Читать книгу Jeff Duley soll ein Mörder sein: Texas Wolf Band 65 - Glenn Stirling - Страница 8
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Оглавление„Noch etwas Tee, Tom?“, fragt Mrs. Heard und blickt den schmalen jungen Mann freundlich an.
Tom Jobson lächelt zurück und erwidert höflich: „Recht gerne, Madam, der Tee ist wieder einmal ganz delikat.“
Mrs. Heard ist geschmeichelt. Und das nicht allein wegen des Kompliments. Dieser Tom Jobson gefällt ihr. Er hat Manieren, obgleich er nicht gerade wohlhabend genannt werden könnte. Er ist immer nett, und er war zu Lebzeiten von Mr. Heard dessen zuverlässigster Mitarbeiter. Was wäre Mrs. Heard ohne ihn, da es nach Mr. Heards Tod so viele Dinge zu regeln und zu erledigen gilt. Das alles hat Tom Jobson für sie geordnet.
Catherine Heard sitzt auch am kleinen Teetisch. Sie trägt schwarze Trauerkleidung wie ihre Mutter, und sie wirkt darin bleich und elend. Während die Mutter mit Tom Jobson angeregt plaudert, sitzt Catherine traurig und verstockt da, nippt nur an ihrem Tee und ist weit weg mit ihren Gedanken. Weit weg. Genau hundertsiebzig Meilen weit, nämlich in Cheyenne.
Sie muss immer wieder an ihn denken, dessen Name im Kreise der Familie verflucht ist. Immer wieder versucht sie sich die Frage zu stellen, ob Jeff es wirklich getan hat. Sie kennt ihn, weiß, dass er ein Heißsporn ist, aber das … nein, er kann es nicht getan haben.
Die Beweise sprechen dagegen. Und die Zeugen, besonders Tom.
Sollte etwa Tom … Nein, für ihn gibt es nicht den geringsten Grund. Er hat zwar Jeff Duley nie leiden können, weil er ihn als Nebenbuhler betrachtete. Doch so einer Tat wäre Tom nicht fähig. Und dann, so sagt sich Catherine, ist Tom durch Vaters Tod eigentlich noch geschädigt. Für ihn gäbe es nicht einen materiellen Anlass, diese Tat … Was sind das nur für verrückte Gedanken, ich muss mich zur Ordnung rufen. So etwas von Tom anzunehmen. Der arme Junge, ich sollte ihn bedauern. Die Mitbesitzer der Bank haben nach Vaters Tod einen neuen Teilhaber aufgenommen, der sofort Tom entlassen hat. Weil er ihn noch nie leiden konnte. Nein, Tom ist bestimmt der letzte, der so eine furchtbare Tat begangen haben könnte. Ein verrückter Einfall, überhaupt auf diese Idee zu kommen!
„Aber Catherine“, sagt Mrs. Heard gerade, „du hörst uns ja gar nicht zu. Tom hat gerade von dem Stück Land erzählt, das wir uns kaufen wollen, und dich gefragt, ob es dir gefällt. Wir können es haben. Tom hat alles arrangiert.“
„Ja, es ist so“, meint auch Tom und lächelt unterwürfig, wie er es stets tut, wenn er sich in Mrs. Heards Gegenwart befindet
„So-so? Ich weiß nicht …“ Catherine versucht, sich zu zwingen, an dieses Stück Land zu denken, auf dem Mama unbedingt ein Haus bauen will. Und ausgerechnet draußen vor der Stadt, wo kein Gehsteig ist, wo man durch den Schlamm waten muss, wenn der Regen einsetzt. Aber sie findet es einfach splendid, und wenn sie begeistert ist, kann man sie schwer von einer Sache wieder abbringen.
Tom Jobson zieht seine goldene Taschenuhr aus der Westentasche und lässt den Deckel aufschnappen. „Oh, ich muss gleich gehen. Übrigens, meine Damen, wissen Sie, was sich in Cheyenne getan hat?“
„Ach, hören Sie mit dieser fürchterlichen Geschichte auf, Tom!“, ruft Mrs. Heard und schlägt die Hände vors Gesicht.
