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Destiny

Ich hörte seine hastigen Schritte Richtung Tür und sein fast lautloses Fluchen. Er konnte mir nicht folgen. In den unteren Etagen waren Patrouillen unterwegs. Er war kein Priester, sondern ein Eindringling. Ich war zwar auch nicht wirklich Priester, aber nach den Wochen des Versteckspiels und des Vortäuschens hatte ich das Gefühl den Titel verdient zu haben. Abgesehen davon hatte er keine Uniform und würde somit herausstechen—nicht nur, weil er wie ein Sexgott auf langen, muskulösen Beinen aussah, sondern vor allem, weil er wie ein royaler Garde gekleidet war.

Ich bewegte mich wie ein Schatten; binnen Sekunden war ich in einem anderen Raum verschwunden und schloss geräuschlos die Tür.

Dieser durchgeknallte Höhlenmensch. Allem Risiko zum Trotz—er hätte verschwinden sollen, wie er reingekommen war, nämlich durchs Fenster und am Spalier entlang—hörte ich, wie er die Tür vom Büro der Oberpriesterin öffnete und auf den Flur trat. Zu spät. Ich war verschwunden. Dieser Flur allein hatte zwanzig Türen. Um mich zu finden, würde er jede einzeln prüfen müssen, und ich war bereits durch einen kleinen Durchgang ins Nebenzimmer geschlüpft. Entweder konnte er sich mit den Streifen anlegen, die stichprobenartig die unteren Etagen patrouillierten, oder er könnte durchs Fenster abhauen und an den Reben runterklettern.

Nicht mein Problem. Nix war ein großer Junge … in jeder Hinsicht. Er war auf eigene Faust reingekommen. Also würde er auch wieder herausfinden.

Mit einem Grinsen verschwand ich in der Dunkelheit, zurück zu meinem Quartier. Eher würde ich riskieren hier ertappt zu werden, als mich mit diesem besitzergreifenden Typen herumzuplagen. Sollte er mich in die Finger kriegen, dann würde er mich zweifellos über die Schulter werfen und in den Palast zurückschleppen.

Sie könnten ihn schnappen, wenn er den Wachleuten aber mit diesem Partner-Gefasel kam, dann würden sie ihn wahrscheinlich laufenlassen. Sein Schwanz war nach unserem kleinen Techtelmechtel nicht mehr abgeschwollen und das allein würde ihm als Beweis ausreichen. Und, sollte er mich irgendwie über seine Schulter hieven, dann würde meine Gluthitze höchstwahrscheinlich wieder auflodern und ich würde ihn in den Arsch beißen wollen, anstatt ihn zu treten.

Zum Glück war ich immer noch neu hier; sollten sie mich hier draußen erwischen, dann könnte ich einfach vorgeben, dass ich mich verlaufen hatte. Und ich wollte nicht mit Nix herumdiskutieren oder gegen ihn ankämpfen. Aus irgendeinem perversen Grund wollte ich ihm nicht wehtun. Er würde sich allerdings mit mir anlegen. Er würde streiten, bis er mich schließlich über die Schulter werfen würde, genau wie Leo es mit Trinity getan hatte. Der Weg durchs Gebäude war also die bessere Option. Sollten sie mich irgendwo auf den oberen Etagen erwischen, dann würde ich einfach sagen, dass ich mich verirrt hatte.

Ich war nicht länger im Büro der Oberpriesterin. Ich schlich draußen herum. Ich würde mir etwas einfallen lassen müssen, um den Spaziergang zu erklären und vielleicht würden sie mir extra Küchendienst aufhalsen, aber sie brachten niemanden um, weil er oder sie nachts herumwanderte. Und die Oberpriesterin Amandine war auf meiner Seite, auch wenn sie es nicht wusste. Immerhin hatte sie sogar dem Einsatz tödlicher Gewalt zugestimmt.

Dann drifteten meine Gedanken wieder zu Nix. Ich dachte an seinen Duft und wie sich sein Schwanz angefühlt hatte, sogar ans Donnern seiner Stimme dachte ich. Oh Mann, er musste echt angepisst sein. Ohne Zweifel war er … außer sich vor Wut, weil ich ihm entwischt war. Vielleicht hatte er erwartet, dass ich ihm einfach brav folgen würde, weil er meine Gluthitze ein bisschen gestillt hatte. Aber nein. Ich brauchte ihn nicht. Bis diese Gluthitze vorüber war, würde mir sein Schwanz hin und wieder ganz gelegen kommen, aber ich hatte einen Job und damit würde er sich schlichtweg abfinden müssen. Genau wie meine Muschi. Ich konnte nur hoffen, dass er nicht nachtragend sein würde, sobald wir uns wiedersahen. Und dass meine Muschi ohne ihn in mir drin überleben würde.

