Читать книгу Nathan der Weise - Gotthold Ephraim Lessing - Страница 13
Zweiter Auftritt
ОглавлениеDER DERWISCH AL-HAFI. SALADIN. SITTAH.
AL-HAFI.
Die Gelder aus
Ägypten sind vermutlich angelangt.
Wenn’s nur fein viel ist.
SALADIN.
Hast du Nachricht?
AL-HAFI.
Ich?
[41]Ich nicht. Ich denke, dass ich hier sie in
Empfang soll nehmen.
SALADIN.
Zahl an Sittah tausend
Dinare! (In Gedanken hin und her gehend.)
AL-HAFI.
Zahl! anstatt, empfang! O schön!920
Das ist für Was noch weniger als Nichts. –
An Sittah? – wiederum an Sittah? Und
Verloren? – wiederum im Schach verloren? –
Da steht es noch das Spiel!
SITTAH.
Du gönnst mir doch
Mein Glück?
AL-HAFI (das Spiel betrachtend).
Was gönnen? Wenn – Ihr wisst ja wohl.
SITTAH (ihm winkend).
Bst! Hafi! bst!
AL-HAFI (noch auf das Spiel gerichtet).
Gönnt’s Euch nur selber erst!
SITTAH.
Al-Hafi! bst!
AL-HAFI (zu Sittah).
Die Weißen waren Euer?
Ihr bietet Schach?
SITTAH.
Gut, dass er nichts gehört!
AL-HAFI.
Nun ist der Zug an ihm?
SITTAH (ihm näher tretend).
So sage doch,
Dass ich mein Geld bekommen kann.
AL-HAFI (noch auf das Spiel geheftet).
Nun ja;930
Ihr sollt’s bekommen, wie Ihr’s stets bekommen.
SITTAH.
Wie? bist du toll?
AL-HAFI.
Das Spiel ist ja nicht aus.
Ihr habt ja nicht verloren, Saladin.
SALADIN (kaum hinhörend).
Doch! doch! Bezahl! bezahl!
AL-HAFI.
Bezahl! bezahl!
Da steht ja Eure Königin.
SALADIN (noch so).
Gilt nicht;
Gehört nicht mehr ins Spiel.
SITTAH.
So mach, und sag,
Dass ich das Geld mir nur kann holen lassen.
[42]AL-HAFI (noch immer in das Spiel vertieft).
Versteht sich, so wie immer. – Wenn auch schon;
Wenn auch die Königin nichts gilt: Ihr seid
Doch darum noch nicht matt.
SALADIN (tritt hinzu und wirft das Spiel um).
Ich bin es; will940
Es sein.
AL-HAFI.
Ja so! – Spiel wie Gewinst! So wie
Gewonnen, so bezahlt.
SALADIN (zu Sittah).
Was sagt er? was?
SITTAH (von Zeit zu Zeit dem Hafi winkend).
Du kennst ihn ja. Er sträubt sich gern; lässt gern
Sich bitten; ist wohl gar ein wenig neidisch. –
SALADIN.
Auf dich doch nicht? Auf meine Schwester nicht? –
Was hör ich, Hafi? Neidisch? du?
AL-HAFI.
Kann sein!
Kann sein! – Ich hätt ihr Hirn wohl lieber selbst;
Wär lieber selbst so gut, als sie.
SITTAH.
Indes
Hat er doch immer richtig noch bezahlt.
Und wird auch heut bezahlen. Lass ihn nur! –950
Geh nur, Al-Hafi, geh! Ich will das Geld
Schon holen lassen.
AL-HAFI.
Nein; ich spiele länger
Die Mummerei nicht mit. Er muss es doch
Einmal erfahren.
SALADIN.
Wer? und was?
SITTAH.
Al-Hafi!
Ist dieses dein Versprechen? Hältst du so
Mir Wort?
AL-HAFI.
Wie konnt ich glauben, dass es so
Weit gehen würde.
SALADIN.
Nun? erfahr ich nichts?
SITTAH.
Ich bitte dich, Al-Hafi; sei bescheiden.
SALADIN.
Das ist doch sonderbar! Was könnte Sittah
[43]So feierlich, so warm bei einem Fremden,960
Bei einem Derwisch lieber, als bei mir,
Bei ihrem Bruder sich verbitten wollen.
Al-Hafi, nun befehl ich. – Rede, Derwisch!
SITTAH.
