Читать книгу Butler Parker Staffel 11 – Kriminalroman - Günter Dönges - Страница 6

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Butler Parker wurde ganz offensichtlich abgelenkt. Er stand in würdevoller Haltung neben seinem hoch-beinigen Wagen und übersah das Näherkommen von Lady Agatha Simpson. Sie wurde von ihrer äußerst attraktiven, jungen Gesellschafterin begleitet, die wie ein scheues Reh folgte. Kathy Porter winkte in Rich-tung Parker um auf Lady Agatha aufmerksam zu machen, doch der Butler reagierte nicht.

Was menschlich verständlich war.

Vom Parkplatz aus konnte der Butler bequem über eine hohe Taxushecke ein Grundstück beobachten, das seltsame Reize bot. Diese Reize versprühte eine junge Frau, die entfernt an ein amerikanisches Sexidol der 50er Jahre erinnerte. Eine gelungene Kopie der Marilyn Monroe stand am Rand eines überdachten Swim-ming-pools vor einer Staffelei und betätigte sich als Malerin. Was sie so an Ölfarben auf die Leinwand strich und spachtelte, interessierte den Butler nur sehr wenig. Seine Blicke wurden von den ausgeprägten Körperli-nien dieser Frau angezogen, die etwa 25 Jahre zählte.

Sie trug ungemein knappe Shorts, die an sich schon eine einzige Herausforderung darstellten. Ihre langen, schlanken Beine endeten in hochhackigen Sandalen. Die aggressive Wucht ihrer Oberweite steckte in einer augenscheinlich hauchdünnen Bluse, die deutlich zeigte, daß die junge Dame auf Stützen jeder Art bewußt verzichtete. Das Haar war schulterlang und honigblond.

Nicht nur Parker war beeindruckt.

Es gab da auf dem Parkplatz eine Reihe von Männern aller Altersklassen, die völlig vergaßen, daß sie ei-gentlich in ihre Wagen steigen wollten. Diese Männer sahen verstohlen oder offen hinüber auf das Grund-stück und auf die Malerin, die sich wohl nicht bewußt war, wie sehr sie die Räumung des Parkplatzes verzö-gerte.

Der Parkplatz gehörte zu den Tennisanlagen von Kew Gardens, westlich von London, an der Themse ge-legen. Das Match einiger lokaler Vereine war vor zehn Minuten beendet worden. Der Andrang auf dem Parkplatz war dementsprechend massiv.

Der überdachte Swimming-pool gehörte zu einem kleinen Landsitz, der von weiten, gepflegten Rasenflä-chen und Baumgruppen umgeben wurde. Dieser Swimming-pool mit den zum Garten hin geöffneten Glastü-ren fügte sich gerade noch in das ansonsten seriöse Gesamtbild ein.

»Ich werde für Sie den ›Playboy‹ abonnieren«, ließ Agatha Simpson sich ironisch vernehmen. Sie stand inzwischen seitlich hinter ihrem Butler und beobachtete ebenfalls die Künstlerin.

»Ich bitte um Vergebung«, erwiderte Parker ein wenig irritiert, »ich muß Mylady übersehen haben.«

»Kunststück!« Agatha Simpson lachte ein wenig anzüglich. »Damit kann ich natürlich nicht konkurrie-ren.«

Was vollkommen stimmte.

Lady Agatha Simpson war etwa 60 Jahre alt, groß und erinnert an eine Bühnenheroine vergangener Thea-terzeiten. Sie hatte ein volles Gesicht mit sehr vielen Lachfältchen um Mund und Augen, besaß eine Art Ad-lernase und ein energisches Kinn. Die dunklen Augen waren in steter Bewegung. Einer Lady Agatha entging kaum etwas von Interesse.

Sie trug ein an sich teures Jackenkleid, das allerdings zu groß und zu bequem war. Es hing faltenreich an ihr herunter und paßte auf den Punkt genau zu den großen, derb wirkenden Schuhen, die Lady Agatha be-vorzugte.

»Reißen Sie sich von dieser Einladung los«, meinte Parkers Herrin und deutete mit ihrer Lorgnette hinüber auf das Grundstück. »Dieses Dämchen posiert etwas zu eindeutig.«

»Wie Mylady befehlen«, erwiderte der Butler und wandte sich zu seinem Wagen um.

Genau in diesem Augenblick fiel der Schuß!

*

Die Monroe-Kopie vor der Staffelei stieß einen entsetzten Schrei aus und rannte zur Terrasse des Hauses. Dabei verlor sie das Gleichgewicht, rutschte aus und landete mit einem zweiten Aufschrei im spritzenden Wasser. Sie schien nicht besonders sportlich zu sein. Sie schlug wild um sich und paddelte an den Rand des Swimmingpools heran.

Die Staffelei war wie von einer unsichtbaren Riesenfaust zur Seite geschleudert worden und lag zusam-mengeknickt im Gras.

Lady Agatha, Parker und Kathy Porter erhoben sich aus ihrer Kniebeuge, die sie beim Aufpeitschen des Schusses automatisch eingenommen hatten.

»Sollte da irgendein Flegel auf mich geschossen haben?« fragte die Sechzigjährige ergrimmt.

»Keineswegs, Mylady«, gab der Butler zurück und wies mit der Spitze seines Universal-Regenschirms auf den Swimming-pool, aus dem die Monroe-Kopie gerade herauskletterte, um dann in langen Sätzen auf das Haus zuzulaufen.

»Das will ich mir auch ausgebeten haben«, stellte Agatha Simpson fest. »Kommen Sie, Mister Parker! Wir werden gebraucht.«

»Sind Mylady sicher?« fragte Parker zögernd.

»Es handelt sich doch offensichtlich um einen Mordversuch«, freute sich die alte Dame und sah ihren But-ler unternehmungslustig an. »Sehen Sie sich das an!«

Der Schuß und die flüchtende Malerin hatten bei den männlichen Zuschauern auf dem Parkplatz erstaunli-che Reaktionen ausgelöst. Die Mehrzahl der Betrachter befand sich noch in Deckung zwischen den abge-stellten Wagen. Doch einige mutige Männer hasteten auf die Taxushecke zu, um der Monroe-Kopie ihre Hil-fe anzubieten. Sie warfen sich auf und unter die Hecke und arbeiteten sich wütend durch dieses Hindernis.

»Worauf warten Sie noch, Mister Parker?« Lady Simpson setzte sich in Bewegung, aber sie hielt keines-wegs auf die Taxushecke zu. Sie marschierte auf ihren stämmigen Beinen zum angrenzenden Grundstück, das einen etwas verwilderten Eindruck machte. Damit bewies die passionierte Detektivin, daß sie die Lage durchaus richtig einschätzte. Der Schuß mußte von diesem Grundstück aus abgefeuert worden sein.

Parker folgte notgedrungen, wobei er mit Agatha Simpsons Gesellschafterin einen hilfesuchenden und er-gebenen Blick wechselte.

Es war also wieder mal passiert.

Agatha Simpson war mit einem interessanten Fall konfrontiert worden. Sie würde nun nicht eher ruhen, bis dieser Fall geklärt war. Die resolute Dame sehnte sich nach Abwechslungen dieser Art. Und erstaunli-cherweise kam sie immer wieder auf ihre Kosten.

»Einen Augenblick, bitte, Sir …« Agatha Simpson hatte den Parkplatz verlassen und rief jetzt einen jun-gen Mann an, der hinter dichtem Busch- und Strauchwerk rechts vom Parkplatz hervorkam. Er schleppte bezeichnenderweise einen Geigenkasten mit sich herum.

Der junge Mann war etwa 25 Jahre alt, schlank und mittelgroß. Er trug gepflegte, sportliche Kleidung und paßte durchaus in diese Gegend.

»Einen Moment, bitte!« Lady Simpsons Stimme klang bereits wesentlich schärfer. Sie war nicht gewillt, diesen Mann ziehen zu lassen. Unternehmungslustig funkelten ihre schwarzen Augen.

Der Geigenkasten!

Das war ein Indiz nach Myladys Geschmack.

Natürlich wußte sie aus Erfahrung, daß in solchen Behältern nicht ausschließlich Instrumente transportiert wurden, Kästen dieser Art enthielten recht oft Schußwaffen aller Art.

Der junge Mann reagierte noch immer nicht.

Er war allerdings etwas schneller geworden und hielt jetzt auf einen Hillman zu, der am Straßenrand vor dem Parkplatz abgestellt worden war.

»Warten Sie!« Lady Simpsons Stimme grollte. Sie blieb stehen und bemühte ihren Pompadour.

Es handelte sich um ein mit Straß und Perlen besticktes Handbeutelchen, wie es von älteren Damen gern benutzt wird, um Gegenstände persönlichster Art aufzubewahren. Myladys Pompadour war allerdings we-sentlich größer als der Durchschnitt und schien mehr zu enthalten als nur einige Toilettenartikel.

Lady Agatha hielt die Schnüre des Pompadours in der rechten Hand und ließ ihn kreisen. Dann, mit einer leichten Verbeugung, ließ sie die Schnüre los und schickte den Handbeutel auf die Reise.

Agatha Simpsons. Geschicklichkeit war schon eine beachtenswerte Sache. Der Pompadour zischte nach-drücklich durch die Luft, überbrückte die fast 20 Meter und … klatschte dann gegen den Hinterkopf des Geigenspielers.

Der Musikus – falls er einer war – blieb sofort stehen.

Dann rutschte er allerdings im Zeitlupentempo in sich zusammen, wobei er den Geigenkasten, den er sich unter den Arm geklemmt hatte, verlor. Es staubte ein wenig, als der Mann auf dem Boden landete.

»Treffer!« stellte Lady Agatha zufrieden fest. »Widmen wir uns diesem Subjekt, Mister Parker. Es befand sich nicht grundlos auf der Flucht.«

Parker beeilte sich, zu dem jungen Mann zu kommen.

Er wußte sehr gut, daß der Mann Hilfe brauchte. Parker kannte nämlich den Inhalt des Pompadours. In dem Handbeutel befand sich Myladys Glücksbringer: ein echtes Hufeisen von beachtlichem Gewicht.

Der junge Mann stöhnte leicht, als Parker sich über ihn beugte.

»Sie hatten einen Unfall?« erkundigte sich der Butler und nahm den Pompadour schnell an sich. Er ließ ihn unter seinem schwarzen Zweireiher verschwinden.

»Ohhh …« stöhnte der junge Mann.

»Nur eine kleine Beule, die allerdings noch wachsen wird«, beruhigte Parker den Getroffenen und richtete ihn vorsichtig auf. Dabei achtete er darauf, daß der junge Mann nicht mitbekam, wie Lady Agatha bereits ungeniert und ungemein erwartungsvoll den Geigenkasten öffnete.

Sie beugte sich über den nun geöffneten Behälter und nahm dann sehr langsam und etwas betroffen wie-der den Kopf hoch. Anschließend präsentierte sie Parker den Inhalt des Kastens.

»Ohhh!« war Josuah Parkers einzige Reaktion.

Die Geige im Kasten war nicht zu übersehen. Lady Agatha schien ihren Pompadour auf den falschen Hin-terkopf gewirbelt zu haben.

*

»Sie hätten mich warnen müssen«, raunzte Agatha Simpson ihren Butler an. »Sie wissen doch, daß ich manchmal ein wenig impulsiv bin.«

Parker saß am Steuer des Wagens, Agatha Simpson und Kathy Porter hatten im Fond des hochbeinigen Monstrums Platz genommen. Bei diesem Wagen handelte es sich um ein ehemaliges Londoner Taxi, das nach Parkers Wünschen frisiert und umgebaut worden war. Dieser Wagen war jetzt eine Trickkiste auf Rä-dern und zeichnete sich durch technische Raffinessen aller Art aus.

»Warum sagen Sie nichts?« wollte Lady Agatha wissen, als Parker beharrlich schwieg.

»Ich möchte Mylady nicht widersprechen«, sagte der Butler, »zudem möchte ich an dieser Stelle darauf hinweisen, daß der Träger des Geigenkastens sehr wohl eine Waffe mit sich führte …«

»Wie bitte?«

»Besagter junger Mann besaß eine Handfeuerwaffe, Mylady.«

»Und das sagen Sie mir erst jetzt? Wie finden Sie das, Kindchen? Das ist doch ein glatter Mißbrauch mei-nes Vertrauens.«

Kathy Porter hütete sich, Stellung zu nehmen.

»Er hatte einen Revolver bei sich?« fragte Agatha Simpson eifrig.

»Eine Pistole. Eine Automatik vom Kaliber 9 Millimeter, um ganz genau zu sein, Mylady.«

»Und dann lassen Sie dieses verkommene Subjekt so einfach laufen, Mister Parker? Soll ich mich wundern oder ärgern?«

»Vielleicht sollten Mylady auf beide Möglichkeiten freiwillig verzichten«, schlug der Butler vor. »Ich war natürlich so frei, die Personalien des Musikanten festzustellen.«

»Und? Wie heißt dieses Individuum?«

»Es handelt sich um einen gewissen Marty Pearson, Mylady, wohnhaft in London. Wenn Mylady es wün-schen, kann ich mit der vollständigen Adresse dienen.«

»Verschonen Sie mich mit diesen Einzelheiten«, grollte Agatha Simpson zurück. Sie wollte sich auf keinen Fall ablenken lassen. Und sie fragte auch nicht, auf welche Art und Weise Parker sich die Adresse verschafft hatte. Die Lady wußte inzwischen längst, daß ihr Butler eine Fingerfertigkeit besaß, die einen professionel-len Taschendieb hätte erröten lassen.

»Könnte dieser Marty Pearson auf die Malerin geschossen haben?« fragte Kathy Porter.

»Keineswegs mit der Pistole«, gab der Butler zurück, »dazu war die Entfernung zu groß.«

»Hoffentlich sind wir bereits auf dem Weg nach London«, erkundigte sich Agatha Simpson grimmig. »Dieser Pearson wird mir Rede und Antwort stehen müssen.«

»Wie Mylady befehlen«, gab der Butler ungerührt und höflich zurück, »aber darf ich mich erkühnen, Mylady einen Vorschlag zu unterbreiten?«

»Lenken Sie mich nur nicht ab, Mister Parker«, Agatha Simpsons Stimme ließ Mißtrauen erkennen. Sie hatte herausgefunden, daß ihr Butler in letzter Zeit alles tat, um Kriminalfällen aus dem Weg zu gehen. Was Mylady selbstverständlich nicht paßte.

»Man sollte sich vor dem Gespräch mit Mister Pearson mit der Malerin befassen«, redete der Butler inzwi-schen weiter. »Ohne Grund dürfte man nicht auf sie geschossen haben.«

»Und wie wollen Sie das bewerkstelligen?«

»Die junge Dame kann unmöglich die Besitzerin des Landsitzes sein, Mylady.«

»Natürlich nicht. Danach sah sie wirklich nicht aus. Ich werde mich darum kümmern, Mister Parker.«

»Vielen Dank, Mylady.«

»Zum Teufel mit Ihrer Höflichkeit«, entfuhr es der Sechzigjährigen, »sagen Sie mir lieber, warum wir uns den Tatort nicht angesehen haben.«

»Darf ich Mylady nachträglich an die Zahl jener Herren erinnern, die der jungen Künstlerin Hilfestellung anbieten wollten?«

»Dennoch … Vielleicht hätten wir eine heiße Spur entdeckt, Mister Parker.«

»Einzelheiten zur Tat können wir mit Sicherheit der Abendpresse entnehmen, Mylady.«

»Nun ja, Augen- und Ohrenzeugen gab’s ja genug«, pflichtete Lady Simpson ihrem Butler bei, »eigentlich überraschend, daß der Schütze sich ausgerechnet diese Zeit ausgesucht hat, finden Sie nicht auch? Auf dem Parkplatz wimmelt es geradezu von Leuten.«

»Eine Feststellung, Mylady, der man größte Aufmerksamkeit schenken sollte.«

»Aha!« Agatha Simpson wußte zwar nicht, worauf ihr Butler anspielte, aber sie hatte das deutliche Ge-fühl, einen wichtigen Beitrag geliefert zu haben. »Worauf wollen Sie hinaus, Mister Parker?«

»Mit einiger Phantasie, Mylady, könnte man den Eindruck haben, daß dieser Schuß bestellt gewesen war.«

»Natürlich«, erwiderte Lady Agatha schnell und ließ sich zufrieden zurücksinken. »Davon rede ich doch die ganze Zeit.«

»Gewiß, Mylady«, sagte Parker höflich. Er dachte nicht daran, Agatha Simpson zu widersprechen. Er war eben ein sehr höflicher Mensch.

*

»Zum Teufel, nein, ich weiß es nicht«, sagte Marty Pearson gereizt. Er befand sich in seiner kleinen Woh-nung oberhalb einer Garage und telefonierte.

»Irgendwas knallte gegen meinen Hinterkopf. Und dann war Sense. Als ich wieder an Deck war, kümmer-te sich so ’ne alte Tante samt Butler um mich.«

Pearson hörte einen Moment zu und verzog dabei sein Gesicht. Das, was er zu hören bekam, schien ihm nicht zu gefallen.

»Ich wiederhole noch mal«, meinte er schließlich. »Der Schuß auf die Sexbombe kam aus einem Gewehr. Eindeutig. In solchen Dingen kenne ich mich aus. Und daraufhin habe ich mich natürlich abgesetzt. Ist doch wohl klar. Und dann hatte ich den Hammer am Kopf. Fühlte sich an wie ein auskeilendes Pferd.«

Pearson zündete sich eine Zigarette an und hörte wieder zu. Er befand sich in gereizter Stimmung. Es paß-te ihm gar nicht, daß er einem gewissen Rätsel gegenüberstand. Es paßte ihm nicht, daß man ihn auf geheim-nisvolle Art und Weise von den Beinen gebracht hatte.

»Natürlich versuche ich es noch mal«, sagte er endlich, als die Gegenseite für einen Moment schwieg. »Ist ja schließlich egal, wer da geschossen hat. Hauptsache, die Sexbiene hat eine Warnung verpaßt bekommen. Wie? Natürlich werde ich mich um die alte Lady kümmern. Ich habe mir das Wagenkennzeichen gemerkt. Die spüre ich schnell auf. Okay. Ende!«

Marty Pearson legte auf und stellte sich vors Fenster. Er fragte sich erneut, ob diese Lady für den Nieder-schlag verantwortlich war. Eigentlich ausgeschlossen. Daß sie zur ersten Gesellschaft gehörte, stand für ihn eindeutig fest.

Solch einer Frau war doch niemals zuzutrauen, daß sie aktiv zulangte. Nein, hier mußte ein Konkurrent seine Hand im Spiel haben, was Pearson sich gut vorstellen konnte. Hinter dieser Sexbombe mußten ganz andere Leute hersein, die es ebenfalls verstanden, Daumenschrauben anzuziehen.

Die blonde Sexbombe spielte immerhin mit einem Sprengstoff, wie man ihn sich brisanter nicht vorstellen konnte.

*

Josuah Parker stand zu dieser Zeit ebenfalls vor einem Fenster. Es gehörte zur Stadtwohnung Lady Simp-sons. Sie befand sich in einem altehrwürdigen Haus, in der Nähe von Shepherd’s Market, das sie schon seit vielen Generationen im Besitz der Familie Simpson befand.

Parker interessierte sich allerdings nicht für die reizvollen alten Häuser, die noch fast dörflichen Charakter aufwiesen. Auch nicht für die eleganten Bauten, die sich stilvoll in diese Gegend einfügten. Sein Interesse galt einem untersetzten Mann von etwa vierzig Jahren, der gerade die Straße überquerte und auf Lady Simp-sons Haus zuhielt.

Dieser Mann hatte sie in einem kleinen Minicooper seit dem Verlassen des Parkplatzes in Kew Gardens ausgesprochen hartnäckig verfolgt. Wahrscheinlich hatte er aus nächster Nähe beobachtet, wie Agatha Simp-son ihren Pompadour durch die Luft schleuderte. Der Mann wollte jetzt wohl feststellen, mit wem er es zu tun hatte.

Josuah Parker benötigte nur wenige Schritte bis in den Vorflur des Hauses. Er baute sich dicht vor der Tür auf und beobachtete durch einen Spion den Mann, der den säulengeschmückten Vorbau des Hauses inzwi-schen erreicht hatte.

Sein Gesicht war durch den Spion klar und deutlich zu erkennen.

Es wirkte ein wenig gedunsen und schlaff. Die Augen des Mannes waren grau und aufmerksam.

Er kam über die Stufen des Vorbaus nahe an die Tür heran. Er suchte nach einem Namensschild.

»Darf ich mir erlauben, Ihnen meine Hilfe anzubieten?« fragte der Butler, nachdem er überraschend und blitzschnell die Tür aufgezogen hatte. Er sah den Mann mit dem schlaffen Gesicht gemessen und distanziert an.

Die Reaktion des Fremden war eindeutig.

Seine rechte Hand schoß hoch und verschwand unter dem linken Revers seines Jacketts. Dort befand sich wahrscheinlich eine Schulterhalfter samt Inhalt.

Der Mann schaffte es, diese Bewegung nicht bis zur letzten Konsequenz auszuführen. Er stoppte seine Hand unter dem Revers und bemühte sich um Harmlosigkeit.

Und versuchte anschließend einen uralten Trick.

»Hier wohnt doch Mister Cadswill, oder?« fragte er, einfach einen Namen verwendend, der ihm gerade einfiel. Er rechnete selbstverständlich mit einer negativen Anwort.

Doch Parker tat ihm diesen Gefallen nicht.

»In der Tat«, reagierte der Butler gemessen und trat einen halben Schritt zurück. »Ich werde Sie sofort bei Mister Cadswill anmelden, Sir. Wenn Sie bitte näher treten wollen.«

Der Mann sah den Butler völlig entgeistert an. Mit dieser Antwort hatte er wirklich nicht gerechnet. Er schnappte nach Luft, hüstelte ein wenig und suchte krampfhaft nach einem Ausweg.

»Bitte, Sir!« Parker wies mit seiner schwarz behandschuhten Rechten in den Vorflur. »Wen darf ich mel-den?«

»Äh … Ich … Also, das ist so …« Der Besucher stotterte verlegen herum. »Wissen Sie was, ich werde später noch mal vorbeikommen.«

»Mister Cadswill wird Ihnen mit Sicherheit zur Verfügung stehen«, behauptete der Butler höflich.

»Möglich … ja, wahrscheinlich … Aber ich komme später noch mal vorbei. Ich bin in Eile …«

Er wandte sich hastig um und lief zurück zur Straße. Dort angekommen, sah er sich noch mal konsterniert nach Parker um. Natürlich wußte er inzwischen, daß dieser Butler ihn auf den Arm genommen hatte. Der Mann mit dem schlaffen Gesicht fühlte sich durchschaut.

Parker blieb völlig ungeniert in der geöffneten Tür stehen und sah dem Mann nach.

Dieser steuerte auf seinen Minicooper zu, legte sich dann allerdings in eine Art Kurve und marschierte weit um den Wagen herum. Er wollte offensichtlich nicht, daß Parker merkte, daß er zu diesem Wagen ge-hörte.

Der Mann stiefelte ein Stück die Straße hinunter und verschwand dann in einer schmalen Gasse.

Worauf der Butler sich ins Haus zurückbegab und die Tür schloß. Durch den Spion aber beobachtete er weiter den kleinen Wagen. Es dauerte nicht lange, bis der Mann mit dem schlaffen Gesicht wieder auf der Straße erschien.

Er ging schnell zu seinem Gefährt und setzte sich ans Steuer. In diesem Moment zog der Butler erneut die Haustür auf und zeigte sich dem Fahrer in seiner ganzen Würde.

Parker deutete eine höfliche Verbeugung an, als der Minicooper die Haustür passierte.

Der Fahrer zog daraufhin den Kopf ein, um nicht erkannt zu werden. Die ganze Geschichte schien ihm sehr peinlich zu sein.

*

»Die Abendzeitung, Mylady!«

Parker betrat den Salon der Stadtwohnung und präsentierte der alten energischen Dame einige Zeitungen, die auf einem Silbertablett lagen.

Agatha Simpson zog ihre ausgeprägte Adlernase kraus.

»Verschonen Sie mich mit diesem Lesefutter«, sagte sie. »Ich hoffe, Sie können mich bereits informieren, Mister Parker.«

»Sehr wohl, Mylady«, gab der Butler zurück. »Bei der jungen Malerin, auf die geschossen wurde, handelt es sich um eine gewisse Mandy Saxon, die sich als Schauspielerin bezeichnet.«

»Mandy Saxon … Mandy Saxon …?« Agatha Simpson dachte laut nach. »Haben wir diesen Namen nicht schon gehört, Mister Parker?«

Die Detektivin hatte es sich bequem gemacht. Sie trug einen mit Schmetterlingen bestickten Hausmantel, der an einen indischen Sari erinnerte. Sie sah darin jugendlich aus.

»Die bewußte junge Dame hat in der Vergangenheit schon recht häufig Schlagzeilen gemacht, Mylady.«

»Richtig! Mandy Saxon. Das ist doch diese Skandalnudel, nicht wahr?«

»In der Tat, Mylady! Miß Saxon war das, was man gemeinhin diskret eine Gespielin nennt. Sie wurde häufig in der Begleitung bekannter Männer gesehen.«

»Hat diese Saxon nicht sogar einen Minister außer Gefecht gesetzt?«

»So könnte man es ausdrücken, Mylady. In der Öffentlichkeit erschienen Fotos, die dieses Kabinettsmit-glied zusammen mit Miß Saxon zeigten. In verfänglichen Situationen, wie es wohl zu nennen sein müßte.«

»In eindeutigen Situationen, Mister Parker«, korrigierte die ältere Dame energisch. »Nennen wir das Kind doch beim Namen. Diese Saxon ist ein Flittchen.«

»Wie Mylady es auszudrücken belieben.«

»In letzter Zeit ist es ruhig um sie geworden, nicht wahr?«

»Gewiß, Mylady. Miß Saxon hat sich zurückgezogen, um einen, wie sie es nennt, Sex-Report zu schrei-ben.«

»Du lieber Himmel!« Agatha Simpson richtete sich fast erfreut auf. »Daraus ergeben sich ja herrliche Mög-lichkeiten.«

»Weniger für jene Herren, die von Miß Saxon zitiert werden sollen, Mylady.«

»Für uns, Mister Parker, für uns! Können Sie sich nicht vorstellen, daß gewisse Leute diesen Sex-Report verhindern wollen?«

»In der Tat, Mylady! Die Zeitungen sprechen ebenfalls von solchen Möglichkeiten. Sie hegen die Vermu-tung, daß der Schuß auf Miß Saxon eine Art Warnung oder Drohung darstellte.«

»Wunderbar!« Agatha Simpson erhob sich erstaunlich schnell aus ihrem Sessel. »Wird es bei dieser War-nung bleiben, Mister Parker?«

»Ich fürchte, Mylady, daß hier ein Mord geplant wird.«

»Das sage ich doch die ganze Zeit«, behauptete die alte Dame, »und diesen Mord werden wir verhindern, Mister Parker! Das ist unsere Pflicht als Staatsbürger!«

»Wie Mylady meinen«, gab der Butler zurück und unterdrückte einen leichten Seufzer. Es war also wieder mal so weit. Mylady witterte einen Kriminalfall. Und nach Lage der Dinge ließ sie sich jetzt nicht mehr ab-lenken.

»Was wissen wir bereits, Mister Parker?« Die streitbare Sechzigerin marschierte auf ihren stämmigen Bei-nen durch den Salon ihres Stadthauses. »Da war zuerst mal der Schuß, der die Straffelei traf. Dann haben wir dieses Individuum namens Pearson, das mit einem Geigenkasten und einer Faustfeuerwaffe herumlief. Und schließlich dieses Subjekt, das Sie an der Tür empfingen.«

»Eine vollständige Aufzählung, Mylady«, stellte Parker gemessen, aber auch zurückhaltend fest.

