit einer dünnen, ihr fremden Stimme fragte sie

„Wwas habt ihr vor?“ Rosco grinste verwegen und setzte einen düsteren Blick auf. Bei ihren Worten hatte sich der Gefangene am Boden geregt. Er drehte sich in ihre Richtung und starrte sie an

„Isabella?“ hauchte er mit einer gebrochenen Stimme. Isabella fühlte sich, als hätte ihr Talbot soeben eine schallende Ohrfeige verpasst. Ihr Mund war ausgetrocknet und sie sagte

„Rickard…?“ Sie schluckte leer. Sie hatte den Mann zu ihren Füssen kaum wiedererkannt. Sie hatten ihn seiner Schönheit beraubt, ihn ausgemergelt und grauenvoll gefoltert. Rickard benetzte seine aufgesprungenen Lippen mit seiner Zunge und sah sie weiterhin an

„Geht… geht es dir gut? Haben sie dir etwas angetan?“ Die schwere Last drückte auf ihr Herz und sie hatte beinahe das Gefühl keine Luft zu erhalten. Mit bebendem Brustkorb blickte sie von Rickard zu seinem grausamen Peiniger, Rosco. Dieser gab seinen Männern ein Zeichen, damit sie Rickard auf die Knie zerrten und ihn festhielten. Er klapperte mit der Klemme und ging beinahe genüsslich um Rickard herum, wobei er Isabella scharf beobachtete. Als er ihn zweimal umrundet hatte, blieb er zwischen ihnen beiden stehen

„Wie rührend! Der Gefolterte schert sich doch tatsächlich um das Leben einer schwangeren Adligen, der es im Vergleich mit ihm, einiges besser zu gehen scheint und die dazu noch an seiner Situation schuld ist“ sagte Rosco sarkastisch und wartete auf eine Reaktion. Doch Isabella und Rickard schwiegen und blickten sich an. Diese Befriedigung wollten sie ihm nicht gönnen. Rosco schwenkte diese Eisenklemme umher und befahl an Isabella gerichtet „Sagt mir wo ihr die Dokumente versteckt habt“. Die geballte Kraft mit derer er jedes einzelne Wort betonte, war enorm einschüchternd. Isabella schluckte. „Nun… vielleicht kennt ihr mich noch nicht so, wie unser lieber Rickard de Warenne mich kennt“ er grinste grässlich und sah dabei Rickard an „Ihr müsst eines über mich wissen Lady, ich frage eine Frage immer nur ein einziges Mal und wenn mich die Antwort nicht befriedigt, dann sorge ich dafür, dass ich mir Genugtuung verschaffe“ seine eisigen Augen schienen bei diesen Worten zu glitzern und er fuhr fort „Ich weiss ihr seid nicht dumm und deshalb werde ich, nachdem ich euch nun die Spielregeln erklärt habe, noch ein einziges Mal fragen. Wo habt ihr die Dokumente versteckt?“ Isabellas Herz raste und sie versuchte einen klaren Gedanken zu fassen. Was sollte sie nur tun? Würde er Rickard vor ihr töten? Oder quälen? Sie wusste es nicht.

„Isabella tu es nicht! Verrate ihnen nichts!“ presste Rickard hervor und versuchte sich, schwach wie er war, aus dem festen Griff seiner Wärter zu befreien. In einem Satz war Rosco zu Rickard getreten und quetschte seine drei äusseren Finger zwischen die Eisenklemme. Da war Isabella klar, dass er Rickard vor ihren Augen langsam und bestialisch zerstückeln würde, bis Isabella den Standort ihrer Verstecke verraten würde. Rosco blickte Isabella erwartungsvoll an, dann setzte er seine beiden Hände an die Hebel und wollte zudrücken.

„Neeeiin!“ schrie Isabella aus voller Lunge und Rosco hielt inne. „Ich werde alles tun, aber lasst Rickard in Frieden! Bitte“ sagte sie verzweifelnd. Rosco schien die Klemme zu lockern und sah Isabella begierig an. Isabella atmete tief ein

„Die Dokumente sind verteilt. Eines liegt in London unter der Brücke, ein weiteres in Surrey im Haus der de Warennes und das Letzte ist in Carlisle“ endete sie hastig. Talbot wippte auf seinen Füssen

„Jahaa warum denn nicht gleich so!“ Isabella wollte ihren Blick senken, doch das böse glitzern in Roscos Augen verunsicherte sie. Er verzog seine Lippen zu einem Lächeln und entblösste ein paar weisse Zähne. Er drehte sich zu Rickard um und presste das eiserne Folterinstrument zusammen. Rickard schrie und die beiden Söldner hatten grosse Schwierigkeiten ihn am Boden zu halten, denn Rickard versuchte aufzuspringen und schlug mit seinen Beinen aus. Doch sie pressten ihn mit voller Kraft nach unten. Blut floss von seiner Hand den Arm hinab und Isabella fühlte, wie sich ihr Magen drehte. Ein grauenvolles knackendes, knirschendes Geräusch durchbrach das Zelt neben Rickards Schrei. Die drei hinteren Finger seiner rechten Hand fielen lautlos zu Boden. Rosco erhob sich, legte die Klemme in den Beutel auf den Tisch und schritt auf Isabella zu, die mit aller Kraft versuchte sich nicht zu übergeben. Im Hintergrund hörte sie Rickards heftiges Schnauben. Die Söldner hatten ihn mittlerweile losgelassen und er lag zusammengekrümmt auf dem Boden. Sie wusste, dass alle Farbe aus ihrem Gesicht gewichen war

„Wieso?! Wieso habt ihr das getan!! Ich habe euch meine Verstecke verraten!“ schluchzte Isabella. Er lehnte sich nach vorne und sprach so, dass nur sie ihn hören konnte

„Ihr habt euer Spielchen mit Talbot gehabt Mylady. Doch ich bin eine ganz andere Sorte Mann. Sollte euch in Zukunft der Gedanke kommen, euch erneut quer zu stellen, wird Rickard de Warenne als Krüppel aus unserem Treffen hervorgehen… und mir ist es ziemlich egal, ob ihr die Wahrheit spricht oder nicht“. Er ging an ihr vorbei und trat aus dem Zelt. Die beiden Söldner nahmen den Beutel mit den Folterinstrumenten mit und folgten ihm. Isabella warf Talbot einen wütenden Blick zu, doch er schien selbst schockiert über diesen Vorfall, als dass er sie bemerken würde. Talbot war zwar ein gewalttätiger Mann und sprach gerne von mörderischen Dingen, doch wirklich abscheuliche Taten liess er lieber von seinen Männern, ausnahmslos in seiner Abwesenheit, erledigen. Er hastete an ihnen vorbei und verliess mit seinen Männern ebenfalls das Zelt. Rickard lag mit dem Kopf nach unten und schien das Bewusstsein verloren zu haben. Isabella kniete auf den Boden und rutschte zu ihm hin. Ihre Beine waren immer noch zu schwach, als dass sie sie tragen konnten.

„Rickard“ wisperte sie und strich ihm über den Kopf. Sie riss ein grosszügiges Stück ihres Unterrockes ab und verband notdürftig seine Hand. Er hatte drei Finger gelassen und das alleine war nur ihre Schuld! Sie betete seinen Kopf in ihren Schoss und strich ihm gedankenverloren über die Stirn. Wie weit würden diese schlimmen Barbaren noch gehen? Sie durfte sich keinen Fehltritt mehr erlauben. Rickards Augen flatterten leicht und er kam zu Bewusstsein. „Es tut mir so leid Rickard… ich… hätte ich gewusst… was sie dir antun würden… ich hätte niemals versucht… versucht Talbot die Stirn zu bieten! Er ist ein fieses kleines Wiesel… wenn er nicht solch grobe Barbaren um sich hätte… dann“ sie blickte verzweifelt in sein Gesicht. Ganz langsam schien sein Schmerz zurückzukehren. Er wurde kreideweiss und lehnte sich hastig auf die Seite. Er musste sich übergeben. Isabella strich ihm sanft über den Rücken und er versuchte sich mit dem gesunden Arm abzustützen.

