Читать книгу Nathan der Weise: Ein Dramatisches Gedicht, in fünf Aufzügen - Г. Э. Лессинг, Gotthold Ephraim Lessing - Страница 8
Zweiter Aufzug
ОглавлениеErster Auftritt
(Die Szene: des Sultans Palast.)
Saladin und Sittah spielen Schach.
Sittah.
Wo bist du, Saladin? Wie spielst du heut?
Saladin.
Nicht gut? Ich dächte doch.
Sittah. Für mich; und kaum.
Nimm diesen Zug zurück.
Saladin. Warum?
Sittah. Der Springer
Wird unbedeckt.
Saladin. Ist wahr. Nun so!
Sittah. So zieh
Ich in die Gabel.
Saladin. Wieder wahr.—Schach dann!
Sittah.
Was hilft dir das? Ich setze vor: und du
Bist, wie du warst.
Saladin. Aus dieser Klemme seh
Ich wohl, ist ohne Buße nicht zu kommen.
Mag's! nimm den Springer nur.
Sittah. Ich will ihn nicht.
Ich geh vorbei.
Saladin. Du schenkst mir nichts. Dir liegt
An diesem Plane mehr, als an dem Springer.
Sittah.
Kann sein.
Saladin. Mach deine Rechnung nur nicht ohne
Den Wirt. Denn sieh! Was gilt's, das warst du nicht
Vermuten?
Sittah. Freilich nicht. Wie konnt' ich auch
Vermuten, daß du deiner Königin
So müde wärst?
Saladin. Ich meiner Königin?
Sittah.
Ich seh nun schon.—ich soll heut meine tausend
Dinar', kein Naserinchen mehr gewinnen.
Saladin.
Wieso?
Sittah. Frag noch!—Weil du mit Fleiß, mit aller
Gewalt verlieren willst.—Doch dabei find
Ich meine Rechnung nicht. Denn außer, daß
Ein solches Spiel das unterhaltendste
Nicht ist: gewann ich immer nicht am meisten
Mit dir' wenn ich verlor? Wenn hast du mir
Den Satz, mich des verlornen Spieles wegen
Zu trösten, doppelt nicht hernach geschenkt?
Saladin.
Ei sieh! so hättest du ja wohl, wenn du
Verlorst, mit Fleiß verloren, Schwesterchen?
Sittah.
Zum wenigsten kann gar wohl sein, daß deine
Freigebigkeit, mein liebes Brüderchen,
Schuld ist, daß ich nicht besser spielen lernen.
Saladin.
Wir kommen ab vom Spiele. Mach ein Ende!
Sittah.
So bleibt es? Nun dann: Schach! und doppelt Schach!
Saladin.
Nun freilich; dieses Abschach hab ich nicht
Gesehn, das meine Königin zugleich
Mit niederwirft.
Sittah. War dem noch abzuhelfen?
Laß sehn.
Saladin. Nein, nein; nimm nur die Königin.
Ich war mit diesem Steine nie recht glücklich.
Sittah.
Bloß mit dem Steine?
Saladin. Fort damit!—Das tut
Mir nichts. Denn so ist alles wiederum
Geschützt.
Sittah. Wie höflich man mit Königinnen
Verfahren müsse: hat mein Bruder mich
Zu wohl gelehrt. (Sie läßt sie stehen.)
Saladin. Nimm, oder nimm sie nicht!
Ich habe keine mehr.
Sittah. Wozu sie nehmen?
Schach!—Schach!
Saladin. Nur weiter.
Sittah. Schach!—und Schach!—und Schach!—
Saladin.
Und matt!
Sittah. Nicht ganz; du ziehst den Springer noch
Dazwischen; oder was du machen willst.
Gleichviel!
Saladin. Ganz recht!—Du hast gewonnen: und
Al-Hafi zahlt.—Man lass' ihn rufen! gleich!