»Und welche Schlüsse ziehen wir daraus?« wollte Lady Simpson wissen. Sie sah ihren Butler bereits leicht strafend an. Sie erwartete eine Analyse.

»Ich möchte Mylady keineswegs vorgreifen«, antwortete Parker vorsichtig.

»Ja, merken Sie denn nichts?« entrüstete sich Agatha Simpson.

»Nicht direkt, Mylady.« Parker hütete sich, die Unternehmungslust seiner Herrin unnötig anzuheizen.

»Dann kann ich Ihnen auch nicht helfen«, meinte Agatha Simpson und wirkte ein wenig enttäuscht. Sie hatte wohl gehofft, von Parker einen Tip geliefert zu bekommen.

»Haben Mylady noch Wünsche?« erkundigte sich Parker, der sich zurückziehen wollte.

»Natürlich! Fahren Sie in einer halben Stunde vor, Mister Parker! Ich muß mir dieses Flittchen aus der Nä-he ansehen.«

»Wie Mylady befehlen«, sagte Parker nur. Er wußte aus Erfahrung, daß es völlig sinnlos war, Mylady um-stimmen zu wollen.

»Ich weiß inzwischen, wem das Landhaus gehört«, schloß Agatha Simpson triumphierend. »Sagt Ihnen der Name Sir Robert Panham etwas, Mister Parker?«

»Gewiß, Mylady. Sir Robert dürfte einer der bemerkenswertesten Shakespeare-Darsteller Englands sein, wenn ich nicht irre.«

»Sie irren sich nicht, Mister Parker. Ich könnte mir vorstellen, daß er seinen Landsitz nicht gerade freiwil-lig vermietet hat. Aber lassen wir uns überraschen!«

*

Josuah Parker blieb am hochbeinigen Wagen zurück und beobachtete die Szene vor der Haustür des Land-sitzes.

Agatha Simpson war zusammen mit ihrer Gesellschafterin hinüber zum Haus gegangen und lieferte ein in-teressantes Schauspiel. Nachdem die Tür geöffnet worden war, drückte sie einen Mann an die Seite und stürmte das Haus. Sie entwickelte dabei die Energie einer Dampfwalze, die einfach nicht aufzuhalten ist.

Der Mann, der die Tür geöffnet hatte, starrte der Lady entgeistert nach, raffte sich dann aber auf und folgte ihr. Er vergaß nicht, vorher noch die Haustür zu schließen.

Josuah Parker nutzte die inzwischen hereingebrochene Dunkelheit für seine Zwecke aus.

Er schritt ein gutes Stück die Straße hinunter, bis er von der Straßenseite des Landhauses aus nicht mehr gesehen werden konnte. Erst jetzt kümmerte der Butler sich um eine kleine schmale Mauerpforte, die aller-dings verschlossen war.

Was Josuah Parker überhaupt nichts ausmachte.

Er bemühte sein kleines Besteck, das er für solche Zwecke stets mit sich führte. Es handelte sich um einige Spezialgeräte, die sich in einem schmalen Saffianetui befanden. Es dauerte noch nicht mal eine Minute, bis das Schloß sich fügte und jeden Widerstand aufgab.

Bevor der Butler das Grundstück betrat, schaute er sich mißtrauisch nach allen Seiten um. Er konnte sich gut vorstellen, daß der Schutz der Dunkelheit auch von anderen Nachtwandlern geschätzt wurde. Parker wollte auf keinen Fall überrascht werden und in ein offenes Messer rennen.

Die schmale Straße, die zu den wenigen großen Parks und Grundstücken führte, war menschenleer. Es handelte sich hier um eine ausgesprochen vornehme Wohngegend, in der Tradition und Kapital zu Hause waren.

Parker betrat das Grundstück und drückte die Pforte zurück in den Rahmen. Dann lustwandelte er gemes-sen durch die Dunkelheit, über den gepflegten Rasen und über einen mit Steinplatten ausgelegten Weg Rich-tung Landsitz.

Der parkähnliche Garten war zu den beiden benachbarten Grundstücken links und rechts durch halbhohe Mauern begrenzt, die allerdings kein Hindernis darstellten. Wer dieses Grundstück betreten wollte, brauchte nicht artistisch ausgebildet zu sein. Nach hinten grenzte der Park des Landsitzes an einen kleinen verschilften Bach. Jenseits dieses Wassers befanden sich Tennisplätze.

Josuah Parker hatte inzwischen die Rückseite des Gebäudes erreicht und stand neben dem überdachten Swimming-pool. Von hier aus hatte er einen guten Blick auf die Terrasse, deren Türen allerdings geschlossen waren. Vorgezogene Vorhänge nahmen jede Sicht in das Innere des Hauses.

Der Butler wollte sich gerade in Bewegung setzen und näher an das Haus herangehen, als ein scharfes Zi-schen zu hören war.

Unwillkürlich und instinktiv zog er den Kopf zurück. Plötzlich sah er dann aus zusammengekniffenen Au-gen den armlangen Pfeil, der zitternd und federnd dicht vor ihm im Holz der Überdachung steckte.

Das spärliche Außenlicht auf der Terrasse reichte vollkommen aus, um die Gefährlichkeit dieses Pfeils zu erkennen. Genauer gezielt, wäre er unbedingt tödlich gewesen.

*

»Ich konnte ja nicht wissen, meine Liebe, daß Sir Robert sein Haus vermietet hatte«, entschuldigte sich Agatha Simpson und spielte die leicht verwirrte, ältere Dame. »Es sollte eine Überraschung sein. Sie müssen wissen, daß Sir Robert und ich uns schon seit Kindheit kennen. Ein bemerkenswerter Mann! Sie kennen ihn?«

Mandy Saxon wirkte hilflos.

Sie war dieser Suada nicht gewachsen. Agatha Simpson redete ununterbrochen und war einfach nicht zu bremsen. Sie hatte bereits Platz genommen und musterte ungeniert den großen, modernen Arbeitstisch in der Nähe der Terrassentüren. Dieser Tisch paßte keineswegs in das Gesamtbild der Einrichtung, die aus alten, kostbaren Stilmöbeln bestand.

Auf diesem Arbeitstisch stand beherrschend eine elektrische Schreibmaschine, die einen noch recht neuen Eindruck machte. Zu beiden Seiten dieser Maschine lagen Manuskriptblätter. Mandy Saxon schien tatsäch-lich an ihrem angekündigten Sex-Report zu arbeiten.

»Sollte ich Sie nicht kennen, meine Liebe?« erkundigte sich Agatha Simpson inzwischen weiter. »Miß Por-ter … Geben Sie mir eine Hilfe! Ich weiß genau, daß ich unsere Gastgeberin schon mal gesehen habe.«

»Das Foto in den Abendzeitungen«, erinnerte Kathy Porter prompt. »Auf Miß Saxon wurde ein Mordan-schlag verübt.«

»Das ist es, Kindchen, das ist es!« Lady Agatha nickte ihrer Gesellschafterin dankbar zu. »Ein Mordan-schlag: Wie aufregend!«

Mandy Saxon warf dem Mann an der Tür einen hilflosen Blick zu. Dieser Mann, der die Haustür geöffnet hatte, war etwa 35 Jahre alt, gut und gern 1,80 Meter groß, breitschultrig und wirkte ein wenig hölzern. Er wußte mit einer Frau wie Agatha Simpson offensichtlich nichts anzufangen.

»Die Miß muß jetzt Weiterarbeiten«, schaltete er sich ein und deutete hinüber auf die Schreibmaschine.

»Sie arbeiten?« staunte Agatha Simpson.

»Miß Saxon ist Schriftstellerin«, schaltete Kathy Porter sich auf dieses Stichwort hin ein. »In den Abend-ausgaben der Zeitungen steht, daß Miß Saxon eine Art Lebensbeichte verfaßt.«

»Nein, was muß ich hören? Wie interessant, meine Liebe!« Agatha Simpson war außerordentlich begeistert und stand auf. »Sie verfassen Ihre Memoiren? Sie müssen ja erstaunlich viel erlebt haben. Ich darf doch ge-wiß mal sehen.«

Bevor Mandy Saxon es verhindern konnte, marschierte die Detektivin bereits schnell und energisch zum Arbeitstisch und baute sich vor der Schreibmaschine auf.

Worauf Mandy Saxon und der Mann an der Tür in eine gelinde Panik gerieten.

Sie beeilten sich, an den Arbeitstisch zu gelangen, und drängten Agatha Simpson ziemlich ungeniert ab.

»Ich bin wohl zu neugierig«, stellte die Lady fest und räumte das Feld.

»Verzeihen Sie einer alten Frau, meine Liebe! Ich denke, ich werde mich verabschieden müssen.«

»Mister Hamlin wird Sie hinausbringen«, verkündete Mandy Saxon gespielt vornehm.

»Ist das Ihr Leibwächter, meine Liebe?« erkundigte sich Lady Agatha völlig ungeniert und laut.

»Wie bitte?« Mandy Saxon wurde von dieser Frage völlig überfahren.

»Falls nicht, werden Sie aber bestimmt einen brauchen«, redete Lady Agatha ungeniert weiter, »es wird doch, nicht bei diesem einen Schuß bleiben.«

Bevor Mandy Saxon antworten konnte, war von der Terrassentür her ein lautes Pochen gegen die Fenster-scheibe zu hören. Es wirkte wie ein Pistolenschuß.

Mandy Saxon reagierte nervös.

Sie verschwand sofort hinter der Lehne eines Sessels.

Hamlin hatte blitzschnell einen 38er in der Hand, warf sich förmlich auf den Lichtschalter neben der Tür und schaltete die Deckenbeleuchtung aus.

»Ja, bitte?« war Agatha Simpsons energische und gar nicht ängstliche Stimme zu hören. »Wer ist da?«

»Ist es erlaubt, näher zu treten!« antwortete Parker beherrscht und gemessen. »Ich bin sicher, daß ich Mylady eine Überraschung bieten kann.«

*

Das Licht war wieder eingeschaltet worden.

Hamlin hatte seinen 38er weggesteckt und sah mißtrauisch auf den Butler, der seinen Begleiter in einen Sessel drückte. Dieser Begleiter hatte ein gedunsenes, schlaffes Gesicht, war untersetzt und überdies iden-tisch mit jenem Mann, der vor Myladys Haustür von Parker überrascht worden war.

Der Mann mit dem schlaffen Gesicht sah nicht gerade glücklich aus. Er rieb sich immer wieder verstohlen seinen Hinterkopf. Und speziell jene Stelle, die von Parkers Regenschirm nachdrücklich berührt worden war.

Lady Agatha Simpson hatte ihren Butler bereits vorgestellt. Mandy Saxon hatte das leicht verwirrt zur Kenntnis genommen. Sie war eindeutig überfordert und wußte nicht, wie sie sich verhalten sollte. Hamlin interessierte sich fast ausschließlich für Josuah Parker. Er schien instinktiv zu ahnen, daß dieser so würdevoll aussehende Mann mehr war als nur ein Butler.

»Mister Victor Rooters«, stellte der Butler inzwischen vor und deutete auf den Begleiter. »Mister Rooters muß sich im Park ein wenig verirrt haben. Ich war so frei, Mylady, Mister Rooters hierher ins Haus zu brin-gen.«

»Sie … Sie haben mich niedergeschlagen«, beschwerte sich Rooters und fühlte automatisch nach seiner Kopfbeule. Seine Stimme klang ein wenig schrill.

»In Verkennung der Sachlage«, antwortete der Butler. »Ich mußte Sie zwangsläufig für den Bogenschüt-zen halten, Mister Rooters. Falls ich ein wenig zu nachdrücklich gewesen sein sollte, bitte ich dies entschul-digen zu wollen.«

»Bogenschütze?« ließ Hamlin sich vernehmen.

»Bogenschütze«, wiederholte Parker und präsentierte den Anwesenden einen Pfeil, der eindeutig nur mit einem Sportbogen verschossen worden sein konnte.

»Damit habe ich überhaupt nichts zu tun«, stellte Rooters beleidigt fest.

»Dieser Pfeil wurde auf meine bescheidene Wenigkeit abgeschossen«, erklärte der Butler ungerührt und gemessen. »Ich entdeckte von der Straße aus eine Bewegung im Park, folgte ihr und wurde dann jäh von diesem Geschoß überrascht.«

Parker blieb nicht ganz bei der Wahrheit, was seinen Aufenthalt im Park anbetraf.

»Ich habe den Pfeil nicht abgeschossen«, sagte Rooters erneut, »ich weiß überhaupt nicht, wie man mit solch einem Ding umgeht.«

»Aber Sie befanden sich im Park, nicht wahr?« Agatha Simpson sah Victor Rooters streng an.

»Ja.« Rooters wirkte jetzt ein wenig verlegen.

»Und was wollten Sie?«

»Ich hatte auch eine Bewegung im Park gesehen«, gab Rooters schnell zurück.

»Wieso kamen Sie in diese Straße?« verlangte die Detektivin zu wissen.

»Ich kam zufällig vorbei.«

»Der Kerl lügt doch wie gedruckt«, schaltete sich Hamlin lautstark ein. »Aber das werden wir gleich ha-ben. Ich werde mich mal mit ihm privat unterhalten.«

»Keine Privatjustiz«, sagte Parker und sah den großen, breitschultrigen Mann verweisend an.

»Hier bestimme immer noch ich«, behauptete Hamlin leichtsinnigerweise und marschierte an Parker vorbei auf Rooters zu, der sich jetzt förmlich in seinem Sessel verkroch und unwillkürlich die Beine anzog.

Hamlin war sich seiner Sache völlig sicher.

Er griff nach der Krawatte des ängstlichen Mannes und stemmte seinen Gegner ohne jede Schwierigkeiten hoch.

Victor Rooters hechelte und schnappte nach Luft. Sein schlaffes Gesicht nahm plötzlich eine fast gesunde, rötliche Färbung an. Er stieß mit den Füßen gegen Hamlins Beine, richtete aber nichts aus.

»Hilfe!« röchelte er.

»Jetzt mal zur Sache, Freundchen«, sagte Hamlin. »Wer hat dich hierhergeschickt? Mach ganz schnell den Mund auf, Junge, bevor ich die Geduld verliere.«

Josuah Parker war ehrlich peinlich berührt.

Rüde Redensarten dieser Art liebte er überhaupt nicht. Er sah etwas verlegen zu Boden und übersah so den strafenden Blick von Agatha Simpson, die von ihm wohl ein Eingreifen erwartete.

»Loslassen«, keuchte Rooters und wurde schlaff wie sein Gesicht, »ich … ich rede!«

»Dann mal los, Freundchen!«

»Ich bin Privatdetektiv«, hechelte Rooters und massierte sich vorsichtig den Hals. »Ich arbeite für Lesley Maulding.«

»Lesley Maulding?« Hamlin schien mit diesem Namen etwas anfangen zu können. Er versetzte Rooters einen derben Stoß und beförderte ihn zurück in den Sessel.

»Lesley Maulding«, stellte Parker fest und sah wieder hoch, »ist das nicht …«

»… der Verleger der Global-Express?« fragte Lady Simpson, nachdem sie ihren Butler unterbrochen hat-te.

Victor Rooters nickte nur.

»Da Sie sich zur Wahrheit entschlossen haben, Mister Rooters, sollten Sie auch den Anwesenden mittei-len, warum Sie diesem Landsitz einen Besuch abgestattet haben«, sagte Parker höflich.

»Warum ich?« Rooters staunte den Butler sichtlich an. »Das fragen ausgerechnet Sie? Ich bin doch hinter Ihnen her. Und hinter der Lady dort! Wer hat denn den Mann auf dem Parkplatz niedergeschmettert? Doch nicht ich! Das war doch die Lady! Ich habe genau gesehen, daß sie ihm ihren Pompadour an den Kopf ge-worfen hat.«

Hamlin nickte langsam und wandte sich zu Parker um.

»So ist das also«, stellte er dann fest. »Sie schnüffeln hier also auch herum. Das werde ich Ihnen austrei-ben!«

»Echauffieren Sie sich nicht unnötig«, bat Parker gemessen.

»Es handelte sich wohl um diesen Pompadour hier, nicht wahr?« mischte Agatha Simpson sich in die an-geregte Unterhaltung ein. Sie hatte den Handbeutel vom Gelenk gelöst und hielt ihn erklärend hoch.

»Was ist damit?« fragte Hamlin ahnungslos.

»Passen Sie genau auf«, sagte Mylady und kam langsam auf Hamlin zu, wobei sie den Pompadour an den Schnüren durch die Luft rotieren ließ. »Achten Sie auf die Bewegung.«

»Was soll denn das?« fuhr Hamlin gereizt fort und widmete sich wieder dem Butler. Mylady schenkte er dummerweise keine Beachtung mehr. Er hielt sie für harmlos.

Und genau das stellte sich als ein folgenschwerer Irrtum heraus.

Die Lady ließ ihren Pompadour los, der sich prompt auf eine kurze, aber rasante Luftreise begab. Als der Glücksbringer im Pompadour sich auf Hamlins Hinterkopf legte, grunzte der breitschultrige Mann fast woh-lig auf, wandte sich wieder Mylady zu, stierte sie einen kurzen Moment überrascht an, schloß dann die Au-gen und setzte sich auf sein verlängertes Rückgrat.

Er raffte seine ihm noch verbleibenden Kräfte zusammen und wollte sich wieder erheben.

Es reichte nicht.

Er scharrte noch ein wenig mit den Füßen und streckte sich dann gemütlich auf dem Teppich aus.

Genau in diesem Moment war draußen auf der Terrasse ein entsetzlicher Aufschrei zu hören, der in ein lautes Brüllen und schließlich in ein Wimmern und Stöhnen überging.

Josuah Parker hatte den dringenden Verdacht, daß sich etwas Außergewöhnliches ereignet haben mußte.

*

»Mister Marty Pearson«, stellte der Butler vor und trat höflich zur Seite.

Die Anwesenden im Salon starrten auf den jungen Mann, der sich auf dem Parkplatz als Geigenspieler ge-zeigt hatte. Diesmal schleppte Pearson allerdings keinen Geigenkasten mit sich herum. Mißdeutungen jeder Art waren ausgeschlossen. Der Sportpfeil in seinem Oberarm redete eine deutliche Sprache.

Marty Pearson machte verständlicherweise einen angeschlagenen Eindruck.

Es war klar, daß der Pfeil, der in seinem linken Oberarm steckte, ungemein schmerzte. Die Pfeilspitze hat-te sich tief in die Muskeln gebohrt. Eine Waffe dieser Art schien Pearson noch nie kennengelernt zu haben. Sie widerte ihn an und war ihm unheimlich, sie schockte ihn geradezu.

Kathy Porter verließ den Raum und suchte wahrscheinlich nach einem Verbandkasten.

Agatha Simpson sah neugierig auf Pearson, der sich vorsichtig in einem Sessel niederließ.

Mandy Saxon knabberte verlegen und ratlos an ihrer vollen Unterlippe und interessierte sich mehr für Hamlin, der noch immer regungslos auf dem Teppich lag.

Josuah Parker kümmerte sich inzwischen um den angeschossenen Marty Pearson, der jammerte und stöhn-te. Dennoch war ihm nicht entgangen, daß Rooters, der Mann mit dem schlaffen Gesicht, sich absetzen woll-te. Rooters schob sich an die noch spaltbreit geöffnete Terrassentür heran. Es sah so aus, als habe er die Ab-sicht, sich den Park aus der Nähe anzusehen.

»An Ihrer Stelle, Mister Rooters, würde ich den Park dringend meiden«, ließ der Butler sich gemessen vernehmen. »Vielleicht wartet der Bogenschütze auf ein weiteres Opfer.«

Rooters tat daraufhin einen kleinen Sprung zur Seite und kehrte schleunigst ins Zimmer zurück. Er beo-bachtete Agatha Simpson, die jetzt die Terrassentür schloß und den Vorhang wieder in Ordnung brachte.

Kathy Porter kam mit einem Verbandkasten zurück und befaßte sich mit Pearson, dessen Rockärmel sie mit einer Schere aufschlitzte. Myladys Gesellschafterin entwickelte die Kühle einer versierten Operations-schwester.

»Darf man beiläufig erfahren, was passiert ist?« erkundigte sich Parker bei dem stöhnenden jungen Mann.

»Ich bin angeschossen worden«, stellte er unnötigerweise fest. »Plötzlich war das Ding da im Oberarm. Es tut höllisch weh!«

»Wem wollten Sie einen Besuch abstatten?« fragte Parker weiter.

»Niemand! Wirklich! Ich war draußen auf der Straße, als ich hier einen Einbrecher sah. Oder so was. Ge-nau konnte ich es nicht erkennen. Ich bin also aufs Grundstück. Und dann verpaßte mir irgendeiner das Ding hier. Au …«

»Sie müssen ins Krankenhaus«, entschied Kathy Porter. »Ich habe den Arm provisorisch abgebunden, aber der Pfeil muß herausoperiert werden.«

»Falls Sie gestatten, sollten Mylady vielleicht den Transport übernehmen«, wandte Parker sich an Agatha Simpson, die sofort nickte.

»Man könnte dann auch Mister Rooters mitnehmen und irgendwo in der City absetzen«, redete der Butler weiter.

»Ich komme schon allein zurecht.« Rooters schüttelte schnell den Kopf. Er war eindeutig nicht daran inte-ressiert, mitgenommen zu werden.

»Und der Bogenschütze?« fragte die Detektivin anzüglich. »Wollen Sie sich unbedingt auch einen Pfeil einhandeln, Mister Rooters?«

»Dann komme ich doch wohl besser mit«, entschied Rooters hastig und sah unwillkürlich zur Terrassentür hinüber.

»Und was wird aus mir?« regte sich Mandy Saxon auf. Sie kniete inzwischen neben Hamlin, der wieder zu sich kam und verwirrt wirkte. Er litt noch sichtlich an den Folgen eines gewissen Glücksbringers und war noch nicht in der Lage, gewisse Zusammenhänge zu erfassen.

Agatha Simpson registrierte aufmerksam, daß Hamlin von der Monroe-Kopie außergewöhnlich zartfüh-lend, betreut wurde. Mandy Saxon streichelte die Wange des Breitschultrigen und sah ihn dabei zärtlich-besorgt an.

»Es empfiehlt sich, die Polizei zu verständigen«, sagte Parker zu Mandy Saxon, die ihn unsicher ansah. Er deutete auf das Telefon.

»Was meinst du … Äh, was meinen Sie, Mister Hamlin?« erkundigte sich Mandy Saxon bei Hamlin, der vorsichtig aufstand.

»An Publicity müssen Sie doch sehr interessiert sein, oder?« warf Agatha Simpson jetzt ironisch ein. »Schlagzeilen heben gewisse Geschäfte.«

»Was wollen Sie damit sagen?« Mandy Saxon sah die Detektivin ungewöhnlich kalt an.

»Wollen Sie denn keine Reklame für Ihren Sex-Report?« fragte Lady Simpson gespielt naiv. »Nutzen Sie Ihre Chance, Kindchen! Man wird sich um Ihr Buch später reißen.«

*

»Des Menschen Wille ist bekanntlich unter anderem sein Himmelreich«, kommentierte Parker den Ent-schluß von Pearson und Rooters, auf jede Mitnahme zurück in die Stadt zu verzichten.

»Lassen Sie das mal meine Sorge sein«, sagte Pearson, dessen Wunde provisorisch versorgt worden war.

»Ich komme schon allein zurecht«, fügte Rooters nervös hinzu.

Parker öffnete die Tür und ließ Mylady an sich vorbeirauschen. Kathy Porter trottete wie ein kleines Hündchen hinter der majestätisch aussehenden älteren Dame her. Parker lüftete höflich seine Melone und geleitete die beiden Damen dann durch den Park zurück zur Straße, wo das hochbeinige Monstrum wartete.

»Ich will nicht gerade behaupten, daß ich sehr zufrieden bin«, stellte Agatha Simpson fest, als sie im Fond des Wagens saß. »Wir hätten aus dieser Situation noch viel mehr herausholen können, Mister Parker.«

»Mylady werden mit meiner bescheidenen Wenigkeit zufrieden sein«, prophezeite der Butler, als er den Wagen anrollen ließ. Er steuerte sein hochbeiniges Gefährt in eine stille, vornehme Seitenstraße und stoppte.

»Darf man erfahren, was Sie Vorhaben?« wollte Agatha Simpson kriegerisch wissen.

»Mylady sind möglicherweise an einer intimen Unterhaltung interessiert«, erwiderte der Butler und schal-tete das Bordradio ein. »Ich war so frei, in Miß Saxons Wohnraum einen Minisender zu hinterlassen.«

»Pfui, Mister Parker!« Agatha Simpsons Stimme drückte Entrüstung aus. »Pfui und noch mal Pfui um ganz sicherzugehen. So etwas tut man nicht! Das ist eine eklatante Verletzung der Intim- und Privatsphäre fremder Leute.«

»Sehr wohl, Mylady.«

»Was nicht heißen soll, daß Sie jetzt abschalten sollen«, redete Mylady hastig weiter. »Etwas mehr Laut-stärke, wenn ich bitten darf.«

Sekunden später waren die Stimmen von Mandy Saxon und Victor Rooters gestochen scharf zu hören.

»… bin ich nur als Vermittler gekommen«, sagte Rooters gerade, »Mister Maulding ist zu einer wichtigen Verhandlung in Paris und kann vor einer Woche nicht zurück sein. Er ist aber bereit, Ihnen eine gewisse Summe zu zahlen, falls Sie einen Namen in Ihrem geplanten Sex-Report nicht erwähnen.«

»Was denkt Maulding sich eigentlich?« entrüstete sich Mandy Saxon, »ich bin doch nicht käuflich.«

»Sie sollten sich Mister Mauldings Vorschlag genau überlegen«, redete Rooters weiter. »Er wird sich das etwas kosten lassen.«

»Und wenn ich auf seinen Vorschlag nun nicht eingehe?«

»Dann wird Mister Maulding seine Rechtsanwälte bemühen.«

»Damit kann er mich nicht schrecken. Sagen Sie ihm das! Ich habe Beweise für das, was ich schreiben werde oder schon geschrieben habe.«

»Eine gütliche Einigung wäre für alle Beteiligten besser, Miß Saxon. Und auch einträglicher.«

»Ich werde darüber nachdenken.«

»Sind Ihnen ähnliche Vorschläge bisher noch nicht gemacht worden?« wollte Rooters wissen.

»Selbst wenn.« Mandy Saxon lachte leise auf. »Selbst wenn. Das würde ich ausgerechnet Ihnen auf die Nase binden, Rooters. Aber da ist eine andere Sache. Wer ist diese Lady Simpson?«

»Irgend etwas stimmt mit ihr nicht. Auch nicht mit ihrem Butler und der Gesellschafterin. Ich habe genau gesehen, daß sie Pearson niedergeschlagen haben. Ein paar Minuten, nachdem auf Sie geschossen wurde.«

»Kennen Sie Pearson?«

»Noch nie gesehen. Vielleicht kommt auch er als Vermittler.«

»Sie schätzen mich falsch ein«, sagte Mandy Saxon auflachend. »Ich will mit meinem Sex-Report doch nicht erpressen.«

»Natürlich nicht, Miß Saxon«, gab Rooters zurück. »Das würden sich andere Leute wahrscheinlich auch, gar nicht gefallen lassen.«

»Wie meinen Sie das? Soll das eine Drohung sein?« Ihre Stimme wurde deutlich scharf. Die Wiedergabe im Lautsprecher war hervorragend.

»Denken Sie doch mal an Pearson, der sich einen Pfeil eingefangen hat«, sagte Rooters, »und denken Sie an den Schuß auf Sie! Mister Maulding verhandelt. Andere aber scheinen nur schießen zu wollen!«

*

»Der Minicooper des Mister Rooters«, stellte der Butler fest, als ein kleiner Wagen auf der Kreuzung zu sehen war. »Mister Rooters scheint Mister Pearson mitgenommen zu haben.«

»Worauf warten wir dann noch, Mister Parker?« verlangte Agatha Simpson zu wissen. »Sie kennen doch die Adresse dieses Pearson. Ich möchte sehen, wie er wohnt.«

»Darf ich Mylady mit einem Gegenvorschlag belästigen?«

»Nicht besonders gern«, lautete ihre Antwort.