„Kannst… kannst du mir hochprozentiges besorgen?“ sagte er mit zitternder Stimme. Isabella vermutete, dass er zum einen sicher seinen Schmerz betäuben, zum anderen hatte sie aber das Gefühl, dass er kurz alleine sein wollte. Mühsam rappelte sie sich auf. Mit allerletzter Kraft schaffte sie es ihren Beinen zu befehlen einen Schritt vor den anderen zu setzen. Sie erreichte den Zelteingang und schritt hindurch. Die Wachen waren weg und weit und breit war kein Söldner zu erblicken. Sie schaffte es ins Lazarett, denn dort bewahrten sie den starken Alkohol auf. Die Lagerbetten waren leer, bis auf eine Handvoll, bei denen Tücher über die Betten ausgebreitet waren. Langsam schritt sie zu den Betten und stellte sich vor ein Laken. Ihre Hände zitternden als sie eines der Laken nach unten zog. Es war ein Söldner. Er war einbalsamiert. Der Geruch des Todes schwappte zu ihr hinauf und sie hielt sich mit einer Hand die Nase zu. Neugierig wer sich unter den anderen Laken verbarg, lüftete sie alle Tücher. Nur Söldner. Die beiden, die Rickard auf dem Gewissen hatte und auch Lexington, den Isabella mit ihrem Stilett erstochen hatte. Was die Söldner allerdings Rickard anrechneten. Alle waren sie vorbereitet worden und schienen auf etwas zu warten. Im ersten Moment wurde ihr Herz leichter, bedeutete dies, dass keiner ihrer Männer getötet worden war? Doch schon im nächsten Augenblick spürte sie einen Stich mitten in ihr Herz. Dustin. Er war tot. Er müsste ebenfalls hier liegen. Was hatten sie mit seiner Leiche getan? Ihn verscharrt? Den wilden Tieren zum Frass vorgeworfen? Sie erschauerte. Sie deckte die Männer wieder zu, ergriff eine Flasche Brandwein und Verbandsmaterial. Mit dem Willen herauszufinden was mit Dustin geschehen war, fühlte sie die Kraft in ihre Beine zurückströmen. Sie beeilte sich und ging zu Rickard ins Zelt zurück. Er hatte sich auf den Stuhl, auf dem Isabella vorhin Platz genommen hatte, niedergelassen und starrte auf den Boden vor seinen Füssen. Sie räusperte sich und riss Rickard damit aus seinen düsteren Gedanken. Er streckte seine Hand nach der Flasche aus und Isabella reichte sie ihm. Zwei helle Linien führten von seinen Augen hinab auf die Wangen. Isabella tauchte ein Leinentuch, welches sie aus dem Lazarett mitgenommen hatte, in die Wasserschüssel auf dem Tisch und reichte Rickard das Tuch. Er sah sie überrascht an

„Wenn dich ein Geistlicher jetzt gesehen hätte, wie du dich am Weihwasser bedient hättest“. Isabella drehte sich um und erkannte, dass sie das Tuch im Weihwasser, das für Betende und den Gottesdienst hier aufgestellt worden war, genetzt hatte. „dann würde er uns die Verdammnis aufhetzen“ sagte er sarkastisch.

„Schön, dass du deinen Humor nicht verloren hast… und ich denke Gott schert sich nicht darum, woher ich frisches Wasser nehme, damit du dein schmutziges Gesicht reinigen kannst“ meinte sie mit einer gewissen Strenge und reichte ihm das frische Tuch. Er begrub sein staubiges Gesicht darin

„Humor… was bitteschön bringt einem denn Humor?“ Isabella kniete sich vor ihm hin und nahm seine verbundene Hand in ihre

„Rickard… es ist alles meine Schuld, das weiss ich“ setzte sie an, Rickard wollte sie unterbrechen, doch sie gebot ihm mit ihrer Hand Einhalt „Nichts was du sagen würdest, könnte meine Ansicht ändern… und ich hoffe du wirst mir eines Tages im Innern verzeihen, denn alles was du jetzt sagst ist nicht ehrlich. Ich bin deine Schwägerin, die Frau deines Bruders. Natürlich willst du mir die Schuld dieser Verletzung nicht aufbürden, doch du tust es, innerlich“. Rickard schwieg und blickte an Isabella vorbei. „Ich wünsche mir nur, dass es dein frohes Wesen nicht verändert. Und deshalb möchte ich, dass du deine Wut darüber an mir auslässt“ sagte Isabella entschlossen und stand auf „Schrei mich an. Beschimpf mich“. Rickards Blick richtete sich auf Isabella und schien entsetzt

„Niemals… Isabella“

„Doch du musst! Du musst die Wut, die in deinem Innersten lodert frei lassen, sonst frisst sie dich auf“. Noch immer stand sie entschlossen vor ihm.

„Nein!“ sagte er abweisend.

„Rickard Ramsey Hugh de Warenne”. Rickard schien überrascht, dass sie seinen vollen Namen kannte „wenn du die Wut nicht frei lässt, wird sie dich zermürben. Das habe ich bei genügend Soldaten gesehen, die im Krieg Körperteile oder Familien verloren haben. Nie waren sie wieder dieselben wie zuvor“ sagte Isabella eindringlich. Rickards Blick war starr und es sah aus als würde er ihrer Aufforderung nachkommen, doch plötzlich veränderte sich sein Ausdruck

„Niemand“ er verzog seine Lippen zu einem merkwürdigen Grinsen „ausser meiner Mutter hat mich je beim vollen Namen genannt… und natürlich immer nur wenn ich Unfug angestellt hatte“. Er sank zurück in den Stuhl und hing den Geistern seiner Vergangenheit nach.

„Ich wollte dich wütend auf mich machen und nicht grüblerisch“ sagte sie und setzte sich vor ihn hin. Rickard sagte erschöpft

„Isabella, ich weiss du meinst es nur gut, doch ich kann nicht. Meine Erziehung und auch meinen Respekt vor dir lassen es nicht zu. Verzeih mir“ er nahm einen grossen Schluck Brandwein.

„Es ist besser du trinkst noch ein wenig mehr. Es wird schmerzen die Wunde zu verbinden“. Rickard trank weiter und reichte ihr dann die Flasche. Sie zog das verblutete Tuch ihres Unterrockes von der Wunde und zog die Hand näher zu sich. Ohne viel federlesen goss sie einen Schuss des Brandweines über seine grosse Fleischwunde. Rickards Arm zitterte und er schnappte sich erneut die Flasche. Sie wiederholte die Prozedur und umklammerte sein Handgelenk. Den Rest der Flasche liess sie ihn austrinken. Sie wischte das Blut weg und versorgte die Wunde so gut es ging. Mit einem Handgriff legte sie das saubere Verbandsmaterial um seine verstümmelte Hand und verband sie.

„Versuch die Hand so wenig wie möglich zu bewegen. Zumindest die erste Zeit. Der Blutverlust tötet dich sonst“. Sie erhob sich, packte die Sachen zusammen und stützte Rickard als sie das Zelt verliessen. Zielstrebig brachte sie ihn in ihr Zelt, manövrierte ihn an ihren Ketten vorbei und setzte ihn auf die Liege.

„Das werden sie nicht zulassen“ meinte Rickard gequält.

„Zuerst muss ihnen auffallen, dass wir beide nicht mehr im Kommandozelt sind und dann… dann werden wir sehen. Talbot weiss nun alles, ich werde nicht mehr rebellieren und werde alles tun was er will. Aber er hat auch eine Verantwortung, die kann er nicht einfach ignorieren, wenn jemand stirbt muss er alleine dafür seinen Kopf hinhalten“

„Du meinst, wenn Alec uns befreit?“ Isabella nickte und steckte ein weiteres Kissen hinter seinen Kopf. „Es kann Monate, wenn nicht noch länger dauern bis der Krieg zu Ende ist. Er wird nicht einmal wissen, dass wir von Talbot überfallen wurden“. Isabella hielt in ihrer Tätigkeit inne, legte geistesabwesend eine Hand auf ihren runden Bauch und setzte sich auf die Schlafstatt. Er hatte vollkommen recht. Sie würde ihr Kind sehr wahrscheinlich hier in Gefangenschaft zur Welt bringen und Talbot würde es ihr wegnehmen, damit er sie noch mehr erpressen konnte.