Catherine beugt sich interessiert vor, blickt aber Tom nicht an dabei. „Ja, was ist dort passiert, Tom?“ Sie selbst spürt, wie spröde ihre Stimme klingt, und Tom Jobson wirft ihr einen raschen Blick des Erstaunens zu, eine Sekunde lang runzelt er die Stirn, dann sagt er mit der Stimme eines berichtenden Offiziers: „Man hat im Staatsgerichtshof ein Urteil gesprochen über den Mörder Duley. Es wurde festgestellt, dass er der Tat schuldig ist. Das Urteil lautet auf Tod durch den Strang. Die Verteidigung hat nicht das Geringste dagegen unternommen. Es soll sagenhaft schnell abgelaufen sein.“
„Aber das verstehe ich nicht. Da ist doch ein Anwalt aus Cheyenne noch gestern bei unserem Sheriff gewesen. Lancaster hat es mir doch selbst erzählt“, sagt Mrs. Heard überrascht.
Tom Jobson nickt. „Ja, das weiß ich auch, und gerade das verstehe ich nicht. Nicht einmal ein Gnadengesuch hat die Verteidigung angekündigt. So steht es auch im neuesten Tagblatt. Warten Sie, ich muss es sogar …“ Er sucht in seinen Taschen, bringt eine zerdrückte Zeitung zum Vorschein und will sie Mrs. Heard überreichen. Doch sie wehrt ab und sagt indigniert: „Nein, Tom, nein, ich will nicht noch mehr davon wissen. Davon wird mein Mann auch nicht mehr lebendig.“
„Aber Mama!“, ruft Catherine und geht hinaus.
Tom Jobson verabschiedet sich hastig und geht mit einer Verbeugung zur Tür, nickt Mrs. Heard mit eingefrorenem Lächeln zu und verschwindet dann.
Auf der Straße lächelt er nicht mehr. Mit schnellem, zielbewusstem Schritt geht er schräg über die zerfahrene Fahrbahn zum Sheriff-Office. Bevor er eintritt, blickt er erneut auf seine goldene Taschenuhr und murmelt: „Höchste Zeit!“
Drinnen sitzen zwei Männer im rauchigen Zimmer. Zurückgelehnt in seinem schweren Stuhl und die Pfeife dampfend im Mundwinkel hängend, der Sheriff Lancaster. Ihm gegenüber ein Mann, den Tom Jobson schon einmal vor einem Jahr gesehen hat. Aber er weiß nicht viel von diesem Manne, außer, dass er Tom Cadburn heißt und ein Pferdefänger sein soll.
Tom Jobson mustert den Besucher Sheriff Lancasters mit einer gewissen Verachtung, aber auch mit Neid. Mit Verachtung, weil dieser Mann die Kleidung eines Cowboys trägt und diese Kleidung auch noch verwaschen und abgeschabt aussieht. Mit Neid, weil jener Tom Cadburn vor Gesundheit strotzt, und das nicht nur der braungebrannten Haut nach zu schließen. Die Muskeln der Unterarme sind unter dem Hemd im Umriss zu erkennen. Tom Jobson muss sich eingestehen, dass er selbst Unterarme hat, die dünnen Röhrchen ähneln. Und die Hände dieses Mannes sind hornig und schwer, sie können zupacken, da braucht Tom Jobson nur einmal hinzusehen. Dagegen sind seine schmalen Händchen wie Spielzeuge.
„Hallo, Tom, Sie kommen ja pünktlich, nehmen Sie Platz“, sagt der Sheriff mit Bassstimme.
„Aber ich dachte, wir würden allein … allein“, will Tom einwenden.
Lancaster nickt. „Das ist Mr. Tom Cadburn, Sie werden ihn kennen. Er hat mich besucht, weil er zufällig hier ist. Er ist ja meistens oben in den Prärien und Wäldern, dort, wo noch Broncos sind. Was, Tom Cadburn, du interessierst dich bestimmt nicht für den Kram von Mr. Jobson?“ Lancaster lacht dröhnend und fährt fort: „Keine Scheu, Tom, Mr. Tom Cadburn hat andere Sorgen. Er stört uns bestimmt nicht.“
Tom ist unbehaglich zumute. Ihm wäre lieber, dieser Pferdefänger würde von selbst darauf kommen, dass er ihm nicht als Zeuge der Unterhaltung erwünscht ist. Doch dieser blonde Klotz bemerkt natürlich nichts, sagt sich Tom. Der sitzt wie angeklebt.