»Ich denke nach wie vor an den Bogenschützen«, sagte der Butler. »Könnte er nicht vielleicht wieder auf-tauchen?«

»Natürlich könnte er.«

»Dann möchte ich versuchen, ihn zu stellen, Mylady.«

»Sie wollen noch mal zurück auf das Grundstück?« Agatha Simpsons Stimme klang angeregt und hoff-nungsfroh. Sie witterte wahrscheinlich ein weiteres Abenteuer.

»Ich werde in wenigen Minuten wieder zurück sein«, versprach der Butler und stieg schon aus. Er war nicht daran interessiert, von Mylady begleitet zu werden.

Bevor die Detektivin ensprechend reagieren konnte, hatte der Butler sich bereits abgesetzt und ver-schwand in der recht dunklen und kaum beleuchteten Straße.

Parker rechnete tatsächlich mit einem weiteren Auftauchen des unheimlichen Bogenschützen. Er nahm es diesem Sportler sehr übel, daß er auf ihn geschossen hatte. Er erinnerte sich noch recht deutlich an den Pfeil, der dicht vor seiner Nase gelandet war.

Parker schritt schnell – aber ohne Verzicht auf Würde – zurück in die schmale Zufahrtstraße und war kaum zu sehen. Seine schwarze Berufskleidung zahlte sich gerade jetzt aus. Er verschmolz mit der Dunkel-heit, die ihn umgab.

Nach Lage der Dinge hatte er eine erste Theorie aufgestellt.

Mandy Saxon besaß mit Sicherheit genug Material, um eine Art Sex-Report zu schreiben. Eine Frau wie sie hatte in der Vergangenheit bereits Schlagzeilen gemacht. Nun wollte Mandy Saxon wahrscheinlich ihr Wissen um gewisse Dinge ausnützen und Geld verdienen. Jeder, der mit ihr Kontakt gehabt hatte, mußte diesen Sex-Report fürchten, Und genau an diesem Punkt setzte die Spekulation der Monroe-Kopie ein.

Wie der Minisender übermittelt hatte, wollten sich Betroffene freikaufen. Sie boten Mandy Saxon mehr oder weniger direkt Geld dafür, daß über sie nicht berichtet wurde. Der Verleger Maulding war sicher nicht der erste, der zu zahlen bereit war. Mandy Saxon brauchte jetzt nur in aller Ruhe auf weitere Angebote zu warten.

Der Schuß auf sie, als sie vor der Staffelei stand, war wohl absichtlich inszeniert und abgefeuert worden. Wahrscheinlich von Hamlin, der als Betreuer der Monroe-Kopie galt.

Pearson mit dem Geigenkasten war von diesem Schuß sicher überrascht worden. Wahrscheinlich hatte auch er die Absicht gehabt, auf Mandy Saxon zu schießen. Der Gewehrschuß mußte ihm im letzten Moment dazwischen gekommen sein.

Blieb Rooters.

Daß er Privatdetektiv war, nahm Parker ihm durchaus ab. Rooters arbeitete mit Sicherheit für den Verleger Maulding. Er hatte die Szene auf dem Parkplatz beobachtet und war irritiert worden, als Mylady ihren Pom-padour einsetzte.

Wer aber war der Bogenschütze?

Dieser Mann begnügte sich nicht mit Drohungen. Daß er es ernst meinte, bewies der Treffer in Pearsons Oberarm. Parker zweifelte überdies keinen Moment daran, daß dieser Schütze auch ihn, Parker, hatte treffen wollen. Es war nur einem glücklichen Zufall zuzuschreiben, daß er mit dem Schrecken davongekommen war.

Um diesen Schützen ging es Parker. Er hatte inzwischen wieder die schmale Pforte erreicht und betrat vorsichtig das Grundstück, auf dem sich der Landsitz befand. Parker hielt seinen Universal-Regenschirm abwehrbereit in der rechten Hand. Er rechnete mit weiteren Überraschungen, zumal sein inneres Alarmsys-tem sich inzwischen gemeldet hatte.

Auf diese innere Stimme hatte er sich bisher immer verlassen können. Sie signalisierte höchste Gefahr. Trotz der rabenschwarzen Nacht kam der Butler sich wie auf einem Präsentierteller vor. Er fühlte sich bereits beobachtet und belauert. Visierte der Bogenschütze ihn schon an?

Parker nahm hinter einem Strauch Deckung und beobachtete den Landsitz.

Die Vorderseite des Gebäudes war unbeleuchtet. Doch um die rechte Hausecke herum war der Wider-schein von Licht zu sehen. Wahrscheinlich hielten Mandy Saxon und Paul Hamlin sich noch immer in dem großen Terrassenwohnraum auf.

Josuah Parker, der sich nach wie vor beobachtet und erkannt fühlte, nahm seine schwarze Melone ab und stülpte sie mit der Spitze seines Universal-Regenschirms auf einen abstehenden, starken Zweig. Dahn duckte er sich und verschwand rechts vom Strauch in der Dunkelheit.

Er hoffte, daß seine Melone Anreiz genug bot, einen weiteren Pfeil auf ihn abzuschießen.

Er sah sich gründlich getäuscht!

Nach einem widerlich scharfen Zischen durchschnittener Luft wurde sein linker Rockärmel sauber aufge-trennt.

Parker verzichtete verständlicherweise auf alle Würde und hechtete mit einem Sprung, der fast jugendlich und sportlich zu nennen war, zurück in Deckung.

Er fühlte sich überhaupt nicht wohl in seiner Haut.

*

Leicht schockiert erhob sich Josuah Parker und überdachte seine Lage.

Er war offensichtlich an einen Gegner geraten, der ebenfalls über einige Tricks verfügte. Um welche es sich handelte, wußte Parker nicht zu sagen. Er kam sich immer noch wie auf einem Präsentierteller vor. Sein Gegner schien Augen wie ein Luchs zu haben, für ihn schien die Dunkelheit nicht zu existieren.

Als Parkers Überlegungen diesen Punkt erreicht hatten, fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.

Infrarot!

Der Bogenschütze mußte über ein Nachtzielgerät verfügen, das auf Infrarotbasis arbeitete. Zielgeräte die-ser Art existierten. Sie wurden von der Armee und von Spezialeinheiten der Polizei verwendet. Diese Zielge-räte waren ein unsichtbares »Licht« durch die Nacht und erfaßten jedes gewünschte Objekt. Die Zielobjekte ihrerseits waren aber nicht in der Lage, dieses Infrarotlicht zu sehen. Das menschliche Auge war auf solche Wellenlängen nicht geeicht.

Jetzt wußte Parker genau, was zu tun war.

Nebel! Das war die Lösung.

Er aktivierte sofort einen seiner Spezialkugelschreiber, die er stets bei sich trug. Parker griff hastig nach solch einem Kugelschreiber, verdrehte die beiden Hälften gegeneinander und warf die Miniatur-Nebelbombe dann seitlich ins Gras.

Er hoffte nur, daß die Infrarotstrahlen diesen Nebel nicht durchdrangen. Worauf es im Grund aber auch nicht ankam. Hauptsache, er verblüffte den unsichtbaren Schützen und konnte dessen Verwirrung ausnut-zen, eine andere Position zu beziehen.

Nachdem der Kugelschreiber im Gras gelandet war, breitete sich eine meterhohe Nebelwolke, schnell aus. Während dies geschah, griff der Butler nach seiner Melone und lief mit fast fliegenden Rockschößen hinüber zum Haus.

Seine Taktik mußte richtig gewesen sein.

Er wurde nicht mehr von weiteren Pfeilen belästigt, erreichte die Hauswand und ging hier erneut in Stel-lung. Parker zog seine zusammenlegbare Gabelschleuder aus der Innentasche seines schwarzen Zweireihers und versorgte sich mit Munition.

Diese Munition bestand aus kleinen Knallerbsen, die allerdings eine Sonderladung enthielten. Trafen die Knallerbsen auf einen einigermaßen harten Gegenstand, explodierten sie mehr als lautstark.

Parker baute seinen Vorsprung weiter aus.

Er verpulverte in schneller Reihenfolge drei dieser Geschosse, die er in einer Art Pillendose mit sich her-umtrug. Die Zwille erwies sich wieder mal als wirkungsvolle, weil lautlose Waffe.

Der Gegner konnte weder sehen noch hören, woher die kleinen Spezialgeschosse kamen.

Die erste Knallerbse flog weit im Park gegen einen Baumstamm und verursachte eine Detonation, die an eine mittlere Landmine erinnerte.

Die zweite Knallerbse landete am rechten Torpfosten und schuf die Illusion einer hochgehenden Granate.

Die dritte Knallerbse barst in entgegengesetzter Richtung los. Parker hatte sie über den Garagenanbau des Landhauses katapultiert. Das Geschoß krachte irgendwo in der Nähe des Swimming-pools.

Mit der nächtlichen Ruhe in diesem vornehmen Wohnviertel war es damit vorbei.

Die Armee schien ein Manöver zu veranstalten. So klang es wenigstens. In der näheren und weiteren Nachbarschaft wurden Lichter und Parkbeleuchtungen eingeschaltet. Die aus ihrer Ruhe hochgeschreckten Leute glaubten wahrscheinlich an eine nicht genehmigte Invasion. Rufe und Stimmen wurden laut.

Auch der Park, in dem Parker sich befand, wurde hell.

Gartenspots strahlten plötzlich Bäume und Sträucher an. Der Widerschein dieses Lichts reichte aus, Ein-zelheiten im gesamten Park zu erkennen.

Der Butler entdeckte an der linken Trennmauer zum benachbarten Grundstück eine schlanke, große Ge-stalt, die sich gerade über die Mauer schob. Diese Gestalt trug ein enganliegendes, schwarzes Trikot.

Ob es sich um eine Frau oder um einen Mann handelte, war nicht ganz klar.

Auch für einen Schuß aus Parkers Universal-Regenschirm war es bereits zu spät.

Josuah Parker gestand sich ein, daß er eine leichte Schlappe erlitten hatte.

Dennoch schritt er würdevoll zurück zur Straße, wobei er unterwegs den auf ihn abgeschossenen Pfeil in einem Baumstamm entdeckte und barg.

Dieser Pfeil war identisch mit den beiden anderen, mit denen er es bisher zu tun gehabt hatte.

*

»Ob Nachtzielgerät oder nicht, Mister Parker! Ich möchte wissen, wer ein Interesse daran hat, auf Parkbe-sucher zu schießen«, sagte Agatha Simpson sehr energisch.

Parker saß wieder am Steuer seines hochbeinigen Wagens und fuhr in Richtung Londoner City. Mylady hatte darauf bestanden. Sie wollte der Wohnung von Marty Pearson den längst fälligen Besuch abstatten.

»Ich sehe mich leider außerstande, Mylady darauf zu antworten«, gab Parker zurück.

»Könnte diese Mandy Saxon den Bogenschützen zu ihrem Schutz engagiert haben?« ließ Kathy Porter sich vernehmen. Sie sprach scheu und schüchtern wie immer.

»Das ist es, Kindchen.« Agatha Simpson nickte ihrer attraktiven Gesellschafterin erfreut und bestätigend zu. »Warum kommen Sie nicht auf solche Gedanken, Mister Parker?«

»Ich werde darüber nachdenken, Mylady.«

»Es ist ja nur eine Vermutung«, warf Kathy Porter schnell und fast schuldbewußt ein.

»Aber sie klingt plausibel«, redete die Detektivin weiter. »Sie stimmt zudem genau mit meinen Überle-gungen überein.«

»Wie Mylady meinen.« Mehr sagte Parker nicht. Er konzentrierte sich auf die Fahrbahn. Der Verkehr war um diese Zeit noch immer sehr stark.

»Denken Sie doch an den ersten Pfeil, der Ihnen galt«, begeisterte sich Agatha Simpson, »dann an den Pfeil, der im Oberarm dieses Subjektes Pearson landete. Und jetzt der dritte Pfeil, der wieder auf Sie abge-schossen wurde! Dieses Flittchen hat sich einen Sportbogenschützen engagiert, um sich beschützen zu las-sen.«

»Ein bestechender Gedanke, Mylady.«

»Aber Sie sind natürlich nicht überzeugt.«

»Durchaus, Mylady. Diesem Gedanken sollte man nachgehen.«

»Ihre Begeisterung reißt einen förmlich mit«, gab Lady Simpson ironisch und leicht aufgebracht zurück. »Sagen Sie schon, was Ihnen an dieser Theorie nicht gefällt.«

»Die Bedingungslosigkeit dieser Pfeilschüsse«, erwiderte der Butler höflich. »In allen drei Fällen versuch-te der Schütze, genaue Treffer anzubringen. Er begnügte sich keineswegs mit einer Warnung, er hatte es da-rauf angelegt, gefährliche oder tödliche Treffer anzubringen. So etwas kann Miß Saxon unmöglich veranlaßt haben.«

»Und warum nicht? Wenn es doch um ihre Sicherheit geht?«

»Weder Mister Rooters noch Mister Pearson haben versucht, Miß Saxon umzubringen. Miß Saxon mag an Reklame für ihren Sex-Report gelegen sein, Mylady, aber doch keineswegs an einigen Morden.«

»Wer ist der Bogenschütze also dann? Welche Motive könnte er haben?«

»Er versucht wahrscheinlich, Miß Saxon mundtot zu machen, und zwar mit einem gezielten Schuß. Und jeder, der ihm in die sprichwörtliche Quere kommt, wird beschossen. Dieser Schütze will möglichst schnell an sein Ziel gelangen.«

»Warum sagen Sie nichts, Kindchen?« Die Detektivin drehte sich zu Kathy Porter um.

»Mister Parkers Argumente sind gut«, räumte Kathy Porter ein.

»Und Ihre Argumente, Miß Porter, sollte man ebenfalls überdenken«, sagte der Butler. »Es gilt, wenn ich es so ausdrücken darf, diesen Bogenschützen ausfindig zu machen.«

»Ich werde Sie keineswegs daran hindern, Mister Parker«, ließ Agatha Simpson sich vernehmen. »Schade, daß man diesen Sex-Report nicht kennt. Dann besäße man eine Liste der Personen, die als Schützen in Be-tracht kommen.«

»Sehr wohl, Mylady!« Parker verhielt sich zurückhaltend. Er ahnte bereits, was jetzt kam.

»Man müßte diesen Report mal überlesen können«, seufzte Mylady gespielt auf. »Aber das erlaubt Miß Saxon sicher nicht.«

»Wohl kaum, Mylady.«

»Es muß doch einen Weg geben, an das Manuskript heranzukommen«, steigerte sich Agatha Simpson zielbewußt. »Ich will Sie ja auf keinen Fall zu irgendeiner Ungesetzlichkeit verleiten, Mister Parker, aber ein kurzes Ausleihen des Reports ist doch kein Diebstahl, oder, Miß Porter?«

»Ich weiß nicht recht, Mylady«, redete sich Kathy heraus.

»Es ist kein Diebstahl«, stellte Agatha Simpson fest, energisch und lautstark. »Wie denken Sie darüber, Mister Parker!«

»Diese Frage sollte ein Anwalt klären, Mylady«, erwiderte der Butler. »Ich muß gestehen, daß ich mich juristisch überfordert fühle.«

»Lassen wir das Thema«, entschied Parkers Herrin elegisch und deutlich aufseufzend. »Ich habe schon begriffen. Dann werde ich die Dinge eben allein in die Hand nehmen müssen. Ich bin zwar kein junges Ding mehr, doch das werde ich sicher noch schafffen.«

Parker verbiß sich ein Schmunzeln.

Er kannte die Lady nur zu gut. So zog sie stets alle Register, wenn sie ihren Kopf durchsetzen wollte. Sie drückte dann auf alle Gefühlsdrüsen und gab sich gar als alte und hilflose Frau aus.

Natürlich war es dem Butler klar, daß er wieder mal einspringen mußte, um Mylady vor Schaden an Leib und Seele zu bewahren. Er fragte sich allerdings besorgt, wie er es anstellte, um an den Sex-Report heranzu-kommen.

Auf dem parkähnlichen Gelände des Landsitzes lebte man sehr gefährlich, wie sich gezeigt hatte.

*

Josuah Parker sah sich in der kleinen, spärlich eingerichteten Wohnung Marty Pearsons um.

Die kleine Pantry, der Wohnraum mit dem offenen Kamin und das Schlafzimmer befanden sich über ei-nem Garagentrakt in der Nähe von Soho. Die Gegend war nicht gerade erbaulich zu nennen. Hier befand sich das große Vergnügungs- und Amüsierviertel der Millionenstadt.

Die Garagen standen in einer schmalen Sackgasse, die kaum beleuchtet war. Auf diese schmale Straße hinaus führten die Bühneneingänge der Bars und die Küchen der Restaurants. Es roch selbst hier oben in der Wohnung noch nach Pommes frites, nach heißem, überhitztem Fett und nach Pizza.

Parker hatte Mylady und Kathy Porter in Agatha Simpsons Wohnung in Shepherd’s Market zurückgelas-sen. Er rechnete mit Verwicklungen und wollte die beiden Frauen nicht unnötig in Gefahr bringen.

Die kleine Wohnung war von ihm bereits durchsucht worden. Er hatte einige Anhaltspunkte dafür gefun-den, daß Pearson auf keinen Fall berufsmäßiger Geiger sein konnte. Marty Pearson besaß nämlich eine Ma-schinenpistole, die der Butler in einem Versteck seitlich hinter dem Bett aufgespürt hatte. Ganz zu schwei-gen von einigen Revolvern mit und ohne Schalldämpfer.

Welchem Beruf Pearson nachging, war nicht zu übersehen.

Parker hatte sein kleines Besteck benutzt, um die Wohnungstür zu öffnen. Nun wartete er auf die Rück-kehr Pearsons aus dem Hospital. Er wollte sich mit dem jungen Mann noch mal in aller Ruhe unterhalten.

Es dauerte vielleicht eine halbe Stunde, bis unten vor den Garagen ein Taxi erschien.

Marty Pearson stieg aus. Sein linker Arm lag in einer Schlinge. Parker nahm Platz in dem tiefen Sessel mit der hohen Lehne und wartete auf das Erscheinen des Wohnungsbesitzers.

Pearson war ahnungslos.

Er sperrte die Tür auf und betrat die dunkle Wohnung. Dann schaltete er das Licht ein und ging schnurstracks hinüber zu dem kleinen Wandtisch, auf dem Flaschen und Gläser standen. Er hatte einige Mü-he, die Whiskyflasche aufzudrehen. Dann setzte er den Flaschenhals an den Mund und nahm einen langen Schluck.

Pearson kam überhaupt nicht auf den Gedanken, dabei beobachtet zu werden. Wogegen Parker nichts ein-zuwenden hatte. Er blieb regungslos in dem tiefen, sichtschützenden Sessel sitzen und wartete ab, was Pear-son tat.

Der junge Mann hatte sich erfrischt, ließ einen erstaunlich tiefen und unschönen Rülpser los und befaßte sich mit dem Telefon. Er wählte eine Nummer und murmelte die jeweilige Ziffer halblaut vor sich hin. Einen größeren Gefallen hätte er Parker gar nicht erweisen können. Der Butler merkte sich diese Nummer selbst-verständlich. Sie offenbarte später vielleicht wichtige Querverbindungen und Zusammenhänge.

»Pearson hier«, meldete sich der junge Mann, als die Verbindung hergestellt war. »Pleite auf der ganzen Linie, Sean. – Ja, Pleite! Ich hab’ mir einen Pfeil eingefangen. – Ja, einen Pfeil von irgend so einem Sportbo-gen.

Schmerzt höllisch. – Ich komme gerade aus dem Hospital. Wer geschossen hat? Weiß ich doch nicht! Plötzlich war mir das Ding verpaßt worden.

Natürlich hab’ ich die Katze nicht aus dem Sack gelassen. – Aber ich weiß, daß du nicht allein hinter der Saxon her bist. – Die scheint eine ganze Kompanie in Bewegung gesetzt zu haben. – Unter anderem auch eine Lady Simpson und deren Butler. – Komische Typen, aber verdammt clever. – Ja, ich hab’ die Adresse von denen. – Einzelheiten später, ich leg’ mich erst mal aufs Ohr, fühl’ mich ziemlich flau im Magen. Okay, ich melde mich morgen gegen 10 Uhr, gut. Ende!«

Marty Pearson legte auf und genehmigte sich einen weiteren Schluck. Dann starrte er in den Spiegel, der über dem schmalen Wandtisch hing und blinzelte den Butler an, der sich erhob und grüßend seine schwarze Melone lüftete.

*

Agatha Simpson hielt sich im kleinen Salon ihres Stadthauses auf und lauschte verzückt den wilden, hämmernden Rhythmen der Rolling Stones, die sie sehr schätzte. Dazu trank sie alten Sherry und rauchte genießerisch eine Zigarre.

Kathy Porter saß am Sekretär und erledigte Geschäftspost.

Sie hatte schon längst keinen Blick mehr für das Groteske an dieser Situation. Zu lange arbeitete sie für diese alte, skurrile Dame, für die es keine Konventionen gab.

Agatha Simpson, schon seit vielen Jahren Witwe, war eine immens vermögende Frau. Ihr Mann hatte ihr reiche Beteiligungen an Fabriken, Reedereien und Brauereien hinterlassen. Dies alles war von ihr in eine Stif-tung umgewandelt worden, die allerdings von ihr kontrolliert wurde. Aus den Erlösen dieser Stiftung finan-zierte die Lady die Ausbildung begabter, junger und armer Menschen.

Für Agatha blieb genug übrig, um ein völlig sorgenfreies Leben zu führen. Die Detektivin, mit dem Hoch- und Geldadel Englands verschwistert und verschwägert, war eine abenteuerliche Globetrotterin geworden, die in jedes Fettnäpfchen trat, das sie nur fand. Dennoch hatte man sie zumindest gern. Sie wurde respektiert und hofiert.

Kathy Porter war froh, daß Parker Mylady dazu überredet hatte, im Haus zu bleiben. Sie besaß nämlich die schreckliche Neigung, stets auf den Kriegspfad zu gehen. Angst schien sie überhaupt nicht zu kennen.

Kathy spürte plötzlich einen kühlen Luftzug an den Beinen und sah automatisch zur Tür.

Sie zuckte mit keiner Wimper, als dort zwei maskierte Männer erschienen, die nicht gerade vertrauenerwe-ckend aussahen. Sie hatten sich Strumpfmasken übergezogen und waren bewaffnet. Es schienen Profis zu sein.

»Schließen Sie gefälligst die Tür«, war in diesem Moment die Stimme von Mylady zu hören, grollend und empört. »Wollen Sie, daß ich mich erkälte?«

Agatha Simpson übersah souverän die Revolver und griff nach dem Sherryglas.

Die beiden Männer, mittelgroß, schlank, durchtrainiert wirkend, in gutsitzenden Anzügen, waren ein we-nig perplex. Solch einen Empfang hatten sie nicht erwartet.

»Haben Sie sich die Füße abgetreten?« verlangte Mylady jetzt zu wissen.

»Moment mal, alte Dame«, sagte einer der beiden Männer empört, »wir sind hier am Drücker!«

»Und zwar verdammt nahe«, fügte der zweite Mann hinzu und hob drohend seinen Revolver. »Es passiert gar nichts, wenn wir den Report bekommen.«

»Und zwar ein bißchen schnell«, schloß der erste Mann.

»Sind Sie sicher, hier an der richtigen Adresse zu sein?« wollte Agatha wissen. Sie zeigte überhaupt keine Angst.

»Natürlich sind wir hier richtig«, lautete die Antwort. »Raus mit dem Manuskript, altes Mädchen, oder wir scheuchen euch durch das Haus, daß ihr Krämpfe bekommt!«

»Sie sind ein Flegel«, stellte die Hausbesitzerin fest.

»Bestimmt«, sagte der angesprochene Mann und lachte leise hinter seiner dichten Strumpfmaske. »Also, wo ist der Sex-Report?«

»Wer hat Ihnen gesagt, daß ich dieses Manuskript habe?«

»Mandy Saxon. Reicht das als Stichwort?«

»Man scheint Sie auf den Arm genommen zu haben, junger Mann.« Agatha Simpson nahm einen genieße-rischen Schluck aus dem Sherryglas. »Wissen wir etwas von einem Manuskript, Kathy?«

Sie sah zu ihrer Gesellschafterin hinüber, die verständnislos die Schultern hob.

»Genug!« Der erste Profi wurde leicht ärgerlich. »Sie haben genau eine Minute Zeit, sich den Fall zu über-legen.«

»Miß Saxon behauptet, ich hätte ihren Sex-Report?« vergewisserte sich Agatha Simspon noch mal und schüttelte ungläubig den Kopf.

»Als wir auf die Tube drückten, wurde sie sehr weich«, stellte der zweite Profi fest, »und Sie werden es auch werden, wenn wir den Report nicht bald haben.«

»Sie würden sich an einer Frau vergreifen, die wehr- und hilflos ist?« wunderte sich die Detektivin.

»Worauf Sie Gift nehmen können, Mädchen! Also, wie sieht es nun aus? Die Minute ist gleich um.«

»Sie würden es tatsächlich wagen, sich an mir zu vergreifen?« wollte Mylady genau wissen.

»Warten Sie’s ab, Mädchen! Sie werden sich wundern.«

»Was sagen Sie dazu, Kindchen?« Agatha Simpson wandte sich etwas irritiert an Kathy Porter.

»Sie sollten das Manuskript vielleicht doch herausgeben«, schlug Kathy ängstlich vor. Sie deutete dabei auf einen Schnellhefter, der auf dem kleinen Beistelltisch lag.

Natürlich handelte es sich dabei nicht um den gesuchten Sex-Report, sondern um einen Geschäftsbericht, den Agatha Simpson eingehend studiert hatte.

»Ich weiche der Gewalt«, stellte die Detektivin prompt fest und griff nach dem Schnellhefter. »Und schließen Sie die Tür, wenn Sie wieder gehen!«

Sie griff nach dem Schnellhefter, und reichte ihn dem ersten Maskierten, der ein wenig zu naiv und ah-nungslos auf Mylady zuschritt und seine Hand nach dem Schnellhefter ausstreckte.

Bruchteile von Sekunden später kam er sich etwas behindert vor.

Agatha Simpson hatte ihm den Rest des Sherrys auf die Strumpfmaske geschüttet, worauf der Mann nicht mehr viel sah. Bevor er sich von seiner Überraschung erholte, trat die Lady ihm äußerst unfein, aber nachhal-tig gegen das linke Schienbein, worauf der Mann heulte wie ein Hund.

Doch damit nicht genug.

Agatha Simpson fühlte sich äußerst angeregt und knallte ihm die Kristallkaraffe, in der sich der Sherry be-fand, auf die revolverbewehrte Hand.

Die Karaffe überstand diesen Gewaltakt, nicht aber die Mittelhandwurzelknochen des Gangsters. Sie knirschten diskret und gerieten etwas in Unordnung. Eine spätere Röntgenaufnahme bewies dann, daß sie leicht angebrochen waren.

Der Gangster war deutlich frustiert, als sein Revolver auf dem echten Perser lag.

Er bückte sich und wollte die Waffe aufheben. Wahrscheinlich beabsichtigte er, anschließend auf Mylady zu schießen. Dies befürchtete zumindest Agatha Simpson, die nach wie vor sehr angeregt wirkte.

Sie nahm den schweren Aschenbecher und setzte ihn auf der Stirn des Mannes nachdrücklich ab. Darauf-hin spielte dieser maskierte Gangster nicht mehr weiter mit. Wahrscheinlich nahm er übel. Er stierte seine Gegnerin für Bruchteile von Sekunden anklagend an und wurde dann ohnmächtig.

Der zweite Gangster war inzwischen ebenfalls beschäftigt.