Du hattest, Sittah, nicht so unrecht; ich
War nicht so ganz beim Spiele; war zerstreut.
Und dann: wer gibt uns denn die glatten Steine
Beständig? die an nichts erinnern, nichts
Bezeichnen. Hab ich mit dem Iman denn
Gespielt?—Doch was? Verlust will Vorwand. Nicht
Die umgeformten Steine, Sittah, sind's,
Die mich verlieren machten: deine Kunst,
Dein ruhiger und schneller Blick…
Sittah. Auch so
Willst du den Stachel des Verlusts nur stumpfen.
Genug, du warst zerstreut; und mehr als ich.
Saladin.
Als du? Was hätte dich zerstreuet?
Sittah. Deine
Zerstreuung freilich nicht!—O Saladin,
Wenn werden wir so fleißig wieder spielen.
Saladin.
So spielen wir um so viel gieriger!—
Ah! weil es wieder losgeht, meinst du?—Mag's!—
Nur zu!—Ich habe nicht zuerst gezogen;
Ich hätte gern den Stillestand aufs neue
Verlängert; hätte meiner Sittah gern,
Gern einen guten Mann zugleich verschafft.
Und das muß Richards Bruder sein: er ist
Ja Richards Bruder.
Sittah. Wenn du deinen Richard
Nur loben kannst!
Saladin. Wenn unserm Bruder Melek
Dann Richards Schwester wär' zu Teile worden:
Ha! welch ein Haus zusammen! Ha, der ersten,
Der besten Häuser in der Welt das beste!
Du hörst, ich bin mich selbst zu loben, auch
Nicht faul. Ich dünk mich meiner Freunde wert.
Das hätte Menschen geben sollen! das!
Sittah.
Hab ich des schönen Traums nicht gleich gelacht?
Du kennst die Christen nicht, willst sie nicht kennen.
Ihr Stolz ist: Christen sein; nicht Menschen. Denn
Selbst das, was, noch von ihrem Stifter her,
Mit Menschlichkeit den Aberglauben würzt,
Das lieben sie, nicht weil es menschlich ist:
Weil's Christus lehrt; weil's Christus hat getan.—
Wohl ihnen, daß er so ein guter Mensch
Noch war! Wohl ihnen, daß sie seine Tugend
Auf Treu und Glaube nehmen können!—Doch
Was Tugend?—Seine Tugend nicht; sein Name
Soll überall verbreitet werden; soll
Die Namen aller guten Menschen schänden,
Verschlingen. Um den Namen, um den Namen
Ist ihnen nur zu tun.
Saladin. Du meinst: warum
Sie sonst verlangen würden, daß auch ihr,
Auch du und Melek, Christen hießet, eh'
Als Ehgemahl ihr Christen lieben wolltet?
Sittah.
Jawohl! Als wär' von Christen nur, als Christen,
Die Liebe zu gewärtigen, womit
Der Schöpfer Mann und Männin ausgestattet!
Saladin.
Die Christen glauben mehr Armseligkeiten,
Als daß sie die nicht auch noch glauben könnten!
Und gleichwohl irrst du dich.—Die Tempelherren,
Die Christen nicht, sind schuld: sind nicht, als Christen,
Als Tempelherren schuld. Durch die allein
Wird aus der Sache nichts. Sie wollen Acca,
Das Richards Schwester unserm Bruder Melek
Zum Brautschatz bringen müßte, schlechterdings
Nicht fahren lassen. Daß des Ritters Vorteil
Gefahr nicht laufe, spielen sie den Mönch,
Den albern Mönch. Und ob vielleicht im Fluge
Ein guter Streich gelänge: haben sie
Des Waffenstillestandes Ablauf kaum
Erwarten können.—Lustig! Nur so weiter!
Ihr Herren, nur so weiter!—Mir schon recht!—
Wär' alles sonst nur, wie es müßte.
Sittah. Nun?