„Wir müssen fliehen“ sagte sie trocken und nach einer Weile sah sie zu Rickard „Wir müssen uns einen Plan zurechtlegen, wie wir alle Heil aus dem Lager entfliehen können“. Ihr Blick war klar und unmissverständlich.

„Wie willst du das bewerkstelligen? Die Söldner sind uns zahlenmässig weit überlegen. Unsere Männer sind geschwächt von der Folter und dem Nahrungsentzug. Sie können unmöglich kämpfen“

„Folter? Er hat sie alle gefoltert?“ fragte Isabella entsetzt und schollt sich selbst, dass sie nicht daran gedacht hatte. Rickard atmete tief ein und schien es bereut zu haben, so offen zu sprechen. „Rickard, versuch nicht mich aus falschem Stolz von der Wahrheit fernzuhalten. Ich ertrage die Wahrheit und werde dafür geradestehen, was ich zu verantworten habe. Also bitte, was ist passiert?“ Rickard sah aus, als hätte er in eine besonders saure Zitrone gebissen und antwortete

„Isabella… es ist nicht deine Schuld“ er betonte jedes einzelne Wort „du selbst wurdest gefoltert, man sieht es dir an und genauso hatten die Söldner ihren Spass mit unseren Männern… aber“ sagte Rickard schnell „sie leben alle noch. Sie haben uns nur ausgepeitscht und kein Essen gegeben“

„Nur ausgepeitscht“ wiederholte Isabella hohl. Sie hob ihre Hände zum Gesicht und bedeckte es.

„Isabella! Nein, deshalb wollte ich es dir nicht erzählen“ er rückte nach vorne und nahm sie liebevoll in die Arme.

„Wir müssen fliehen“ wiederholte sie abermals „Es ist ganz einfach… wir müssen uns nur einen Plan ausdenken. Möglicherweise gibt es einen Zeitpunkt bei dem sie abgelenkt sein werden… oder… oder“. Isabella kam ein Gedanke. Erst war er unklar, doch dann formte er sich zu ihrer scheinbar einzigen Möglichkeit. Rickard schien ihr aufmerksam zu zuhören. „Welcher Kirche gehören Söldner an?“ fragte sie. Rickard lachte auf

„Welcher Kirche? Ist das ein Scherz?“ Isabella schüttelte energisch den Kopf. „Sie gehören keiner Kirche an, das sind Söldner. Gesetzlose, sie haben ihre eigenen Regeln und ihre eigene Kirche

„Kennst du dich mit ihren Bräuchen aus?“ Rickard schüttelte den Kopf und blickte sie neugierig an. „Ich frage mich, wie lange sie die Toten aufbewahren bis sie diese zur letzten Ruhe betten“

„Ziemlich merkwürdige Frage“ sagte Rickard und musterte sie besorgt „Ich hätte nicht geglaubt, dass sie ihre Toten überhaupt begraben würden“ sagte Rickard spöttisch.

„Natürlich! Selbst Gesetzlose folgen Riten, immerhin ist ihre Gemeinschaft wie eine Familie“. Isabella erhob sich und lief vor dem Bett hin und her „Glaubst du jemand der anderen weiss mehr über ihre Bräuche?“ Rickard zuckte nur mit den Schultern. „Du bleibst hier“ sagte Isabella und ging aus dem Zelt. Sie musste herausfinden, wie lange sie die Toten aufbahrten. Draussen herrschte nun geschäftiges Treiben. Zelte wurden anscheinend abgebaut und Männer schrien sich Anweisungen zu. Als sie um das nächste Zelt bog, lief sie einem Söldner in die Arme. Sie hätte sich verfluchen können.

„Na sie einer an. Unsere Gefangene stolziert hier frei rum… tztzz sowas“. Er griff nach ihrem Handgelenk „dich müssen wir doch gleich zu Rosco bringen“ grinste er breit und zog sie mit sich.

„Lasst mich los! Ich will nur nach den Verwundeten sehen!“ Doch der Söldner machte keine Anstalten sie frei zu lassen und zog sie zum Lagerfeuer. Um das grosse Feuer sassen Rosco und die beiden anderen Söldner, welche auch vorhin im Kommandozelt dabei gewesen waren.

„Rosco“ schrie der Söldner der Isabella fest im Griff hatte. Rosco der gerade einen Knochen in das Feuer warf, blickte auf. „Rosco“. Er schleifte Isabella näher zu den drei Männern „die Kleine hier schlich zwischen den Zelten umher“ meinte er und stiess Isabella vor die Füsse von Rosco. Er beäugte sie von oben herab

„Nichts gelernt meine Lady? Du willst mich tatsächlich herausfordern?“ Isabella rappelte sich auf, stand vor ihn hin und blickte ihm direkt in die kalten verdorbenen Augen

„Nun ich kann nichts dafür, wenn eure dummen Söldner mich alleine zurück im Zelt lassen“. Der Söldner, der Isabella gebracht hatte, keifte und holte bereits mit seiner Hand aus

„Du verdammtes Miststück, wie kannst du es wagen mit Rosco in dieser Art zu sprechen?!“ doch bevor seine Hand Isabella berührt hatte, war Rosco aufgesprungen und hatte die Hand seines Söldners abgefangen. In keinem Moment allerdings, wichen seine Augen von Isabella

„Sie hat Recht Soggy Pete. Es ist die Schuld von Brody und Ismael“. Er sah nach hinten über die Schulter „ihr hättet die beiden Gefangenen zurückbringen sollen. Doch, es überrascht mich, dass ihr nach dem Spektakel von heute Vormittag erneut meine Nähe sucht“ grinste er und setzte sich zurück auf den Baumstamm, der neben dem Feuer lag. Isabella wischte den Dreck von ihrem zerschlissenen Rock und erwiderte

„Es ist nicht so, dass ich eure Nähe gesucht hatte. Mister Pete hat mich gegen meinen Willen hierhergebracht. Ich hatte ihm gesagt, dass ich mich um die Verwundeten kümmern wollte“

„Wir haben keine Verwundeten“ meinte er amüsiert.

„Nun ja, ich vergass… alle anderen, ausser eurer Bande, sind natürlich nicht relevant. Ich meinte meine Männer, die verwundet und verletzt sind, dank eurer Foltermethoden“. Ismael und Brody lachten.

„Ich muss sagen, ich bin selten einem aufmüpfigeren Weibsbild begegnet als euch. Ihr habt den Schneid vor mich hin zu stehen, obwohl ich euren Rickard verstümmelt habe“ er lachte und klatschte sich auf das Knie „und werft mir vor, dass ich eure Männer gefoltert habe“

„Ich habe euch alles gesagt, was ihr wissen wolltet. Nichts habe ich verschwiegen, was ich im Übrigen auch zuvor nicht getan habe. Ich wollte die Bedingungen lediglich anpassen“. Rosco lehnte sich zurück

„Bedingungen anpassen? Wo lebt ihr zum Teufel?! Ihr und eure Männer seid Gefangene“ Isabella schnitt ihm das Wort ab

„Wir sind Talbots Gefangene“

„Meinetwegen. Gefangene sind Gefangene, sie stellen keine Bedingungen. Sie halten die Klappe und tun was man von ihnen verlangt und weil ihr euch für etwas Besseres haltet, musstet ihr nun dafür bezahlen“ sagte Rosco sanft und genüsslich. Ihr lag bereits ein weiteres Widerwort auf der Zunge, doch sie hielt es zurück. Er wollte sie aus der Reserve locken und dazu bringen ihn zu beschimpfen, doch das würde sie nicht tun.