Er war so leichtsinnig gewesen, das scheue Reh Kathy Porter zu übersehen. Dieses attraktive, aber sicht-lich zurückhaltende Mädchen stellte in seinen Augen keine Gefahr dar. Er wartete auf die Möglichkeit, sich mit Mylady zu befassen.

Als er dann auf die Gesellschafterin aufmerksam wurde, war es für ihn bereits zu spät.

Agatha Simpson nickte beifällig, als Kathy Porter den ersten Maskierten geschmeidig wie eine Pantherkat-ze ansprang und ihm ihre Handkante auf den Hals setzte.

Der Maskierte grunzte ein wenig überrascht und riß seine bewaffnete Hand herum.

Ein zweiter Handkantenschlag machte ihn wehr- und waffenlos. Kathy Porter war nicht mehr wiederzuer-kennen. Sie hatte sich in eine kompromißlose Karatekämpferin verwandelt, die kein Erbarmen kannte.

Wozu sie übrigens auch keinen Grund hatte, denn der Gangster hatte sich inzwischen von seiner ersten Überraschung erholt und wollte die junge Dame mit einem Fausthieb zu Boden schicken.

Kathy wartete genau den richtigen Zeitpunkt ab.

Als die sie verfehlende Faust dicht an ihrem hübschen und ausdrucksstarken Gesicht vorbeizischte, griff sie beherzt zu und veranlaßte den Gangster, einen Salto zu drehen.

Der Mann mußte ihr diesen Gefallen notgedrungen erweisen. Er landete krachend auf dem Rücken, rap-pelte sich noch mal hoch und marschierte erneut auf Kathy los, diesmal allerdings wesentlich langsamer und vorsichtiger.

Er schaffte es nicht, bis an Kathy Porter heranzukommen.

Lady Simpson konnte es wieder mal nicht lassen. Wie gesagt, sie fühlte sich ungemein angeregt und muß-te einfach eingreifen, wenn sie nicht ersticken wollte. Solch eine günstige Gelegenheit ließ sie sich nie entge-hen.

Sie hatte schon ihren Pompadour in der Hand, den sie dann auf die Luftreise schickte. Der Glücksbringer darin, nämlich das echte Hufeisen, dröhnte gegen den Hinterkopf des Gangsters, der sofort einknickte und sich dann über seinen Partner legte.

»Schrecklich und amüsant zugleich, diese Störungen«, stellte Agatha Simpson fest. »Was machen wir jetzt mit diesen beiden Individuen, Kindchen? Ob Mister Parker sie sehen möchte?«

»Bestimmt, Mylady«, gab Kathy Porter lächelnd zurück.

»Dann schaffen Sie diese Flegel weg«, bat die Detektivin. »Sie passen einfach nicht hierher in den Salon, sie wirken deplaziert.«

Die Lady sah auf die beiden schlafenden Gangster hinunter und ließ sich dann wieder in ihren Sessel nie-der. Für sie war dieser Zwischenfall bereits erledigt. Sie widmete sich wieder der Zigarre und einem neuen Sherry.

*

»Sie verlangten das Manuskript von Ihnen, Miß Saxon?«

Josuah Parker war ins Haus zurückgekehrt und wunderte sich sichtlich.

»Sollte ich mich verhört haben, Kindchen?« wandte Lady Simpson sich an ihre Gesellschafterin.

»Auf keinen Fall, Mylady«, gab Kathy Porter zurück, »sie fragten nach dem Sex-Report. Sie erklärten, Mandy Saxon habe es Mylady anvertraut.«

»Eine freche Behauptung, nicht wahr?« Lady Simpson schüttelte indigniert den Kopf.

»Vielleicht aus der Not heraus geboren, Mylady«, schlußfolgerte der Butler. »Möglicherweise befindet Miß Saxon sich in der Gewalt des Auftraggebers der beiden Herren unten im Keller.«

»Daran dachte auch ich bereits«, erklärte Agatha Simpson, »aber das werden diese beiden Strolche uns ja bald sagen müssen. Wie sind denn Sie zurechtgekommen, Mister Parker?«

»Mister Pearson arbeitete eindeutig für einen gewissen Sean Harrow«, berichtete der Butler. »Ich konnte besagten Mann dazu bringen, mir einige Details anzuvertrauen.«

»Mußten Sie deutlich werden, Mister Parker?« Agatha Simpsons Augen funkelten unternehmungslustig.

»Nur andeutungsweise«, umschrieb der Butler seine Befragung vornehm. »Mister Pearsons Auftraggeber ist also ein gewisser Sean Harrow, der als Gebrauchtwagenhändler seinen Lebensunterhalt bestreitet.«

»Und warum fürchtet dieser Mann den Sex-Report?«

»Er liegt in Scheidung mit seiner Frau, die eine möglichst hohe Abfindung will. Falls Mister Harrow in diesem Sex-Report genannt wird, hat seine Frau alle Chancen, ihn geschäftlich zu ruinieren.«

»Ist Pearson ein Gangster, Mister Parker?«

»Ein Ganove, wenn ich differenzieren darf, Mylady, er hatte nicht die Absicht, auf Miß Saxon selbst zu schießen. Er wollte sie mittels einiger Schüsse nur schocken, wie er behauptete. Der Gewehrschuß auf die Staffelei der Miß Saxon verblüffte ihn derart, daß er sofort flüchtete.«

»Kann man dem Subjekt diese Geschichte abnehmen, Mister Parker?«

»Dazu müßte man erst besagten Mister Sean Harrow kennenlernen, Mylady.«

»Setzen Sie ihn auf unsere Liste, Mister Parker, wir wollen diesen Besuch morgen hinter uns bringen. Er verspricht interessant zu werden.«

»Durchaus, Mylady.«

»Was Rooters angeht, Mister Parker, so scheint er die Wahrheit gesagt zu haben«, führte Agatha Simpson weiter aus. »Ich habe mit Lesley Maulding gesprochen. Er wollte natürlich zuerst nicht mit der Sprache her-ausrücken, aber dann gab er zu, daß er Rooters engagiert hat. Maulding fürchtete einen Skandal, falls er in dem Sex-Report genannt wird.«

»Verständlich, Mylady, er ist schließlich der Herausgeber des ›Global-Express‹.«

»Und einiger Kirchenblätter«, fügte die Detektivin schmunzelnd hinzu. »Falls es herauskommt, daß er mit der Saxon liiert gewesen ist, wird man ihm diese Aufträge kündigen.«

»Ließ Mister Maulding durchblicken, um welche Summen es geht und ob er erpreßt wurde?«

»Darüber will er sich morgen mit mir unterhalten, Mister Parker. Wir haben also einen recht erfreulichen Tag vor uns. Was machen wir mit den beiden Kerlen unten im Keller? Sie scheinen die Seite des Bogen-schützen zu vertreten, nicht wahr?«

»Diese Vermutung, Mylady, bietet sich an. Miß Saxon scheint mit ihrem Sex-Report interne Reklame ge-macht zu haben. Hoffentlich hat sie ihr Spiel nicht überreizt, wenn ich es so ausdrücken darf.«

»Nun, das werden uns die beiden Strolche sagen«, schlug Agatha Simpson vor. »Stellen Sie mir vorher aber noch eine Verbindung mit Miß Saxon her, Mister Parker!«

Der Butler war mit diesem Vorschlag voll einverstanden.

Er wählte die Telefonnummer und wartete geduldig, daß auf der Gegenseite abgehoben wurde. Was aber nicht geschah! Parker ließ weiter durchläuten und wollte schon auflegen, als endlich der Hörer abgenommen wurde.

»Ja?« fragte eine undeutliche und mühsame Männerstimme.

»Mister Hamlin?« reagierte Parker sofort. Er war auf reine Vermutung angewiesen, denn Hamlins Stimme klang normalerweise anders.

»Hamlin«, wiederholte die Männerstimme. »Wer ist da?«

»Parker, Josuah Parker«, erwiderte der Butler gemessen. »Würden Sie die Güte haben, Miß Saxon ans Te-lefon zu rufen?«

»Sie … ist … verschwunden«, kam die wirklich mühevolle Antwort. »Sie ist … entführt … worden!«

»Ließ sich das nicht verhindern?« wollte der Butler wissen, obwohl er bereits ahnte, was im Landsitz pas-siert war.

»Witzbold«, sagte die mühsame, gequetschte Stimme. »Ich bin froh, daß ich überhaupt noch sprechen kann …«

»Sollten Sie vielleicht von zwei Profis behandelt worden sein?« erkundigte sich Parker.

»Genau …« kam die undeutliche Antwort. Hamlin schien Schwierigkeiten mit seinem Unterkiefer und seiner Zunge zu haben.

»Vielen Dank für die Auskunft«, sagte Parker und legte auf.

*

Die beiden Profis waren von Kathy Porter fachgerecht verschnürt worden.

Sie standen in einem Abstand von gut zwei Metern nebeneinander vor einer Wasserleitung und hatten kei-ne Möglichkeit, sie zu verlassen. Kathy Porter hatte sich einiger Handschellen aus Parkers Privatvorrat be-dient.

Sie starrten den eintretenden Butler gereizt an.

»Ich wünsche allerseits einen guten Abend«, sagte Parker und lüftete höflich seine schwarze Melone. »Falls Sie es wünschen, werde ich Hocker für Sie beschaffen.«

»Beschaffen Sie sich lieber einen Sarg«, bellte ihn der rechtsstehende Gangster an. »Den brauchen Sie nämlich bald …«

»Beschaffen Sie drei Särge«, sagte der andere Profi. »Sie werden dringend benötigt …«

»Würden es zwei Särge vielleicht auch tun?« fragte der Butler. »Ich war so frei, Mr. Hamlin davon zu un-terrichten, daß Sie Myladys Zwangsgäste sind. Mr. Hamlin kündigte an, daß er so schnell wie möglich hier-herkommt.«

»Hamlin?« Der erste Profi wußte mit dem Namen nicht anzufangen.

»Der Betreuer Miß Saxons, dessen Unterkiefer Sie offensichtlich etwas zu intensiv-behandelt haben.«

Jetzt wußten sie Bescheid und sahen sich für einen Augenblick leicht betreten an.

»Mr. Hamlin machte am Telefon einen ungemein gereizten Eindruck«, berichtete der Butler weiter. »Er sprach auch davon, daß man Miß Saxon entführt hat.«

»Wovon reden Sie eigentlich?« fragte der erste Profi gespielt verächtlich. »Das ist nicht unsere Frequenz.«

»Auf die wird Mister Hamlin Sie noch rechtzeitig einstellen«, prophezeite Josuah Parker höflich. »Wie ge-sagt, er scheint recht gereizt zu sein, aber dies dürfte nicht mein Problem sein.«

»Worauf wollen Sie hinaus?« schaltete der zweite Gangster sich ein. Er machte einen kühleren Eindruck als sein Partner.

»Ich darf um die Beantwortung zweier Fragen bitten«, sagte der Butler gemessen.

»Und die wären?«

»Für wen arbeiten Sie und wo kann ich Miß Saxon finden?«

»Angenommen, wir spucken die Tips aus, was bekommen wir dafür?«

»Myladys Einverständnis voraussetzend, würde ich Sie entlassen.«

»Und falls nicht?«

»Würde ich Mr. Hamlin gestatten, sich allein mit Ihnen zu unterhalten.«

»Das ist doch reine Erpressung!« regte der Gangster sich auf.

»Ein Tauschgeschäft«, korrigierte der Butler. »Ich darf doch hoffen, daß Miß Saxon noch lebt, oder?«

Parker registrierte wieder einen schnellen Blick, den die beiden Profis tauschten. Und dieser Blick gefiel ihm nicht. Miß Saxon schien sich in großer Gefahr zu befinden. Oder sie war sogar schon für immer mundtot gemacht worden.

»Okay …« Der Gangster nickte. »Antwort auf die erste Frage: Wir arbeiten für Lou Buckhurst. Sagt Ihnen der Name etwas ?«

»Nichts«, behauptete Parker, obwohl das Gegenteil der Fall war.

»Lou hat von dem Sex-Report erfahren und wollte ihn haben. Warum, kann ich nicht sagen. Wir haben nur seine Befehle ausgeführt.«

»Und nun zur zweiten Frage«, bat Parker höflich.

»Die Sexbiene befindet sich in Soho, bei Lou. Er hat da ’nen Beatschuppen. Paradise nennt sich der La-den. Kann Ihnen jeder zeigen …«

»Darf ich unterstellen, daß Sie mir die Wahrheit gesagt haben?« fragte Parker.

»Prüfen Sie’s doch nach«, meinte der Profi, »aber halten Sie uns diesen Hamlin vom Leibe!«

»Ich werde es nicht vergessen«, versprach der Butler, »und nun zu dem Bogenschützen.«

»Bogenschützen?« Die beiden Gangster wirkten verdutzt und überrascht.

»Wer von Ihnen weiß mit einem Sportbogen umzugehen?« präzisierte Parker.

»Damit sind Sie bei uns aber auf dem falschen Dampfer«, lautete die Antwort des Wortführers der beiden Gangster. »Mit solchen Kinkerlitzchen geben wir uns doch nicht ab. Wir halten uns an richtige Kanonen.«

»Ich bin durchaus geneigt, Ihnen zu glauben«, räumte der Butler ein. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen wollen, meine Herren. Ich möchte mich mit Ihrem Auftraggeber unterhalten.«

»Hauptsache, Sie halten sich an unsere Abmachung. Wir sind für Hamlin nicht zu sprechen. Wir verlassen uns auf Ihr Wort!«

Die Aussicht, mit Hamlin zusammenzutreffen, schien ihnen überhaupt nicht zu gefallen. Sie hatten den Breitschultrigen wohl sehr eingehend nach ihrer Art behandelt und fürchteten nun die Retourkutsche.

Parker verließ den Kellerraum und schloß die Tür hinter sich. Dann bemühte er sich um feste, energische und laute Schritte. Die beiden Profis sollten glauben, daß er hinauf ins Erdgeschoß marschierte.

In Wirklichkeit aber huschte Parker auf leisen Sohlen zurück zur Tür und holte fein Schlauch-Stethoskop aus seiner Rocktasche. Er legte die Membrane gegen die Tür und genoß die Unterhaltung der beiden ah-nungslosen Männer …

*

»Die beiden Herrn im Keller dürften das sein, Mylady, was man gemeinhin skeptisch nennt«, berichtete der Butler, als er wieder im Salon war. »Sie glauben kaum, daß der erwähnte Mr. Buckhurst sie loskaufen wird.«

»Buckhurst, Mr. Parker?! Muß man diesen Namen kennen?« Mylady sah ihren Butler forschend an.

»Mr. Lou Buckhurst«, dozierte Parker, »ist der Besitzer einiger Beatschuppen, wie Tanzlokale dieser spe-ziellen Art im Volksmund genannt zu werden pflegen. Mr. Buckhursts Palette an Ungesetzlichkeit ist gera-dezu bemerkenswert, Mylady. So soll er sich unter anderem auch mit Drogen aller Art befassen, die in seinen Etablissements feilgeboten werden. Man sagt Mr. Buckhurst ferner nach, daß er sich auf dem Gebiet der Prostitution betätigt und dazu einige Privatclubs eröffnet hat, in denen man sogenannte Pornofilme vorge-führt bekommt …«

»Und warum sitzt dieses Subjekt noch nicht hinter Gittern?« fragte Agatha Simpson erstaunt.

»Die Polizei hatte bisher keine Handhabe, beweiskräftig gegen ihn vorzugehen«, erläuterte der Butler.

»Was sich sehr bald ändern wird, Mr. Parker. Glauben Sie, daß er Mandy Saxon entführt hat?«

»Er dürfte zumindest den Anstoß dazu gegeben haben«, antwortete der Butler. »Meiner bescheidenen Ansicht nach möchte er den Sex-Report von Miß Saxon dazu benutzen, sein Repertoire auszuweiten.«

»Erpressung also! Genau das, was dieses kleine Flittchen plante, nicht wahr?«

»Davon sollte man in der Tat ausgehen, Mylady.«

»Oder könnte es sein, daß dieser Buckhurst nur die Enthüllungen der Saxon fürchtet?«

»Auch mit solch einer Möglichkeit sollte man rechnen, Mylady. Wenn Sie gestatten, werde ich Mr. Buckhurst jetzt anrufen.«

»Von Anrufen dieser Art halte ich überhaupt nichts«, sagte Agatha Simpson nachdrücklich und erhob sich. »Sie sind so schrecklich unpersönlich … Wir werden Buckhurst besuchen. Eine Unterhaltung im priva-ten Kreis wird viel intensiver sein, Mr.

Parker. Fahren Sie den Wagen vor! Die Nacht ist schließlich noch lange …«

»Darf ich Mylady darauf aufmerksam machen, daß Mr. Buckhurst nicht gerade ein Gentleman ist.«

»Dann wird es höchste Zeit, daß man ihm Manieren beibringt«, entschied die kriegerische Dame und mar-schierte auf ihren stämmigen Beinen hinüber zur Tür.

Josuah Parker und Kathy Porter sahen sich ergeben an.

Sie wußten aus Erfahrung, daß Mylady in diesem Stadium nicht mehr ansprechbar war.

*

Parker besaß intime Kenntnisse über die Unterwelt der Millionenstadt.

Er wußte daher auch genau, wo Lou Buckhurst zu finden war. Um ganz sicherzugehen, hatte er vor dem Verlassen der Stadtwohnung von Mylady ein kurzes Telefongespräch geführt. Der Inhaber einer Pfandleihe, der Parker verpflichtet war, hatte die Vermutung des Butlers bestätigt.

Lou Buckhurst dachte natürlich nicht im Traum daran, sich auf das Niveau seiner Beatschuppen zu bege-ben. Er wohnte in Soho in einem schmalbrüstigen, dreistöckigen Haus, in dessen Erdgeschoß früher mal ein Kino untergebracht war.

Dieses Kino war in einen Privatclub umgestaltet worden. Die Kinoeinrichtung hatte Buckhurst selbstver-ständlich nicht entfernen lassen. Er brauchte die Apparaturen, um seine Pornofilme vorführen zu lassen. Nicht weit von diesem Privatclub entfernt, befand sich übrigens das »Paradise«, von dem die beiden Profis gesprochen hatten.

Die Tür zum Privatclub machte einen fast abweisenden Eindruck. Sie war schwarz gestrichen, glatt und besaß weder Klinke noch Türknauf. In Augenhöhe befand sich ein kleines Guckloch in der Tür. Gäste wur-den nach dem Klingeln durch diesen Spion eingehend inspiziert, bevor man sie überhaupt einließ.

Parker legte seinen Zeigefinger auf den Klingelknopf und läutete nachdrücklich. Obwohl es inzwischen schon recht spät geworden war, empfing der Privatclub noch Gäste. Vom Wagen aus hatte der Butler gese-hen, daß eben erst noch zwei Männer eingelassen worden waren.

Die kleine viereckige Klappe in der sonst glatten Tür öffnete sich.

Ein mageres, ungesund aussehendes Gesicht erschien. Der Besitzer dieses Gesichts fragte Parker höflich nach seinen Wünschen.

»Überbringen Sie Mr. Buckhurst umgehend meine Karte«, erwiderte der Butler und reichte dem Mann seine Visitenkarte. »Nennen Sie dazu das Stichwort Sex-Report!«

»Josuah Parker, Butler …« las das ungesunde Gesicht. »Ich weiß nicht, ob Mr. Buckhurst in seiner Woh-nung ist. Was wollen Sie denn von ihm?«

»Beeilen Sie sich, Mr. Buckhurst könnte Ihnen sonst später Vorwürfe machen.«

Der Mann überlegte einen Moment und nickte dann.

»Warten Sie«, bat er. »Ich bin gleich wieder zurück.« Die Klappe schloß sich, die Tür sah wieder glatt und unnahbar aus.

Josuah Parker machte sich sofort an die Arbeit, das Türschloß zu überreden. Er benutzte wieder sein klei-nes Spezialbesteck und brauchte tatsächlich nur wenige Sekunden, bis er das Schloß von seinen Fertigkeiten überzeugt hatte.

Parker betrat einen Vorraum, schloß hinter sich die Tür und orientierte sich. Er hatte den Türhüter absicht-lich weggeschickt, um auf eigene Faust in den Club zu gelangen. Er wollte nicht gerade von einem erwar-tungsvollen Festkomitee empfangen werden.

Eine weitere Tür rechts führte in den eigentlichen Club, das heißt, vorerst mußte man die Garderobe pas-sieren. Eine schmale Tür links, die in der Eile nur angelehnt worden war, gab den Blick frei auf eine schmale, steile Treppe, die hinauf ins Obergeschoß führte. Zwischen den beiden Türen lag eine Art Pförtnerloge, in der sich der Türhüter aufhielt. Diese Loge war halb durch schwere Vorhänge geschlossen.

Oben auf der Treppe waren schnelle Schritte zu vernehmen. Der Türhüter kam offensichtlich zurück. Par-ker betrat die Loge und verschwand hinter einem Vorhang. Durch einen Spalt beobachtete er den Mann, der im Vorraum erschien und die Klappe in der Tür öffnete.

»Hallo Sie! Mr. Parker? Wo stecken Sie denn?«

Josuah Parker dachte nicht daran, sich zu melden.

Wenn er die Lage richtig eingeschätzt hatte, mußte der Mann jetzt die Tür öffnen, auf die Straße hinaus-treten und sich nach allen Seiten forschend umsehen.

Parker täuschte sich nicht.

Der Mann sperrte die Tür auf und betrat die Straße. Parker verließ die Pförtnerloge und … schloß hinter dem Mann die Tür zu, leise und prompt. Dann nahm er seinen Universal-Regenschirm und riß die elektrische Türglocke rechts über der Tür aus ihrer Halterung. Er entfernte die beiden Drähte und begab sich anschlie-ßend gemessen und würdevoll nach oben.

Er hatte gerade ein paar Stufen hinter sich gebracht, als wütend gegen die Tür gepocht wurde.

Der Türhüter kam sich wahrscheinlich ziemlich verschaukelt vor …

*

»Sie sollten sich schämen, derart zu randalieren«, stellte Agatha Simpson fest und musterte den Mann vor der Tür durch ihre Lorgnette.

»Klappe …!« fuhr der gereizte Türhüter sie an. »Das ist meine Sache, scheren Sie sich zum Teufel!«

Agatha Simpson und Kathy Porter hatten sich vor ihm aufgebaut und machten, wie immer, übrigens, einen unverdächtigen Eindruck. Der Mann wandte ihnen wieder den Rücken zu und wollte mit beiden Fäusten wütend auf die Tür dreschen. Er hatte nämlich inzwischen gemerkt, daß die Klingel nicht mehr ansprach, aber er wollte sich unbedingt bemerkbar machen.

Die Detektivin, die von ihrem Butler ungemein gelernt hatte, ließ ihren Pompadour sprechen.

Der Glücksbringer darin legte sich zielsicher auf den Hinterkopf des lärmenden Mannes. Das alles geschah derart schnell, daß selbst ein mißtrauischer oder aufmerksamer Beobachter kaum etwas davon gemerkt hätte.

Der Türhüter rutschte haltlos wie ein nasser Sack in sich zusammen und wurde dann von Kathy Porter ge-gen die Wand des Hauses gesetzt. Der Mann, nun nicht mehr gereizt, sondern recht friedlich aussehend, sah aus wie ein Betrunkener, dessen Kondition nicht mehr ganz in Ordnung war. Anschließend schlenderten die beiden Damen weiter die Straße hinunter, überquerten sie und bauten sich gegenüber vom Club auf der an-deren Straßenseite auf. Von hier aus konnten sie die erleuchteten Fenster in der ersten Etage sehen. Das alles war mit dem Butler genau abgesprochen worden.

Die Detektivin fand es sehr passend, daß in der Nähe eine Telefonzelle stand. Sollten sich Schwierigkeiten ergeben, konnte man die Polizei verständigen und einschalten. Sie war sich nämlich klar darüber, daß ihr Butler sich in die Höhle des Löwen begeben hatte.

*

Das Büro war kühl und sachlich eingerichtet.

Buckhurst saß hinter einem Schreibtisch und kontrollierte Rechnungen. Auch ein Gangster seines Formats war an Gewinn und Verlust interessiert. Ein Buckhurst ließ die Dinge nicht treiben.

»Was gibt’s denn noch?« fragte er, als er Schritte hörte.

»Ich erlaube mir, einen wunderschönen Abend zu wünschen«, erwiderte Parker, als er das Büro betrat. Er lüftete höflich seine schwarze Melone.

Buckhurst besaß gute Nerven.

»Parker, nicht wahr?« erkundigte er sich und setzte sich weit in seinen Sessel zurück.

»In der Tat, Mister Buckhurst!«

»Wie sind Sie reingekommen! Ist aber auch egal – Kompliment! Sie haben einen Routinier ganz schön her-eingelegt, denke ich.«

»Lassen Sie es den Mann später nicht fühlen«, bat Parker gemessen, »jeder lernt noch dazu. Auch Sie, Mister Buckhurst, um zum Thema zu kommen.«

»Sind Sie sicher, Parker?«

Buckhurst schob seinen rechten Arm langsam auf die Schublade im Seitenteil des Schreibtisches zu. Wahrscheinlich suchten seine Finger den innigen Kontakt mit einer Faustfeuerwaffe.

»Es geht um Miß Saxon«, sagte der Butler rundheraus. »Nach meinen bescheidenen Informationen sollen Sie ihr eine Art Gastrecht hier im Haus verschafft haben.«

»Wer hat Ihnen denn das auf die Nase gebunden?« Die Hand kroch stetig weiter.

»Zwei Ihrer Angestellten. Sie waren so frei, mir mitzuteilen, daß Sie an einem gewissen Sex-Report jener jungen Dame interessiert sind.«

»Glauben Sie alles, was man Ihnen erzählt?« Die Hand kroch weiter.

»Nur das, was belegbar ist«, präzisierte der Butler. »Ihre beiden Angestellten können das belegen. Sie be-fanden sich in einer Art Zwangssituation und waren froh, sich durch Details eine böse Begegnung zu erspa-ren.«

»Ich habe keine Leute zu Ihnen geschickt. Wenn sie das behaupten, lügen die Kerle.« Die Hand hatte die Schublade inzwischen fast erreicht. Parker hob fast spielerisch die Spitze seines Universal-Regenschirms und richtete sie scheinbar unbeabsichtigt auf Buckhurst. Der Gangsterboß schrak zusammen, als plötzlich ein stricknadelgroßer Blasrohrpfeil in seinem rechten Oberarm steckte.

Buckhurst sprang auf, vergaß seine Schußwaffe und stierte entsetzt auf den buntgefiederten Pfeil.

Ein Geschoß dieser Art hatte er wahrscheinlich noch nie gesehen.

Es verwirrte ihn, und es widerte ihn zugleich an. Er hatte wahrscheinlich sofort eine Assoziation von Indi-anern, Pfeilgift, Curare und einem qualvollen Tod.

Womit natürlich nicht zu rechnen war. Gewiß, die Pfeilspitze war präpariert, sie enthielt aber nur eine Kombination aus Schnellschlafmittel und Reizstoffen. Der Einstich brannte höllisch wie Feuer und förderte dadurch nur noch die Ängste des jeweilig Getroffenen.

Josuah Parker verschoß solche Pfeile durch den hohlen Schirmstock, der ihm als Blasrohr diente. Eine Kohlensäurepatrone sorgte für die notwendige Druckluft.

»Sie sollten sich wieder setzen, sonst kreist das Präparat an der Pfeilspitze zu schnell durch Ihren Orga-nismus«, erklärte der Butler höflich. »Und Sie können den Pfeil selbstverständlich herausziehen, falls Ihnen danach zumute ist.«

Buckhurst griff mit spitzen, augenscheinlich angeekelten Fingern zu und riß den Pfeil aus seinem Oberarm. Dann plumpste er fassungslos zurück in seinen Sessel, während Parker, der inzwischen am Schreibtisch stand, die Lade öffnete und einen 38er hervorholte. Er ließ das Mordwerkzeug in der rechten Tasche seines schwarzen Zweireihers verschwinden.