Ich musste unsere Mutter finden. Mädels kommen vor Schwänzen, so lautete die ungeschriebene Regel.

Wie ein Schatten drang ich bis zur untersten Etage vor, ich fand die Waschküche, schnappte mir eine formelle Robe, streifte sie über meine sexbefleckte Uniform und schlüpfte leise von hinten in eine der Gesangsstunden. Zehn Minuten später hatte ich ein solides Alibi für die Nacht, denn als das Gesinge vorüber war, wünschten mir mehrere Eingeweihte und Priester eine gute Nacht. Ich war gesehen worden. Das war alles, was ich wollte.

Morgen würde ich Crayden bespitzeln und herausfinden, wer der erwähnte Kontakt in der Optimus-Einheit war. Ich musste irgendwie in den Zellenbereich C reinkommen oder zumindest herausbekommen, wo er war. Selbstverständlich würde ich Trinity alarmieren müssen. Nur für den Fall, dass ich es nicht mehr dort rausschaffte. Dann könnte sie zumindest die Neandertaler losschicken, damit sie der Piste folgten.

Ich erreichte mein Zimmer und klappte buchstäblich zusammen, mit einem seeligen Lächeln auf dem Gesicht und wund gefickter Muschi.

Visionen von Nix wirbelten wie Zuckerpflaumen in meinem Kopf herum. Sein Duft umhüllte mich immer noch. Gott, ich roch nach Sex und heißem Aleranischen Mann.

Gefährlich, tödlich, Nix.

Ich wollte mehr.


Am nächsten Morgen fiel die übliche Predigt kürzer aus als sonst und die Oberpriesterin wirkte leicht abgelenkt, was aber kaum jemandem auffiel. Wie immer stand Crayden zusammen mit einem weiteren Wachmann hinter ihr und hielt die verrückten, singenden Priester im Auge.

Wenn irgendjemand in diesem Raum die Geduld und politischen Fähigkeiten besaß, um einen jahrzehntelangen Putsch durchzuführen und meine Mutter quer durch die Galaxie zu jagen, dann würde ich meine Stiefel fressen. Unmöglich. Das hier waren nichts als Kinder, die in Erwachsenenklamotten herumspielten und darauf warteten, dass man ihnen sagte, was sie als nächstes tun sollten. Singen? Wie sollte das bitteschön die Welt retten? Sie hätten genauso gut Kumbaya singen können. Ich seufzte. Allerdings existierte der Orden seit Jahrtausenden und soweit ich mich mit der Geschichte Aleras auskannte, war Mutter die einzige Königin, die ‘Probleme’ bekommen hatte.

Als Crayden durch eine kleine Hintertür den Raum verließ, folgte ich ihm. Ich hielt mich an den Rändern und folgte ihm wie ein Schatten. Adrenalin schoss durch meinen Körper und dank der frischen Energie, die ich wie ein Vampir letzte Nacht aus Nix herausgesaugt hatte, fühlte ich mich besser als seit Tagen. Ich hatte ihn zwar nicht wirklich ausgesaugt, aber ich stellte mir jetzt vor, was ich an ihm so alles saugen könnte. Ich fühlte mich gut. Wie neu aufgetankt. Besser als zu meiner Ankunft auf diesem Planeten.

Langsam aber kehrte der Hunger zurück. Ich konnte es in meinem Steißbein fühlen. Ein Unbehagen, das erst zu einem Brennen anwuchs, dann zu einem stechenden Schmerz. Der Druck hinter meinen Augäpfeln würde so stark ansteigen, bis das Sehen wehtat. Mein Schädel würde hämmern. Meine Haut würde schmerzen, siechen. Mein Kitzler würde vor lauter Verlangen zu pochen anfangen, aber es würde keine Linderung geben. Oh, ich hatte es mit meiner Hand versucht und obwohl ich gekommen war, hatte es mich kein bisschen befriedigt. Es hatte es nur noch schlimmer gemacht. Und jetzt, nachdem ich erfahren hatte, was alles möglich war, fing ich an mich nach gewissen Berührungen, einer gewissen Hitze zu sehnen. Verdammt, alles drehte sich nur noch um ihn.

Ich fühlte mich seltsam, wie ein Alien. Zum ersten Mal in meinem Leben musste ich mich damit auseinandersetzen, dass ich nicht ganz menschlich war, und das allein schon war ein ziemlicher Trip. Ich stammte nur halb von der Erde. Eine verdammt gute Hälfte, aber immer noch nur eine Hälfte. Und auch wenn ich mir mein ganzes Leben lang von meiner Mutter anhören musste, dass ich kein normaler ‘Erdling’ war, war diese endgültige Erkenntnis nochmal etwas ganz anderes.