„Ja allerdings… und ich bereue es zutiefst“ sagte Isabella kleinlaut „ich möchte nicht betteln und ich will auch nicht so töricht erscheinen und euch um etwas bitten, doch auch wenn wir eure Gefangenen sind, so nutzen wir euch lebendig mehr als tot. Ich möchte nur die Wunden meiner Männer verarzten und den toten Dustin auf seine letzte Reise senden“ sie senkte ihren Blick, damit er ihre tiefe Trauer nicht sehen konnte.

„Ich bin kein Armenhaus“ sagte er gedehnt „und ihr seid Talbots Gefangene. Mir bedeutet ihr tot wie auch lebendig nichts. Ich habe keinen Profit von euch“. Er zeigte ihr seine weissen Zähne und grinste in die Gesichter seiner Männer, die ebenfalls ein verschmitztes Lächeln aufsetzten.

„Und doch habt ihr uns nicht getötet“ sagte Isabella.

„Ich bin zwar ein Söldner, der ohne Gesetze und Regeln lebt, aber ich bin nicht dumm. Ich glaube“ er beugte sich nach vorne „selbst euch ist nicht bewusst, was Talbot hier für eine Fehde angezettelt hat“. Isabella war verblüfft. Von was genau sprach er da? Rosco erhob sich und lief um Isabella herum „Ich habe recht, nicht wahr?“ Er grinste „Talbot ist ein Narr, er hätte sich das Geld eurer Familie einfach unter den Nagel reissen und euer Anwesen verkaufen oder abfackeln sollen. Nun hat er sich in einen Todeskampf mit einer der reichsten und mächtigsten Familie Englands eingelassen, nur um euch und euer Erbe zu bekommen“. Isabella schluckte, er schien über ihre Familie und auch die von Alec gut informiert zu sein. „Einer von beiden wird sterben und so sehr ich auch das Silber von Talbot mag, bezweifle ich, dass er mit der Schwertkunst deines Mannes mithalten kann“. Isabella schluckte

„Woher…?“ doch sie musste die Frage nicht beenden.

„Woher ich weiss, dass er euer Ehemann ist?“ Er schnaubte gelangweilt „Ich habe meine Späher und kann eins und eins zusammenzählen. Wieso will ein angesehener Kriegsherr eine Frau mit in den Krieg nehmen und sie Dingen aussetzen, die eine Lady nie sehen sollte?! Warum sendet ein Mann einen Boten aus, um nach einem Priester zu suchen, den er dann in Gretney findet und ihn mit sich nimmt? Das ergibt doch alles keinen Sinn… ausser, dieser Narr hat sich verliebt und will seine Lady gesichert und beschützt wissen“ er blieb vor ihr stehen, das fiese Grinsen immer noch auf seinem Gesicht. Er schüttelte den Kopf, wechselte die Richtung und umkreiste sie erneut „Dass ihr allerdings sein Kind austragt, das habe ich nicht gewusst… bravo! Etwas konntet ihr vor mir verheimlichen, doch im Rückblick fügen sich so die Puzzleteile nur noch besser ineinander. Ich nehme an, er selbst hat es nicht gewusst?“ Isabella wurde kreidebleich und starrte ihn an. Sie war erstaunt, seine Späher und seine Kombinationsgabe waren ausserordentlich präzise. Er nickte wissend und wurde vertrauter „Und um wieder auf den Hauptteil zurückzukommen… ich denke dein Mann wird Talbot töten und dich damit aus den Fängen befreien… das ist allerdings für dich kein Grund zur Freude, denn dann wird er auf mich treffen und ich persönlich muss sagen, da ich schon lange auf einen würdigen Gegner gewartet habe, werde ich mich mit Freude auf den Kampf einlassen“

„Weshalb? Wenn Talbot tot ist, dann könnt ihr sein Gold und alles was er besitzt an euch nehmen und gehen“ doch gleich als sie die Worte ausgesprochen hatte, wurde ihr klar, dass dies sein Wesen war. Das Gold und Silber war eine Trophäe gewiss, aber ein Kampf um Leben und Tod, das allein war sein wahrer Antrieb. „Ich verstehe… das Gold schert euch in keinster Weise, es ist der Stolz, der euch leitet und eure Eitelkeit“ meinte Isabella verachtend „Nur frage ich mich, wieso ihr dann Richtung Norden reitet, wenn ihr sowieso gegen meinen Mann kämpfen wollt?“ Rosco schien im ersten Moment verblüfft und dann lächelte er

„Dein Mann besitzt eine ganze Armee, glaubst du ich opfere mich für einen Kampf, der von vornerein festgelegt ist? Ich möchte ausgeglichene Verhältnisse schaffen. Von dort habe ich die gesamte Entwicklung im Überblick und dein Mann ist niemals so schnell mit seinem ganzen Heer im Norden, wie er sein möchte… und das meine Liebe, ist der Grund warum ich Söldner bin. Natürlich ist der Reiz oft das liebe Silber, die Weiber und eine gewisse Macht, die eine solche Position inne hat, aber wenn du schon so lange kämpfst, wie ich und jeder Gegner mit einem Schlag am Boden liegt, dann sehnst du dich nach einem echten Kampf und einem ebenbürtigen Gegner, der dich eventuell sogar töten kann“ er kam ganz nah an ihr Gesicht, strich ihr Haar zurück und flüsterte „und dieser Blutdurst vereinigt alle Söldner“. Er liess ihre Haarsträhnen durch seine Finger gleiten und sprach wieder mit normaler Stimme „Wer weiss… wenn ich deinen Mann getötet habe, dann nehme ich mir dich als Preis“ seine Augen wurden dunkler und Isabella sah ein wachsendes Verlangen in ihm aufsteigen. Mit stockendem Atem erwiderte sie

„Niemals“. Die Männer lachten und er setzte sich wieder auf den Baumstamm. „Wo ist die Leiche von Dustin?“ fragte sie und hoffte inständig, dass sie ihn nicht den Tieren zum Frass vorgeworfen hatten. Rosco sah sie lange an und antwortete dann

„Er liegt bei deinen verwundeten Männern… Jetzt geh… tu was du nicht lassen kannst, aber ich behalte dich im Auge“. Isabella reckte ihr Kinn und hielt seinem durchaus unanständigen Blick stand. „Mach dir keine Sorgen, solange du dieses Balg mit dir rumträgst, reizt du mich nicht“. Isabella schnaubte, drehte sich aber hastig um und lief von den Söldnern weg. Die vielen Worte, die er zu ihr gesprochen hatte, schwirrten in ihrem Kopf umher. Er wollte Alec töten und nur aus dem simplen Grund, dass er sich einen ebenbürtigen Gegner wünschte. Isabella biss sich auf die Unterlippe. Sie hatte gehofft ihn mit Münzen bestechen zu können. Wie sollte sie das nur verhindern? Sie musste ihre Flucht in die Wege leiten, sobald sie dafür die besten Chancen hatten, auf diese Weise würden sich Alec und Rosco nie begegnen. Ausserdem war sie froh, dass Dustin noch heil war und man ihn begraben konnte. Als sie in das Gefangenenzelt trat erschlug sie der modernde faulige Geruch von totem Fleisch und offenen Wunden. Der Anblick war abscheulich. Die Männer waren wie sie an Pfählen befestigt worden und hingen halb bewusstlos in ihren Ketten. Einer der Ersten war Marcus. Sein gesamter Körper war mit Striemen übersehrt und sie konnte keine Stelle ausmachen, die nicht voller Blut war.

„Marcus“ sagte sie mit bebender Stimme. Erst jetzt bemerkten sie die Männer und begannen zu flüstern. Sie musste Marcus mehrmals anstupsen bis er zu sich kam.

„Mylady“ sagte er schwach. Sie stand auf und verliess das Zelt in Richtung Brunnen. Sie hievte einen Eimer Wasser nach oben und trug ihn in das Zelt, tauchte ein Tuch hinein und benetze Marcus Stirn damit.

