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[20]Dritter Auftritt

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NATHAN und der DERWISCH.

DERWISCH.

Reißt nur die Augen auf, so weit Ihr könnt!

NATHAN.

Bist du’s? bist du es nicht? – In dieser Pracht,

Ein Derwisch! …

DERWISCH.

Nun? warum denn nicht? Lässt sich

Aus einem Derwisch denn nichts, gar nichts machen?

NATHAN.

Ei wohl, genug! – Ich dachte mir nur immer,380

Der Derwisch – so der rechte Derwisch – woll’

Aus sich nichts machen lassen.

DERWISCH.

Beim Propheten!

Dass ich kein rechter bin, mag auch wohl wahr sein.

Zwar wenn man muss –

NATHAN.

Muss! Derwisch! – Derwisch muss?

Kein Mensch muss müssen, und ein Derwisch müsste?

Was müsst er denn?

DERWISCH.

Warum man ihn recht bittet,

Und er für gut erkennt: das muss ein Derwisch.

NATHAN.

Bei unserm Gott! da sagst du wahr. – Lass dich

Umarmen, Mensch. – Du bist doch noch mein Freund?

DERWISCH.

Und fragt nicht erst, was ich geworden bin?390

NATHAN.

Trotz dem, was du geworden!

DERWISCH.

Könnt ich nicht

Ein Kerl im Staat geworden sein, des Freundschaft

Euch ungelegen wäre?

NATHAN.

Wenn dein Herz

Noch Derwisch ist, so wag ich’s drauf. Der Kerl

Im Staat, ist nur dein Kleid.

DERWISCH.

Das auch geehrt

Will sein. – Was meint Ihr? ratet! – Was wär ich

An Eurem Hofe?

NATHAN.

Derwisch; weiter nichts.

Doch nebenher, wahrscheinlich – Koch.

DERWISCH.

Nun ja!

[21]Mein Handwerk bei Euch zu verlernen. – Koch!

Nicht Kellner auch? Gesteht, dass Saladin400

Mich besser kennt. – Schatzmeister bin ich bei

Ihm worden.

NATHAN.

Du? – bei ihm?

DERWISCH.

Versteht:

Des kleinern Schatzes, – denn des größern waltet

Sein Vater noch – des Schatzes für sein Haus.

NATHAN.

Sein Haus ist groß.

DERWISCH.

Und größer, als Ihr glaubt;

Denn jeder Bettler ist von seinem Hause.

NATHAN.

Doch ist den Bettlern Saladin so feind –

DERWISCH.

Dass er mit Strumpf und Stiel sie zu vertilgen

Sich vorgesetzt, – und sollt er selbst darüber

Zum Bettler werden.

NATHAN.

Brav! – So mein ich’s eben.410

DERWISCH.

Er ist’s auch schon, trotz einem! – Denn sein Schatz

Ist jeden Tag mit Sonnenuntergang

Viel leerer noch, als leer. Die Flut, so hoch

Sie morgens eintritt, ist des Mittags längst

Verlaufen –

NATHAN.

Weil Kanäle sie zum Teil

Verschlingen, die zu füllen oder zu

Verstopfen, gleich unmöglich ist.

DERWISCH.

Getroffen!

NATHAN.

Ich kenne das!

DERWISCH.

Es taugt nun freilich nichts,

Wenn Fürsten Geier unter Äsern sind.

Doch sind sie Äser unter Geiern, taugt’s420

Noch zehnmal weniger.

NATHAN.

O nicht doch, Derwisch!

Nicht doch!

DERWISCH.

Ihr habt gut reden, Ihr! – Kommt an:

Was gebt Ihr mir? so tret ich meine Stell’

Euch ab.

[22]NATHAN.

Was bringt dir deine Stelle?

DERWISCH.

Mir?

Nicht viel. Doch Euch, Euch kann sie trefflich wuchern.

Denn ist es Ebb’ im Schatz, – wie öfters ist, –

So zieht Ihr Eure Schleusen auf: schießt vor,

Und nehmt an Zinsen, was Euch nur gefällt.

NATHAN.

Auch Zins vom Zins der Zinsen?

DERWISCH.

Freilich!

NATHAN.

Bis

Mein Kapital zu lauter Zinsen wird.430

DERWISCH.

Das lockt Euch nicht? – So schreibet unsrer

Freundschaft

Nur gleich den Scheidebrief! Denn wahrlich hab

Ich sehr auf Euch gerechnet.

NATHAN.

Wahrlich? Wie

Denn so? wieso denn?

