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Während oben im Norden das Land von Schneestürmen und eisigen Winden gepeitscht wird, scheint in Mexiko die Sonne. In Colorado drängen sich die Rinder in den Wäldern, um vor Kälte und Schnee Schutz zu finden, hier im Süden lechzen sie nach einem Tropfen Wasser: Futtersorgen im Norden, im Süden Wassersorgen.

Diese Gedanken ziehen Billy Rollins durch den Kopf, als er auf die trostlose Wüstenlandschaft blickt, die vor ihm ausgebreitet liegt: hier und da ein Strauch, schilfartige Grasbüschel, dann wieder einige Organpipe-Kakteen, und sonst nichts als Sand und nochmals Sand. Am Himmel kreisen vereinzelte Geier und spähen schon seit Stunden nach einer Beute aus. Die Luft flimmert vor Hitze, und die Lippen des großen blonden Mannes sind geschwollen vor Durst. Das Pferd steht mit hängendem Kopf im spärlichen Schatten eines Chollabuschs. Es hat seit dem Morgen noch keinen Tropfen Wasser erhalten.

Billy kauert sich neben das Pferd und zieht einen Brief aus seiner Brusttasche. Er breitet ihn aus und studiert die primitive Zeichnung, die daran geheftet ist.

„Wir müssen noch einige Meilen reiten, Fellow!“, sagt er zu dem Braunen, als könnte der das verstehen. Doch das junge Tier drückt nur seine Nüstern an die Schulter des Mannes und leckt dann an dem verschwitzten Hemd.

„Well, Fellow, das ist der erste Auftrag, bei dem ich dich mitgenommen habe. Nun wirst du immer mein Kamerad sein! Seit sie mir Star abschossen und der andere Braune, dein Vorgänger, auf dem Bahnhof in Cortez ein Bein brach, hat sich viel ereignet. Oben auf der Herz-Ranch kämpfen unsere Boys mit der Futternot und der Kälte. Und wir beide müssen Geld verdienen, damit wir auch das Heu bezahlen können, das Charly für die Rinder gekauft hat.“

Er tätschelt dem Pferd den Hals und lässt es sich gefallen, dass Fellow ihm über das Gesicht leckt. „Schmeckt wohl salzig, wie?“, spricht er weiter zu dem Tier. „Nun, wir müssen gleich weiter … nach dem dämlichen Ingenieur suchen, der wie ein Idiot allein auf eine Expedition in die Berge gezogen ist!“

Billy steigt wieder in den Sattel, und im Schritt reitet er weiter.

Nach zwei Stunden liegt eine kleine Ortschaft vor dem Reiter. Weit im Hintergrund erheben sich die Berge der Sierra Madre. Doch bis dahin ist es noch ein paar Tage zu reiten. Die Vegetation hat sich verändert. Der Boden wird sichtlich fruchtbarer; das mag wohl auch der Grund dafür sein, dass hier eine Siedlung liegt. Rinder und Ziegen weiden gemeinsam auf den Wiesen und Weiden in der näheren Umgebung der Ortschaft.

Billy Rollins weiß von seiner Karte her, dass dieser Ort Badiraguato heißt. Als er ihn jetzt genau sieht, ist er erstaunt. Wie sich eine Schar Hühner um ihren Hahn drängen, so gruppieren sich die primitiven Lehmhäuser um eine riesige Kirche. Der kolossale Steinbau scheint aus einer Großstadt hierher gesetzt worden zu sein. Gegen ihn wirken die Lehmhütten der Mexikaner wie Spielzeughäuser.

Billy schwenkt auf einen ausgefahrenen Karrenweg ein und reitet hinter einem Indio her, der langsam und bedächtig seine beiden Ochsen nach der Stadt treibt.

Jetzt sieht Billy auch den Fluss, der vorhin noch seinen Blicken verborgen wir. Hier tummeln sich Kinder aller Schattierungen: Indios, Mestizen und Schwarze. Frauen waschen unter lautem Gesang ihre Wäsche; überhaupt scheint sich das ganze Dorfleben am Wasser abzuspielen. Hier stehen auch riesige Bäume, unter denen die Einwohner Schatten finden.

Als Billy weiter oben eine Gruppe Indios sieht, die in der prallen Sonne in einem Maisfeld hacken, wischt er sich vor Mitgefühl die Stirn ab. Dann aber drängt Fellow vor Durst zum Fluss. Der Reiter lässt ihn gewähren und steigt ab, als sie das Wasser erreichen. Schnell nimmt er dem Tier das Gebissstück aus dem Maul, damit es besser saufen kann. Er selbst wagt das brackige Wasser nicht zu trinken, vor allem, als er sieht, dass eine Indiofrau ihr Kleines über dem Ufer abhält.

Als der Amerikaner wieder aufsitzt und zum Ort reitet, wird er von den Mexikanern misstrauisch gemustert. Einmal hört er das Wort „Gringo“, bis zu sich herüber.

Vor der kleinen Tienta macht Billy halt und sitzt ab. Ein Geruch von Moder und Pulque dringt bis auf die Straße heraus. Billy führt Fellow in den Schatten und sattelt ihn ab. Dann reibt er das staubige und verschwitzte Fell des Tieres mit Stroh und wirft ihm Maisstauden vor.

Inzwischen haben sich vor der Kneipe eine Menge Kinder und Halbwüchsige angesammelt, die neugierig und interessiert den Nordamerikaner beobachten. Schließlich sehen sie nicht jeden Tag einen Fremden, und hier ist man für jede Abwechslung dankbar. Als sie aber die beiden Colts an den Hüften des Amerikaners baumeln sehen, weichen sie respektvoll zurück.

Billy lächelt den Kindern zu und geht ins Haus.