„Mylady“ hallte es von anderen Soldaten und Isabella beeilte sich, damit sie allen das kalte Tuch über die Stirn legen konnte und hielt ihnen den Eimer mit frischem Wasser hin. Sie musste den Eimer noch zwei Mal füllen, bis alle Soldaten getrunken hatten. Marcus war mit Abstand am meisten gefoltert worden, sehr wahrscheinlich hatte er sich schützend vor die anderen gestellt. Denn Alec hatte zwar ungefähr dreissig Soldaten zu ihrem Schutz hiergelassen, allerdings waren mit Marcus nur sechs erfahrene ältere Soldaten hiergeblieben und der Rest bestand aus jungen Soldaten, die noch ausgebildet wurden. Sie waren alle, wie Dustin, zwischen vierzehn und siebzehn, da Alec nur diejenigen mitnahm, die bereits das achtzehnte Lebensjahr vollendet und mindestens drei Jahre seine Ausbildung genossen hatten. Isabella hatte ebenfalls mehrere Laibe Brot und Geflügelfleisch aus dem Vorratszelt entwendet und den Soldaten zum Essen gereicht. Erst danach war Marcus kräftig genug um längere Sätze zu sprechen.

„Mylady… ihr konntet entkommen?“ fragte er ungläubig.

„Nein es tut mir leid… ich konnte nur erreichen, dass sie mich zu euch lassen, um eure Wunden zu versorgen“ sie schlich zum Zelteingang und spähte nach draussen. Kein Söldner oder einer von Talbots Soldaten war zu sehen, sie waren alle zu beschäftigt mit dem Abbauen der Zelte. „Hört zu! Ich werde mir eine Fluchtmöglichkeit ausdenken und euch befreien. Ihr müsst allerdings dafür sorgen, dass ihr bei Kräften bleibt. Ich werde versuchen so oft sie es mir erlauben, mich um euch zu kümmern und Essen zu bringen“

„Wie wollt ihr das anstellen Mylady?“ fragte ein junger Soldat. „Ich bin William Mylady“ sagte er auf ihren fragenden Blick, da sie ihn nicht gleich erkannte.

„William, ich weiss es noch nicht, aber ich werde nicht zulassen, dass sie euch töten“ sie versuchte so viel Zuversicht in ihre Worte zu legen, damit sie William und auch die anderen beruhigen konnte. Marcus meldete sich zu Wort

„Mylady… begibt euch nicht in Gefahr. Alec wünscht, dass ihr und das Kind in Sicherheit seid“, doch Isabella hielt ihm die Hand entgegen

„Marcus, Alec ist nicht da und ich glaube kaum, dass er froh darüber wäre, wenn all seine Soldaten hier abgeschlachtet würden. Ich habe einen Plan“ sagte sie mit Nachdruck und die Männer nickten.

„Dann lasst uns wissen was wir tun können, um euch zu helfen“ meinte Marcus entschlossen.

„Weiss jemand, welche Riten die Söldner pflegen? Wie lange sie die Toten aufbewahren, bevor sie diese zur letzten Ruhe betten?“ Schweigen. Die Soldaten sahen sich an, doch keiner schien eine Antwort auf ihre Frage zu haben. Wieder war Marcus derjenige der antwortete

„Es tut mir leid Mylady. Das wissen wir nicht. Thomas ist derjenige, der sich in solchen Dingen auskennt“

„Ich werde es herausfinden“ sagte sie entschlossen. Sie versuchte die nächste Frage so ruhig wie möglich zu stellen „Weiss jemand wo Dustin… wo sie Dustin hingelegt haben?“ Auf die Gesichter der Soldaten trat ein trauriger Ausdruck und sie sahen in die hintere Ecke des Zeltes. Als Isabella nach hinten gehen wollte, sagte Marcus

„Mylady… es ist besser sie sehen ihn nicht an“ doch Isabella schritt nach hinten und sah dann einen Körper zusammengerollt an der Zeltwand liegen. Sie atmete tief ein und drehte ihn zu sich um

„Oh mein Gott“ sagte sie schwach und kniete sich hin. Der Pfeil steckte noch in seiner Brust, war jedoch abgebrochen. Seine Kleidung war zerschlissen und seine Haut hatte Kratzer und Schürfwunden. Sein Gesicht war fast zur Unkenntlichkeit zerschrammt und voller Dreck. Leise rannen ihr die Tränen hinunter und sie wisperte „Was haben sie ihm angetan?“ Ein älterer Soldat in ihrer Nähe sagte

„Mylady, der grosse Söldner hat ihn hinten an seinen Hengst gebunden und ist mit ihm über das Feld galoppiert. Er liess uns alle zusehen“. Isabellas Herz blutete. Wie konnten sie seinen armen unschuldigen Körper nur so schänden?! Ihr fehlten die Worte. Sie griff unter die Arme von Dustin und zog ihn nach vorne.

„Was tut ihr mit ihm?“ kam es aus einer Ecke.

„Ich werde ihn standesgemäss vor dem Lager begraben. Er hat ein würdiges Ende verdient“. Nachdem sie ein Pferd und einen kleinen Wagen besorgt hatte, zog sie Dustin nach draussen. Zuvor hatten sie alle ein kurzes Gebet gesprochen und sich von ihm verabschiedet. Im Nachhinein hatte sie keine Erklärung dafür, wie sie es geschafft hatte Dustins Leichnam auf den Wagen zu hieven. Gerade als sie das Lager verlassen wollte, lief ihr Talbot über den Weg.

„Was zum Teufel treibt ihr hier? Wieso seid ihr nicht angekettet?“. Doch Isabella konnte ihre Wut kaum bändigen und baute sich vor Talbot auf

„Ihr mögt mich und meine Männer als Gefangene halten, doch verwehrt mir nicht die Toten zu bestatten! Ein jeder hat das Recht auf eine angemessene Beerdigung. So viel Ehre sollte gar ein Bastard, wie ihr aufbringen können! Und glaubt ihr nicht, die Wut von Alexander de Warenne wird noch grösser sein, wenn er erfährt, wie ihr mit seinen Leuten umgesprungen seid?“ Talbot war vollkommen perplex, sein Mund klappte auf, doch er schien keine Worte zu finden, also fuhr Isabella fort „Und falls ihr es noch nicht bemerkt habt, nicht ihr gebt hier die Befehle, sondern Rosco“ damit schien sie einen empfindlichen Nerv getroffen zu haben, den sein Blick verfinsterte sich „und Rosco hat scheinbar nichts dagegen, dass ich den Toten beerdige“

„Na schön! Aber eine Wache wird dich begleiten! Beeil dich, wir werden bald aufbrechen!“. Talbot machte ein Zeichen und einer seiner Soldaten trat zu Isabella und schritt mit ihr mit, als sie das Lager verliess. Nicht unweit des Lagers fand sie einen kleinen Hügel. Darauf stand ein grosser Bergahorn. Der Himmel war hellblau und weisse Wölkchen tummelten sich an der Himmelsdecke. Sie band den Wagen vom Pferd ab, stellte ihn neben den Baum und liess die Stute grasen. Ihre Wache lehnte an den Baumstamm und machte keinerlei Anstalten ihr zu helfen. Sie brauchte den halben Nachmittag, um eine kleine Grube auszuheben. Dann sammelte sie mit dem Pferd und dem Wagen Steine und brachte sie zum Bergahorn zurück. So sanft sie konnte legte sie Dustin in das offene Grab, richtete seine Kleider, faltete seine Hände auf seiner Brust, bedeckte seine Augen und strich ihm das letzte Mal über den Kopf. Ein kühler Wind zog um den Hügel und brachte Isabella zum frösteln. Als sie den Blick hob, sah sie etwas weiter hinten eine einzelne kleine weisse Blume. Sie ging zu ihr hin. Es war ein schottischer Krokus, der zu dieser Zeit noch einsam blühte. Das gab es sehr selten, dass diese Blume im November noch gedieh. Sie buddelte die Blüte aus und nahm sie samt den Wurzeln mit zu Dustin. Behutsam legte sie die Blume neben sich und schüttelte sich den Dreck aus den Kleidern, bevor sie sich vor das offene Grab stellte