DERWISCH.

Dass Ihr mir mein Amt

Mit Ehren würdet führen helfen; dass

Ich allzeit offne Kasse bei Euch hätte. –

Ihr schüttelt?

NATHAN.

Nun, verstehn wir uns nur recht!

Hier gibt’s zu unterscheiden. – Du? warum

Nicht du? Al-Hafi Derwisch ist zu allem,

Was ich vermag, mir stets willkommen. – Aber440

Al-Hafi Defterdar des Saladin,

Der – dem –

DERWISCH.

Erriet ich’s nicht? Dass Ihr doch immer

So gut als klug, so klug als weise seid? –

Geduld! Was Ihr am Hafi unterscheidet,

Soll bald geschieden wieder sein. – Seht da

Das Ehrenkleid, das Saladin mir gab.

Eh es verschossen ist, eh es zu Lumpen

Geworden, wie sie einen Derwisch kleiden,

Hängt’s in Jerusalem am Nagel, und

Ich bin am Ganges, wo ich leicht und barfuß450

Den heißen Sand mit meinen Lehrern trete.

[23]NATHAN.

Dir ähnlich g’nug!

DERWISCH.

Und Schach mit ihnen spiele.

NATHAN.

Dein höchstes Gut!

DERWISCH.

Denkt nur, was mich verführte! –

Damit ich selbst nicht länger betteln dürfte?

Den reichen Mann mit Bettlern spielen könnte?

Vermögend wär im Hui den reichsten Bettler

In einen armen Reichen zu verwandeln?

NATHAN.

Das nun wohl nicht.

DERWISCH.

Weit etwas Abgeschmackters!

Ich fühlte mich zum ersten Mal geschmeichelt;

Durch Saladins gutherz’gen Wahn geschmeichelt –460

NATHAN.

Der war?

DERWISCH.

»Ein Bettler wisse nur, wie Bettlern

Zumute sei; ein Bettler habe nur

Gelernt, mit guter Weise Bettlern geben.

Dein Vorfahr, sprach er, war mir viel zu kalt,

Zu rau. Er gab so unhold, wenn er gab;

Erkundigte so ungestüm sich erst

Nach dem Empfänger; nie zufrieden, dass

Er nur den Mangel kenne, wollt er auch

Des Mangels Ursach’ wissen, um die Gabe

Nach dieser Ursach’ filzig abzuwägen.470

Das wird Al-Hafi nicht! So unmild mild

Wird Saladin im Hafi nicht erscheinen!

Al-Hafi gleich verstopften Röhren nicht,

Die ihre klar und still empfangnen Wasser

So unrein und so sprudelnd wiedergeben.

Al-Hafi denkt; Al-Hafi fühlt wie ich!« –

So lieblich klang des Voglers Pfeife, bis

Der Gimpel in dem Netze war. – Ich Geck!

Ich eines Gecken Geck!

NATHAN.

Gemach, mein Derwisch,

Gemach!

DERWISCH.

Ei was! – Es wär nicht Geckerei,480

Bei Hunderttausenden die Menschen drücken,

[24]Ausmergeln, plündern, martern, würgen; und

Ein Menschenfreund an Einzeln scheinen wollen?

Es wär nicht Geckerei, des Höchsten Milde,

Die sonder Auswahl über Bös’ und Gute

Und Flur und Wüstenei, in Sonnenschein

Und Regen sich verbreitet, – nachzuäffen,

Und nicht des Höchsten immer volle Hand

Zu haben? Was? es wär nicht Geckerei …

NATHAN.

Genug! hör auf!

DERWISCH.

Lasst meiner Geckerei490

Mich doch nur auch erwähnen! – Was? es wäre

Nicht Geckerei, an solchen Geckereien

Die gute Seite dennoch auszuspüren,

Um Anteil, dieser guten Seite wegen,

An dieser Geckerei zu nehmen? He?

Das nicht?

NATHAN.

Al-Hafi, mache, dass du bald

In deine Wüste wieder kömmst. Ich fürchte,

Grad unter Menschen möchtest du ein Mensch

Zu sein verlernen.

DERWISCH.

Recht, das fürcht ich auch.

Lebt wohl!

NATHAN.

So hastig? – Warte doch, Al-Hafi.500

Entläuft dir denn die Wüste? – Warte doch! –

Dass er mich hörte! – He, Al-Hafi! hier! –

Weg ist er; und ich hätt ihn noch so gern

Nach unserm Tempelherrn gefragt. Vermutlich,

Dass er ihn kennt.

Nathan der Weise

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