»War – der Pfeil – vergiftet?« hechelte Buckhurst und sah den Butler aus großen, entsetzten Augen an.

»In einem gewissen Sinn muß ich Ihre Frage bejahen«, erwiderte der Butler korrekt. »Ich bin aber in der erfreulichen Lage, Sie mit einem Gegengift zu versorgen.«

»Schnell«, keuchte Buckhurst.

»Darf ich dafür mit Ihrem Entgegenkommen rechnen?« erkundigte sich Parker.

»Ja! Schnell, das Gegengift!« Der Mann rieb sich die brennende Einstichstelle und fühlte sich bereits schwach und hilflos.

»Wo kann ich Miß Saxon finden?«

»Ich weiß nicht, wovon Sie reden.« Er bäumte sich noch mal gegen sein Schicksal auf.

»Dann werden Sie gestatten, daß ich mich empfehle«, gab der Butler ungerührt zurück und lüftete seine Melone. »Ein guter Arzt, der aber Spezialist für Tropengifte sein sollte, wird Ihnen sicher helfen können.«

»Nein! Bleiben Sie! Die Kleine liegt im Dachgeschoß. Schnell, jetzt das Gegengift!«

Er streckte seine Arme in Richtung Parker aus, ließ sie aber plötzlich sinken, kämpfte gegen die bleierne Schwere seiner Augenlider an und – schlief dann ohne Übergang ein. Ein diskretes Schnarchen zeigte an, daß er sich bereits in den Armen eines gewissen Morpheus befand.

Parker sah sich nach einem geeigneten Platz um, wo Lou Buckhurst für eine gewisse Zeit verschwinden konnte. Er sollte von eventuell auftauchenden Angestellten unten aus dem Club nicht in diesem Zustand gefunden werden. Der Butler, durch und durch ein praktisch denkender Mann, entschied sich, für den Spei-senaufzug, dessen Schacht er im Treppenhaus gesehen hatte.

*

Buckhurst hatte in seiner Todesangst nicht gelogen.

Parker erreichte das Dachgeschoß des schmalbrüstigen Hauses und hatte es mit einer Wohnungstür zu tun, die verschlossen war. Nun, so etwas war für ihn noch nie ein Hindernis gewesen. Der Butler brauchte wiede-rum nur wenige Sekunden, bis er die Tür geöffnet hatte.

Es war sein Glück, daß er so geräuschlos und gekonnt gearbeitet hatte.

Als er nämlich die Tür vorsichtig aufdrückte, entdeckte er in dem dahinterliegenden Korridor einen Mann, der auf einem Stuhl saß und augenscheinlich schlief.

Auf Zehenspitzen pirschte Parker sich an den Ruhebedürftigen heran und grüßte ihn auf seine Weise. Er legte die stahlgefütterte Wölbung seiner schwarzen Melone auf den Kopf des Mannes, der daraufhin in sich zusammenrutschte, vom Stuhl glitt und dann auf dem Boden weiterschlief.

Bevor Parker sich mit der eben noch bewachten Tür befaßte, kontrollierte er die übrigen Räume, die spar-tanisch einfach eingerichtet waren. Es gab nur wenig Mobiliar, dafür aber überraschend viele Betten. Wahr-scheinlich diente das Obergeschoß als Quartier für die engsten Mitarbeiter Buckhursts.

Da in dem Etablissement des Gangsters um diese späte Nachtzeit der eigentliche Betrieb erst richtig los-ging, waren die Räume leer. Die Angestellten befanden sich an ihren Arbeitsplätzen und kassierten für ihren Chef.

Parker widmete sich der bewachten Tür.

Er sperrte das Schloß auf, der Schlüssel war vorhanden, öffnete die Tür und entdeckte auf einem Bett Mandy Saxon.

Sie sah nicht mehr attraktiv aus.

Ihr Gesicht war stark angeschwollen. Man schien die junge Frau mit einer Serie von Ohrfeigen traktiert zu haben. Das linke Auge war sogar geschlossen und wies bereits einige Regenbogenfarben auf.

Das Kleid war zerrissen.

Auf der sonst gepflegten Haut waren häßliche, kleine Brandwunden zu sehen. Man schien die junge Frau zusätzlich noch mit glühenden Zigaretten befragt zu haben.

Parker war ehrlich empört.

Es spielte für ihn überhaupt keine Rolle, daß Mandy Saxon mit größter Wahrscheinlichkeit einige Unge-setzlichkeiten geplant hatte. Sie war schließlich eine Frau, mit der man in dieser Form nicht umspringen durf-te.

Mandy Saxon, die vor Erschöpfung eingeschlafen war, wachte plötzlich auf. Sie schien gemerkt zu haben, daß Sie beobachtet wurde. Sie bäumte sich auf und wollte schreien, doch das Pflaster, das man ihr quer über den Mund geklebt hatte, hinderte sie daran. Sie war übrigens an Händen und Füßen gefesselt. Unnötig bru-tal, wie Parker feststellte, als er die Stricke durchschnitt.

Mandy Saxon hatte den Butler inzwischen erkannt und schluchzte vor Erleichterung auf.

»Ich werde Ihnen ein wenig weh tun müssen«, bedauerte Parker und deutete auf das Pflaster.

Sie nickte.

Parker beeilte sich, dieses Pflaster von ihrem Mund herunter zu bekommen. Sie hatte Tränen in den Au-gen, als er es geschafft hatte. Sie richtete sich mit seiner Hilfe auf und schluchzte hemmungslos.

»Werden Sie gehen können, Miß Saxon?« fragte er.

»Ich – Ich weiß nicht.« Sie stellte sich mit Parkers Hilfe auf ihre Beine und mußte sich an ihm festhalten. Sie biß die Zähne zusammen und zeigte, daß sie wollte. Nach wenigen Schritten ging es tatsächlich schon wesentlich besser.

»Wie haben Sie mich gefunden?« fragte sie.

»Darüber später mehr«, wehrte der Butler ab. »Noch befinden wir uns nicht in Sicherheit, Miß Saxon.«

»Lebt Paul? Ich meine, Mister Hamlin?«

»Sie können völlig beruhigt sein, Miß Saxon. Vor einer Stunde habe ich noch mit ihm gesprochen.«

»Sie – sie waren schrecklich«, erinnerte sich Mandy Saxon.

»Die beiden Männer, die Sie entführt haben?«

Mandy nickte nur.

Parker hob abwehrend die Hand, als sie weiterreden wollte. Er glaubte, auf der Treppe ein Geräusch ge-hört zu haben.

»Warten Sie«, sagte er leise zu ihr. Dann ging er schnell, aber dennoch würdevoll durch den Korridor der Wohnung zur Tür und sah ins Treppenhaus.

Zwei Männer waren auf der Treppe zu sehen, die hach oben kamen. Sie waren augenscheinlich ahnungslos und unterhielten sich miteinander. Parker drückte vorsichtig die Tür an und hielt Ausschau nach einer Waffe, die zugleich geräuscharm und effektiv sein sollte.

Sein suchendes Auge blieb im übertragenen Sinne an einem veritablen Feuerlöscher hängen.

*

Es waren zwei Seelords, die sich leicht angetrunken näherten und knapp vor Kathy Porter stehenblieben.

»Hallo, Süße«, sagte der erste Seelord Ihrer Admiralität unternehmungslustig und zwinkerte Kathy an.

»Hallo, Puppe«, sagte der zweite Seelord Ihrer Admiralität und grinste. »Wie wär’s denn mit uns dreien?«

Beide Männer hatten Mylady übersehen, die in einem Hausflur stand. Sie mußten die Situation gründlich mißverstehen, hielten sie Kathy Porter doch in Anbetracht der späten Nachtstunde für eine Bordstein-schwalbe.

»Wie wär’s denn mit uns vieren?« ließ Lady Agatha sich vernehmen und zeigte sich. Sie wirkte sehr grimmig und unternehmungslustig.

Die beiden Seelords schnappten nach Luft, als sie die resolute Dame sahen, die wie eine kampfbereite He-roine auftrat.

»Be – besser nicht«, stotterte der erste Seelord und trat den Rückzug an.

»Du bist mir zu sexy«, stellte der zweite Seelord fachmännisch fest und schloß sich der Handlungsweise seines Partners an.

»Lümmel«, schleuderte Agatha Simpson den beiden Männern nach, wobei ihre Stimme allerdings ein we-nig amüsiert klang. Sie wollte sich gerade an Kathy Porter wenden, als zwei sehr gedämpfte Schüsse zu hö-ren waren, die wie Fehlzündungen eines Automotors klangen.

»Es ist soweit«, stellte Agatha Simpson fest. »Tun wir etwas zu seiner Entlastung, Kindchen. Und zu un-serer Freude. Haben Sie die Steine?«

Kathy Porter nickte und hob ihre Umhängetasche an. Sie öffnete sie und reichte Mylady einige dicke Kie-selsteine.

»Sie hätten ruhig etwas schwerer sein können«, stellte Mylady fachmännisch fest. »In meiner Jugend nahmen wir doppelt so große …«

Sie hatte einen Stein in der rechten Hand, wog ihn und warf ihn dann überraschend wurfstark quer über die Straße in das Fenster der ersten Nachtclubetage.

Klirrend barst die Scheibe entzwei.

»Treffer«, kommentierte Agatha Simpson. »Ich habe es doch tatsächlich noch nicht verlernt!«

*

Die beiden Männer waren stocksauer.

Was zu verstehen war, denn sie glichen Schneemännern. Zudem brannte ihnen der Feuerlöschschaum in den Augen und nahm ihnen die genaue Sicht.

Sie waren ahnungslos bis an die Tür gekommen und dann von Josuah Parker überrascht worden. Er hatte ihnen den reichlichen Inhalt eines Feuerlöschgeräts entgegengespritzt und sie so völlig verunsichert. Sie hat-ten wie wild um sich geschlagen, waren ausgerutscht und dann durch den Bambusgriff eines Universal-Regenschirms über die Stufen nach unten befördert worden.

Hier hatten sie sich erst mal den Löschschaum aus den Augen gewischt, sich ausgehustet und dann auf ih-re Schußwaffen besonnen. Jetzt standen sie auf dem Treppenabsatz in Deckung und feuerten hinauf zur Wohnungstür, wo Parker für einen Moment erschienen war.

Der Butler ließ sich aber keineswegs aus der Ruhe bringen.

»Sie brauchen keine Angst zu haben, Miß Saxon«, sagte er. »Wenn Sie einverstanden sind, benutzen wir die angrenzenden Dächer als Notausgang.«

»Nur weg von hier«, sagte sie, zitternd vor Nervosität und echter Angst.

»Vorher möchte ich aber noch dafür sorgen, daß die Verfolger nicht zu dicht aufschließen«, meinte der Butler würdevoll. »Man soll es seinen Gegnern nie zu leicht machen.«

Er schob Mandy in die Küche der Wohnung, an die sich ein kleiner Dachgarten anschloß, wie er bei der ersten Besichtigung bereits festgestellt hatte.

Dann sah er sich in aller gebotenen Ruhe nach geeigneten Gleitmitteln um, mit denen er die Treppe un-brauchbar machen konnte. Er verwarf die Verwendung von Speiseöl, da die Vorräte nicht gerade üppig wa-ren. Erdnußbutter und Kochfett schieden ebenfalls aus. Dafür entdeckte er aber in einem Wandschrank ei-nen ansehnlichen Kanister, der mit einem Bodenpflegemittel gefüllt war.

Parker goß den Inhalt in einen Putzeimer und nickte wohlwollend dazu. Das Bodenpflegemittel erwies sich als flüssiges Bohnerwachs. Ein besseres Gleitmittel hätte man ihm gar nicht geben können.

Er hatte keine Angst, daß die beiden Gangster inzwischen die Wohnungstür erreichten.

Er kannte Burschen dieser Art und wußte um ihre Vorsicht. Zudem fehlte ihnen der Chef, der klare Be-fehle erteilte. Ohne Kommandos waren solche Männer mehr oder weniger hilflos.

Nachdem Parker das Bodenpflegemittel umgefüllt hatte, ging er zurück in den Korridor und drückte sich gegen die Wand, um gegen einen Schuß abgesichert zu sein. Dann schüttete er den Inhalt des Eimers mit viel Schwung und Treffsicherheit ins Treppenhaus hinunter.

Sein Plan ging auf.

Das dünne Pflegemittel schwappte über die Stufen und seifte sie gründlich ein. Wer jetzt heraufsteigen wollte, mußte mit gewissen Schwierigkeiten rechnen.

»Ich möchte mir erlauben, Ihnen einen guten Rat zu erteilen«, rief der Butler den beiden Schützen dann zu. »Ein einziges Streichholz dürfte vollends ausreichen, die Treppe in Brand zu setzen. Und damit wahr-scheinlich auch das Haus. Besprechen Sie sich also lieber mit Mister Buckhurst. Sie werden ihn im Speisen-aufzug finden.«

Im Treppenhaus wurde es augenblicklich still.

Parkers Warnung schockte.

Der Hinweis auf den Chef, der im Speisenaufzug stecken sollte, machte die beiden Männer leicht stutzig. Sie zogen sich zurück und waren nach wenigen Sekunden schon nicht mehr zu sehen. Parker ging in die Kü-che, wo Mandy Saxon auf ihn wartete. Sie sah ihn aus großen, hilflosen und entsetzten Augen an.

»Wenn ich bitten darf, Miß Saxon.«

Parker bot ihr höflich und korrekt seine Hand. Er trat mit Mandy auf den Dachgarten hinaus und deutete auf die hintere Brüstung. Von hier aus war es nicht schwer, auf das Dach des früheren Kinos zu steigen. Und von dort aus erreichte man wieder ohne große Schwierigkeiten benachbarte Flachdächer, die sich dann in der Dunkelheit verloren.

»Was ist das?« fragte Mandy. Deutlich war das Klirren und Splittern von Fensterscheiben zu hören.

»Ich möchte behaupten, daß Lady Simpson ein Ablenkungsmanöver durchführt«, erwiderte Parker, wobei er sich ein feines Schmunzeln gestattete. »Hoffentlich beschränkt Mylady sich nur auf die Scheiben des Pri-vatclubs!«

*

Buckhurst wurde aus dem Speisenaufzug geborgen und sah seine Mitarbeiter aus glasigen Augen an. Seine Zunge war schwer wie Blei, sein Mund ausgetrocknet wie eine verlassene Wasserstelle in der Sahara.

»Chef! Oben in der Wohnung ist’n Spitzel«, sagte einer der beiden Männer.

»Parker …« formulierte Buckhurst mühsam. »Erledigen … Alle!«

Sie hatten jetzt einen klaren Befehl und waren zudem noch von drei Kellnern aus dem Privatclub verstärkt worden. Gewiß, sie alle waren nervös, weil die Fensterscheiben am laufenden Band eingeworfen wurden, aber sie wußten endlich, was sie zu tun hatten.

Während Buckhurst träge zusammenzuckte, sobald eine Scheibe zu Bruch ging, marschierten die Ganoven zurück ins Treppenhaus und leiteten ihren Angriff ein.

Die Stufen erwiesen sich als ungemein glitschig. Es hatte auch keinen Sinn, sich am Treppengeländer fest-zuhalten. Parker hatte das Parkettreinigungsmittel derart schwungvoll und gekonnt verschüttet, daß auch das Geländer eingeölt war.

Wie auf rohen Eiern gehend, so arbeiteten die Männer sich vorsichtig nach oben. Und wurden etwas zu kühn, als vorerst nichts passierte. Der Wortführer der Ganoven wurde noch kühner, wollte in einer Aufwal-lung von Energie zwei Stufen auf einmal nehmen und – rutschte ab.

Eine Seilschaft in einer Steilwand der Alpen hätte nicht konsequenter abstürzen können.

Der rutschende Ganove warf die Arme hoch in die Luft, wollte sich sinnloserweise an irgendwelchen Par-tikelchen festhalten und fiel dann rücklings gegen seine Begleiter, die jeden Halt verloren.

Wie in einer Kettenreaktion rauschten die Männer über die glitschigen Stufen nach unten, wobei sie kunstvolle Freiübungen zeigten. Sie umschlangen sich gegenseitig mit ihren Armen und Beinen, stießen dazu halbirr klingende Schreie aus und fanden sich alle unten an der Treppe wieder.

Über- und untereinander.

Erstaunlicherweise gab es keine Knochenbrüche. Es blieb bei Prellungen und Verstauchungen, auf die Buckhurst aber keine Rücksicht nahm.

Er hatte sich mühevoll hochgearbeitet, um den Einsatz seiner Leute zu leiten.

Er hing müde und abgeschlafft in der zweiten Etage an der Wand und deutete im Zeitlupentempo nach oben.

»Los, schnell!« sagte er mit ungemein schwerer Zunge. »Macht sie fertig!«

Die Mitarbeiter des Gangsterchefs taten überaus begeistert, aber sie rissen sich ab sofort kein Bein mehr aus. Sie gingen es sehr langsam an und brauchten insgesamt etwas sechs Minuten, bis sie die erste Hälfte der Treppe geschafft hatten.

Worauf sie übrigens recht stolz waren. Wie Gipfelstürmer nach einer Erstbesteigung. Und aus psycholo-gisch verständlichen Gründen legten sie hier erst mal eine kleine Verschnaufpause ein, um ihren Erfolg zu genießen.

Buckhurst störte sie nämlich nicht mehr.

Unter der Einwirkung des Präparates an der Pfeilspitze war er im zweiten Stock wieder eingeschlafen.

*

Agatha Simpsons Begeisterung war an der Menge der zertrümmerten Fensterscheiben abzulesen.

Wie Parker es bereits vermutet hatte, waren die Kieselsteine nicht nur in den Scheiben des Privatclubs ge-landet. Mylady, von ihrem Schwung mitgerissen, hatte auch einige andere, sozusagen unschuldige Fenster eingeworfen.

Jetzt stand sie allerdings empört am Straßenrand und sah den uniformierten Beamten zweier Streifenwa-gen zu, die nach dem Täter suchten, beziehungsweise sich gerade Einlaß in den Club verschafften.

Vor dem Eingang hatte sich eine mittelgroße Menschenansammlung gebildet: Nachtschwärmer, Touristen, Personal aus den umliegenden Bars und Gaststätten, Angetrunkene und Damen horizontalen Gewerbes.

»Unerhört, dieser Vandalismus«, beschwerte sich Lady Simpson lautstark. »Das ist reine Zerstörunglust!«

»Mylady«, bangte Kathy Porter leise und mahnend. »Bitte, nicht so laut.«

»Aber das muß doch mal gesagt werden«, empörte die Sechzigjährige sich weiter. Sie wandte sich ab und entdeckte den Butler, der aus einer schmalen Seitengasse kam. Parker wurde von Mandy Saxon begleitet, die sich ängstlich an ihn drückte.

»Einen Moment mal, die Dame …«

Neben Mylady erschien ein Bobby, der sie streng musterte.

»Sie wünschen?!« Agatha wirkte streitbar und funkelte den Bobby an.

»Sie sollen die Steine geworfen haben«, stellte der Bobby grimmig fest.

»Und wer behauptet das?«

»Dort, der Mann!«

»Sie Flegel«, stellte Agatha Simpson fest.

»Wie bitte?« Der Bobby war nicht nur irritiert, er wurde auch ärgerlich.

»Nicht Sie. Dort der Mann – Sie Lümmel!«

»Er will es genau gesehen haben.«

»Tölpel«, sagte Mylady.

»Meinen Sie mich?« Der Bobby kam aus der Verwirrung nicht heraus. Er hatte selbstverständlich sofort gemerkt, daß er es mit einer Dame zu tun hatte. Agatha Simpson strahlte die Würde einer Herzogin aus, wenn sie es wollte. Dann wirkte sie unnahbar und sehr kühl.

»Falls ja, würde ich es Sie wissen lassen«, gab Mylady zurück. »Ihr Zeuge muß angetrunken sein. Wie soll eine alte und schwache Frau in der Lage sein, Steine zu werfen.«

»Aber ich hab’s gesehen«, sagte der Zeuge, der näher getreten war. »Mit eigenen Augen.«

Agatha Simpson nahm etwas ihren Kopf zurück. Dem Mann flatterte eine massive Alkoholfahne voran. Er baute sich noch näher vor der Detektivin auf und wollte sie antippen.

Er hätte es besser nicht getan.

Agatha Simpsons Schuhgröße war beachtlich. Ihre Füße steckten aus Gründen der Bequemlichkeit nur zu oft in derben Schuhen. Wie jetzt und hier.

Agatha Simpson stellte ihren linken Fuß auf die Zehen des Zeugen. Ganz zufällig und scheinbar unbeab-sichtigt.

Worauf der Zeuge sich deutlich verfärbte und nach Luft schnappte.

»Ist Ihnen nicht gut?« erkundigte sich Mylady höflich.

»Mein … meine Zehen«, stotterte der beeindruckte Zeuge und drückte seine Hände gegen Myladys Leib, um sich von ihr zu befreien.

»Sie Lüstling!« grollte die ältere Dame und verabreichte dem Mann eine Ohrfeige. »Schämen Sie sich nicht, eine Dame unsittlich anzufassen?«

Der Zeuge bekam seinen Fuß frei, rieb sich die Wange und – ergriff die Flucht.

»Haltet den Dieb«, sagte die Detektivin und deutete auf den fliehenden Mann.

»Wieso Dieb?« Der Bobby schien nicht gerade eine Zierde seines Berufsstandes zu sein.

»Im übertragenen Sinn«, klärte Agatha Simpson ihn auf. »Wer flüchtet, hat nur zu oft ein schlechtes Ge-wissen.«

Jetzt ging dem Bobby allerdings ein Licht auf, und er reagierte dementsprechend. Er setzte sich in Trab und leitete die Verfolgung des Zeugen ein, der übrigens deutlich sichtbar humpelte. Seine Zehen schienen die Belastung durch Mylady noch nicht ganz verdaut zu haben.

*

»Sie sehen ja schon wieder recht manierlich aus«, stellte Lady Simpson fest, als Mandy Saxon aus dem Badezimmer kam. Sie hatte sich ausgiebig erfrischt, dennoch waren ihr die Spuren der harten Befragung noch deutlich anzusehen.

Kathy Porter hatte ihr ein Kleid geliehen, das sich über die üppigen Formen der Monroe-Kopie spannte.

»Ein Schluck wird Ihnen guttun, Kindchen«, behauptete Agatha Simpson und winkte Parker herbei, der bereits für die entsprechenden Erfrischungen gesorgt hatte. Mandy Saxon ließ sich nicht lange nötigen und trank das Sherryglas leer. Dann nahm sie etwas schüchtern in einem Sessel Platz.

»Genug der Höflichkeiten«, sagte Mylady jetzt energisch. »Kommen wir zur Sache!«

»Was meinen Sie damit, Mylady?« Mandy Saxon war von Lady Simpson sehr beeindruckt.

»Wieso behaupteten Sie, der Sex-Report sei Ihnen von mir und meinem Butler gestohlen worden?«

»Aus Angst, Lady Simpson«, räumte Mandy Saxon ein. »Was sollte ich denn sonst tun? Sie ahnen ja nicht, wie brutal und sadistisch die beiden Gangster waren.«

»Wäre es nicht besser gewesen, das Manuskript herauszugeben?« schaltete der Butler sich ein. »Oder darf ich von der Tatsache ausgehen, daß dieses Manuskript überhaupt nicht existiert?«

Mandy Saxon ließ sich Zeit mit der Antwort.

Sie sah zuerst verlegen zu Boden, studierte ausgiebig das Muster des Teppichs, interessierte sich dann für die Kassettendecke und druckste ein wenig herum.

»Verplempern Sie nur nicht meine Zeit«, erklärte Agatha Simpson grimmig. »Heraus mit der Sprache, Kindchen!«

»Ich – ich habe es noch nicht geschrieben«, gestand Mandy Saxon ein wenig verlegen und verschämt, »aber ich werde es bald tippen, mein Wort darauf!«

»Auch nach diesem Ärger?« wollte Agatha Simpson weiterhin wissen.

»Doch, ja. – Vielleicht.«

»Haben Sie überhaupt schon einen Verleger?«

»Noch nicht, aber einige Angebote.« Die Antwort kam etwas zu schnell. Mandy Saxon schien zu schwin-deln.

»Worauf lief das alles wirklich hinaus?« stellte die Detektivin die Kernfrage. »Wollen Sie sich nicht dafür bezahlen lassen, dieses Manuskript eben nicht zu schreiben?«

Der Teppich war wieder an der Reihe, dann die Kassettendecke. Und zur Abwechslung und Ausweitung befaßten Mandy Saxons Augen sich jetzt zusätzlich noch mit einem wunderschön gearbeiteten, alten Maha-goni-Sekretär.

»Die Antwort«, verlangte die resolute Dame ein wenig laut.

»Ich weiß es selbst nicht«, redete Mandy Saxon sich heraus. »Paul war der Ansicht …«

»Paul Hamlin?« unterbrach Kathy Porter.

»Paul Hamlin«, bestätigte die Monroe-Kopie. »Er war der Ansicht, daß man sich bei den Personen, die ich erwähnen will, zuerst mal die Erlaubnis einholen sollte, ob man auch deren Namen nennen dürfte.«

»Ein geschicktes Verfahren«, lobte Lady Simpson abfällig.

»Aber keine Erpressung. Über Schweigegeld wurde nie geredet«, sagte Mandy Saxon hastig. »Mein Eh-renwort, Mylady. Das hätte ich niemals zugelassen.«

»Ich möchte Zahlen hören«, forderte die Detektivin in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. »Wie viele Personen wurden angeschrieben?«

»Paul besorgte das per Telefon. Das überließ, ich immer ihm. Ich genierte mich, wenn Sie mich verstehen.«

»Wie viele Namen?«

»Über ein Dutzend, Mylady.« Mandy senkte den Kopf und schämte sich wieder ein wenig.

»Und alle Herren waren der Ansicht, daß ihre Namen nicht genannt werden müßten, oder?«

»Alle!« Mandy Saxon nickte.

»Und was bot man Ihnen im Schnitt?«

»Da Sie dabei sind, reinen Tisch zu machen, sollten Sie auch das nicht verschweigen«, warf der Butler ein. »Ihre Ehrlichkeit wird Myladys Bereitschaft fördern, Sie zu beschützen.«

»Im Schnitt vielleicht 5000 Pfund.« Jetzt genierte sie sich tatsächlich.

»Recht beachtlich«, stellte Agatha Simpson fest. »War Mister Buckhurst ebenfalls einer Ihrer früheren Begleiter?«

»Nein, natürlich nicht.«

»Er will also mit Ihrem Sex-Report nur erpressen, nicht wahr?«

»Bestimmt!« pflichtete die Monroe-Kopie der Lady bei. »Ich kenne diesen Buckhurst überhaupt nicht.«

»Bleibt noch ein kleines, aber wichtiges Detail«, sagte der Butler gemessen. »Auch die Antwort darauf sollten Sie Mylady nicht schuldig bleiben, Miß Saxon.«

»Ich will reinen Tisch machen.«. Sie sah ihn unsicher an.

»Wer schoß auf Sie, als Sie vor der Staffelei standen?«

»Paul Hamlin.« Sie schämte sich und war verlegen.

»Und warum?«

»Um Pressemeldungen zu lancieren«, lautete ihre Antwort. »Einige Interessenten an meinem Manuskript zögerten die Zahlungen hinaus oder wollten von ihrem Angebot plötzlich nichts mehr wissen.«

»Wer der Bogenschütze ist, ahnen Sie?«

»Nein. Eben nicht! Paul und ich waren völlig entgeistert. Seitdem wußten wir, daß wir den Bogen viel-leicht etwas überspannt hatten.«

»Ein treffender Vergleich«, stellte Mylady fest. »Reden wir nicht mehr von Ihrer Absicht. Oder von der dieses Hamlin. Ist er übrigens Ihr Freund?«

»Wir wollen eines Tages heiraten«, sagte sie hoffnungsfroh.