„Dustin man sagt, wenn sich Männer durch ihre Taten ausgezeichnet haben, sollte man auch durch Taten ihnen die letzte Ehre erweisen. Ich habe mein Möglichstes getan, um dir meine Ehre zu erweisen. Mir fällt es schwer die richtigen Worte zu finden, um dich zu beschreiben, denn alles was ich sage, kann niemals deinen Mut und deine Tapferkeit ehren. Du hast das höchste menschliche Gut erreicht und dein Leben für das eines anderen gegeben, mich. Zu früh hast du mich und deine Familie verlassen“ die Tränen rannen ihr die Wangen hinab, doch sie fuhr fort „Nie werde ich dich vergessen und ich werde dafür sorgen, dass auch sonst niemand deine Heldentat vergisst! Ich wünschte“ ihre Knie gaben nach und sie sank auf den Boden „du hättest nicht so edel gehandelt und könntest nun noch an meiner Seite weilen! Ich vermisse dich so sehr!“ Isabella krümmte sich und liess ihrer Trauer freien Lauf. Sie weinte, ihr gesamter Körper schüttelte sich und sie versuchte erst gar nicht ihr Leiden zu verbergen. Tage waren vergangen bis sie nun endlich über den Verlust von Dustin weinen konnte. Er hätte niemals sterben dürfen! Er war noch zu jung! Sie wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, als sie sich endlich im Stande fühlte aufzustehen. Die Sonne liess ihre Strahlen gerade noch auf den Wipfel des Bergahorns scheinen und seine rotgelben Blätter leuchteten auf. Der Wind streifte durch ihr Haar „Ruhe in Frieden lieber Dustin“ und mit diesen Worten begann sie die aufgewühlte Erde auf Dustin zu schütten. Als er, bedeckt von Erde, nicht mehr zu sehen war, nahm sie den schottischen Krokus und bettete ihn in das Erdreich, dort wo ungefähr Dustins Kopf war. Ihre Hände waren schmutzig und sie hatte Schwielen an den Fingern, doch das störte sie nicht. Sie stapelte die gesammelten Steine auf das aufgeschüttete Erdreich und um die kleine weisse Pflanze. Müde und erschöpft spannte sie das Pferd vor den Karren und trottete zurück zum Lager. Die Wache schritt hinter dem Karren her. Als sie näher an das Lager kamen, roch sie Feuer und ihre Sinne waren in Aufruhr „Was ist… passiert?“ sagte sie in die Leere und ihre Schritte wurden schneller. Die Söldner und Talbot standen weiter weg und blickten auf das brennende Lager. Einige Söldner liefen mit einer Fackel von Zelt zu Zelt und steckten sie in Brand. Als Isabella auf sie zu rannte, rief Rosco

„Gerade zur rechten Zeit Schätzchen. Nun kannst du deinem Lager Lebewohl sagen“ er grinste schadenfroh und ritt mit seinem Hengst an die Spitze seiner Männer.

„Talbot wo sind die Gefangenen?“ schrie sie ihm entgegen. Talbot rutschte auf seinem Sattel hin und her und nickte in die Menge. Isabella folgte seinen Augen und sah ihre Männer, auch Rickard, zusammen gekettet hinter einem Wagen stehen. Der schwerverletzte Marcus war am Ende der Reihe festgezurrt. Auf dem Wagen lagen die sechs Leichen der Söldner, bedeckt mit den Lacken und ein Soldat von Talbot lenkte ihn. Die meisten Zelte hatten sie verbrannt. Sie hatten die Vorräte geplündert, Wagen und Pferde mitgenommen und alle Waffen, die Alec zurückgelassen hatte, damit Marcus und die Soldaten ihr Lager verteidigen konnten. Talbot befahl Isabella sich auf die Stute, die sie führte, zu setzen. Er wollte nicht riskieren, dass sie ihren Bastard zu früh bekommen würde, dann machten sie sich auf den Weg Richtung Norden.

Die Reise war lang. Oft hatte Isabella das Gefühl sie bewegten sich im Kreis, als ob Rosco auf ein Zeichen warten würde. Sie ritten einmal nach Westen, dann kehrten sie und ritten wieder nach Osten. Die Pausen, die sie einlegten waren kurz und es kam ihr so vor als dass Talbot selbst den Weg nicht kannte. Es war offensichtlich, dass Rosco das Kommando übernommen hatte, denn ausschliesslich er erteilte Befehle und gab die Richtung an. An einem Abend trottete Isabellas Stute neben dem Leichenwagen der Söldner her. Sie war in ihren dicken Mantel eingehüllt, hatte die Augen geschlossen und versuchte auf irgendeine Weise etwas Schlaf zu finden. Als sie aber Talbot und seinen Soldaten, der den Wagen lenkte, flüstern hörte, waren ihre Sinne aufs Äusserste geschärft und sie trat ihrer Stute leicht in die Flanken, um aufzuschliessen

„Wieso zum Teufel müssen wir diese verdammten Leichen mit uns schleppen?“

„Ich bin mir nicht sicher Mylord… aber Söldner haben verschiedene Rituale, wenn es um Totenbestattung geht“ sagte Talbots Soldat und es schien als wäre ihm bei diesem Thema unbehaglich zumute.

„Rituale? Zum Teufel was für Rituale denn?“ sagte Talbot erhitzt.

„Nun Mylord ich weiss es nicht. Ich glaube wenige, die keine Söldner sind, wissen darüber Bescheid. Es wird sich erzählt… nun ja es gibt viele verschiedene Söldnergruppen und einigen sagt man grausige Dinge nach“ meinte der Soldat und Isabella spürte, dass er mit der ganzen Wahrheit nicht so rasch rausrücken wollte.

„Nun sprich! Ich muss schliesslich wissen mit was ich es hier zu tun habe“ bohrte Talbot weiter.

„Mylord gewissen Gruppen sagt man Hexerei und Magie nach… sie bringen Tote an geheime Orte… Heilige Stätten und keiner weiss was dann passiert“ endete der Soldat im Flüsterton.

„Sie begraben sie? Oder verbrennen sie?“ hackte Talbot nach.

„Möglich… wieder anderen wird nachgesagt… dass“ dem Soldaten schien es schwer zu fallen die nächsten Worte auszusprechen „dass sie ihre Toten verspeisen“. Isabella öffnete ihre Augen und beobachtete die beiden. Talbots Gesicht verlor Farbe und er blickte nach vorne. Ganz an der Spitze ritt Rosco.

„Wie meinst du das? Verspeisen?“ sagte Talbot sichtlich schockiert.

„Mylord… Gott erhabe mich meiner Seele gnädig, dass ich über solch Frevelhaftes spreche“ sagte er und fingerte an seinem Kreuz herum, das er um den Hals trug „einige Augenzeugen berichteten, dass sie ihre Toten samt Haut und Haar essen. Die Knochen würden sie als Werkzeuge und Waffen weiterverwerten… diese Nächte seien heilig… durch den Sud des Fleisches der Toten, den eine Hexe für sie braut, geraten sie in Ektase… andere erzählen gar, dass sie in dieser Zeit Jungfrauen besteigen und so ihren Nachwuchs heranzüchteten. Diese Jungfrauen gebären ausschliesslich junge Knaben, keine Säuglinge, sondern bereits kräftige Jungen, die bereit sind die Kunst des Schwertkampfes zu erlernen“. Talbot schüttelte energisch den Kopf

„Ketzerei!“ flüsterte er eingeschüchtert.

„Ja Mylord… und ich möchte lieber nicht wissen, wann diese Söldner ihr Ritual vollführen. Vielleicht nehmen sie“. Isabella konnte gerade noch schnell genug ihre Augen schliessen, da sich der Soldat zu ihr umwandte „vielleicht nehmen die Söldner sie als Frau mit“

„Aber sie ist meine Gefangene“ meinte Talbot erbost und erhob seine Stimme etwas.