Meine Gluthitze war noch nicht mit mir fertig. Und nach den unglaublichen, von einem Mann herbeigeführten Orgasmen letzte Nacht und der anschließenden Erleichterung wollte ich nicht noch einmal durchmachen, was ich vor Nixs Auftauchen ertragen hatte. Ich konnte zu Plan A zurückkehren, nämlich einen Gigolo im Palast aufsuchen, aber die Vorstellung ließ mich zusammenzucken. Nee. Kein fremder Schwanz würde auch nur in meine Nähe kommen.

Nix war in gewisser Weise aber auch ein Fremder gewesen und sein Schwanz war mehr als nahe an mich herangekommen. Er war in mir drin gewesen. So tief, dass ich nicht mehr sagen konnte, wo ich aufhörte und er anfing. Aber meine Muschi schien sich nicht für technische Details zu interessieren. Der Rest von mir ebenso wenig. Schade. Bis wir Mutter wieder hatten, würde es keine versauten Schäferstündchen geben, auch wenn ich Nix eine Woche lang in mir drin behalten könnte. Erst die Arbeit, dann das sexy Vergnügen.

“Reiß dich zusammen, Prinzesschen!” Ich tadelte mich in Gedanken und folgte Crayden durch die Tür in einen sehr dunklen, sehr stillen Tunnel, den ich nie zuvor betreten hatte. Es war kühl, alle Oberflächen—Boden, Wände, Decke—bestanden aus einem glatten, rosa und grau melierten Gestein. Ich hatte das Gefühl mich untertage zu befinden, aber ich wusste, dass das nicht der Fall war. Dennoch fragte ich mich, wie dick die Steinschicht über der gewölbten Decke wohl sein musste, um diese eindringliche Stille zu erschaffen, die ich auf der Erde nur in unterirdischen Gefilden erfahren hatte.

Sobald sich die Tür hinter mir zugeschoben hatte, schloss ich die Augen, um mit meinem neuen Fledermausgehör zu lauschen. Ich wusste nicht genau, was die Zitadelle mit meinen Schwestern angestellt hatte, aber Mutter hatte uns von den royalen ‘Gaben’ erzählt. Wie Dinge zu sehen, die sonst niemand sehen konnte. Schnelligkeit. Verstandeskraft. Kampfkünste. Übersinnliche Kräfte, die uns von der normalen Bevölkerung unterscheiden würden. Nichts zu Ausgefallenes allerdings. Ihr zufolge waren wir keine Wonder Women oder irgendetwas in der Art, nur … etwas besser gewappnet. Und ich musste zugeben, dass mir dieser übermächtige, vampirmäßige Gehörsinn wirklich sehr gelegen kam.

Ich setzte meine Gabe ein und konzentrierte mich, wie ich es in all den Meditationssitzungen geübt hatte. Ich war ziemlich gut darin geworden und war in der Lage, mich auf einen einzelnen Herzschlag im Raum zu konzentrieren und dann zum nächsten überzugehen. Ich konnte dem Herzschlag lauschen, während ich mitbekam, wie das Küchenpersonal eine Etage tiefer das Abendessen diskutierte. Das ganze Meditieren und Konzentrieren hatte wahre Wunder bewirkt und meistens konnte ich meinen Hörsinn jetzt ganz gezielt einsetzen, solange ich jedenfalls nicht am Ausflippen oder zu sehr in Eile war. Ich konzentrierte mich auf das, was ich brauchte und hörte den leisen Hall von Craydens Schritten, als er sich zu meiner Rechten stetig von mir entfernte.

Ich folgte den Schritten. Dann verlor ich ihn. Dann hörte ich ein gedämpftes Grunzen.

Ein Handgemenge? Ich wusste, wie sich ein Nahkampf anhörte. Wenn Fäuste zuschlugen. Wenn Tritte auf dem Rücken oder den Beinen des Gegners landeten.

Ich rannte los, rannte weiter und weiter. Crayden war verdammt schnell gewesen. Er war mir sehr viel weiter voraus, als ich dachte. Und mein Gehörsinn war sehr viel besser, als ich angenommen hätte.