»Es geht nichts über einen gesunden Optimismus«, reagierte die Detektivin trocken. »Wann lernten Sie ihn kennen?«

»Vor einigen Monaten, als ich in einem Nachtclub arbeitete. Ich bin nämlich Sängerin, müssen Sie wis-sen.«

»Dann ging die Idee, diesen Sex-Report zu schreiben, also von Hamlin aus?«

»Er überredete mich dazu, Mylady. – Mein Ehrenwort!«

»Schon gut, schon gut, überstrapazieren Sie Ihre Ehre nicht zu sehr, Kindchen. Sie mieteten den Landsitz von Sir Robert Panham?«

»Er stellte ihn mir zur Verfügung.«

»Einer Ihrer früheren Bekannten also?«

»Nur für einige Wochen, dann trennten wir uns wieder.«

»Ich wäre Ihnen für eine vollständige Liste der Personen dankbar, die Sie in Ihrem Report nicht erwähnen wollen«, schaltete der Butler sich wieder diskret ein.

»Werden Sie mir auch wirklich helfen?« erkundigte sich Mandy bei Lady Simpson, um dann auch Parker mit einem hilfeflehenden Blick anzusehen.

»Dies hat Mylady Ihnen ja bereits zugesichert«, erwiderte der Butler.

»Ich will mit dem ganzen Sex-Report nichts mehr zu tun haben«, erklärte die Monroe-Kopie. »Ich weiß jetzt, auf was ich mich da eingelassen habe.«

»Eine löbliche Absicht«, stellte der Butler fest. »Ihre früheren Bekannten werden das sicher zu schätzen wissen.«

»Ich werde der Presse mitteilen, daß ich den Report nicht schreiben werde«, steigerte Mandy Saxon ihren Entschluß.

»Dazu wird es allerdings bereits zu spät sein«, sagte Josuah Parker. »Buckhurst glaubt an die Existenz die-ses Reports und nimmt an, daß er sich inzwischen in Myladys Hand befindet. Mit einem Dementi würde man nichts erreichen.«

»Es tut mir ja so leid, daß ich Ihnen solche Schwierigkeiten gemacht habe«, bedauerte Mandy zerknirscht.

»Papperlapapp«, entschied Agatha Simpson abwinkend. »Dadurch kommt endlich etwas Abwechslung in mein Leben. Sie ahnen ja nicht, wie angeregt ich mich fühle.«

Agatha Simpson hatte keine Ahnung, welche Abwechslungen ihr noch bevorstanden, sonst hätte sie wahr-scheinlich anders geurteilt.

*

Paul Hamlin machte einen äußerst ramponierten Eindruck.

Er schien mit seinem Gesicht unter eine Straßenwalze geraten zu sein. Die Nase hatte plötzlich einen leich-ten Knick nach links, sein rechtes Ohr war mittels einiger Heftpflaster an den Kopf zurückgedrückt worden. Die Lippen wirkten wulstig, und der Unterkiefer war eindeutig geschwollen.

Nachdem Parker am Portal des Landsitzes geläutet hatte, waren lange Sekunden vergangen, bis Hamlin sich hinter der geschlossenen Tür gemeldet hatte. Erst nach Nennung seines Namens war die Tür vor Parker spaltbreit geöffnet worden. Er hatte in die Mündung einer Pistole sehen dürfen.

Verständlich, daß Miß Saxons Begleiter nach der Behandlung durch die beiden Gangster sehr vorsichtig geworden war.

»Wissen Sie, wo Mandy, ich meine, Miß Saxon ist?« fragte er, nachdem er den Butler eingelassen hatte.

»Wurden Sie während der Nacht belästigt?« stellte Parker seine Gegenfrage.

»Hier hat sich nichts getan«, erwiderte Hamlin. Der breitschultrige Modellathlet machte einen sehr nervö-sen Eindruck.

»Dann können Sie von Glück sagen«, meinte Parker. »Mister Buckhurst, dessen Name Ihnen ja nicht ganz unbekannt sein dürfte, sucht nach Ihrer Freundin Saxon.«

»Wo ist sie?«

»In Sicherheit«, beschied der Butler ihm. »Die genaue Adresse spielt keine Rolle, Mister Hamlin. Was Sie nicht wissen, werden Sie auch nie verraten können.«

»Verraten können!?« Hamlin wirkte bestürzt.

»Buckhursts Leute werden zurückkommen und Ihnen Fragen stellen«, prophezeite der Butler. »Miß Saxon ist für einen Gangster ein Vermögen wert, aber wem sage ich das, nicht wahr?«

»Worauf wollen Sie hinaus?«

»Miß Saxon war so anständig, sich Mylady anzuvertrauen«, antwortete der Butler, »in allen Einzelheiten. Mister Buckhurst wird also versuchen, Miß Saxon wieder in seine Gewalt zu bekommen. Einzelheiten ihrer Befreiung teilte ich Ihnen ja heute morgen am Telefon mit.«

»Meinen Sie, er würde seine Schläger auf mich hetzen?« fragte der ramponierte Modellathlet.

»Mit letzter Sicherheit«, sagte Parker. »Er muß doch annehmen, daß gerade Sie den Aufenthaltsort Ihrer Freundin kennen.«

»Da steig’ ich aus«, murmelte der Breitschultrige. »Da spiel’ ich nicht länger mit. Ich bin doch kein Selbstmörder. Ich setz’ mich ab. Ich hab’s doch nicht nötig, mich wegen dieser kleinen Nutte durch die Mangel drehen zu lassen.«

»Ihre Ausdrucks weise findet nicht meine Billigung«, erwiderte Parker.

»Ist mir doch gleichgültig«, brauste Hamlin auf. »Nennen wir das Kind doch beim Namen. Zuerst hat sie sich mit all diesen Typen rumgetrieben, und dann wirft sie sich mir an den Hals. Nee, ich steig’ aus. Und das mit dem Sex-Report, das war ihre Idee. Und ich Trottel fall’ auch noch auf so was rein. Ohrfeigen müßte ich mich!«

»Wenn Sie darauf bestehen, werde ich das gern übernehmen«, bot der Butler seine Hilfe an und ließ die Tat umgehend folgen. Hamlin starrte den Butler entgeistert an, als er sich zwei Maulschellen eingefangen hatte, wich zurück und wirkte weinerlich. Er dachte nicht im Traum daran, sich seiner Waffe zu bedienen, die er noch immer in der Hand hielt. Er war wohl zu entnervt dazu.

»Ich hoffe, Sie waren zufrieden«, fragte der Butler höflich und klopfte seine Fingerspitzen, die in schwar-zen Handschuhen steckten, andeutungsweise gegeneinander ab.

»Was soll das?« beschwerte sich Hamlin.

»Ich entsprach nur Ihrem Wunsch«, setzte Parker ihm höflich auseinander, »übrigens freudig, wie ich ge-stehen möchte. Die Gründe hierfür können Sie sich selbst ausrechnen.«

»Merken Sie denn nicht, daß Sie sich von der Saxon haben einwickeln lassen?« beschwerte sich Hamlin weiter. »Die hat Ihnen die Hucke vollgelogen. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, ihre früheren Freunde zu erpressen. Ja, zu erpressen! Mandy hat noch nie daran gedacht, auch nur eine einzige Zeile zu schreiben. Sie kann ja kaum ihren Namen richtig schreiben.«

»Sie sollten das suchen, was man gemeinhin das Weite nennt«, deutete Josuah Parker an. »Wenn mich nicht alles täuscht, werden Mister Buckhursts Mitarbeiter bald hier erscheinen und nach Miß Saxon fahn-den.«

»Zum Teufel mit Mandy. Ich verschwinde.« Er steckte seine Waffe weg und hatte es plötzlich sehr eilig.

»Eine Frage noch, Mister Hamlin: Wer schoß auf Miß Saxon, als sie vor der Staffelei stand?«

»Sie hat mich dazu angestiftet«, behauptete Hamlin. »Von allein wär’ ich auf so etwas doch nie gekom-men.«

»Draußen scheint ein Wagen zu halten«, warnte Parker und horchte gespielt angestrengt in Richtung Tür.

Hamlin nahm sich noch nicht mal die Zeit, sich von dem Butler zu verabschieden oder ein paar Habselig-keiten mitzunehmen. Er spurtete zur Terrassentür, riß sie auf und rannte nach draußen.

Er kam nicht weit.

Als ein erstickter Aufschrei zu hören war, wußte der Butler, daß etwas passiert war.

Er trat vorsichtig hinaus und entdeckte Hamlin, der zitternd vor Angst hinter einem Pfeiler hockte. Der Mann stöhnte, was mit dem Sportpfeil zusammenhing, der in seinem rechten Oberschenkel zu sehen war.

*

»Wohin haben Sie dieses Subjekt geschafft?« wollte Agatha Simpson wissen, als Parker zurück in ihr Stadthaus gekommen war.

»Mister Hamlin befindet sich in guter Obhut«, berichtete Parker. »Er liegt in einem Hospital in der Innen-stadt. Darf ich fragen, Mylady, ob sich hier inzwischen etwas getan hat?«

»Eben nicht«, beschwerte sich Parkers Herrin. »Dieser Buckhurst enttäuscht mich auf der ganzen Linie. Normalerweise hätten seine Handlanger doch längst hier auftauchen müssen.«

»Ich darf Mylady versichern, daß diese Handlanger noch mit Sicherheit erscheinen werden«, gab der But-ler beruhigend zurück. »Ein Mann wie Mister Buckhurst steckt keine Niederlage ein, ohne sich dafür zu rä-chen.«

»Das klingt ja durchaus erfreulich«, stellte die Detektivin fest. »Was machen wir mit den beiden Flegeln unten im Keller! Haben Sie sich schon etwas einfallen lassen?«

»Ich muß bedauern, Mylady.«

»Ich hätte da sehr interessante Vorschläge zu machen«, erklärte Agatha Simpson angeregt. »Man könnte sie als Luftfracht in die Staaten verschicken. Oder ihnen eine Seereise nach Australien verschaffen. Man könnte auch …«

»Die beiden Herren werden freiwillig das Weite suchen und wahrscheinlich nicht zurück zu Mister Buck-hurst gehen, Mylady.«

»Warum sollten Sie?«

»Aus Angst vor ihrem Chef, Mylady. Sie haben geschwatzt, wenn ich es so umschreiben darf. So etwas verzeiht ein Buckhurst nicht.«

»Ich verlasse mich da ganz auf Ihre Erfahrung, Mister Parker. Tun Sie, was Sie für richtig halten! Bleibt noch unser Gast, diese Saxon.«

»Sie stirbt vor Angst«, warf Kahty Porter ein.

»Schadet diesem Flittchen überhaupt nichts«, sagte Agatha Simpson. »Warum gab sie sich auch für diese geplanten Erpressungen her. Müssen wir sie nicht der Polizei übergeben, Mister Parker?«

»Normalerweise ja«, räumte der Butler ein, »doch ich erlaube mir, auf jene Herren hinzuweisen, die von ihr zur sprichwörtlichen Kasse gebeten werden sollten. Sie müßten dann zur Sache aussagen und laufen Ge-fahr, in der Presse genannt zu werden.«

»Daß ich daran nicht gedacht habe«, ärgerte sich Mylady. »Kehren wir diese Affäre also unter den Tep-pich.«

»Miß Saxon ist natürlich nach wie vor sehr gefährdet«, redete der Butler weiter. »Wenn sie in die Hand Mister Buckhursts fällt, wird man sie zwingen, ihre intimen Kenntnisse preiszugeben.«

»Was schlagen Sie also vor?«

»Vielleicht sollte man Miß Saxon Gastrecht und Asyl gewähren, Mylady.«

»Einverstanden, Kathy, machen Sie ihr klar, daß sie nur hier im Haus sicher ist. Sie wird das sehr schnell begreifen. Hauptsache, Buckhurst verliert nicht das Interesse an uns.«

»In dieser Beziehung darf und kann ich Mylady vollauf beruhigen.«

Parker, der in der Nähe des Fensters stand, deutete diskret nach unten auf die Straße. »Die ersten Be-obachter scheinen bereits Posten bezogen zu haben.«

»Wie aufregend«, freute sich die Hausbesitzerin und baute sich neben ihrem Butler am Fenster auf. Unten auf der Straße waren zwei junge, gut gekleidete Männer zu sehen, die ungeniert auf der gegenüberliegenden Straßenseite Posten bezogen hatten.

Parker schob den Store zur Seite, öffnete das Fenster und grüßte mit einer angedeuteten knappen Verbeu-gung nach unten.

Was die beiden Männer gar nicht so gern hatten.

»Diese Lümmel! Überhaupt keine Manieren«, stellte Mylady fest. »Man sollte etwas für ihre Erziehung tun, Mr. Parker …«

*

»Das ist doch ein mieser Trick«, sagte einer der beiden Männer aus dem Keller, nachdem der Butler ihnen einen Lagebericht gegeben hatte.

»Lassen Sie es darauf ankommen und begeben Sie sich zurück zu Mr. Buckhurst«, schlug Parker mit ei-nem Anflug von Ironie vor. »Sie werden sehen, wie freundlich Ihr Arbeitgeber Sie empfangen wird. Durch Sie hat er schließlich sein Faustpfand verloren.«

»Faustpfand?« fragte der zweite Mann.

»Miß Mandy Saxon«, sagte der Butler. »Ohne sie kann Mr. Buckhurst seine geplante Reihenerpressung nicht durchführen. Entsprechend wird seine Freude über Ihre Rückkehr sein.«

Die beiden Männer, die von Parker losgebunden worden waren, sahen sich zweifelnd und fragend an. Parkers Überzeugungskraft und Logik hatte sie beeindruckt.

»Was schlagen Sie uns denn vor?« wollte der erste Zwangsgast schließlich wissen.

»England ist groß«, stellte Parker freundlich fest. »An Ihrer Stelle würde ich irgendein Seebad aufsuchen, wo sich viele Touristen befinden. Dort dürften Sie am besten untertauchen können.«

»Womit?« Der zweite Zwangsgast rieb Daumen und Zeigefinger gegeneinander, um damit die Finanzlage anzudeuten.

»Mylady wird Ihnen gewiß ein wenig aushelfen«, deutete der Butler an. »Sie können die Reisespesen ja später überweisen.«

»Mal ’ne Frage im Vertrauen, Mr. Parker, warum lassen Sie uns eigentlich laufen?« wollte der erste Mann wissen.

»Sie sind das, was man uninteressant nennt«, erklärte der Butler in aller Offenheit. »Sie werden für den weiteren Gang der Ereignisse nicht mehr benötigt.«

»Wir könnten gegen Buckhurst aussagen …«

»Und Mr. Buckhurst würde alles abstreiten«, meinte Parker gemessen. »Nicht Sie sind für ihn eine Gefahr, sondern Mr. Buckhurst für Sie, finden Sie nicht auch?«

Die beiden Männer fühlten sich überredet und verließen zusammen mit Parker den Keller. Sie hatten wohl eingesehen, daß sie keine andere Wahl besaßen.

Und doch war das Gegenteil der Fall!

Sie legten den Butler herein, und zwar nach allen Regeln der Kunst. Sie wollten zurück zu ihrem Chef Buckhurst und ihm eine Trumpfkarte mitbringen.

Sie machten das derart einfach, daß Josuah Parker sich Sekunden später ungemein ärgerte.

Sie schlugen ihm nämlich die Kellertür vor der Nase zu und riegelten ab.

Parker kam in den zweifelhaften Genuß ihres triumphierenden und ironischen Lachens.

*

Agatha Simpson gab sich kindlichen Spielen hin.

Sie hatte sich von Josuah Parker die Zwille ausgeliehen, jene Gabelschleuder also, die der Butler so virtuos beherrschte. Mylady stand vor einem halb geöffneten Erkerfenster ihres Stadthauses und beschoß die beiden Männer unten auf der Straße. Auf den Rat ihres Butlers hin verwendete sie kleine, hartgebrannte Tonkügel-chen.

Es zeigte sich, daß Agatha Simpson die Künste ihrer Kindheit nicht verlernt hatte.

Sie hatte gerade einen der beiden jungen Männer am Hals getroffen. Der Beobachter unten auf der Straße zuckte wie unter einem Stromstoß zusammen und sah nervös in die Gegend.

Mylady strahlte.

Sie legte die zweite Tonmurmel in die Lederschlaufe der Gabelschleuder und visierte den anderen Bewa-cher an. Sie strammte die beiden Gummistränge, korrigierte noch etwas die Richtung und ließ das nächste Geschoß durch die Luft zischen.

Der zweite Bewacher wurde an der Stirn getroffen.

Er rutschte ein wenig in sich zusammen, faßte nach der schmerzenden Stelle und lief dann schleunigst hin-ter den Ford, in dem sie gekommen waren. Dort hielt sich inzwischen bereits sein Partner auf.

Mylady wechselte die Munition aus.

Sie nahm eine kleine Stahlkugel, gab sie in die Lederschlaufe und plazierte ihr drittes Geschoß

Die linke Seitenscheibe des Ford platzte prompt auseinander und löste sich in ihre Bestandteile auf.

Was Agatha Simpson entzückte, zumal die beiden Männer hinter dem Wagen noch immer nicht wußten, wer sie von wo aus beschoß. Aber sie bekamen es jetzt mit der Angst zu tun. Sie stiegen von der Deckungs-seite aus in den Ford und preschten los.

Die angriffslustige Sechzigerin konnte es sich nicht versagen, eine zweite Stahlkugel abzuschießen.

Worauf die Rückscheibe des Ford in sich zusammenfiel, der Wagen einen entsetzten Sprung nach vorn tat und dann auf kreischenden Pneus in der nächsten Seitenstraße verschwand.

Agatha Simpson, die Zwille in der Hand, marschierte zurück in den Salon, um ihrer Gesellschafterin von ihren Erfolgen zu berichten. Sie staunte nicht schlecht, als sie den beiden Männern unten aus dem Keller ge-genüberstand.

»Jetzt sind wir an der Reihe«, sagte der Mann, dessen Handwurzelmittelknochen lädiert war. »Wo ist der Sex-Report? Und wo ist Mandy Saxon?«

»Nur keine Tricks, altes Mädchen«, sagte der zweite Mann, »noch einmal sind wir nicht reinzulegen …«

Er stand dicht hinter Kathy Porter und hielt ihr die Schneide eines Taschenmessers quer gegen die Kehle. Kathy Porter rührte sich nicht und wirkte erstaunlich gelassen.

Wie Agatha Simpson, die sich kaum beeindruckt zeigte. Sie hatte ihre erste Überraschung inzwischen kompensiert.

»Wenden Sie sich an meinen Butler«, sagte sie geistesgegenwärtig. »Mit diesen Kleinigkeiten gebe ich mich nicht ab.«

Die beiden Männer gerieten prompt aus dem Konzept. Sie sahen sich fragend an.

»Parker?« fragte der Mann mit der angebrochenen Hand.

»Mr. Parker«, korrigierte Mylady. »Wir wollen doch auf die Form achten, meine Herren.«

»Okay. Dann rein ins Bad! Sie werden nicht mehr gebraucht, meine Damen.« Der zweite Gangster grinste und parodierte den kühlen Ton von Mylady.

»Sie erweisen sich als lästig«, stellte die Detektivin fest. »Zudem spielen Sie mit Ihrer Existenz, aber das ist wohl Ihre Sache.«

»Worauf Sie Gift nehmen können, Mädchen«, sagte der Mann mit der angebrochenen Hand. »Wir wissen schon, was wir tun.«

»Hoffentlich.« Mylady beugte sich der Gewalt, um ihre Gesellschafterin nicht zu gefährden.

Das Bad verfügte leider nur über ein zwar breites, dafür aber schmales Oberlicht. Agatha Simpson setzte sich verärgert auf einen Hocker und wartete, bis auch Kathy hereingebracht wurde. Dann wurde die Tür ge-schlossen. Die Schritte der beiden Männer entfernten sich.

»Sehr ärgerlich«, sagte Agatha Simpson etwas zu forsch. Natürlich hatte sie die ganze Zeit über an Josuah Parker gedacht. Sie bemühte sich, ihre Sorgen zu verdrängen. »Was wird aus der kleinen Saxon?«

»Man wird sie bestimmt finden, Mylady«, erwiderte Kathy Porter. »Man wird sie dazu zwingen, ihren Sex-Report endlich zu schreiben.«

»Und man kann nichts dagegen tun. Sehr dumm!« Agatha Simpson stand auf und trat ans Oberlicht. »Sie sind doch schlank, Miß Porter. Ob Sie es vielleicht versuchen?«

»Die Außenwand ist zu hoch und völlig glatt«, stellte Kathy Porter fest. »Ich würde nicht weiterkom-men …«

»Richtig!« Mylady nickte nachdenklich. »Aber es muß doch eine Möglichkeit geben, hier herauszukom-men, Kindchen. Lassen Sie sich etwas einfallen. Wie wäre es mit der Tür?«

Sie marschierte auf ihren stämmigen Beinen hinüber und klopfte gegen die Füllung.

»Klingt recht erfreulich«, stellte sie fest. Dann ging sie ein paar Schritte zurück, nahm einen Anlauf und warf sich schwungvoll gegen die Tür.

Sie sah ein wenig deprimiert aus, als die Tür nicht nachgab, sich noch nicht mal rührte. Sie rieb sich die ge-prellte Schulter. Dann interessierte sie sich für den Hocker und sah ihre Gesellschafterin triumphierend an.

Kathy Porter staunte wieder mal, wie energisch Mylady war. Die resolute Dame gab nicht auf. Schwierig-keiten schienen sie erst in Stimmung zu versetzen. Mylady nahm den Hocker hoch, der einen runden Fuß besaß.

»Gehen Sie in Deckung, Kindchen«, warnte Agatha Simpson ihre Gesellschafterin. Dann baute sie sich vor der Tür auf und betätigte sich als Holzfällerin. Schwungvoll und völlig ungeniert schlug sie mit dem massiven Fuß gegen die Türfüllung. Es zeigte sich, daß sie über erstaunliche Energie und Kraftreserven ver-fügte.

Schon nach den ersten wuchtigen Schlägen splitterte die Türfüllung. In Stimmung geraten und den Erfolg vor Augen, verdoppelte Agatha Simpson ihre Anstrengung.

»Erinnern Sie mich daran, daß ich mir den Tischlermeister vorknöpfe«, sagte sie, ein wenig schwer at-mend, als sie eine kleine Pause einlegte. »Die Tür ist die reinste Pfuscharbeit. Sehen Sie doch, die Füllung ist bereits hin …«

Mit weiteren kräftigen Schlägen, die den Hocker allerdings in seine Bestandteile auflösten, durchbrach sie endgültig die Füllung und hatte nun die Chance, die Tür von außen zu öffnen.

Bevor sie dies aber tun konnte, war oben im Haus ein entsetzter, spitzer Aufschrei zu hören.

»Miß Saxon …!« stellte Kathy Porter fest.

*

Sie hatten den Butler völlig unterschätzt und vertrauten zu sehr dem schweren Riegel, den sie vor die Tür geschoben hatten. Ihrer Ansicht nach saß der Mann bombensicher im Keller, ohne die Chance, sich aus eige-ner Kraft zu befreien. Die beiden Buckhurst-Gangster hatten eben keine Ahnung, über welche Hilfsmittel ein Josuah Parker verfügte. Für seine Kugelschreiber, die erstaunlich reichhaltig in den diversen Westentaschen zu finden waren, hatten sie überhaupt kein Interesse gezeigt. Dennoch handelte es sich um Präzisionswerk-zeuge, wie man sie im Geheimdienst benutzt. Parker hatte sie sich entweder durch Beziehungen verschafft oder einfach nachgebaut. Ganz zu schweigen von seinen eigenen Erfindungen. Er war schließlich ein listen-reicher und phantasievoller Mensch.

Aber war mit diesen Kugelschreibern ein schwerer Riegel zu bezwingen?

Parker sah da nun wirklich keine Probleme.

Er hatte bereits einen dieser Kugelschreiber in der Hand und wog ihn nachdenklich. Dann preßte er ihn in der Höhe des Außenriegels vorsichtig in den Spalt zwischen Tür und Rahmen. Der Kugelschreiber ver-schwand längsseits in diesem Spalt und sah immer noch sehr harmlos aus.

Parker suchte sicherheitshalber nach einer geeigneten Deckung. Er entschloß sich, rechts von der Tür hart an der Wand zu stehen, sobald er die Ladung gezündet hatte.

In dem Kugelschreiber befand sich ein brisanter Sprengstoff auf Plastikbasis. Wenn Parker den Halteclip senkrecht hochklappte und herausriß, hatte er noch genau vier Sekunden Zeit, sich in Sicherheit zu bringen.

Die Detonation war noch nicht mal so laut, wie man vielleicht vermutet hätte. Als der Rauch sich verzogen hatte – auch er war relativ gering –, verließ der Butler seine Deckung, klopfte sich seinen schwarzen Zwei-reiher sauber und inspizierte die Tür.

Sie hing nur noch windschief in den Angeln. Die kleine Sprengladung hatte nicht nur den Riegel, sondern auch ein gutes Stück von Tür und Wand herausgerissen. Die Druckluftwelle hatte Parkers schwarze Melone leicht verrutschen lassen. Er brachte das als ordentlicher Mensch wieder in Ordnung, machte die Tür frei und schritt dann gemessen und wie selbstverständlich aus dem Keller.

Probleme waren für ihn dazu da, schleunigst gelöst zu werden.

*

Mandy Saxon hatte jede Gegenwehr aufgegeben.

Die beiden Gangster machten ihr schnell klar, was sie zu tun hatte. Ihr Gesicht war wieder etwas ange-schwollen.

Der Mann mit den beiden gesunden Händen hatte ihr den rechten Arm auf den Rücken gedreht und kümmerte sich überhaupt nicht um das schmwerzvolle Stöhnen der jungen Fau. Ja, es schien ihm sogar eini-gen Spaß zu bereiten.

»Der Chef wartet«, sagte er grinsend. »Mach dich schon jetzt auf was gefaßt, Süße …«

Mandy Saxon konnte gar nicht antworten. Sie wußte, das sie verloren hatte. Auf der ganzen Linie. Und sie verfluchte Hamlin, der sie dazu überredet hatte, diesen Sex-Report publik zu machen. Durch ihn allein war sie in all diese Schwierigkeiten geraten. Von sich aus wäre sie nie auf den Gedanken gekommen, ihre früheren Gönner zu erpressen. So etwas lag ihr einfach nicht.

Die beiden Gangster führten sie die Treppe hinunter und erreichten das Erdgeschoß.

Von der Detonation im Kellergeschoß des Hauses hatten sie nichts mitbekommen. Die Türen in diesem Haus waren bis auf die Badezimmertür recht solide. Zudem hatte Mandy Saxon geschrien und sich verzwei-felt gewehrt.

Die beiden Gangster waren stolz auf sich.

Sie hatten die peinliche Scharte ausgewetzt und waren jetzt die Sieger auf der ganzen Linie. Sie hatten Mandy Saxon aufgespürt, als sie die Zimmer des Hauses routinemäßig durchsucht hatten. Ihr Chef Buck-hurst würde Bauklötze staunen, wenn sie zusätzlich zum Manuskript noch die Verfasserin mitbrachten! Wie sie hierher ins Haus geraten war, wollten sie später klären …

Sie erreichten das Erdgeschoß und passierten dabei eine geraffte Portiere am Eingang zum Salon.

Der Mann, der Mandy Saxons Hand auf den Rücken gedreht hatte, ging voraus.

Der andere mit dem angeschlagenen Handgelenk folgte.

Er riß weit die Augen auf, aber er konnte dennoch nicht Myladys Pompadour sehen, der sich auf seinen Hinterkopf gesenkt hatte. Der Gangster riß den Mund auf und wollte wahrscheinlich noch etwas sagen, fand aber nicht mehr die Kraft dazu. Der Glücksbringer in Myladys Pompadour erwies sich wieder mal als eine ungemein effektive Waffe. Der Gangster rutschte haltlos in sich zusammen und rollte auf die Marmorfliesen des Korridors.