Was irrte dich denn sonst? Was könnte sonst
Dich aus der Fassung bringen?
Saladin. Was von je
Mich immer aus der Fassung hat gebracht.—
Ich war auf Libanon, bei unserm Vater.
Er unterliegt den Sorgen noch…
Sittah. O weh!
Saladin.
Er kann nicht durch; es klemmt sich allerorten;
Es fehlt bald da, bald dort—
Sittah. Was klemmt? was fehlt?
Saladin.
Was sonst, als was ich kaum zu nennen würd'ge?
Was, wenn ich's habe, mir so überflüssig,
Und hab ich's nicht, so unentbehrlich scheint.—
Wo bleibt Al-Hafi denn? Ist niemand nach
Ihm aus?—Das leidige, verwünschte Geld!—
Gut, Hafi, daß du kömmst.
Zweiter Auftritt
Der Derwisch Al-Hafi. Saladin. Sittah.
Al-Hafi. Die Gelder aus
Ägypten sind vermutlich angelangt.
Wenn's nur fein viel ist.
Saladin. Hast du Nachricht?
Al-Hafi. Ich?
Ich nicht. Ich denke, daß ich hier sie in
Empfang soll nehmen.
Saladin. Zahl an Sittah tausend
Dinare! (In Gedanken hin und her gebend.)
Al-Hafi. Zahl! anstatt empfang! O schön!
Das ist für Was noch weniger als Nichts.—
An Sittah?—wiederum an Sittah? Und
Verloren?—wiederum im Schach verloren?—
Da steht es noch das Spiel!
Sittah. Du gönnst mir doch
Mein Glück?
Al-Hafi (das Spiel betrachtend).
Was gönnen? Wenn—Ihr wißt ja wohl.
Sittah (ihm winkend).
Bst! Hafi! bst!
Al-Hafi (noch auf das Spiel gerichtet).
Gönnt's Euch nur selber erst!
Sittah.
Al-Hafi; bst!
Al-Hafi (zu Sittah). Die Weißen waren Euer?
Ihr bietet Schach?
Sittah. Gut, daß er nichts gehört.
Al-Hafi.
Nun ist der Zug an ihm?
Sittah (ihm nähertretend). So sage doch,
Daß ich mein Geld bekommen kann.
Al-Hafi (noch auf das Spiel geheftet).
Nun ja;
Ihr sollt's bekommen, wie Ihr's stets bekommen.
Sittah.
Wie? bist du toll?
Al-Hafi. Das Spiel ist ja nicht aus.
Ihr habt ja nicht verloren, Saladin.
Saladin (kaum hinhörend).
Doch! doch! Bezahl! bezahl!
Al-Hafi. Bezahl! bezahl!
Da steht ja Eure Königin.
Saladin (noch so). Gilt nicht;
Gehört nicht mehr ins Spiel.
Sittah. So mach und sag,
Daß ich das Geld mir nur kann holen lassen.
Al-Hafi (noch immer in das Spiel vertieft).
Versteht sich, so wie immer.—Wenn auch schon;
Wenn auch die Königin nichts gilt: Ihr seid
Doch darum noch nicht matt.
Saladin (tritt hinzu und wirft das Spiel um).
Ich bin es; will
Es sein.
Al-Hafi. Ja so!—Spiel wie Gewinst! So wie
Gewonnen, so bezahlt.
Saladin (zu Sittah). Was sagt er? was?
Sittah (von Zeit zu Zeit dem Hafi winkend).
Du kennst ihn ja. Er sträubt sich gern; läßt gern
Sich bitten; ist wohl gar ein wenig neidisch.—
Saladin.
Auf dich doch nicht? Auf meine Schwester nicht?
Was hör ich, Hafi? Neidisch? du?
Al-Hafi. Kann sein!
Kann sein!—Ich hätt' ihr Hirn wohl lieber selbst;
Wär' lieber selbst so gut, als sie.