„Na, nun schießen Sie mal los, Tom!“, meint Lancaster und klopft die Pfeife aus.
Tom Jobson wirft einen unsicheren Seitenblick auf diesen Mr. Tom Cadburn und sagt: „Vielleicht sollten wir ein andermal …“
„Unsinn!“, poltert Lancaster. „Reden Sie, zum Teufel! Tom Cadburn stört uns nicht, wie ich schon einmal gesagt habe. Also los! Wo brennt es?“
Nach kurzem Zögern und einem erneuten Seitenblick auf Tom Cadburn sagt Tom: „Heute war das Urteil. Warum hat man mich nicht zur letzten Vernehmung geladen? Ich hätte in der Verhandlung aussagen müssen, Sheriff!“
Lancaster zuckt die Schultern. „Ich bin nicht der Richter, Tom! Soviel ich gelesen habe, hat es eine schnelle Verhandlung gegeben. Und die anderen Zeugen sind ja alle geladen gewesen. Ich weiß auch nicht, warum Sie …“
„Ich bin der wichtigste Zeuge. Ich habe gehört, was Mr. Heard vor seinem Tode noch gesagt hat. Warum hat man …“
Lancaster beugt sich über den Tisch, tippt Tom Jobson mit der Pfeifenspitze vor die Brust und sagt scharf: „Ihre Aussage, Tom, steht zu Protokoll. Hätte sich in Cheyenne etwas geändert?“
Verwirrt blickt Tom den Sheriff an. „Natürlich nicht, aber …“
„Kein Aber! Wenn die Anklage das vorgebracht hat, und wenn die Verteidigung das akzeptierte, warum sollten Sie auch noch nach Cheyenne zitiert werden? Nun seien Sie doch zufrieden. Was wollen Sie noch mehr? Er ist verurteilt, und nun ist Ruhe. Tut mir leid um den Jungen, er hat es bestimmt in der Wut getan. Sie hätten ihn nicht zum Tode verurteilen sollen. Lebenslänglich hätte auch gereicht.“
Die ganze Zeit saß Tom Cadburn an die Wand gelehnt auf seinem Hocker und tat, als ginge ihn das alles nichts an. Jetzt aber blickt er interessiert auf Tom und fragt wie nebenher: „Sagen Sie, Mister, sind Sie der Mann, der Mr. Heard gefunden hat?“
„Ja, natürlich, das weiß doch jeder“, erwidert Tom herablassend.
„Und jetzt hat Sie die Bank gefeuert, soviel ich hörte, wie?“, fragt Tom Cadburn weiter.
Bevor er antwortet, blickt Tom noch einmal auf diesen Mann. Erst wütend, weil der sich in die Unterhaltung eingemischt hat. Dann aber vorsichtiger, denn sein Blick trifft den des Mannes, und dieser Blick Tom Cadburns ist hart und zwingend. Tom kommt sich in diesem Augenblick vor, als sei er ein Kaninchen, das von einem Puma fixiert wird. Nein, so durchschnittlich und nichtssagend ist dieser Tom Cadburn nicht, denkt Tom. Da steckt mehr dahinter, viel mehr.
Tom hat plötzlich Angst vor diesem blonden Menschen, obwohl er an dem anderen äußerlich eigentlich nichts Besonderes erkennen kann. Weder trägt Tom Cadburn zwei Revolver, und selbst der eine, den er trägt, sieht nicht aus wie die Waffe eines Revolverschwingers. Auch ist Tom Cadburn nicht so hünenhaft groß wie zum Beispiel Sheriff Lancaster. Und doch ahnt Tom, dass dieser Tom Cadburn ungewöhnlich ist. Er ahnt es, weil er feinfühlig und weich ist. Viele Männer, die selbst hart und rau sind, spüren das nicht so schnell. Aber Tom Jobson hat fast das Feingefühl einer Frau. Und deshalb fällt seine Antwort auf Tom Cadburns Frage wider Erwarten höflich und sachlich aus.