„Mylord, ich denke wir können nichts dagegen tun. Roscos Männer sind in der Überzahl. Oder bedeutet sie ihnen so viel?“ fragte der Soldat. Talbot antwortete rasch

„Nein… das ist es nicht. Aber sie könnte mir noch von grossem Nutzen sein und ausserdem hätte ich sie reich verheiraten können, nachdem ich ihren Bastard losgeworden bin“. Danach wechselten sie das Gesprächsthema und Isabella folgte ihren Gedanken. Interessant. Rosco hatte Talbot nichts davon erzählt, dass sie bereits verheiratet war… aber wieso? Was brachte es ihm für einen Vorteil? Womöglich Macht. Er wusste Dinge, die sich dem Verstand von Talbot vermutlich weit entzogen. Sie war sich auch nicht sicher, ob der Soldat mit dem verspeisen der Leichen recht hatte. Die Söldner waren durchaus Rechtlose, aber Hexer? Oder Magier? Wohl kaum. Es war denkbar, dass dies eine der Geschichten und Mären war, welche die Söldner selbst in die Welt setzten, damit sie gefürchtet wurden.

Ω

Nach zwei Tagen hatten die Truppen es bis nach Duns geschafft. Vom König und seinen Männern war keine Spur zu sehen. Allerdings fanden sie die Überreste von Brandons Heer. Abgeschlachtet. Die meisten waren tot. Alec, Thomas und die anderen fanden nur noch drei Überlebende. Einer starb in der darauffolgenden Nacht an Fieber und die beiden anderen kämpften um ihr Leben. Lior Callaghan hatte alle Hände voll zu tun, um den Toten die letzte Salbung zu verpassen. Alle packten sie mit an und sorgten für eine angemessene letzte Ruhe der Verbliebenen. In den kurzen Pausen die Alec hatte, hoffte er inständig das Alfred unversehrt im Lager bei Marcus und Isabella angekommen war und dass sie bereits auf dem Weg nach Carlisle Castle waren.

„He Alec“. Alec wandte sich um und blickte James entgegen, der über den Platz auf ihn zukam. „Keine Spur von David Brandon… es gibt mehrere Möglichkeiten. Vielleicht hat ihn der König noch lebend vorgefunden und mitgenommen oder er ist Tod und die Schotten haben seinen Leichnam Zweck entfremdet“

„Oder“ warf Alec ein „er ist geflohen. Was ich mir ehrlich gesagt am ehesten bei ihm vorstellen könnte“. Er nahm einen Kelch und trank.

„Tut mir leid, ich habe dich aus deinen Gedanken gerissen… was ist los? Du wirkst besorgt“ sagte James und setzte sich zu ihm ans Feuer.

„Es ist nur… ach nicht so wichtig“ meinte Alec ausweichend. Er hatte James nichts von Isabella erzählt. Er wusste nicht wie er anfangen sollte.

„Alec“ begann James langsam „wir sind schon verdammt lange befreundet und… ich erkenne, wenn du etwas verheimlichst“. Alec stand auf

„Ich weiss“ er verzog sein Gesicht und seufzte. Er zog eine feine goldene Kette unter seinem Hemd hervor und hielt sie James entgegen „Ich bin verheiratet“. James sprang auf die Füsse und rief

„Was?!“ er fingerte nach Alecs Kette woran ein grosser goldener Ring hing „Ernsthaft? Wann? Wen? Und vor allem, wieso hast du nichts gesagt?“ Er liess die Kette aus seinen Fingern gleiten.

„Setz dich, ich erzähl dir alles“ sagte Alexander, füllte zwei Kelche und reichte einen James. Sie waren alleine beim Feuer, denn die Soldaten waren beschäftigt. „Es ist jetzt etwas mehr als ein Monat her seit meiner Eheschliessung“ sagte er und trank einen Schluck „Erinnerst du dich an die Spionin?“ fragte Alexander. James‘ Augen wurden grösser

„Sag mir nicht du warst so töricht eine Spionin zu heiraten?“ sagte er fassungslos. Alexander holte tief Luft

„Es ist nicht so wie es sich anhört. Sie ist keine Spionin, dies ist ein Missverständnis“. James Miene wurde nicht besser

„Alec, inwiefern? Du weisst, dass der König ziemlich unnachgiebig ist, was Hochverrat angeht“. Alec grinste

„Heisst das, du wärst nicht auf meiner Seite?“ James lachte

„Du weisst genau, dass ich hinter dir stehe! Egal was kommen mag, aber eine Spionin? Es gibt haufenweise nette Jungfrauen aus gutem Hause, die sich seit Jahren um dich reissen und was macht der einsame Löwe? Sucht sich seine Frau ausgerechnet in einem nun ja Grenzbereich“ sagte James platt.

„Womöglich hast du recht… diese Frauen konnten aber in mir nie die Sehnsucht stillen, daher war ich auch lange davon überzeugt, ich würde nie eine Familie gründen aber dann… ich weiss nicht wann genau es passiert ist, plötzlich war sie der eine Teil, der mir bisher gefehlt hatte“ sagte Alexander klar. „Sie hat meine Dämonen vertrieben, die mich Nacht für Nacht heimgesucht haben und sie“ er lächelte versonnen „sie macht mich glücklich“. Er sah zu James. Sein Blick war eine Mischung aus Erstaunen, Verwirrung und Amüsiertheit

„Du bist… ein verliebter Trottel“ grölte James.

„Ach… du kannst das nicht verstehen, weil du dein fehlendes Stück noch nicht gefunden hast“ meinte Alexander würdevoll. Als James endlich aufgehört hatte zu lachen, nahm er einen Schluck und sprach

„Es tut mir leid, aber keiner aus unserer Truppe hat bislang diesen Schritt unternommen… ausser Maximilian. Ich meine… du und ich wir sind die Anführer unserer Junggesellenformation und jetzt bist du bereits verheiratet?! Unfassbar“. Sie schwiegen einen Moment und lauschten den rufen ihrer Soldaten.

„Ich weiss, selbst für mich war es unglaubwürdig… aber sie hat mir keine andere Wahl gelassen. Sie ist keine Spionin. Kannst du dich an das Dienstmädchen in Cornwall erinnern?“ James nickte. „Sie ist diejenige“. James hustete und spuckte den Würzwein aus an dem er sich verschluckt hatte. Alec fuhr aber sofort weiter „Ich weiss was du jetzt sagen willst, aber hör mich an. Zu diesem Zeitpunkt war noch gar nichts klar, ausser ihrer Anziehungskraft auf mich. Damals wollte ich sie… nun ich wollte sie in mein Bett locken“ sagte Alec verhalten und James Augenbrauen schossen in die Höhe. „Sie hatte sich die gesamte Zeit als Dienstmädchen ausgegeben und für mich gearbeitet. Ich wusste nichts von ihr. Als dann das eine zum anderen geführt hatte, enthüllten George Talbot und Ophelia Brandon im Juli, dass das Dienstmädchen Rose eigentlich eine adlige Schottin namens Isabella Rose Campbell sei. Mir war klar gewesen, dass sie etwas verborgen hatte, aber das?! Selbst ich hätte mir dies nicht in meinen kühnsten Phantasien ausmalen können. Da Talbot sie aber für sich behalten wollte, weil sie sein Mündel war, erfand er die Geschichte der Spionin, die er selbst dem König ins Ohr setzte“. Alec machte eine Pause, um James die Möglichkeit zu geben eine Frage zu stellen. James blickte ihn an

„An dieser Geschichte sind einige Dinge merkwürdig… dass du eine Frau in dein Bett locken musstest, ist schon ziemlich interessant“ schmunzelte er „Hmm Talbot war doch schon in Cornwall hinter ihr her, nicht wahr?“ Alec nickte

„Allerdings. Meine Ehefrau hat mir erzählt, was er für Ziele verfolgt hatte. Er wollte den Herrensitz ihres Vaters, sein Geld und den Einfluss als Clanoberhaupt. Darum tötete er ihren Vater und ihre Mutter und liess es von seinen Schergen als Unfall darstellen. Als er nach zwei Monaten nicht die Oberhand in Schottland erreichen konnte, reiste er wütend mit Isabella im Schlepptau in seine Grafschaft zurück. Dabei hatte sie noch Onkel und Tante, die anscheinend nach einem Zwist nach Frankreich gereist waren um sich dort niederzulassen. Meine Ehefrau wusste nichts von ihnen. Talbot hatte ihr die beiden verheimlicht, wie auch dem Onkel und der Tante, dass ihre Nichte noch lebte“