Lass eine Kleinigkeit, mein Bruder, dir
Nicht näher treten, als sie würdig ist.
Du weißt, ich habe zu verschiednen Malen
Dieselbe Summ’ im Schach von dir gewonnen.
Und weil ich itzt das Geld nicht nötig habe;
Weil itzt in Hafis Kasse doch das Geld
Nicht eben allzu häufig ist: so sind970
Die Posten stehn geblieben. Aber sorgt
Nur nicht! Ich will sie weder dir, mein Bruder,
Noch Hafi, noch der Kasse schenken.
AL-HAFI.
Ja,
Wenn’s das nur wäre! das!
SITTAH.
Und mehr dergleichen. –
Auch das ist in der Kasse stehn geblieben,
Was du mir einmal ausgeworfen; ist
Seit wenig Monden stehn geblieben.
AL-HAFI.
Noch
Nicht alles.
SALADIN.
Noch nicht? – Wirst du reden?
AL-HAFI.
Seit aus Ägypten wir das Geld erwarten,
Hat sie …
SITTAH (zu Saladin).
Wozu ihn hören?
AL-HAFI.
Nicht nur nichts980
Bekommen …
SALADIN.
Gutes Mädchen! – Auch beiher
Mit vorgeschossen. Nicht?
AL-HAFI.
Den ganzen Hof
Erhalten; Euern Aufwand ganz allein
Bestritten.
SALADIN.
Ha! das, das ist meine Schwester!
(Sie umarmend.)
[44]SITTAH.
Wer hatte, dies zu können, mich so reich
Gemacht, als du, mein Bruder?
AL-HAFI.
Wird schon auch
So bettelarm sie wieder machen, als
Er selber ist.
SALADIN.
Ich arm? der Bruder arm?
Wenn hab ich mehr? wenn weniger gehabt? –
Ein Kleid, Ein Schwert, Ein Pferd, – und Einen
Gott!990
Was brauch ich mehr? wenn kann’s an dem mir fehlen?
Und doch, Al-Hafi, könnt ich mit dir schelten.
SITTAH.
Schilt nicht, mein Bruder. Wenn ich unserm Vater
Auch seine Sorgen so erleichtern könnte!
SALADIN.
Ah! Ah! Nun schlägst du meine Freudigkeit
Auf einmal wieder nieder! – Mir, für mich
Fehlt nichts, und kann nichts fehlen. Aber ihm,
Ihm fehlet; und in ihm uns allen. – Sagt,
Was soll ich machen? – Aus Ägypten kommt
Vielleicht noch lange nichts. Woran das liegt,1000
Weiß Gott. Es ist doch da noch alles ruhig. –
Abbrechen, einziehn, sparen, will ich gern,
Mir gern gefallen lassen; wenn es mich,
Bloß mich betrifft; bloß mich, und niemand sonst
Darunter leidet. – Doch was kann das machen?
Ein Pferd, Ein Kleid, Ein Schwert, muss ich doch haben.
Und meinem Gott ist auch nichts abzudingen.
Ihm g’nügt schon so mit wenigem genug;
Mit meinem Herzen. – Auf den Überschuss
Von deiner Kasse, Hafi, hatt ich sehr1010
Gerechnet.
AL-HAFI.
Überschuss? – Sagt selber, ob
Ihr mich nicht hättet spießen, wenigstens
Mich drosseln lassen, wenn auf Überschuss
Ich von Euch wär ergriffen worden. Ja,
Auf Unterschleif! das war zu wagen.
SALADIN.
Nun,
[45]Was machen wir denn aber? – Konntest du
Vorerst bei niemand andern borgen, als
Bei Sittah?
SITTAH.
Würd ich dieses Vorrecht, Bruder,
Mir haben nehmen lassen? Mir von ihm?
Auch noch besteh ich drauf. Noch bin ich auf1020
Dem Trocknen völlig nicht.
SALADIN.
Nur völlig nicht!
Das fehlte noch! – Geh gleich, mach Anstalt, Hafi!
Nimm auf bei wem du kannst! und wie du kannst!
Geh, borg, versprich. – Nur, Hafi, borge nicht
Bei denen, die ich reich gemacht. Denn borgen
Von diesen, möchte wiederfodern heißen.
Geh zu den Geizigsten; die werden mir
Am liebsten leihen. Denn sie wissen wohl,
Wie gut ihr Geld in meinen Händen wuchert.
