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3. Kapitel
ОглавлениеZehn Tage später, 30. März, wurde Hans Martens auf dem Nordfriedhof in Recklinghausen beerdigt.
Es war trotz oder gerade wegen des schrecklichen Todes eine große Beerdigung. Neben seinen engsten Angehörigen war fast das ganze Kollegium anwesend. Auch zahlreiche Schüler und Eltern nahmen von ihm Abschied. Zudem war aus Münster die zuständige Regierungsschuldirektorin Frau Schirrmeister angereist.
Bei vielen der Anwesenden, besonders aber bei den Schülern war eine große Betroffenheit spürbar.
Einige Schülerinnen bekamen einen Weinkrampf und mussten entweder von ihren Eltern oder aber von Mitschülern getröstet und betreut werden.
Besonders leid tat mir aber Hans Frau Monika und seine beiden Kinder, da sie auf so tragische Weise den Mann, den Vater verloren hatten.
Gott sei Dank hatte die Familie in der Traueranzeige darum gebeten, von Beileidsbekundungen am Grab Abstand zu nehmen. Somit blieb ihnen das wenigstens erspart.
Nach der Beerdigung gab es das obligatorische Kaffetrinken in einem nahegelegenen Cafe. Nur mit Mühe konnten alle Gäste untergebracht werden. Als ich den Raum betrat, sah ich, dass an dem Tisch, an dem einige Kollegen der Bertolt-Brecht-Realschule saßen, noch ein Platz frei war.
Ich nahm neben Erich Zabel Platz.
Im Mittelpunkt aller Gespräche stand Hans Selbstmord. Ich teilte Erich meine Bedenken mit und sagte ihm noch einmal, dass ich Hans niemals eine solche Tat zutrauen würde. Dafür gäbe es überhaupt keinen Grund.
Hans sei ein dem Leben positiv zugewandter Mensch gewesen. Außerdem sei er noch voller Pläne gewesen.
Erich hörte sich meine Argumente zunächst schweigend an.
Dann meinte er: „Jürgen, ich fürchte, du hast ein zu positives Bild von Hans. Es gibt da nämlich eine Geschichte, die ein völlig anderes Licht auf ihn wirft. Seit Tagen kursiert an unserer Schule das Gerücht, dass er ein Verhältnis mit einer Schülerin an unserer Schule gehabt habe.“
Klaus Bücker, Erichs Kollege, pflichtete ihm bei. „Ich habe davon gehört, dass unser Chef und auch wenigstens zwei Kollegen anonyme Briefe erhalten haben, in denen Hans beschuldigt wurde, mit einer Schülerin intim gewesen zu sein.
Deshalb soll er ihn nach der Schulkonferenz zur Rede gestellt haben.
Dies hat mir Frau Otto, unsere Sekretärin berichtet. Auch die Polizei hat wohl diese Spur verfolgt.
Bisher weiß man aber nicht, wer diese Schülerin ist, zumal der Absender dieser Briefe sich nicht zu erkennen gegeben hat.“
Marion Weidner, ebenfalls Lehrerin an der Bertolt-Brecht-Realschule, ergänzte: „Ihr wisst ja, dass ich eine gute Bekannte von Hans und Monika bin. Ich habe zwei Tage nach Hans Tod sie zu Hause besucht, um ihr mein Mitgefühl zu bekunden.
Sie stand immer noch unter Schock, was nachzuvollziehen ist, zumal ihr Mann einem solchen Verdacht ausgesetzt war.
In diesem Gespräch hat sie mir anvertraut, dass sich Hans in den letzten Tagen und Wochen vor seinem Tod sehr verändert habe.
Er habe, was sie sonst überhaupt nicht von ihm kenne, schlecht geschlafen, Albträume gehabt und habe nur mit Hilfe von Schlaftabletten Schlaf gefunden. Auch sei er sehr einsilbig gewesen und wirkte oft abwesend.
Zudem sei er fast jeden Tag bis spät abends angeblich in der Schule gewesen. Auf Nachfragen habe er ihr nur ausweichend geantwortet und gemeint, dass er selbst erst einmal sich Gewissheit verschaffen müsse, bevor er mit ihr darüber reden könne.
Ihr könnt euch sicherlich vorstellen, dass sie aufgrund des merkwürdigen Verhaltens ihres Ehemanns erhebliche Zweifel an seiner Treue hat.
Hans war durchaus ein attraktiver Mann in den besten Jahren. Zudem hatte er immer ein sehr partnerschaftliches Verhältnis zu den Schülern.
Man soll zwar über die Toten nichts Schlechtes sagen, aber meiner Ansicht nach war er etwas zu schülerzugewandt und wahrte nicht immer die notwendige Distanz.
Aber das war sein Problem. Jeder Lehrer hat seine Macken, mir persönlich war sein Eingehen auf die Befindlichkeiten der Schüler viel zu intensiv.“
Diese Seite an Hans Martens war mir ganz neu. Deshalb hakte ich hier nach „Und du bist dir ganz sicher, Hans hatte etwas mit einer Schülerin?“
„Wer ist sich schon sicher, aber das Gerücht ging schon einige Tage im Lehrerzimmer umher. Wer aber als erster dieses Gerücht verbreitete, weiß ich nicht.
Was meiner Ansicht nach auch für den Freitod spricht, ist folgende Tatsache: Hans hat am Abend seines Todes gegen 23.00, also etwa eine Stunde vor dem schrecklichen Ereignis, eine Mail an seine Frau geschickt. Monika hat sie erst am nächsten Abend geöffnet.
Ich weiß das aus sicherer Quelle.
Wenn ich mich recht entsinne, lautete sie in etwa so:
`Liebe Monika, es tut mir unendlich leid, was ich dir und meinen Kindern angetan habe und antue. Ich weiß aber keinen Ausweg mehr!`
Ich habe auch mitbekommen, das Hans in der letzten Zeit häufig sehr nervös und unkonzentriert war und sich oft irgendwelche Beruhigungspillen eingeworfen hat.“
Auf dem Nachhauseweg versuchte ich das Gehörte für mich zu verarbeiten.
Hans Martens – ein Lehrer, der sich mit Schülerinnen abgab?
Für mich nicht nachvollziehbar, da ich von ihm ein ganz anderes Bild hatte.
So wie ich ihn kennengelernt hatte, war er ein Lehrer gewesen, der sich intensiv für seine Schüler einsetzte, für den aber auch seine Familie sehr wichtig gewesen war. Für ihn war der Lehrerberuf kein Job, sondern Berufung.
Wegen einer solchen Affäre sollte er alles aufs Spiel gesetzt haben. Unbegreiflich.
Aber Lehrer sind auch nur Menschen!