Völlig außer Atem erreichte ich eine weitere Tür. Ich öffnete sie und musste blinzeln, weil das grelle Tageslicht meine Augen reizte. Der Tunnel führte zu einem weitläufigen Park innerhalb der Festung. Hohe Bäume, Gebüsch und Spazierpfade säumten die Anlage. Und dieser Park wurde ziemlich oft genutzt, er war ein Treffpunkt für Eingeweihte, wenn das Wetter nicht bitterkalt war. Nach dem Tunnel rieb ich mir wärmend die Arme. In der Stadt war es nicht kalt gewesen, hier oben in den Bergen aber war ich bereit für einen Sonnenurlaub auf Hawaii.

Eigenartigerweise sah ich hinter einem Gebüsch Dampf aufsteigen. Ich lief um das Gewächs herum und musste feststellen, dass es sich nicht um Dampf handelte … nicht genau jedenfalls. Crayden lag in einer Blutlache auf dem Boden ausgestreckt und die kalte Luft bewirkte, dass die Wärmeschwaden aus der körperwarmen Pfütze nach oben stiegen wie Nebel über einem Bach.

Ich zuckte zusammen und musste wegschauen. “Scheiße.” Er war tot. Der lange Schnitt in seiner Kehle hätte auch einen Löwen zur Strecke gebracht. Dennoch lief ich zu ihm herüber und kniete nieder. Das Blut sickerte durch meine Hose hindurch und beschmierte meine Handflächen, als ich nach einem Puls suchte. Ich musste mich vergewissern. Nichts. Er war nicht mehr zu retten.

Die ReGen-Stifte und Tanks hier draußen im Weltraum waren fantastisch, aber tot war tot. Und Crayden war mausetot. Kein Tank hätte seine durchtrennte Halsschlagader flicken können.

Ich schloss die Augen, um die Schritte des flüchtigen Täters aufzuspüren. Ich lauschte nach hastigen Atemzügen. Oder Gelächter. Irgendetwas. Ich benötigte nur ein Geräusch, eine Richtung, der ich folgen konnte. Egal was.

Dann ertönte in der Ferne ein Schrei. Dann noch einer. Das Getrampel von mindestens sechs Paar Füßen. Gebrüll.

Ich stand auf und war einige Momente lang wie gelähmt. Wut brodelte in mir auf. Sie hatten es ruiniert. Die Spur des flüchtigen Killers war im Radau untergegangen.

Haltet gefälligst die Klappe!

Aufgrund des panischen Geschreis dieser Vollidioten konnte ich nichts mehr hören. Der Mörder würde davonkommen.

Dann packte eine Hand meinen Oberarm. Eine große Hand. Mein Herz sprang mir in die Kehle. Ich wollte mich instinktiv umdrehen und ihn abwehren. Ich war entschlossen meinen Kopf auf den Schultern zu behalten. Der Instinkt war da, aber eine Bruchsekunde lang dachte ich, dass es sich um Nix handeln könnte.

Ich wandte den Kopf um und blickte in die Augen eines Wachmanns. Meine Hand huschte erleichtert an meine Brust.

“Alles in Ordnung?” Er blickte mich prüfend an, dann suchten seine Augen die Gegend ab, als ob der Killer sich immer noch hier aufhielt. “Hast du irgendetwas gesehen?”

Ich schüttelte den Kopf und streckte meine blutverschmierten Hände von mir. “Nein. Himmel, der arme Mann. Ich bin aus der Festung gekommen und habe ihn hier liegen gesehen.”

Der Wachmann blickte nach oben und dann um die Ecke des Gebäudes herum. “Ich hatte Patrouille. Du hast nichts Verdächtiges gesehen oder gehört?”

“Du etwa?” konterte ich.

Der Mann runzelte die Stirn und blickte auf mich herab wie auf ein kleines Kind. “Priester Crayden hat den Ausgang benutzt. Ich habe ihn rausgehen sehen. Nach der Morgenmeditation und der Predigt kommt er immer hierher, also habe ich mir nichts dabei gedacht.”

Er faselte in sein Sprechgerät und setzte seine Kollegen über den Mord in Kenntnis. Dann forderte er Verstärkung an, um die Gegend zu durchsuchen.

“Hast du gesehen, wie er ermordet wurde?” fragte ich nach, als er fertig war. Ich wischte mir die Hände an meiner Hose ab, wo das Blut eine feuchte Spur hinterließ.

Er schüttelte den Kopf. “Nein. Ich patrouilliere die obere Kanzel der Südecke. Ich habe ihn gesehen, und als ich zurückgekommen bin, bist du gerade rausgekommen und auf die Knie gegangen. Erst dann habe ich seinen Körper entdeckt. Wenn hier jemand den Mord mitangesehen hat, dann nur du.”