Der vorausgehende Gangster hatte nichts gemerkt.

»Wir schnappen uns gleich die alte Fregatte«, sagte er, ohne sich umzudrehen. »Wetten, daß wir in ein paar Minuten den Report haben?«

»Wette verloren«, kommentierte Agatha Simpson und wirbelte ihren Pompadour erneut durch die Luft. Sie war hinter der schützenden Portiere vorgetreten, dem Mann nachgegangen und stand jetzt hinter ihm.

Ein wenig irritiert drehte der Gangster sich um.

Er wollte sich im letzten Moment noch zur Seite werfen, doch er schaffte es nicht mehr.

Der Glücksbringer im Pompadour knallte gegen seine Stirn.

Einen grunzenden Laut von sich gebend, fiel der Gangster gegen Lady Simpson, die aber nicht im Traum daran dachte, ihn hilfreich oder gar liebevoll aufzufangen.

Sie trat einfach zur Seite.

Der Gangster fiel also an ihr vorbei, streifte sie noch ein wenig und flog dann auf den Marmor. Er war al-lerdings schon bewußtlos, als er auf dem Boden landete.

»Sehen Sie sich das an, Kindchen«, sagte Mylady zu ihrer Gesellschafterin. »Das ist nun die männliche Jugend von heute. Keine Widerstandskraft!«

»Gegen den Glücksbringer dürfte kaum ein Kraut gewachsen sein«, gab Kathy lächelnd zurück. »Darf ich jetzt nach Mr. Parker sehen, Mylady?«

»Das übernehme ich«, entschied die streitbare Dame. »Kümmern Sie sich um unseren Gast! Ein kleiner Kognak wird ihn wieder auf die Beine bringen.«

Mandy Saxon hatte die Nerven verloren.

Sie hockte schluchzend am Boden und gab sich ihren Tränen hin. Die erneute Behandlung durch die Gangster war zuviel für sie gewesen.

Während Kathy sich um die Sex-Reporterin kümmerte, schritt Agatha Simpson bereits energisch und er-wartungsvoll zur Tür, die in die Kellerräume führte.

Sie hatte diese Tür noch nicht ganz erreicht, als sie geöffnet wurde.

»Falls es zu gewissen Schwierigkeiten gekommen sein sollte, Mylady, so bitte ich sie entschuldigen zu wollen«, sagte Parker, der wie selbstverständlich erschien. »Leider konnte ich mich nicht früher befreien. Dank meiner Ungeschicklichkeit sah ich mich für eine gewisse Zeit außerstande, Mylady zur Verfügung zu stehen …«

*

Nach einem kleinen, aber dringend notwendig gewordenen Umweg durch die Innenstadt erschien Parkers hochbeiniges Monstrum vor dem Landsitz, den ein gewisser Sir Robert Panham Mandy Saxon zur Verfü-gung gestellt hatte.

Parker fuhr allerdings an der Einfahrt vorbei und stellte seinen Wagen in einer Seitenstraße ab. Dort stieg er aus und begab sich zu Fuß zurück zum parkähnlichen Grundstück.

Er benutzte die kleine Mauerpforte, die ihm bereits bekannt war, drückte sie auf und betrat das große, waldbestandene Gelände, das einen völlig verlassenen Eindruck machte.

Parker schritt ungemein vorsichtig auf das Haus zu. Noch zu frisch waren seine Erinnerungen an Marty Pearson, den es am Oberarm erwischt hatte. Und zu deutlich besann er sich auf Paul Hamlin, der einen Tref-fer im Oberschenkel davongetragen hatte. Ganz zu schweigen von dem Pfeil, den man ihm, Josuah Parker, in der Nacht vor die Nase gesetzt hatte.

Jede Deckung ausnutzend, erreichte der Butler die Ecke des Landsitzes, wechselte von hier aus hinüber auf die Rückseite und blieb hinter einem hohen Strauch stehen.

Seine innere Alarmanlage meldete sich.

Gefahr lag demnach in der Luft. Er war nicht allein in dem Park.

Der Butler beobachtete die Terrasse und die dazugehörigen Türen. Er stellte sofort fest, daß eine dieser Terrassentüren halb geöffnet war. Im Haus mußte sich ein ungebetener Besucher befinden. Parker hatte sämtliche Türen fest verschlossen, nachdem er Hamlin abtransportiert hatte.

Wer mochte dieser Besucher sein?

Er war gespannt, auf wen er treffen würde.

Als er die erste Glastür erreicht hatte, konnte er in den großen Wohnraum hineinsehen. Am Schreibtisch, auf dem die Schreibmaschine der Mandy Saxon stand, suchte ein mittelgroßer, etwas auffällig wirkender Mann verzweifelt nach irgendwelchen Unterlagen.

Er hatte dem Butler den Rücken zugewendet und zeichnete sich nicht gerade durch Ordnungsliebe aus. Er warf die Unterlagen wild um sich und wurde nicht fündig.

»Sie strapazieren sich völlig unnötig«, sagte Parker, den Wohnraum betretend. »Ich darf Ihnen versichern, daß der gesuchte Sex-Report nicht existiert.«

Während Parker noch redete, drehte der Mann sich hastig um und starrte den Butler entgeistert an.

»Falls Sie meine bescheidene Person anzugreifen beabsichtigen, würde ich das als einen ausgesprochen un-freundlichen Akt betrachten«, redete Josuah Parker weiter, wobei er höflich seine schwarze Melone lüftete. »Mit wem, wenn ich weiter fragen darf, habe ich die Ehre?«

Der Mann senkte den Kopf.

»Darf ich unterstellen, es mit Sir Robert Panham zu tun zu haben?«

»Was soll ich noch länger leugnen«, meinte der füllige Mann, der etwa 55 Jahre alt war. »Sie bekommen es ja doch heraus. Ich bin Panham …«

»Der Bogenschütze, nicht wahr?«

»Bogenschütze?« Der Mann war ein schlechter Lügner.

»Der Bogenschütze«, wiederholte Parker noch mal. »Wenn ich mir einen Rat erlauben darf, so würde ich ab sofort auf weitere Schießkünste verzichten, Sir.«

»Woher wissen Sie, daß ich …?«

»Eine Vermutung, die im Laufe der Zeit zu einer Gewißheit wurde«, gab der Butler gemessen zurück. »Der nächtliche Bogenschütze zeichnete sich meiner bescheidenen Ansicht nach durch genaue, ja fast schon intim zu nennende Ortskenntnis aus. Zudem erinnerte ich mich, daß Sie an den englischen Meisterschaften teilnahmen … Das muß etwa zehn Jahre zurückliegen.«

»Sie haben gewonnen! Was werden Sie jetzt tun?«

»Was erwarten Sie von mir, Sir Robert?«

»Dort steht das Telefon. Rufen Sie schon die Polizei an!«

»Bleiben wir erst mal bei dem Motiv, für Ihre Schüsse.«

»Meine Frau darf nicht erfahren, daß ich vor Monaten mal mit Miß Saxon eng liiert war. Verstehen Sie das?«

»Hatten Sie die Absicht, Miß Saxon zu erschießen?«

»Wo denken Sie denn hin?« entrüstete sich Sir Panham. »Wenn ich das gewollt hätte, würde sie jetzt nicht mehr leben.«

»Darf ich davon ausgehen, daß Sie nur Angst und Schrecken verbreiten wollten?«

»Natürlich. Ich wollte Miß Saxon warnen, nachdem sie mich unter Druck gesetzt hatte.«

»War es Miß Saxon selbst, die Geld verlangte?«

»Nein. Das war ihr Freund, dieser Hamlin.«

»Wieviel verlangte man von Ihnen?«

»10.000 Pfund! Und als Vorleistung mußte ich Miß Saxon mein Landhaus zur Verfügung stellen. Ich mußte darauf eingehen, was sollte ich tun?«

»Die Polizei verfügt über probate Mittel um mit Erpressern fertig zu werden.«

»Aber denken Sie doch an den Skandal. Dann wäre ja herausgekommen, daß ich mit Miß Saxon … Na, Sie wissen schon.«

»Dieser Sex-Report existiert nicht«, wiederholte der Butler noch mal. »Und nach meinen bescheidenen In-formationen wird Miß Saxon ihn auch nie schreiben.«

»Wenn das stimmt, fällt mir eine Zentnerlast von den Schultern. Es geht um meine Frau, verstehen Sie? Sie würde diesen Eklat nie verzeihen.«

»Sie ahnt nichts?«

»Sie hält sich bei Verwandten in Schottland auf, aber sie wird in etwa zwei Wochen wieder zurück sein. Bis dahin müßte der Landsitz wieder frei sein …«

»Darf man fragen, wo Sie inzwischen leben?«

»Drüben in einem kleinen Kavaliershaus.«

»Sie wissen, Sir, daß Sie sich der Körperverletzung in zwei Fällen schuldig gemacht haben?«

»Natürlich.« Sir Robert nickte langsam und betreten. »Ein Schuß in den Oberarm, ein Treffer in einem Oberschenkel … Ich weiß das sehr gut.«

»Von meiner bescheidenen Person mal abgesehen«, fügte der Butler hinzu.

»Ich hielt Sie für einen Leibwächter von Miß Saxon«, sagte Sir Robert, »und ich gebe ehrlich zu, daß ich Sie richtig treffen wollte. Inzwischen weiß ich natürlich, wer Sie sind. Ich habe mich erkundigt.«

»Ich möchte betonen, daß ich diesen Zwischenfall bereits vergessen habe«, sagte Parker.

»Aber die beiden anderen Männer«, meinte Sir Panham elegisch. »Die werden mich doch bestimmt anzei-gen.«

»Da wäre ich nicht so sicher«, sagte Parker. »Oberlassen wir das der Zukunft, Sir. Sie pflegt manche Wunden zu heilen, wenn ich es so ausdrücken darf.«

»Woher nehmen Sie Ihren Optimismus?« fragte Sir Panham.

»Ihr erstes Opfer, Sir, war ein gewisser Marty Pearson, der nur durch Ihren Pfeilschuß daran gehindert wurde, massiv zu werden, was Miß Saxon anbetrifft. Nach meinen Informationen wird er ganz sicher nicht zur Polizei gehen. Mr. Pearson ist dem Amt wohlbekannt, wie es so treffend heißt. Er wird den Schuß auf eigene Rechnung auskurieren, wenn mich nicht alles täuscht. Es empfiehlt sich aber wohl, besagtem Herrn eine Art Schmerzensgeld zu überweisen.«

»Sofort! Gern … Und der zweite Mann?«

»Ein gewisser Paul Hamlin, den Sie ja sicher kennen … Auch er wird schweigen und den Pfeilschuß als eine Art Quittung für seinen Erpressungsversuch betrachten.«

»Und Sie, Mister Parker?«

»Ich weiß schon gar nicht mehr, wovon Sie reden«, beruhigte der Butler den aufgeregten Mann. »Ich möchte Sie nur bitten, in Zukunft von weiteren Privataktionen abzusehen.«

»Ist mein Haus jetzt wieder frei?«

»Sie können in wenigen Tagen wieder einziehen«, versprach der Butler gemessen. »Vorher möchte ich aber noch einige kleine Dinge erledigen, wenn ich es umschreiben darf.«

»Brauchen Sie Hilfe? Ich stehe Ihnen zur Verfügung.«

»Über mangelnde Hilfe kann ich mich keineswegs beklagen«, gab der Butler zurück und dachte intensiv an eine gewisse Lady Simpson.

*

Die beiden Kellerkinder aus Myladys Stadthaus in Shepherd’s Market fühlten sich ein wenig unglücklich.

Was mit ihrer augenblicklichen Lage zusammenhing, da der Butler sie ausgesetzt hatte.

Parker hatte es ihnen nicht gerade unbequem gemacht.

Sie lagen immerhin in Liegestühlen, die ihrerseits im Hydepark standen. Und zwar in unmittelbarer Nähe der Serpentine, jenem künstlich angelegten See, der aus dem Jahr 1730 stammte.

Die beiden Kellerkinder hatten also einen herrlichen Blick auf den See, auf dem majestätisch einige Schwäne und viele Enten herumschwammen.

Die beiden Kellerkinder schienen sich aber aus diesem Anblick überhaupt nichts zu machen. Sie kannten dieses Bild schon in- und auswendig. Immerhin befanden sie sich seit Sonnenaufgang in diesen Liegestüh-len. Und ein feiner Nieselregen, der seit einer halben Stunde auf sie herniederging, hatte sie bereits richtig eingeweicht.

Die Liegestühle konnten sie nämlich nicht verlassen.

Dafür hatte ein gewisser Josuah Parker gesorgt. An Händen und Füßen gebunden, mußten die beiden Kel-lerkinder ausharren. Sie warteten auf ein Wunder, aber sie bemühten sich auch, die hinderlichen Stricke end-lich loszuwerden.

Es gab genug Passanten, die die Schwäne und Enten fütterten. Aber diese Passanten wollten die beiden Gefangenen nicht bemühen. Die Polizei wäre dann nämlich prompt eingeschaltet worden. Und darauf waren sie nicht scharf. Sie standen auf der Fahndungsliste der Behörde und hatten keine Lust, aus den Liegestüh-len in vergitterte Zellen zu wandern.

Nach guter englischer Sitte kümmerte sich kein Mensch um sie.

Wer im Regen in einem Liegestuhl liegen wollte, sollte das eben tun. Das war schließlich sein Recht als freier Bürger. Jeder sollte nach seiner Façon selig werden, und die beiden Kellerkinder wurden höchstens mal verstohlen gemustert, mehr tat sich wirklich nicht.

Die Gefangenen hatten den Butler bereits ausgiebig verflucht. Da ihnen! zu diesem Thema nichts mehr einfiel, schwiegen sie. Aber sie arbeiteten! hartnäckig weiter an ihrer Befreiung. Sie rechneten übrigens da-mit, daß sie so gegen Mittag vielleicht wieder aufstehen konnten.

Es handelte sich allerdings um eine sehr grobe Schätzung, denn sie begriffen noch nicht ganz, wie ge-schickt der Butler die Knoten geknüpft hatte.

*

»Sehr fleißig, sehr fleißig«, stellte Mylady etwa um diese Zeit fest, als Mandy Saxon ihr die Liste jener Personen vorlegte, die von Hamlin unter Druck gesetzt worden waren.

Mady Saxon wirkte nach wie vor verlegen.

»Sean Harrow und Lesley Maulding«, entdeckte die Dektektivin, »und da haben wir ja auch den Namen Panham …«

»Ich schäme mich so, daß ich dieses Spiel mitgemacht habe«, gestand Mandy Saxon.

»Ein guter Anfang für ein neues Leben«, gab Agatha Simpson zurück. »Sie haben ja inzwischen gemerkt, wie sehr Sie mit dem Feuer gespielt haben. An Ihrer Stelle würde ich das nicht noch mal versuchen.«

»Mylady, unten vor dem Haus ist ein kleiner Lieferwagen angekommen«, meldete Kathy Porter, die die Straße beobachtete.

»Wie schön«, freute sich Agatha Simpson, stand auf und eilte auf energischen Beinen ans Fenster. Es handelte sich um das Fahrzeug einer Wäscherei, das unauffällig aussah.

»Was halten Sie davon?« wollte Mylady von ihrer Gesellschafterin wissen. »Das ist doch hoffentlich ein neuer Versuch, uns anzugreifen, nicht wahr?«

»O nein«, seufzte Mandy Saxon auf und bekam es prompt wieder mit der Angst zu tun.

»Nur keine Angst, Kindchen«, beruhigte Mylady die Sex-Reporterin, »so hilflos sind wir gar nicht.«

Während sie noch sprach, beobachtete sie weiter den Wäschereiwagen, aus dem zwei Männer stiegen.

»Das sind sie«, behauptete Agatha Simpson erfreut und animiert. »Das sind die beiden Lümmel aus dem Ford …«

»Ich bin nicht sicher, Mylady«, versuchte Kathy Porter die Unternehmungslust iher Herrin zu dämpfen.

»Vorsicht ist besser als Nachsicht«, zitierte die kriegerische ältere Dame und hielt bereits Parkers Gabel-schleuder schußbereit in der Hand.

Die beiden jungen Männer waren um den Wäschereiwagen herumgegangen und öffneten die hintere La-dentür. Sie zogen einen großen Plastik-Wäschekorb hervor und überquerten damit die Straße.

Das war für Mylady bereits Beweis genug.

Sie verschoß die erste Tonmurmel.

Der links gehende Wäschereifahrer ließ vor Überraschung und Schreck den Korb los, als die Tonmurmel auf seiner Wange landete. Er faßte automatisch nach der schmerzenden Stelle und sah sich dann verblüfft um.

Der zweite Mann rief ihm irgend etwas zu, was man aber oben im Zimmer nicht verstand.

Daraufhin griff der Getroffene wieder zögernd nach dem Korb.

Die zweite Tonmurmel landete auf der Stirn des anderen jungen Mannes.

Jetzt ließ er den Korb los und massierte sich die schmerzende Stelle.

Die beiden Männer machten einen unentschlossenen Eindruck. Sie konnten sich die Herkunft dieser Ge-schosse nicht erklären.

Sie redeten kurz miteinander, stimmten sich gegenseitig ab und riskierten es dann, ihren Weg fortzusetzen.

»Ich glaube nicht, Mylady, daß es die beiden Männer aus dem Ford sind«, warnte Kathy Porter eindring-lich.

»Papperlapapp«, entschied Agatha Simpson. »Sollte ich mich geirrt haben, werde ich mich entschuldigen.«

Mylady war nicht zu stoppen.

Sie legte eine Stahlkugel in die Lederschlaufe und ließ sie rasant über die Straße zischen.

Die beiden Männer blieben wie angewurzelt stehen, als hinter ihnen die Seitenscheibe auf der Fahrerseite auseinanderplatzte und sich in tausend Splitter auflöste.

Sie verstanden die Welt überhaupt nicht mehr.

Sie ließen den Wäschekorb mitten auf der Straße stehen, rannten im Schweinsgalopp zurück zu ihrem Lie-ferwagen, prüften den kleinen Sachschaden, schauten sich wieder nach allen Seiten um und warfen sich ins Fahrerhaus.

Sie preschten derart vehement los, daß sie den Wäschekorb völlig vergaßen.

*

Paul Hamlin richtete sich steil in seinem Spitalbett auf, als Josuah Parker im Zimmer erschien.

»Sie …« fragte Hamlin gedehnt.

»Ich wünsche Ihnen bereits im vorhinein gute Genesung«, sagte Parker und lüftete höflich seine schwarze Melone. »Darf ich unterstellen, daß der Service zufriedenstellend ist?«

»Was wollen Sie von mir?«

»Mich nach Ihrem werten Befinden erkundigen, Mr. Hamlin, und auch ein wenig plaudern … Sie sind mit dem Einzelzimmer zufrieden? Machen Sie sich wegen der Bezahlung keine Sorgen, das wird Mylady über-nehmen, wie ich Ihnen versichern darf.«

»Warum so großzügig?« wollte Hamlin wissen. Er sah den Butler aus mißtrauisch zusammengekniffenen Augen an.

»Aus reiner Menschenfreundlichkeit, weil ich den Mord an Ihnen verhindern möchte.«

»Mord!?«

»Sie leben gefährlich«, stellte der Butler fest. »Mit Ihren Methoden haben Sie bereits zu viele Menschen gegen sich aufgebracht. Womit übrigens zu rechnen war.«

»Mir kann man überhaupt nichts nachweisen. Ich habe niemals erpreßt.«

»Lassen wir dieses Thema, Mister Hamlin. Hauptsache, Mister Buckhurst verliert jedes Interesse an Ihnen.«

»Sie verfügen über Informationen, die für ihn sehr gewinnträchtig sein könnten. Ich meine die Liste der Personen, die Sie angerufen oder angeschrieben haben.«

»Die Saxon existiert für mich nicht mehr.«

»Wie erfreulich für Miß Saxon«, sagte Parker gemessen. »Sie wird das sicher zu schätzen wissen. Miß Sa-xon wird ihren Report übrigens doch nicht schreiben, wie sie Lady Simpson versicherte.«

»Dann ist ja alles in Ordnung.«

»Falls Sie nicht Ihr Gedächtnis bemühen«, meinte der Butler eindringlich. »Hoffentlich kommen Sie nicht auf den Gedanken, auf eigene Faust Geschäfte machen zu wollen.«

»Ich bin doch kein Schuft«, behauptete Hamlin.

»Sie sollten kein Selbstmörder sein«, präzisierte der Butler. »Ich möchte Ihnen einen Vorschlag machen, Mister Hamlin. Sie kurieren sich hier auf Myladys Kosten erst mal richtig aus. Und dann sollten Sie sich ei-nen anderen Beruf suchen.«

»Ist man tatsächlich hinter mir her?« fragte Hamlin nervös.

»Mit Sicherheit, falls man annehmen muß, daß Sie über wertvolle Informationen verfügen. Man würde sie aus Ihnen herauspressen. Kostproben wurden Ihnen ja schon verabreicht.«

Hamlin ließ sich Parkers Worte durch den Kopf gehen. Dazu brauchte er knapp eine Minute. Dann sah er hoch.

»In Ordnung, ich habe verstanden«, meinte er seufzend. »Ich vergesse die ganze Geschichte. Aber wer ga-rantiert mir, daß Buckhurst oder ein anderer nicht hinter mir her sein wird?«

»Dafür würde ich die Bürgschaft übernehmen«, antwortete der Butler. »Dennoch empfiehlt es sich, die Stadt nach der Genesung zu verlassen.«

»Ich glaube, ich wollte immer schon rüber nach Irland«, sagte Hamlin.

»Ein guter und weiser Entschluß«, lobte Parker zurückhaltend. »Sollte mir zugetragen werden, daß Sie al-lerdings wieder Geschäfte tätigen wollen, dann wäre ich unter Umständen sehr mißvergnügt.«

»Und wer ersetzt mir den Verdienstausfall?« Hamlin sah den Butler erwartungsvoll an.

»Jedes Geschäft birgt ein gewisses Risiko in sich«, entschied Josuah Parker. »Dieser Pfeil war ein Teil die-ses Risikos. Erfreuen Sie sich der Großzügigkeit Myladys, die Ihre Hospitalkosten voll übernimmt.«

»Hätte ich mich doch nie mit der Saxon eingelassen«, seufzte Hamlin.

»Miß Saxon ist ähnlicher Meinung«, sagte Parker. »Womit ich mich verabschieden darf. Ich hoffe, nie wieder etwas von Ihnen zu hören.«

Hamlin sah dem hinausgehenden Butler nach und wußte mit letzter Sicherheit, daß er dieses Spiel verloren hatte. Es hatte wirklich keinen Sinn, das geplante Geschäft mit dem Sex-Report neu zu beginnen. Es würde ja doch immer nur einen Verlierer geben.

*

»Ein Polizeistreifenwagen, Mylady«, meldete Kathy Porter vom Fenster her.

»Eine neue Variante«, freute sich Agatha Simpson und eilte prompt ans Erkerfenster. Sie sah auf die Stra-ße hinunter und nickte zufrieden. »Diese Buckhurst-Gangster lassen sich wenigstens etwas einfallen.«

»Gangster, Mylady!?« Kathy Porter war sich da nicht ganz sicher.

»Natürlich sind es Gangster«, behauptete Lady Agatha. »Uniformen bekommt man in jedem Kostümver-leih. Und ein Streifenwagen ist schnell gestohlen.«

»Sie sehen aber sehr echt aus, Mylady«, stellte Kathy Porter bestürzt fest, zumal Agatha Simpson schon wieder nach der Zwille griff.

»Das ist ja gerade der Trick, Kindchen«, klärte Mylady ihre Gesellschafterin auf. »Ich werde diese Strol-che in die Flucht schlagen.«

Die beiden uniformierten Streifenbeamten hatten inzwischen ihren wirklich sehr echt aussehenden Dienstwagen verlassen und kümmerten sich um den Wäschekorb, der nach wie vor auf der Straße stand. Da es sich um eine nur wenig befahrene Seitenstraße handelte, hatte der Korb bisher nicht sonderlich gestört.

Agatha Simpsons Wangen glühten vor Eifer, ihre Augen blitzten unternehmungslustig. Sie fühlte sich wieder mal ganz in ihrem Element und war bereit, jeden zu begehenden Fehler auch tatsächlich zu begehen. Was, wie Kathy Porter längst wußte, eine Spezialität von Mylady war.

Der erste Uniformierte bückte sich so unglücklich zum Wäschekorb hinunter, daß er Agatha Simpson das Gesäß ins Gesicht streckte.

Sie ließ sich diese Gelegenheit natürlich nicht entgehen.

Der Polizist schnellte hoch, nachdem die schießfreudige Sechzigerin ihn mit einer Tonmurmel bedacht hat-te. Er rieb sich sehr ungeniert die Kehrseite und sah sich verständlicherweise nach allen Seiten um. Er suchte nach dem Schützen.

Der nächste Treffer von Mylady war besonders beeindruckend.

Sie erwischte den zweiten Uniformierten genau am Kinn, worauf der Mann einige geradezu groteske Sprünge tat und sich die getroffene Stelle massierte.

»Angriff abgewehrt«, sagte Lady Simpson sehr zufrieden, als die beiden Beamten sich samt dem Wäsche-korb hastig in Richtung Streifenwagen zurückzogen. Sie wandte sich an Mandy Saxon, die derart beein-druckt war, daß sie Mylady nur noch groß anschauen konnte. Solch einer bemerkenswerten und exzentri-schen Frau war sie noch nie begegnet. »Und Sie, Miß Saxon, sollten jetzt endlich Ihre früheren Begleiter anrufen und ihnen mitteilen, daß Sie den Sex-Report selbstverständlich nie schreiben werden. Stellen Sie das alles als ein dummes Mißverständnis hin! Beeilen Sie sich, Ihre Liste ist beachtlich!«

*

»Parker mein Name, Josuah Parker«, stellte der Butler sich vor, als auf der Gegenseite abgehoben wurde. »Ich spreche, wenn mich nicht alles täuscht, mit Mister Buckhurst?«

»Sie, Parker?!« Am anderen Ende wurde es für einen Augenblick still, dann folgte ein Räuspern. »Ver-dammt gut, daß Sie sich melden.«

»Sie haben die Absicht, mir etwas mitzuteilen?« Parker stand in einer Telefonzelle in der Nähe von Pi-cadilly Circus.

»Worauf Sie sich verlassen können, Parker. Wenn Sie nämlich noch was von Ihrem Leben haben wollen, dann rücken Sie die Kleine raus, aber ein bißchen plötzlich.«

»Sie reden sicher von Miß Saxon, nicht wahr?«

»Wovon sonst! Ich gebe Ihnen bis Mittag Zeit, die Dame und den Sex-Report abzuliefern, sonst haben Sie nicht mehr viel vom Leben. Das gilt auch für Ihre alte Lady und die Gesellschafterin.«

»Sie scheinen zu vielem entschlossen zu sein.«

»Ich lasse mir grundsätzlich kein Geschäft vermasseln, Parker. Noch etwas, wo stecken meine beiden Jun-gens?«

Parker, ein durchaus mitfühlender Mensch, hatte den Eindruck, daß die beiden Kellerkinder hinreichend eingeweicht waren. Er teilte Buckhurst also mit, wo er seine Mitarbeiter finden konnte.

»Im Hydepark?« vergewisserte sich Buckhurst in einem Ton, als habe er nicht richtig gehört.

»Im Hydepark«, bestätigte der Butler noch mal. »Bereiten Sie schon jetzt ein mehr oder weniger heißes Bad von Mister Buckhurst! Ihre Leute könnte sich ein wenig erkältet haben.«

»Sie überziehen ganz schön«, reagierte Buckhurst wütend, »aber dafür werden Sie noch bezahlen, Parker. Sie scheinen nicht zu wissen, mit wem Sie’s zu tun haben.«

»Ersparen Sie mir eine entsprechende Antwort«, gab der Butler höflich zurück. »Ich möchte mich nicht in Verbalinjurien ergehen, Mister Buckhurst.«

»Also, bis Mittag haben Sie Zeit. Denken Sie daran! Falls Sie nicht spuren, hetze ich Ihnen meine Meute auf den Hals. Und versuchen Sie erst gar nicht, sich irgendwohin abzusetzen. Sie werden überwacht. Ich meine, das Haus Ihrer alten Lady. Sie entwische mir nicht.«

Es knackte in der Leitung, Buckhurst hatte aufgelegt.