Sittah. Indes
Hat er doch immer richtig noch bezahlt.
Und wird auch heut bezahlen. Laß ihn nur!—
Geh nur, Al-Hafi, geh! Ich will das Geld
Schon holen lassen.
Al-Hafi. Nein; ich spiele länger
Die Mummerei nicht mit. Er muß es doch
Einmal erfahren.
Saladin. Wer? und was?
Sittah. Al-Hafi!
Ist dieses dein Versprechen? Hältst du so
Mir Wort?
Al-Hafi. Wie konnt' ich glauben, daß es so
Weit gehen würde.
Saladin. Nun? erfahr ich nichts?
Sittah.
Ich bitte dich, Al-Hafi; sei bescheiden.
Saladin.
Das ist doch sonderbar! Was könnte Sittah
So feierlich, so warm bei einem Fremden,
Bei einem Derwisch lieber, als bei mir,
Bei ihrem Bruder, sich verbitten wollen.
Al-Hafi, nun befehl ich.—Rede, Derwisch!
Sittah.
Laß eine Kleinigkeit, mein Bruder, dir
Nicht näher treten, als sie würdig ist.
Du weißt, ich habe zu verschiednen Malen
Dieselbe Summ' im Schach von dir gewonnen.
Und weil ich itzt das Geld nicht nötig habe;
Weil itzt in Hafis Kasse doch das Geld
Nicht eben allzuhäufig ist: so sind
Die Posten stehngeblieben. Aber sorgt
Nur nicht! Ich will sie weder dir, mein Bruder,
Noch Hafi, noch der Kasse schenken.
Al-Hafi. Ja,
Wenn's das nur wäre! das!
Sittah. Und mehr dergleichen.—
Auch das ist in der Kasse stehngeblieben,
Was du mir einmal ausgeworfen; ist
Seit wenig Monden stehngeblieben.
Al-Hafi. Noch
Nicht alles.
Saladin. Noch nicht?—Wirst du reden?
Al-Hafi.
Seit aus Ägypten wir das GeId erwarten,
Hat sie…
Sittah (zu Saladin). Wozu ihn hören?
Al-Hafi. Nicht nur nichts
Bekommen…
Saladin. Gutes Mädchen!—Auch beiher
Mit vorgeschossen. Nicht?
Al-Hafi. Den ganzen Hof
Erhalten; Euern Aufwand ganz allein
Bestritten.
Saladin. Ha! das, das ist meine Schwester!
(Sie umarmend.)
Sittah.
Wer hatte, dies zu können, mich so reich
Gemacht, als du, mein Bruder?
Al-Hafi. Wird schon auch
So bettelarm sie wieder machen, als
Er selber ist.
Saladin. Ich arm? der Bruder arm?
Wenn hab ich mehr? wenn weniger gehabt?—
Ein Kleid, Ein Schwert, Ein Pferd,—und Einen Gott!
Was brauch ich mehr? Wenn kann's an dem mir fehlen?
Und doch, Al-Hafi, könnt' ich mit dir schelten.
Sittah.
Schilt nicht, mein Bruder. Wenn ich unserm Vater
Auch seine Sorgen so erleichtern könnte!
Saladin.
Ah! Ah! Nun schlägst du meine Freudigkeit
Auf einmal wieder nieder!—Mir, für mich
Fehlt nichts, und kann nichts fehlen. Aber ihm,
Ihm fehlet; und in ihm uns allen.—Sagt,
Was soll ich machen?—Aus Ägypten kommt
Vielleicht noch lange nichts. Woran das liegt,
Weiß Gott. Es ist doch da noch alles ruhig.—
Abbrechen, einziehn, sparen, will ich gern,
Mir gern gefallen lassen; wenn es mich,
Bloß mich betrifft; bloß mich, und niemand sonst
Darunter leidet.—Doch was kann das machen?
Ein Pferd, Ein Kleid, Ein Schwert, muß ich doch haben.