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4. Warum ich sonntags nicht aus dem Bett komm

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Am beschissensten ist es, wenn ich Radovan und Ranka höre, wie sie sich sonntagmorgens beharken. Der einzige Tag, wo beide morgens zu Hause sind und in Ruhe zusammen Kaffee trinken und Wiederholungen mexikanischer Serien schauen könnten und alles schön und gut wäre, aber nein, die beiden müssen sich natürlich aus irgendwelchen debilen Gründen streiten. Und dabei flüstern sie dann auch noch, wie um mich nicht zu wecken, und dann höre ich nur etwas, wenn Radovan sich nicht mehr zurückhalten kann und voll losbrüllt.

„Ich kann krepieren, aber es läuft so, wie du es dir ausgedacht hast! Stimmt’s? Gib es zu! Gib es zu, verdammt noch mal!“

Und dann wieder so ein Flüstern, und du wartest, wann es wieder einschlägt.

„Es ist nicht sooo! Hööörst duuu?“

Radovan zieht den letzten Teil seiner Sätze in die Länge, weil sonst schon Ranka mit ihren Finten hineinstößt. Und Ranka lässt nicht locker. Sie macht ihr Ding. Ruhig wartet sie, dass Radovan langatmig absondert, was er abzusondern hat, und macht dann weiter. Ranka kannst du nicht verarschen. Sie hat Radovan schon durchschaut, und ich weiß nicht, warum er immer noch herumschreit, wenn er keine Chance hat, irgendwas zu erreichen.

„Hast du gesagt, dass du den Topf auf den Balkon gestellt hast? Hast du das gesaaagt?“

Und so. Wieder die debilsten Gründe. Der Topf auf dem Balkon. Radovan regt sich auf, weil die Sarma nicht im Kühlschrank steht, sondern auf dem Balkon. Zwar ist es ziemlich blöd, dass sie auf dem Balkon steht, aber dass du dich deshalb so aufregst, ist nun auch wieder für die Anstalt. Der Witz besteht aber darin, dass ihm der Kopf wehtut und dass er einen Kater hat und jetzt zum Frühstück Sarma will. Sarma zum Frühstück, das ist seine fixe Idee. Wenn das nicht das Bosnische in Reinkultur ist.

„Ist es irgendwann mal so gewesen, wie ich gesagt habe? Ist es das? Irgendwann? Sag. Los, sag! Saaag!“

Zisch ab dahin, wo der Pfeffer wächst. Jetzt rollen sie die Geschichte auf. Sie zerlegen ihre Ehe in die Urbestandteile, dass kein Schwein sie bis zum nächsten Sonntag wieder zusammensetzt. Wenn sie sie aufs Neue zerlegen. Also, deshalb steh ich sonntagmorgens nicht auf. Ich nehme die Sportske von unterm Bett und lese die Ergebnisse der NBA, und wer wie viele Punkte gemacht und wer wie viele Sprungwürfe gehabt hat. Statistik eben. Hier zum Beispiel, Gilbert Arenas aka Agent Zero hat 36 Punkte gemacht, mit einem schwachen Prozentsatz Würfe aus dem Spiel, aber er hatte noch sieben Assists. Vince Carter aka Half Man Half Amazing hat Sacramento 45 reingedrückt, nur dass sie’s trotzdem vergeigt haben. Bei Sacramento haben Bibby und Artest jeder 22 Punkte gemacht. Ron Artest ist der größte Idiot, der ist sogar mal die Tribüne hochgeklettert, um Zuschauer zu verprügeln. Aber ich kann nicht in Ruhe lesen, weil im Wohnzimmer wieder Stille herrscht und ich darauf laure, wann es wieder einschlägt. Stille ist der größte Shit. Da könnte ich mich umbringen. Da, jetzt geht’s los.

„Fick dich ins Knie, du Vollkoffer.“

Töpfe fliegen. Türen knallen. Dann herrscht eine Zeit lang Ruhe. Zum Verrecken ruhig. Beide sind beleidigt und lassen Dampf ab. Radovan wird ständig schnaufen, Ranka wird so tun, als sei sie zu Tode gekränkt. Ein bisschen ist sie es auch, nur bei ihr ist es nicht schlimm. Sie scheißt Radovan auf diese Weise gern ins Hirn. Das Schlimmste aber ist, dass Radovan jetzt keine Ruhe geben kann, sondern anfängt, durch die Wohnung zu tigern. Deshalb lege ich die Sportske weg und tu so, als würde ich schlafen. Er öffnet die Tür und glotzt eine Zeit lang auf mich runter, dann macht er die Tür zu und geht zurück. Soll er sich doch ins Hirn ficken. Wenn ich keinen Hunger hätte, würde ich so den ganzen Tag liegen bleiben, denn jetzt zwischen sie zu gehen ist das totale Desaster. Aber ich muss, zum Teufel. Das ist so im Leben.

Am schlimmsten sind die dummen Fragen, die Radovan mit seiner finsteren beleidigten Stimme stellt. Mir geht sowieso alles auf den Sack, und ich hab keine Lust, auf sie zu antworten. Und unausgeschlafen bin ich auch noch. Und alles tut mir weh. Aber Radovan muss was fragen.

„Gehst du heute irgendwohin?“

Ich nicke.

„Wann?“

„Weiß ich nicht.“

„Wieso weißt du das nicht? Gehst du oder gehst du nicht?“

Jetzt bin also ich dran. Ranka hat ihren Teil zu hören gekriegt, jetzt muss ich herhalten. Aber ich habe keine Lust, die Situation zu befrieden. Ich hab heute keine Kraft dazu. Ich sage nichts. Ich sitze da wie ein Idiot. Radovan dampft ab und zappt sich wütend durch die Programme. Ranka platzt herein.

„Wo wart ihr gestern?“

„Hier.“

„War es gut?“

Ich hab keine Lust zu antworten und nicke nur. Das bringt bei Radovan das Fass zum Überlaufen. Es hat nicht viel gebraucht.

„Was ist los mit dir?“

„Nichts, wieso?“

„Eben, nichts. Deine Mutter hat dich wirklich schön erzogen. Weck ihn nicht, lass ihn schlafen bis zwölf. Er muss nicht reden, wenn er nicht will.“

Ich hab ja gewusst, dass sie sich über mich in die Haare kriegen. Blitzartig raffe ich meine Sachen zusammen und will aus dem Zimmer.

„Wo willst du hin?“

„Ich gehe …“

„Wann kommst du zurück?“

„Weiß ich nicht.“

Als ich an der Tür bin, springt Radovan auf und kommt mir nach.

„Mutter macht Essen.“

Ich verschwinde nach draußen. Vor den Block. Diese ewige Fragerei macht einen wirklich fertig. Totale Scheiße.

Tschefuren raus!

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