Parker blieb in der Telefonzelle stehen und beobachtete von hier aus das schmalbrüstige Haus des Gangs-terchefs.

Bis auf Buckhurst war die Affäre bereinigt.

Aber Buckhurst war und blieb das große Problem. Josuah Parker war nicht überheblich. Er wußte nur zu gut, daß Buckhurst nicht gescherzt hatte. Dieser Mann war zu allem entschlossen. Was verständlich war, den es ging ja schließlich um ein Bombengeschäft, wie es sich Buckhurst nicht alle Tage bot.

Konnte er über Mandy Saxon verfügen, dann besaß er alle Druckmittel um begüterte Männer zur Kasse zu bitten. Ununterbrochen. Buckhurst war nicht der Mann, der sich mit einer einmaligen Bezahlung begnügen würde.

Kein Erpresser tat das. Sie alle verlangten immer wieder neue Summen.

Gewiß, man hätte sich vielleicht an die Polizei wenden können, doch erstaunlicherweise würden das wohl alle Erpreßten ablehnen. Die Furcht vor einem Skandal war eben zu groß und lähmte jede Logik.

Die bisherigen Teilerfolge, die Parker in Zusammenarbeit mit Lady Simpson und Kathy Porter errungen hatte, zählten nicht. Buckhurst war der wirkliche Gangster, um den es ging.

Erst wenn er ausgeschaltet war, konnten Mandy Saxon und ihre früheren Freunde wieder ruhig und ohne Angst leben. Und dieses Ziel wollte Parker unbedingt erreichen.

*

Buckhurst blieb in seinem Wagen zurück, der auf der Serpentine Road stand, die durch den Hydepark führt.

Durch das Glas beobachtete er die Bergungsaktion seiner beiden Mitarbeiter. Er sah sie in der Optik. Sie hatten sich hoffnungsfroh aufgerichtet, als sie die beiden Männer entdeckten, die auf sie zumarschierten.

Buckhurst war nach dem Telefongespräch mit Parker sofort aufgebrochen, um die Rettungsaktion durch-zuführen. Er kochte innerlich vor Wut. Parker hatte ihm mit diesem Streich bewiesen, wie souverän er sich fühlte.

Auch dafür sollte er noch büßen.

Die Männer hatten die beiden Kellerkinder erreicht und beugten sich über sie, um die Fesseln zu lösen. Genau in diesem Moment erschienen aus dem Gesträuch, das die Serpentine umgab, einige uniformierte Be-amte, die auf diesen Moment nur gewartet hatten.

Polizei!

Buckhurst schnappte nach Luft.

Parker hatte ihn hereingelegt. Jetzt war er auf einen Schlag vier seiner besten Leute los.

Und er Trottel war wie ein Anfänger in diese Trickfalle getappt!

Die Uniformierten hatten die vier Männer inzwischen erreicht und stellten ihre Fragen. Buckhursts Leute dachten nicht im Traum daran, ihre Schußwaffen zu ziehen. Mit der englischen Polizei war nicht zu spaßen, auch wenn sie kaum Schußwaffen trug. Erfahrungsgemäß fuhren Gauner, Gangster und Ganoven besser, wenn sie sich den Wünschen der Polizei beugten.

Buckhurst schaltete den Motor ein und fuhr los. Es war sinnlos, den weiteren Gang der Verhandlung zu verfolgen. Seine beiden Männer trugen Waffen, und die beiden Kellerkinder wurden gesucht. Da gab es keinen Ausweg mehr.

Notgedrungen kam Buckhurst ganz in der Nähe der Gruppe vorbei. Seine vier Leute warfen ihm flehentli-che Blicke zu, aber sie hüteten sich, ihren Chef hereinzureißen. Die Angst vor ihm war größer als die vor der Polizei.

Buckhurst fuhr also vorbei und tat so, als ginge ihn die ganze Geschichte nichts an. Plötzlich trat er ins-tinktiv und vehement auf das Bremspedal, als er links auf dem Rasen einen Mann entdeckte, der ihn ausge-sprochen höflich grüßte.

Es handelte sich um Josuah Parker, der seine schwarze Melone lüftete und eine knappe Verbeugung an-deutete.

Buckhurst verlor die Nerven.

Er riß das Steuer herum und gab Vollgas. Er hatte die feste Absicht, den Butler zu rammen, zu überfahren und zu töten.

Nun, Parker war plötzlich nicht mehr zu sehen und hinter dichtem Strauchwerk verschwunden. Buckhurst kurbelte wie wild am Steuer herum, versuchte den Wagen wieder unter Kontrolle zu bekommen und landete in einer sehr gepflegten Rabatte.

Als er schleunigst zurücksetzen wollte, weil die Uniformierten auf ihn aufmerksam geworden waren, dreh-ten die beiden Hinterräder durch. Sie wühlten sich in Sekundenschnelle tief in das weiche Erdreich ein.

Ein Uniformierter löste sich von der Gruppe der Männer und schritt auf den Wagen zu.

Der Gangsterchef spielte einen Moment lang mit dem Gedanken, sich zu Fuß abzusetzen. Doch auf der Serpentine Road stauten sich inzwischen andere Wagen, neugierige Fahrer waren ausgestiegen und kommen-tierten sarkastisch die Zerstörung der Blumenrabatte.

Buckhurst blieb also stehen.

»Sir!« fragte der Beamte, als er den tief eingegrabenen Wagen erreicht hatte.

»Ich – ich habe die Kontrolle über das Steuer verloren«, entschuldigte sich Buckhurst.

»Von der Serpentine Road bis hierher sind es gut und gern 25 Meter«, stellte der Beamte fest. »Sie haben ziemlich lange die Kontrolle verloren.«

»Ich möchte mich nicht einmischen«, war plötzlich Parkers Stimme zu vernehmen, höflich und würdevoll. »Aber man sollte sich vielleicht einmal mit dem Alkoholspiegel im Blut dieses Gentleman befassen, Officer. Oder mit dem Blut in seinem Alkohol! Ein kleines Scherzchen, wie Sie gleich richtig vermutet haben.«

Buckhurst platzte fast vor Wut und Zorn.

Josuah Parker lüftete erneut seine schwarze Melone und schritt würdevoll davon, während ironisches Ge-lächter zu hören war.

*

»Sie ist oben im Gästezimmer«, sagte Agatha Simpson zu Parker. »Wahrscheinlich braucht sie eine kleine Erholung nach den vielen Anrufen.«

»Um wie viele Adressen handelte es sich, Mylady, wenn ich fragen darf?«

»Weit über ein Dutzend«, sagte die Detektivin, »sie scheint ein sehr bewegtes Vorleben gehabt zu haben.«

»Es waren genau fünfzehn Anrufe«, schaltete Kathy Porter sich ein.

»Und dann hatten wir hier noch zwei nette Zwischenspiele«, redete Mylady weiter und berichtete dem Butler von ihren Erlebnissen mit der Gabel-Schleuder, was sie übrigens blumenreich besorgte, um dabei eini-ge Male ausgesprochen ungeniert und schadenfroh zu lachen.

»Haben Sie keinen Sinn für Humor?« fragte sie schließlich, als sie endete, Parker aber keine Miene verzog.

»Ich fürchte, Mylady sagen zu müssen, daß die beiden Polizeibeamten durchaus echt waren«, erwiderte der Butler.

»Was Sie nicht sagen?« Agatha Simpson sah den Butler überrascht an, um dann allerdings noch lauter zu lachen.

»Man wird wohl nach dem Schützen fahnden«, sorgte sich der Butler.

»Wenn schon.« Mylady machte eine wegwerfende Handbewegung. »Ich hoffe nicht, daß man mich in meinem eigenen Haus verraten wird.«

»Mylady können auf allgemeine Diskretion und Verschwiegenheit bauen«, beruhigte Parker seine Herrin. »Im Grund begrüße ich die Verunsicherung der Polizei gerade hier vor dem Haus. Mister Buckhurst wird mit Sicherheit erscheinen. Sobald er wieder frei über sich verfügen kann.«

»Ist er denn wirklich so gefährlich?« Agatha Simpson wurde wieder ernst.

»In der Tat«, sagte Butler Parker. »Für ihn geht es um ein ungemein lohnendes Geschäft. Und um die Wahrung seines Gesichts, was wahrscheinlich noch schwerwiegender sein dürfte. Er ist blamiert worden und wird sich also rächen wollen.«

»Was könnte er planen, Mister Parker?«

»Es geht um Miß Saxon und um meine bescheidene Wenigkeit.«

»Was wollen Sie tun?«

»Sollte man Miß Saxon nicht aus der Gefahrenlinie schaffen?«

»Und wie stellen Sie sich das vor? Sie sagten doch eben selbst, daß Buckhurst dieses Haus überwachen läßt.«

»Man müßte die Buckhurst-Beobachter ein wenig täuschen, Mylady.«

»Könnte ich das nicht besorgen?« bot sich Kathy Porter sofort an.

»Das ist viel zu gefährlich für Sie, Kindchen.« Agatha Simpson schüttelte sofort energisch den Kopf.

»Bestimmt nicht, Mylady«, erwiderte Kathy eindringlich. »Mister Parker schafft mich, das heißt, Mandy Saxon, hier aus dem Haus. Damit wäre die zurückbleibende Miß Saxon außerhalb jeder Gefahr.«

»Ein zumindest interessanter Vorschlag«, fand Josuah Parker nachdenklich. »Zudem könnte man die Buckhurst-Beobachter auf ein Terrain bringen, das ihnen unbekannt ist …«

»Sie wollen Buckhurst isolieren, nicht wahr?«

»Wären Mylady damit einverstanden?«

»Und wohin soll die Reise gehen?«

»Nur vor die Tore der Stadt«, antwortete der Butler. »An einem geeigneten Platz könnte man etwaige Verfolger dann ein wenig verunsichern.«

»Einverstanden«, entschied Agatha Simpson unternehmungslustig. »Aber ich werde selbstverständlich mitkommen. Solch eine hübsche Abwechslung lasse ich mir nicht entgehen.«

Parker hatte es geahnt.

Er sah zu Kathy Porter hinüber, die leicht die Augen verdrehte, ein wenig schmunzelte und dann schnell wegschaute. Sie wollte nicht laut auflachen.

Sie hatte es von Anfang an gewußt. Eine Agatha Simpson verzichtete doch freiwillig nicht auf ein Aben-teuer! Wie hatte Parker das nur annehmen können.

*

»Ausgezeichnet«, sagte Parker, als Kathy Porter sich vorstellte. »Verblüffend und beeindruckend, Miß Porter.«

Er hatte wirklich nicht übertrieben.

Vor ihm stand – Mandy Saxon! Bewegung, Gang und Gesten stimmten überein. Kathy Porter hatte für gewisse zusätzliche Rundungen gesorgt und sich eine Perücke über ihr wunderschönes, kupferrotes Haar gesteckt.

»Das müßte eigentlich reichen«, meinte Lady Simpson, die ihrer Gesellschafterin bei der Maskerade ge-holfen hatte. »Ihr Blick, Mister Parker, ist ausgesprochen sündig.«

»Was ich zu verzeihen bitte«, entschuldigte sich Parker. »Auch ein alter, müder und relativ verbrauchter Mann wie meine bescheidene Person ist noch empfänglich für gewisse weibliche Reize.«

»Pfui, Mister Parker.« Agatha Simpson schmunzelte. »Aber wenn Sie schon auf diese Maske hereinfallen, werden es die Buckhurst-Leute erst recht tun. Also, Miß Saxon, Sie rühren sich nicht vom Fleck. Sie reagie-ren weder auf das Telefon noch auf Klingeln. Sie sind einfach nicht vorhanden. War ich deutlich genug?«

Mandy Saxon, sie sich schüchtern in den großen Wohnraum geschoben hatte, nickte stumm. Sie mußte immer wieder zu ihrem Double hinübersehen.

»In etwa anderthalb Stunden wird man wieder zurück sein«, sagte Parker zu ihr. »Angst brauchen Sie nicht zu haben, Miß Saxon. Dieses Haus wird für die Gangster ab sofort vollkommen uninteressant sein.«

Parker sah auf die Straße hinunter.

Sie machte einen völlig normalen, unverdächtigen Eindruck.

Als der Butler sich gerade abwenden wollte, erschien ein Polizeistreifenwagen in seinem Blickfeld, der langsam auf das Haus von Mylady zurollte.

Der Wagen hielt gegenüber, zwei uniformierte Männer stiegen aus.

»Wenn ich vorschlagen darf, sollte man das Haus sofort verlassen«, rief Parker Lady Simpson und der Monroe-Kopie-Kopie zu. »Eine bessere Abschirmung läßt sich im Augenblick wirklich nicht denken.«

Agatha Simpson, Kathy Porter als Monroe-Kopie und der Butler beeilten sich, um mit der Polizei genau vor dem Haus zusammenzutreffen.

*

Buckhurst war stolz auf seinen Plan.

Seine Begegnung mit der Polizei auf der Blumenrabatte im Hydepark hatte ihn auf einen geradezu genia-len Gedanken gebracht. Wenn der Butler es schon mit List und Raffinesse versuchte, konnte er das schließ-lich auch.

Er war zurück in seinen Privatclub gefahren und hatte zwei weitere Mitarbeiter umgehend in Polizisten umfunktioniert. Die benötigten Uniformen hatte er sich in einem Kostümverleih beschafft. So etwas war in Soho eine Kleinigkeit.

Nun saß Buckhurst am Anfang der schmalen, vornehmen Straße in einem Wagen und beobachtete die Ak-tion seiner beiden Polizisten, die übrigens einen echten Streifenwagen gestohlen hätten. Was ausgerechnet vor einer Polizeistation klappte.

Der Wagen sollte anschließend schleunigst weggeschafft werden. Hauptsache, er diente als Tarnung, um die beiden falschen Polizisten an und ins Haus der älteren Lady zu schmuggeln.

Buckhurst war natürlich sehr aufgeregt.

Hoffentlich klappte dieser Coup.

Er wußte von seinem Spitzel, der das Haus der Lady überwachte, daß die Besitzerin, Parker und die bei-den Frauen anwesend waren. Fielen sie nun auf diesen Trick herein oder nicht? War ein Butler Parker zu täuschen? Oder roch er im letzten Moment noch Lunte?

Die beiden falschen Beamten hatten das Haus noch nicht ganz erreicht, als der Butler in der sich öffnen-den Tür erschien und höflich seine Melone lüftete.

Hinter ihm waren die beiden Frauen zu sehen. Vor allen Dingen Mandy Saxon war erotisch aufreizend an-zusehen. Ihr Gang allein war eine einzige eindeutige Aufforderung.

Sie blieb zusammen mit der Lady und Parker vor den beiden Polizisten stehen, die jetzt wohl irgendwel-che Fragen stellten, um jedes aufkommen de Mißtrauen im Keim zu ersticken.

Ja, es klappte.

*

»Oh …« sagte Parker nur, als die beiden Polizisten plötzlich Schußwaffen zeigten. Er hatte sofort ver-standen!

»Zurück ins Haus«, sagte einer den beiden Pseudo-Beamten, »und keine falsche Bewegung! Auf ’ne blaue Bohne kommt es uns nicht an.«

»Sie Lümmel«, stellte Agatha Simpson fest. Sie hatte noch nicht ganz begriffen.

»Schnauze, Mädchen«, sagte der zweite Polizist. »Jetzt sind wir am Drücker.«

»Mylady haben es mit zwei falscher Beamten zu tun«, warf der Butler ein. »Ich fürchte, daß man einem Trick des Mister Buckhurst aufgesessen ist.«

»Stimmt haargenau«, sagte der erste Beamte und grinste triumphierend. »So gerissen wie Sie, Parker, sind wir schon lange.«

»Ich möchte nicht versäumen, Ihnen mein Kompliment auszusprechen. Sie waren überaus überzeugend.«

Josuah Parker suchte nach einer Möglichkeit, die beiden Gangster in den Polizeiuniformen auszuschalten, doch im Moment war daran wohl nicht zu denken. Sie waren ungemein vorsichtig und gaben sich keine Blö-ße. Sie ließen ihre drei Gefangenen nicht aus den Augen, als sie sie zurück ins Haus drängten.

Parker dachte an die richtige Mandy Saxon.

Hoffentlich war sie so klug, sich nach oben ins Haus zu flüchten. Hoffentlich hatte sie bemerkt, was sich knapp vor der Haustür abgespielt hatte.

Agatha Simpson erhielt einen derben Stoß in den Rücken, als sie nach Ansicht der beiden falschen Uni-formierten nicht schnell genug ging. Daraufhin drehte sie sich ungeniert um und verabreichte dem Täter ei-nen noch derberen Knuff mit der Ellbogenspitze, worauf der Getroffene unter Luftschwierigkeiten litt.

»Keine Dummheiten«, warnte der zweite Mann sofort und nahm die Waffe hoch, die übrigens mit einem Schalldämpfer versehen war. »Wir haben Feuer frei für Streifschüsse. Merkt euch das!«

Parker hörte Schritte auf der Treppe, wandte sich ein wenig um und entdeckte Buckhurst, der soeben auf der Szene erschien. Buckhursts Haltung war ein einziger Triumph.

»Na also«, sagte er. »Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis … Jetzt bin ich an der Reihe!«

»Sie Monster!« rief Agatha Simpson ihm wütend zu. »Dafür werde ich Sie noch ohrfeigen.«

Buckhurst lachte nur laut. Was sollte ihm jetzt noch passieren?

*

»Alle Spuren verwischt«, sagte Buckhurst und wandte sich vom Erkerfenster ab. »Der Streifenwagen ist weg.«

»Das besorgte sicher einer Ihrer Mitarbeiter, nicht wahr?« Parker saß in einem Sessel. Man hatte ihm die Hände auf dem Rücken zusammengebunden.

»Genau, Parker. Der Junge, der das Haus beobachtet hat. Damit sinken Ihre Aussichten auf Null, oder?«

»Ich fürchte, ich muß Ihnen beipflichten.«

»Sie sind ein Rüpel«, stellte Agatha Simpson böse fest, denn auch sie saß gebunden in einem Sessel.

Kathy Porter in ihrer Rolle als Mandy Saxon stand neben dem Kamin. Sie wirkte sehr eingeschüchtert. Auch jetzt spielte sie ihre Rolle erstklassig, falls sie nicht wirklich Angst hatte. Die beiden Schläger in Poli-zeiuniform hatten sich vor ihr aufgebaut und warteten nur darauf, daß Buckhurst einen entsprechenden Be-fehl gab.

Buckhurst schlenderte genießerisch auf sie zu und – ohrfeigte sie. Kathy Porter als Monroe-Kopie nahm ängstlich die Arme hoch und schluchzte prompt auf.

»Das ist nur ’ne kleine Warnung«, stellte Buckhurst fest. »Also, wo ist der Sex-Report, Mandy? Red’ schnell, ich habe nicht viel Geduld!«

Kathy Porter hütete sich zu antworten. Wenn sie Mandy Saxon auch äußerlich ungemein glich, so war sie doch nicht in der Lage, die etwas piepsige Stimme der Monroe-Kopie zu imitieren.

»Ich glaube, wir verpassen ihr erst mal ’ne kleine Tracht Prügel«, schlug Buckhurst vor. »So was wird sie in Stimmung bringen. Und dann schreibt sie uns mal ’ne Liste der Personen auf, mit denen sie’s getrieben hat. Haben Sie mich verstanden, Mandy?«

Kathy Porter nickte und schluchzte weiter, um nicht antworten zu müssen.

Die beiden falschen Streifenbeamten ohrfeigten sie, wobei Kathys Perücke leider etwas verrutschte, wie Parker sah.

Er schloß die Augen. Jetzt mußte der ganze Schwindel herauskommen.

»Stop!« rief Buckhurst, der ebenfalls aufmerksam geworden war. »Was haben wir denn da?«

Er riß ihr die Perücke vom Kopf und demaskierte sie. Doch damit nicht genug. Buckhurst fetzte ihr die Kleidung vom Körper, wobei die Behelfspolster, die die üppigen Linien vorgetäuscht hatten, auf dem Boden landeten.

Innerhalb weniger Sekunden war Kathy Porter nur noch mit Slip und BH bekleidet, und sie sah darin ein-fach hinreißend schlank, jugendlich und sportlich aus.

»Besser als das Original«, sagte selbst Buckhurst verblüfft, »das haut einen doch glatt vom Schlitten!«

Kathy Porter empfand das wahrscheinlich als eine Aufforderung.

Sie schlug nämlich zu.

Und zwar mit ihrer linken Handkante.

Daß sie eine erstklassige Karatekämpferin war, zeigte sich innerhalb weniger Sekunden.

Buckhurst brüllte auf und ging in die Knie. Als er nach seiner Waffe greifen wollte, erhielt er einen Fuß-tritt und kollerte rücklings über den Teppich genau auf Mylady zu.

Mylady ließ sich diese günstige Gelegenheit nicht entgehen. Ihre Füße, die natürlich wieder in derben Schuhen steckten, traten hart zu. Die Schuhspitze erwischte den Gangsterchef am Kinn, der daraufhin weich und schlaff auf dem Teppich liegenblieb.

Die beiden Uniformierten hatten es mit einem Wirbelwind zu tun.

Kathy Porter, durch Kleidung nicht mehr beengt, revanchierte sich für die Ohrfeigen. Ihre Handkanten waren wie Baseballschläger. Sie trafen hart und plaziert. Die beiden Uniformierten wurden von ihr quer durch den Raum getrieben und schafften es noch nicht mal, in den Korridor zu kommen. Einige Meter vor der Tür blieben sie bewußtlos auf dem Boden liegen. Kathy Porters Handkante hatte sie in das Land der Träume geschickt.

»Sehr begabt, Kindchen«, stellte Agatha Simpson fest, als Kathy Porter auf sie zukam und sie dann los-band. »Ihre Veranlagungen sind gut.«

»In der Tat«, erklärte auch Parker zufrieden, als er frei war, »ich möchte nicht versäumen, mich bei Ihnen zu bedanken.«

»Aber Mister Parker«, wehrte Kathy verlegen ab. »Das ergab sich so.«

»Lenken Sie Mister Parker nicht unnötig ab«, ließ Agatha Simpson sich vernehmen. »Ziehen Sie sich et-was über, Kindchen.«

Kathy wurde prompt rot und verließ das Zimmer. Josuah Parker befaßte sich mit den drei Gangstern und benutzte die bereits gebrauchten Stricke, um jetzt sie zu binden. Er besorgte das innerhalb weniger Minuten.

»Polizei«, rief Agatha Simpson vom Erkerfenster her und deutete nach unten auf die Straße. »Na, mit dem Trick werden sie bei mir nicht mehr landen können. Diese Ganoven können sich auf was gefaßt machen.«

*

Es läutete energisch.

Parker und Mylady gingen zur Tür.

Der Butler hatte sich mit einer Beutewaffe ausgerüstet und öffnete höflich, wobei er den schallgedämpf-ten Revolver natürlich nicht sehen ließ.

»Sie wünschen, meine Herren?« erkundigte er sich.

»Alles in Ordnung?« fragte einer der beiden Uniformierten. »Wir sind alarmiert worden.«

Bevor Parker eine dementsprechende Frage stellen konnte, weil er nun doch etwas stutzig geworden war, langte Mylady bereits mit ihrem Pompadour zu.

Kurz, dafür aber sehr nachhaltig.

Der Fragesteller ging in die Knie und war sofort außer Form. Der zweite Beamte erhielt von Mylady eine derbe Ohrfeige. Er mußte sich daraufhin gegen die Hauswand lehnen, weil seine Knie zitterten.

»Einen Moment, bitte, Mylady.«

Parker hob besorgt die Arme. »Diese beiden Herren scheinen echt zu sein.«

»Papperlapapp«, schnitt Mylady ihm das Wort ab. »Noch mal falle ich auf solche Tricks nicht herein!«

Als sie wieder zulangen wollte, war ein lautes und entsetztes »Nein« von der Straße her zu hören. Agatha Simpson nahm ihren Arm herunter und entdeckte die echte Monroe-Kopie, die auf den Eingang zulief und aufgeregt winkte.

»Was bedeutet denn das?« fragte die Detektivin irritiert.

»Miß Mandy scheint die Polizei alarmiert zu haben«, sagte der Butler ahnungsvoll. »Sie dürfte bemerkt haben, daß wir von falschen Beamten bedroht wurden.«

»Oh, wie schrecklich«, sagte Lady Simpson daraufhin und bemühte sich um die beiden Beamten, die langsam wieder zu Kräften kamen. »Helfen Sie doch, Mister Parker! Eine Stärkung für die Herren.«

Sie ließen sich gern helfen und in den Wohnraum führen. Hier setzte der Butler sie in Sesseln nieder und umsorgte sie mit Sherry und Kognak, was die beiden Männer aber strikt ablehnten.

Erst als Parker ihnen in groben Umrissen seine Geschichte erzählte und auf die beiden falschen Polizisten deutete, ging ihnen ein erstes Licht auf. Es stellte sich heraus, daß sie tatsächlich von Mandy Saxon alarmiert worden waren. Sie hatte sie abgewinkt und informiert, als sie in einer Seitenstraße hinter Agatha Simpsons Haus vorbeigefahren waren.

»Sie schreiben ’ne prima Handschrift, Lady«, sagte der erste Beamte und rieb sich diverse schmerzende Stellen.

»Ich bin eine alte Frau«, redete Agatha Simpson sich heraus.

»Selbst im Mittelgewicht hätten Sie echte Chancen«, meinte der zweite Beamte beeindruckt.

»Sie Schmeichler«, erwiderte die Detektivin. »Räumen Sie dieses Geschmeiß weg, meine Herren!«

Sie deutete auf Buckhurst und die beiden falschen Uniformierten.

»Was ist denn hier überhaupt gelaufen?« wollte der erste echte Polizist wissen. Er hatte Parkers Darstel-lung nicht verstanden.

»Ja, was ist eigentlich passiert?« Agatha Simpson wandte sich an ihren Butler.

»Ich werde darüber nachdenken«, versprach der Butler höflich. »Sie werden aber verstehen, daß ich erst mal meine Gedanken sammeln muß, meine Herren. Das alles war zuviel für einen alten, müden und relativ verbrauchten Mann, wie Sie ihn vor sich sehen. Mir scheint aber, daß hier eingebrochen werden sollte.«

Buckhurst war zu sich gekommen und sagte kein Wort.

»Oder hatten Sie etwas anderes geplant?« wandte Parker sich an den Gangster und sah ihn betont an. »Versuchter Einbruch wird schließlich erheblich geringer bestraft als zum Beispiel Erpressung.«

Buckhurst hatte verstanden und nickte Parker zu.

Daß er vor einem Richter landen würde, war ihm klar, aber er wollte wenigstens nicht wegen Erpressung und anderer Delikte bestraft werden.

»Es war also Einbruch«, erinnerte sich Parker jetzt deutlicher. »Das Familiensilber von Mylady scheint auf gewisse Menschen eine geradezu magnetische Anziehungskraft auszuüben.«

Die beiden echten Beamten hörten überhaupt nicht zu.

Sie starrten Kathy Porter an, die den Wohnraum betrat. Um Parker nicht abzulenken, hatte sie sich wei-sungsgemäß etwas übergestreift, nämlich einen sehr leichten, weich fließenden Frisiermantel, der ihre Linien noch zusätzlich betonte.

»Sie haben Zeit, sich Einzelheiten auszudenken«, flüsterte Lady Simpson ihrem Butler zu. »Vorerst dürf-ten die beiden Gockel nicht ansprechbar sein.«

ENDE

Butler Parker Staffel 11 – Kriminalroman

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