Читать книгу Mords-Krach - Günther Dümler - Страница 12
Auf der Flucht Es ist für uns eine Zeit angekommen,
die bringt uns eine große Freud! (altes deutsches Volkslied)
ОглавлениеDie Höhle hatte er schon als Kind gekannt. Abgelegen, von Touristen und Ausflüglern unbeachtet. Dafür ist sie auch zu klein und unspektakulär. Ideal als erster Anlaufpunkt nach der Flucht. Er lachte leise in sich hinein, heiser, kurz und trocken. Er hatte es geschafft, war ihnen trotz all ihrer Vorsichtsmaßnahmen entwischt. Niemand kann einen Gerhard Popp für immer aufhalten. Das Gespräch mit dem Direktor, ein Glücksfall? Nicht nur! Seine Zukunftsperspektiven wollten sie mit ihm besprechen, das Gutachten des psychologischen Dienstes durchgehen, das ihm gute Aussichten für eine völlige Rehabilitation und Wiedereingliederung in den Schoß der Gesellschaft attestierte. Seine Führung war tadellos, die Mitarbeit in den vielen therapeutischen Sitzungen mustergültig. Was sonst? Was hatten diese Trottel eigentlich erwartet? Er ist doch nicht blöd. Wenn er eine Chance bekommen wollte, dann musste er zum Schein kooperieren. Mein Gott, wie er dieses scheinheilige Gesülze hasste.
Aber als er dann mit dem Anstaltsleiter und der spröden Psycho-Tussi allein in dem geräumigen Besprechungszimmer saß, da konnte er sein Glück kaum fassen. Ein Griff in die Tasche, einmal kurz mit dem Nagel die Schläfe der Alten geritzt. Das Blut floss reichlich und eindrucksvoll. Noch bevor der Direktor Alarm geben konnte hatte er ihm klar gemacht, dass er sofort zudrücken und die spitze Waffe tödlich in die Schläfe seiner Geisel pressen würde. Ein Kinderspiel den Zimmermannsnagel in der Anstaltsschreinerei verschwinden zu lassen, dann die wochenlange eintönige Schleifarbeit bis er endlich mehr Ähnlichkeit mit einen rasiermesserscharfen Skalpell hatte als mit einem simplen Eisenstift. Gerhard Popp war schon immer schlauer gewesen als andere. Sie hätten ihn nicht unterschätzen dürfen.
Er war sichtlich mit sich zufrieden. Wie er dann mit seiner Geisel den Weg aus der Anstalt geschafft hatte, das war ein Meisterwerk. Er wusste genau wo die Lieferwagen standen, die die fertigen Produkte der gefängnisinternen Betriebe zu den Auftraggebern brachten. Einer dieser Fahrer, ein junger Bursche Anfang Zwanzig musste ihn nur hinausbringen, hinaus aus den Mauern, die ihm die Luft zum Atmen nahmen, widrigenfalls drohte er erneut damit sein Opfer brutal zu töten. Kaum draußen zwang er den jungen Mann, ihm das Steuer zu überlassen. Der wolle doch nicht schuld sein, dass der offenbar gestörte Ausbrecher vor seinen Augen einen spitzen Metallstift in die Schläfe der zitternden Frau hämmern würde. Und der so Eingeschüchterte wollte nur weg, sein beschissenes Leben in Sicherheit bringen. Gerhard grinste breit. Der Kerl hatte mehr Angst als Vaterlandsliebe und rannte wie um sein Leben, hatte sich nicht einmal mehr umgesehen. Sogar seine warme Jacke hatte er glücklicherweise im Auto zurückgelassen.
Die Gefängnispsychologin, eine reizlose verknöcherte Gestalt, der er nicht einmal er nach drei Jahren erzwungener Enthaltsamkeit etwas abgewinnen konnte, warf er schließlich brutal aus dem Wagen, als er die Stadtgrenze hinter sich gelassen hatte. Sie musste nicht wissen, wohin er wollte. Wie elend sie gejammert hatte, voller Angst, dass er über sie herfallen könnte, er, der verurteilte Vergewaltiger und Mörder. Keine Spur von Glauben an die zuversichtliche Prognose über die vermeintliche positive Neuorientierung ihres Patienten, die sie noch vor einer knappen Stunde dem Direktor so überzeugend vorgetragen hatte. Ihr Handy nahm er mit und entsorgte es wenige Kilometer danach mit einem schwungvollen Wurf aus dem Fahrerfenster, hinein in den trüben Bach, der unter einer Brücke träge dahinfloss. Zuvor hatte er vorsorglich den Akku herausgenommen und so eine Ortung unmöglich gemacht.
Auf, zurück in die heimatlichen Gefilde, wo er noch eine Rechnung offen hatte. Rache ist süß! Doch zunächst in die Höhle, von wo aus er die Lage erkunden konnte. Wie er die Wälder um Röthenbach doch liebte.