AL-HAFI.
Ich kenne deren keine.
SITTAH.
Eben fällt1030
Mir ein, gehört zu haben, Hafi, dass
Dein Freund zurückgekommen.
AL-HAFI (betroffen).
Freund? mein Freund?
Wer wär denn das?
SITTAH.
Dein hochgepriesner Jude.
AL-HAFI.
Gepriesner Jude? hoch von mir?
SITTAH.
Dem Gott, –
Mich denkt des Ausdrucks noch recht wohl, des einst
Du selber dich von ihm bedientest, – dem
Sein Gott von allen Gütern dieser Welt
Das Kleinst’ und Größte so in vollem Maß
Erteilet habe. –
AL-HAFI.
Sagt ich so? – Was meint
Ich denn damit?
SITTAH.
Das Kleinste: Reichtum. Und1040
Das Größte: Weisheit.
AL-HAFI.
Wie? von einem Juden?
Von einem Juden hätt ich das gesagt?
[46]SITTAH.
Das hättest du von deinem Nathan nicht
Gesagt?
AL-HAFI.
Ja so! von dem! vom Nathan! – Fiel
Mir der doch gar nicht bei. – Wahrhaftig? Der
Ist endlich wieder heimgekommen? Ei!
So mag’s doch gar so schlecht mit ihm nicht stehn. –
Ganz recht: den nannt einmal das Volk den Weisen!
Den Reichen auch.
SITTAH.
Den Reichen nennt es ihn
Itzt mehr als je. Die ganze Stadt erschallt,1050
Was er für Kostbarkeiten, was für Schätze,
Er mitgebracht.
AL-HAFI.
Nun, ist’s der Reiche wieder:
So wird’s auch wohl der Weise wieder sein.
SITTAH.
Was meinst du, Hafi, wenn du diesen angingst?
AL-HAFI.
Und was bei ihm? – Doch wohl nicht borgen? – Ja,
Da kennt Ihr ihn. – Er borgen! – Seine Weisheit
Ist eben, dass er niemand borgt.
SITTAH.
Du hast
Mir sonst doch ganz ein ander Bild von ihm
Gemacht.
AL-HAFI.
Zur Not wird er Euch Waren borgen.
Geld aber, Geld? Geld nimmermehr! – Es ist1060
Ein Jude freilich übrigens, wie’s nicht
Viel Juden gibt. Er hat Verstand; er weiß
Zu leben; spielt gut Schach. Doch zeichnet er
Im Schlechten sich nicht minder, als im Guten
Von allen andern Juden aus. – Auf den,
Auf den nur rechnet nicht. – Den Armen gibt
Er zwar; und gibt vielleicht trotz Saladin.
Wenn schon nicht ganz so viel: doch ganz so gern;
Doch ganz so sonder Ansehn. Jud’ und Christ
Und Muselmann und Parsi, alles ist1070
Ihm eins.
SITTAH.
Und so ein Mann …
[47]SALADIN.
Wie kommt es denn,
Dass ich von diesem Manne nie gehört? …
SITTAH.
Der sollte Saladin nicht borgen? nicht
Dem Saladin, der nur für andre braucht,
Nicht sich?
AL-HAFI.
Da seht nun gleich den Juden wieder;
Den ganz gemeinen Juden! – Glaubt mir’s doch! –
Er ist aufs Geben Euch so eifersüchtig,
So neidisch! Jedes Lohn von Gott, das in
Der Welt gesagt wird, zög er lieber ganz
Allein. Nur darum eben leiht er keinem,1080
Damit er stets zu geben habe. Weil
Die Mild’ ihm im Gesetz geboten; die
Gefälligkeit ihm aber nicht geboten: macht
Die Mild’ ihn zu dem ungefälligsten
Gesellen auf der Welt. Zwar bin ich seit
Geraumer Zeit ein wenig übern Fuß
Mit ihm gespannt; doch denkt nur nicht, dass ich
Ihm darum nicht Gerechtigkeit erzeige.
Er ist zu allem gut: bloß dazu nicht;
Bloß dazu wahrlich nicht. Ich will auch gleich1090
Nur gehn, an andre Türen klopfen … Da
Besinn ich mich soeben eines Mohren,
Der reich und geizig ist. – Ich geh; ich geh.
SITTAH.
Was eilst du, Hafi?
SALADIN.
Lass ihn! lass ihn!