Im Raum ist es düster, weil die Fenster zugehängt sind. Aber dadurch ist es angenehm kühl. Zwar stinkt es nach Alkohol und dem kalten Rauch der Maisblattzigaretten, aber Billy stört sich nicht daran. Freundlich nickt er einigen Mexikanern zu, die ebenfalls im Schankraum sitzen.

Der Wirt ist ein Mestize, schmal, klein und von Hitze und Arbeit ausgemergelt. Müde kommt er heran.

„Bring mir Tee, Tequila und dann ein gutes Essen!“, sagt Billy in ausgezeichnetem Mexikanisch, was den Wirt verblüfft. „Mach mir aber nicht zu viel Pfeffer an das Essen, claro?“

Der Wirt muss erst einmal schlucken. Donnerwetter, der Gringo spricht unsere Sprache so gut wie einer von uns!, denkt er erstaunt. Laut sag er: „Sofort, Señor! Es wird alles so sein, wie Sie es bestellt haben!“

Die übrigen Mexikaner im Raum sprechen plötzlich leise. Dass ein Gringo so gut ihre Sprache spricht, können sie gar nicht fassen.

Plötzlich hört man draußen Hufschlag. Kurz darauf betritt ein großer, schwarzhaariger Mann den Raum. Billy kann dessen Gesichtszüge nicht genau erkennen, dazu ist es zu düster.

Der Gast grüßt freundlich. Wie Billy feststellt, hat er eine angenehm klingende Stimme. Seinem Äußeren nach muss es ein Kreole sein, zumindest aber ein sehr wohlhabender Haziendero.

Jetzt hat der Kreole Billy gesehen. „Hoho, ein Americano in unserer schönen Stadt? Ich hörte es schon auf der Straße, Señor!“, begrüßt er Billy. Dann erschrickt er plötzlich. „Ach, Sie werden mich gar nicht verstehen! Hmmm …“ Er will gerade auf Englisch seine Rede wiederholen, als ihn Billy unterbricht: „Ich verstehe sehr gut, Señor! Setzen Sie sich zu mir?“, fragt er freundlich.

Der Mexikaner bedankt sich und nimmt neben Billy Platz. „Enrico Valdez ist mein Name!“, stellt er sich vor.

„Billy Rollins!“, erwidert Billy seinerseits die Vorstellung.

„Was tun Sie in unserem schönen Land, Señor?“, erkundigt sich Enrico höflich.

Billy ist die landesübliche Neugierde gewöhnt. „Ich sehe es mir einmal an! Wenn‘s mir gefüllt, bleibe ich hier!“, sagt er.

„Oh“, sagt Enrico, „ich habe eine schöne Hazienda! Sie müssen mich besuchen! Bestimmt wird es Ihnen gefallen!“ Er lacht leise und blickt zu den anderen Gästen hinüber. „Er ist der erste Americano, der einmal unsere Sprache gut spricht und dann nicht gleich nach dem höchsten Berg, der größten Kirche und dem ältesten Brunnen fragt.“

Die übrigen Gäste lachen. Ein untersetzter Mestize erwidert: „Neulich kam einer, der wollte gleich mit dem Alcalden sprechen! Es wollte ihm nicht in den Kopf, dass der Bürgermeister eine Woche zu seiner alten Mutter gefahren war.“

„Wie sah dieser Amerikaner denn aus?“, erkundigt sich Billy so nebenher. „Vielleicht kenne ich ihn?“

„Seguro“, meint der Mestize, „du bist auch ein Americano, du musst ihn kennen! Er war so groß wie du oder Don Enrico! Aber sein Haar war nicht hell wie deines. Er hatte zwei Pferde, einen Falben und einen Schecken. Er trug aber nicht zwei Pistolen wie du, sondern hatte eine Waffe, wie ich sie noch nie gesehen habe. Muss etwas ganz Modernes sein. Auf dem Packpferd hatte er Spaten und alles mögliche Zeug, wie man es zum Goldsuchen braucht. Aber er wird kein Gold finden, der Fremde! Es gibt kein Gold mehr in unseren Bergen. Deine Landsleute haben es ausgegraben, und dann hat unsere Regierung es schließlich durch eigene Minen ausgebeutet. Die Sierra Madre ist arm geworden!“

„Hatte der Americano eine Narbe an der Backe?“, fragt Billy.

„Si, si! Er hatte eine Narbe! Das ist richtig!“, erwidert der Mestize bereitwillig. „Du kennst ihn also?“

„Ja, ich kenne ihn! Ich traf ihn vor Wochen. Er sagte, dass er nach Gold suche! Aber ich kenne den Mann nicht näher. Er interessiert mich nicht weiter!“, fügt Billy schnell hinzu.

Don Enrico mischt sich wieder in die Unterhaltung: „Er ist auch nicht richtig im Kopf, wenn er nach Gold sucht! Hier gibt es kein Gold, wie Ihnen Agosto sehr richtig sagte!“

„Jeder Mann hat einen Vogel! Lasst den Amigo ruhig nach Gold suchen! Wenn er keins findet, wird er wieder heim in die Staaten fahren!“, erwidert Billy betont gleichgültig.

Der Wirt bringt das Essen, und Billy lässt es sich schmecken. Nachdem der Durst gelöscht ist, hat sich der Hunger eingestellt. Den Wirt bittet Billy, seinem Pferd ebenfalls noch etwas Futter vorzuwerfen.

Don Enrico betrachtet schweigend den blonden Amerikaner und stört ihn nicht beim Essen. Nach einer Stunde erheben sich die beiden Männer und beschließen, zusammen zu Don Enricos Hazienda zu reiten. Billy soll Don Enricos Gast sein.

Die Gefangenen von Don Enrico: Harte Western Edition

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