„Dieser miese Wicht. Dafür sollte er hängen“ sagte James angewidert „und das wirst du dem König mitteilen?“ Alec überlegte eine Weile

„Es war meine Absicht, jedoch hat mich König Henry VIII schon in Arcioldun auf Isabella angesprochen und ich habe ihm erklärt, dass Talbot wohl seine eigenen Ziele mit ihr verfolge. Ich denke der König geht nicht mehr davon aus, dass sie eine Spionin ist… er war allerdings äusserst erfreut als er erfuhr, dass sie Schottin war. Ich habe es nicht direkt bejaht, ich habe lediglich gesagt ich vermute sie sei Schottin. Ich denke nach dem Krieg könnte er gewisse Ziele mit ihr verfolgen und mir graut es schon jetzt, wenn ich ihm sagen muss, dass ich ihr Ehemann bin und die Ehe mehr als vollzogen ist“

„Halt mal… also ich meine es könnte sogar in seinem Interesse liegen, dass sein Hauptoffizier nach dem Krieg das Bündnis mit einer schottischen Adligen eingeht, dass würde die Einheit stärken und für Frieden sorgen. Wir können versuchen diesen Gedanken zu streuen, wenn es soweit ist“ grinste James „Aber was meinst du mit mehr als vollzogen?“ Alexander gefiel der Gedanke den James verfolgte. Es wäre durchaus eine strategisch günstige Verbindung für den König. Er atmete tief aus und seine Lippen formten ein Lächeln

„Es ist so, ich werde in nicht mehr allzu langer Zeit Vater“. James schien im ersten Moment sprachlos, doch dann sprang er auf und setzte sich neben Alec. Mit einem Klopfen auf die Schultern sagte er

„Alexander John Arthur de Warenne was bist du nur für ein Schelm! Ich beglückwünsche dich!“ James grinste „Ja das würde allerdings verdammt schwierig werden diese Ehe rückgängig zu machen“

„Ich würde jeden töten, der einen Versuch auch nur in Erwägung zieht“ meinte Alec und stimmte in James‘ Lachen mit ein. Nach einer Weile wurde James ernst, er blickte Alec lange an bevor er sprach

„Sie ist wirklich die Richtige? Die eine?“ Alec blickte seinen Freund aus Kindheitstagen an. In der Frage lag grosse Ehrfurcht und er wusste, dass er damit die unausgesprochene Frage beantworten sollte, die James ihm eigentlich stellte.

„Ja… sie ist die eine“ er nahm einen Schluck Würzwein „Sie ist in mein Leben gestürzt ohne Vorwarnung und hat mich gefesselt… ich glaube den meisten ergeht es gleich und wenn ich, der einsame Löwe eine Frau finde, dann glaube ich findet sie jeder, der sich im Inneren nach einer solchen Verbindung sehnt“. Alec machte eine kurze Pause und beobachtete James. Er wollte ihm aufzeigen, dass auch er dieses Glück erreichen konnte. „Weisst du… mir war lange nicht klar, wie wichtig sie mir geworden war, am Schluss hätte mich nicht einmal mehr der Standesunterschied von ihr ferngehalten. In meinen Gedanken hatte ich schon alles arrangiert, wie ich mit ihr in Carlisle leben und auf meine Titel verzichten würde… doch nichts schien so zu kommen, wie ich es mir ausgemalt hatte. Eine Neuigkeit folgte der nächsten. Zu diesem Zeitpunkt wusste sie schon, dass sie unser Kind in sich trug und anstatt sich an mich zu wenden, hatte sie einen Fluchtplan verfolgt, der sie nach Frankreich bringen sollte“. James schüttelte ungläubig den Kopf. „Aber Talbot und seine Männer griffen sie auf und brachten sie nach Surrey zurück. Ich konnte zu meinen Gunsten erwirken, dass er sie mir überliess. Ich verwendete seine erfundene Spioninnen Geschichte gegen ihn… und du kannst dir vorstellen, dass Talbot dieser Ausgang nicht gefallen hat. Er war fuchsteufelswild, doch gegen seine eigens erfundene Geschichte, konnte er schlecht Einwände erheben, also beliess er es. Ich schleppte sie mit nach Carlisle und wusste noch nicht einmal was ich von ihr und unserem ungeborenen Kind abverlangte“. Alec schüttelte den Kopf, selbst jetzt machte ihn diese Tatsache ungehalten. Er hatte ihr Dinge zugemutet, die man einer schwangeren Frau nicht zumuten sollte.

„Und sie hat dir nichts von ihrer Schwangerschaft gesagt? Wie hast du es trotz allem herausgefunden?“ meinte James verblüfft.

„Glaub mir, dass ging eine verdammte Weile so, selbst Thomas hat es herausgefunden, doch ihr geschworen kein Sterbenswörtchen zu verraten“. James hob seine Augenbrauen, doch schwieg er. „Ich habe sie ja mitten in die Schlacht gebracht, oder glaubst du ich hätte dies getan, wenn ich gewusst hätte, dass sie unser Kind unter ihrem Herzen trägt?!“ Alec lehnte sich zurück und blickte in die lodernden Flammen „Sie hat kein Wort darüber verloren und ich war zu dumm um die Anzeichen zu erkennen“ sagte er und verzog sein Gesicht zu einem gequälten Lächeln. James trank einen Schluck

„Mach dir keine Vorwürfe… Frauen sind ein Mysterium für sich… ich bezweifle, ob wir je die Macht besitzen werden sie zu verstehen… aber wie hast du das Geheimnis doch noch gelüftet?“ Alexander trank seinen Becher leer und warf James einen vielsagenden Blick zu

„Sagen wir es so, es war reiner Zufall… und wie du dir vorstellen kannst war ich ziemlich aufgebracht. Nachdem ich mich wieder im Griff hatte, machte ich kurzen Prozess und beschaffte mir Lior, der uns vermählen sollte“. Alec stellte seinen leeren Becher auf den Boden.

„Und sie hat ohne weiteres zugestimmt?“ sagte James überrascht.

„Wohl kaum mein Freund! Du kennst meine Frau nicht“ lachte Alexander „doch ich liess ihr dieses eine Mal keine Wahl. Sie willigte ein und zeigte mir danach die kalte Schulter“

„So wie du davon erzählst, könnte man meinen die Ehe macht Spass“ grinste James. Nach einer Pause sagte Alexander in Gedanken versunken

„Das tut es“. Es tat gut mit einem Freund darüber zu sprechen. Sie kannten sich schon seit sie gehen gelernt hatten und waren sich sehr ähnlich. James hatte recht, sie waren die Anführer ihrer Junggesellenformation gewesen und nun… nun hatte Alexander sein einsames Löwen Dasein aufgegeben und eine Familie gegründet. Er wusste nicht wie lange der Krieg noch dauern würde und das hiess, dass er die Geburt seines Kindes sehr wahrscheinlich verpassen würde. Alexander strich sich durch das dunkle Haar und hoffte inständig, dass Isabella gut versorgt war. James und Alexander schwelgten noch eine Weile in alten Erinnerungen bevor sie den Krieg wieder in den Vordergrund liessen. Am späteren Abend versammelten sich die Soldaten aller Heere, lauschten Lior Callaghan der Gebete sprach und ein Totenbett nach dem anderen in Flammen aufgehen liess. Schweigen breitete sich zwischen den Soldaten aus, wie eine eisige Klaue umfing sie die Stimmung der Männer und auf ihre Gesichter trat ein entschlossener Ausdruck. Morgen würden sie weiter in Richtung englischer Grenze reiten, mit jedem Schritt kämen sie dem Feind näher und nichts würde sie aufhalten.

Schottisches Feuer und englische Anmut

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