Читать книгу Tschefuren raus! - Goran Vojnović - Страница 13

6. Warum man nach einem guten Essen ein bisschen Bewegung braucht

Оглавление

Keine richtige Tschefurenfamilie geht zum Essen ins Restaurant. Nicht mal zu Jovo. Erstens ist es zu teuer, zweitens müssten sie sich zwei Stunden über irgendwas unterhalten, was für eine Tschefurenfamilie nicht zu packen ist. Zu Hause isst du in zehn Minuten und gehst weiter fernsehen. Oder Geschirr spülen. Je nach Geschlecht. Aber ich kann mir nicht vorstellen, mit Radovan und Ranka zwei Stunden beim Essen zu sitzen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Radovan und Ranka zwei Stunden beim Essen sitzen ohne mich. Too much! Diese Familienunterhaltungen gibt es sowieso nur in amerikanischen Serien. Ich hab mich im Leben nicht mit Radovan unterhalten. Oder mit Ranka. Wir fragen uns nur was und geben Antwort.

„Hast du deine Hausaufgaben gemacht?“

„Mhm!“

„Hast du heute ein Spiel?“

„Morgen.“

Radovan hat mit sich selbst die Challenge, wie viele blöde Fragen er zu fragen imstande ist, und ich habe mit mir selbst die Challenge, wie ich möglichst kurz darauf antworte. Ranka hat einen anderen Typ Fragen.

„Warum hast du nach dem Abendbrot den Tisch nicht abgeräumt? Warum hast du nach dem Training das nasse Zeug nicht aus der Tasche genommen?“

Das ist noch einfacher. Auf solche Fragen gibt es keine Antwort. Und Ranka erwartet keine. Ich tue immer genügend Sachen nicht, sodass sie immer genügend Fragen hat.

„Warum hast du dein Zimmer nicht aufgeräumt? Warum hast du das Licht im Klo nicht ausgemacht? Warum hast du den Müll nicht rausgebracht? Warum hast du die schmutzigen Strümpfe nicht in die Schmutzwäsche getan?“

Wie du dich zwei Stunden mit den Alten unterhalten kannst, wird mir nie klar werden.

Aber dann ist da noch ein dritter Grund, weshalb die Tschefuren nicht mit der Familie ins Gasthaus gehen. Weil die Frau kocht. Dass sie einen Tag mal nicht kocht, ist keine Option. Immer gibt es Sarma oder Musaka oder Pita oder Sataraš oder Gefüllte Paprika. Wenn die Frau zufällig einen Tag mal nicht kocht, gibt es Gulasch vom Vorabend oder Bohnen von der Vorwoche. Oder es gibt was Tiefgefrorenes aus dem Freezer, das man nur aufzutauen braucht. Deshalb hat ein Tschefur es nie eilig nach Hause zum Essen. Weil sich all dieses Essen löffelwarm aufwärmen lässt. Und Pita ist auch kalt ganz in Ordnung. Nur sonntags, wenn es Huhn gibt und Bratkartoffeln im Schmortopf aus dem Rohr, muss man quasi pünktlich zum Essen sein. Dann essen wir so wie alle zusammen. Aber dann habe ich keine Lust dazu. Weil Radovan und Ranka so was von behämmert sind und ich keine fünf Minuten Lust habe, mit ihnen zusammenzusitzen. Scheiß auf Huhn und Bratkartoffeln im Schmortopf aus dem Rohr.

Deshalb sind wir zu Babnik gegangen. Das ist ein Dorfgasthaus auf der anderen Seite der Ljubljanica, wo sie ganz annehmbare Preise haben, wenn du schnell bist und verschwindest, wenn die Kellnerin nicht hersieht. Ein einziges Problem gibt es mit diesem Gasthaus, und zwar, dass du da nur einmal hingehen kannst. Ich weiß nicht, ob es auch nur einen Tschefur auf der Welt gibt, der bei denen zwei Mal war. Denn jedes Wochenende rennt jemand aus dem Babnik weg, satt wie ein Schwein. Bin ich etwa dafür verantwortlich, dass Fužine so nah ist und dass die Kellnerin uns nicht durch die Siedlung nachläuft?

Nur, dass mich die Kellnerin aus dem Babnik total angefuckt hat. Die Scheißfotze, weil sie uns von Anfang an so angesehen hat, als wären wir die größten Verbrecher. Weil wir so aussehen wie Tschefuren, oder was? Du hast richtig ihren Blick sehen können, wie sie uns angesehen und sich gedacht hat, dass wir uns nach dem Essen bestimmt französisch verabschieden. Wir sind dann ja wirklich abgehauen, aber das ist jetzt nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass sie nicht wissen konnte, dass wir abhauen werden, und dass sie uns trotzdem so angesehen und uns ganz mickrige Portionen serviert hat, und all so was. Denn was, wenn Getafe gegen Alaves verliert und Aco beim Wetten richtig liegt und wir Cash hätten und am Schluss zahlen würden? Was wäre dann? Sie hätte uns genauso angesehen. Und da liegt der Hase im Pfeffer! Nutte, verfickte. Dass sie dich ansieht, als wärst du ein Verbrecher, schon bevor du überhaupt einer bist. Und so sehen uns alle andauernd an. Immer schauen alle nur, wann wir abhauen und was wir zerlegen und wen wir anpflaumen werden. Ich wollte am Ende richtig aufstehen und an den Tresen gehen, auf den Tausender spucken und ihr den an die Stirn kleben. Verfickte Zigeunerfotze. Die soll mich noch einmal so ansehen.

Nur dass ich sowieso keinen Tausender hatte. Ich hatte nicht mal einen Hunderter. Ich hatte fünfzig beschissene Tolar und noch was an Kleingeld. Und wir sind gerannt. Das ist immer komisch, wenn vier Typen wie die Idioten vor einer altersschwachen Kellnerin davonrennen. Du rennst, als wären die Cops hinter dir her. Und nicht, dass du anhältst, wenn du nach Fužine kommst, und dann langsam weiter. Nein, du rennst immer weiter, bis ganz zum Basketplatz. Keiner dreht sich um und sieht zurück. Das hab ich echt nie kapiert. Vier eigentlich starke Typen, die stärksten, und eine dicke Kellnerin. Und dann noch in Fužine, wo alle sportlich leger gehen, als hätten sie es gerade mit Seka Aleksić getrieben, und wenn du dann noch „Aufpassen!“ rufst, zucken alle zusammen und fangen wieder an zu rennen! Mann, wenn das nicht wieder so ein psychologischer Trick ist.

Tschefuren raus!

Подняться наверх