„Ja“, erwidert er, „der neue Mitinhaber hat mich entlassen. Er konnte mich nie besonders leiden, weil ich das Vertrauen von Mr. Heard hatte.“
„Wer ist der Mitinhaber, Tom?“, fragt Lancaster scharf. „Seit Tagen macht ihr ein Geheimnis darum, als wäre das etwas von Wichtigkeit. Wer ist der Mitinhaber?“
Tom Jobson meidet den Blick des Sheriffs und betrachtet seine Schuhspitzen. „Ich darf es nicht sagen, Sheriff. Der neue Mitinhaber ist ein stilles Mitglied der Geschäftsführung, sein Name braucht nicht in Erscheinung zu treten. Nur die Geschäftsleitung weiß von ihm, und ich leider auch, aber ich bin zum Stillschweigen verpflichtet.“
„Davon entbinde ich Sie, Tom! Wie heißt der neue Mitinhaber? Reden Sie!“, fordert ihn Lancaster auf, und der Sheriff ist es nicht gewohnt, Widerworte zu hören.
Tom Jobson scheint das auch zu wissen, denn er antwortet leise: „Floyd Tubbland von der TT-Ranch.“
Lancaster pfeift durch die Zähne und blickt Tom Cadburn vielsagend an. Tom Cadburn begreift, was Lancaster damit meint, und nickt nur.
,.Danke, Tom, Sie können gehen.“ Als Tom sich schon erhebt, ruft ihm Lancaster nach: „Ah, da wäre noch eine Frage, Tom!“
Tom bleibt stehen, die Türklinke schon in der Hand, und dreht sich erstaunt um. „Ja?“
„Für wen arbeiten Sie denn jetzt, Tom?“
Tom Jobson zuckt die Schultern. „Ich habe keinen Job mehr. Vielleicht gehe ich nach Cheyenne. Ich hoffte schon, dass man mich zur Verhandlung braucht, und da könnte ich die Reise umsonst machen.“ Er blickt beschämt zu Boden und fährt leise fort: „Ich bin nicht gerade reich, Sheriff. Wenn Mrs. Heard mich nicht immer zum Essen einladen würde, ich wüsste nicht …“
„Es ist gut, Tom, kommen Sie morgen mal hier vorbei. Da wäre eine Menge Schreibkram bei mir zu tun, und ich gebe mich verdammt ungern damit ab.“
„Danke, Sheriff, danke. Ich komme morgen früh gleich herein!“, ruft Tom eifrig und zieht nach einer Verbeugung ab.
„Ein komischer Vogel, dieser Bursche“, meint Lancaster lächelnd.
Tom Cadburn zuckt die Schultern. „So komisch finde ich ihn gar nicht. Warten wir mal ab.“
„Ich wünsch dir Glück, Tom Cadburn! Aber ich habe getan, was ich konnte. Zur fraglichen Zeit war außer Mr. Heard, Tom Jobson und den beiden Frauen niemand im Haus. Und wer sollte ein Interesse gehabt haben, Heard niederzuschlagen? Es ergibt keinen Sinn. Tom Jobson war kurz darauf bei Heard. Ist es Jeff Duley nicht gewesen, hätte ein anderer Täter nur wenige Minuten Zeit gehabt. Aber niemand hat einen anderen Mann ins Haus kommen oder aus dem Haus gehen sehen. Nein, Tom Cadburn, es wird schon alles seine Richtigkeit haben. Nur dass sie Jeff zum Tode verurteilt haben, will mir nicht in den Kopf. Es ist Totschlag, und darauf steht doch nicht der Strick.“
„Er ist verurteilt worden, und du hast sicher von Mr. Cash gehört, wie wenig es uns nutzt, Proteste zu erheben. Das Gericht will Gegenbeweise sehen, sonst nichts.“
„Die findest du nie, Tom Cadburn. Immerhin, meinen Segen hast du!“
Tom Cadburn nickt und sagt: „Sprich mit niemandem darüber, hörst du?“ Lancaster lacht. „Immer derselbe, aber treib es nicht zu toll. Sonst kassiere ich dich auch noch eines Tages!“ Dann schiebt er Tom Cadburn seine Whiskyflasche zu. „Da, der bringt dich wieder auf vernünftige Ideen!“