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Оглавление1. Das System verändern – Organisationsrevolution
In Band I und II der „Alternative zur Menschine“ ging es darum, wie sich der Einzelne für sich und in Beziehung zu Anderen in der Welt des 21. Jahrhunderts orientieren kann. Menschen bilden seit alters her Gemeinschaften, Organisationen, die über den Familienverband hinausgehen. Vermutlich machten die Winterlager, die unsere Vorfahren bildeten und die etwa 100 bis 120 Personen umfassten, gerade den Unterschied zu unserem frühen Menschenkollegen, dem Neandertaler. Nach unserem heutigen Wissen lebte dieser eher in kleinen Einheiten und brachte so die Vorteile der Arbeitsteilung und des Zusammenkommens von mehreren Potenzialen nicht so stark zur Geltung. Möglicherweise hat gerade die körperliche Unterlegenheit gegenüber den Widrigkeiten der Natur den Homo sapiens zu effizienzversprechenden Organisationsformen geführt.
Die Vereinzelung und Individualisierung des Menschen hängt – von der westlichen Welt ausgehend – einerseits sicher mit der kapitalistischen Wirtschaftsform zusammen. Adam Smith, den man als theoretischen Doyen des Kapitalismus bezeichnen kann, hatte das Individuum sehr in den Vordergrund gestellt. Seiner Auffassung nach führe die Verfolgung des Eigeninteresses jedes Einzelnen wirtschaftlich zum Besten für Alle, weil der wirtschaftliche Wettbewerb wie eine unsichtbare Hand eine gute Ordnung schaffe. Dies war auf dem Hintergrund von Adam Smiths Herkunft als Moralphilosoph eine interessante Idee. Heute ist klar, dass die Menschen eher ihre systemische Vernetzung betrachten müssen und gemeinwohlökonomisches Denken benötigen (Felber, 2009; Mohr, 2015, „Systemische Wirtschaftsanalyse“). Hier hat nach dem Zusammenbruch der Wirtschaft durch die Finanzkrise im Jahr 2008 – die eine wesentliche Ursache in den als neoliberal wieder aufgetünchten Ideen von Smith seit den 1980ern hatte – mittlerweile tatsächlich ein Umdenken stattgefunden. Unternehmensziele beginnen sich mehr in Richtung Resilienz, also zum Erhalt und auskömmlichen Überleben von Systemen, zu verändern (Mohr, 2017, „Resilienzcoaching“). Die Vereinzelungsidee tritt auch aufgrund der teilweisen Eigenbezüglichkeit des Menschen auf. Wegen seiner physischen Körpergrenzen und auch weil er nicht in andere hineinschauen kann, erlebt sich der Mensch psychologisch als ein von anderen getrenntes Wesen. Das kann man aus anderer Perspektive sehr in Frage stellen, denn kaum ein Mensch kann autark leben. Wir kommen in einer Symbiose auf die Welt, sind auf andere angewiesen. Diese Angewiesenheit auf andere bleibt lebenslang bestehen. Alle profitieren von der Zuarbeit anderer. Die Arbeitsteilung ist eine stetiges Zusammenwirken zwischen Menschen.
Hier soll nun der Frage nachgegangen werden: Wie müssen heute wesentliche Gemeinschaften, die wir zum Überleben bilden, die Organisationen und Unternehmen, gestaltet werden, damit sie „menschenartgerecht“ sind, ohne gleichzeitig überkommenen archaischen Mustern aus früheren Zeiten zu entsprechen. Mittlerweile gehen Soziologen wie Andreas Reckwitz (2017) sogar von einer Singularisierung des Menschen aus, was noch weiter geht als Individualisierung, weil es zusätzlich noch das Herausstellen der eigenen Person und ihrer Sichtbarkeit beinhaltet, die heute durch die so genannten sozialen Medien ganz andere Möglichkeiten besitzt. Organisationen sind allerdings gerade das Zusammenwirken von Einzelnen, die eine größere – nicht unbedingt eine höhere – Aufgabe durch Spezialisierung und Arbeitsteilung zu erreichen versuchen. Wie schon der Ökonomieprofessor John Roberts (2003) in seinem Buch „The modern firm“ zeigt, haben Organisationen große Vorteile insbesondere in der Reduzierung von Unsicherheit, so dass über zwei Drittel der Wirtschaftstransaktionen gar nicht über Märkte sondern innerhalb von Organisationen vollzogen werden. Aber wie verändern sich Organisationen heute?
Im Folgenden werden zunächst zwei neuere Konzeptionen für Organisationen vorgestellt, „Reinventing Organizations“ von Frédéric Laloux und „Sociocracy/Holacracy“, beides Ansätze, die Organisationen insbesondere überkommener hierarchischer Strukturen entkleiden wollen. Anschließend folgt für das praktische Vorgehen der Systemdynamikenansatz, den ich im Jahr 2006 entwickelt habe.
Im ersten Band meiner Trilogie „Alternative zur Menschine“ hatte ich die Gedanken des israelischen Historikers Yuval Harari dargestellt (Mohr, 2018a). Harari entwirft das Bild eines technisch und chemisch umgestalteten Menschen, einer „Menschine“. Dem stelle ich in drei Teilen Alternativen gegenüber: zum Individuum, zur Beziehung zwischen Menschen und zu Organisationen. Im zweiten Band der Trilogie ging es um den Beziehungsaspekt (Mohr, 2018b). Im dritten Band geht es nun um den Aspekt der Organisation. Ähnlich dem Beziehungsaspekt spielt auch der Organisationsaspekt von Menschen bei Harari eine geringere Rolle, obwohl er von der Hebrew Universität stammt, die einer der wesentlichen Beziehungstheoretiker, Martin Buber, mitbegründet hat. Der Beziehungsaspekt ist aber meines Erachtens ein für die Entwicklung des Menschen wesentliches, wenn nicht das zentrale Element.