Er war nicht dabei zu sagen, dass ich es getan hatte. Sollte er mich verdächtigen, dann würde er nicht dumm rumstehen und mit mir schwatzen. “Hast du jemanden gesehen? Stimmen gehört? Einen Kampf?”

Das hatte ich, aber nichts Konkretes. “Vom Tunnel aus habe ich gedämpftes Gerangel gehört, wie ein Kampf, aber keine Stimmen. Dann bin ich gerannt, aber als ich den Ausgang erreicht habe, war er bereits tot und allein.”

Sein skeptischer Blick verriet mir unmissverständlich, dass er sich mit meiner Antwort nicht zufriedengab. Es reichte nicht, aber immerhin hatte ich noch keine Handschellen um. “Oberpriesterin Amandine wird sich bestimmt mit dir unterhalten wollen.”

Weitere Wachmänner tauchten auf und knieten um die Leiche herum.

“Genau wie der Rest ihrer Garden,” sprach er weiter. Als die anderen sich um den Körper kümmerten, fuhr er fort: “Komm mit mir.”

“Aber—“

“Ich hab’ gesagt komm. Jetzt sofort.” Etwas unsanft zerrte er mich von den Wachmännern und Craydens totem Körper fort. Die anfängliche Sorge in seinem Blick war jetzt blinder Wut gewichen. Ich konnte es ihm nicht verübeln. Ich war Crayden aus dem Gebäude gefolgt und sein Blut klebte an meinen Händen. Es sah nicht besonders gut für mich aus.

“Ich weiß von nichts,” wiederholte ich.

Er ignorierte meine Worte und schliff mich fort. Ich ballte meine blutroten Hände zu Fäusten und ging mit ihm mit. Ich hatte nichts zu verbergen.

Nun, so ganz stimmte das zwar nicht, aber bezüglich des Mordes hatte ich nichts zu verheimlichen.

Gott sei Dank hatte er selber gesehen, wie ich nach draußen getreten war. Andernfalls müsste ich Trinity benachrichtigen und sie um eine royale Intervention anflehen. Ich war nicht sicher, wie der Priesterorden mit kaltblütigen Mördern umsprang, aber wenn sie jemanden hinrichteten, nur weil er ohne Erlaubnis ins Büro der Oberpriesterin eindrang, dann wollte ich es bestimmt nicht mit eigenem Leib erfahren.

Und da der Priesterorden die Optimus-Einheit leitete, welche wiederum alle Rechtsangelegenheiten auf Alera regelte, wollte ich auf keinen Fall in eine Zelle gesperrt werden, ehe ich Mutter aus ihrer befreien konnte. Sie könnten mich vielleicht auch in den Zellenabschnitt C stecken, allerdings hatte ich nicht vorgehabt, auf diese Art und Weise dort reinzukommen.

Wer hatte Crayden auf dem Gewissen? Und warum? Weil er im Auftrag der Oberpriesterin Nachforschungen anstellte? Sie hatte ihm erst letzte Nacht den Auftrag erteilt. Das war ziemlich schnell, um die Dinge von Null auf Mord zu beschleunigen. Oder wusste er etwas und war deswegen eliminiert worden, genau wie all die anderen sehr öffentlichen Todesfälle? Lord und Lady Jax, Lord Wyse. War Crayden als Nächstes dran gewesen?

Wenn ja, dann war ich der Wahrheit vielleicht nähergekommen, als ich gedacht hatte.

Der Wachmann schliff mich hinter sich her, bis ich mich im selben Büro wie schon letzte Nacht wiederfand. Er drückte mich in den Stuhl gegenüber der älteren Dame und ich starrte auf das getrocknete Blut an meinen Händen. Crayden war tot. Ich war ziemlich sicher, dass er auf unserer Seite war, daher war die Sache echt faul. Oder etwa nicht? War er etwa eine Art Doppelagent, der mit den Strippenziehern zusammenarbeitete und gleichzeitig die Oberpriesterin Amandine umschmeichelte?

Gott, so viele Unklarheiten. Und null Antworten.

Der Mann informierte die Oberpriesterin. Als er ihr mitteilte, dass Crayden ermordet worden war, schürzte sie fassungslos die Lippen und ihre Wangen wurden ganz weiß, ansonsten entgegnete sie aber nichts darauf.

Als er fertig war, wandte sie sich mir zu. “Was hast du heute Morgen gemacht? Warum warst du im Tunnel der Oberpriester? Diese Bereiche sind nur für meine persönlichen Garden vorgesehen.”

Oh Scheiße. Die Älteste klang nicht amüsiert. Wenn sie wüsste, was ich mit Nix in der Ecke hinter mir und im Nebenzimmer angestellt hatte, dann würde sie total ausflippen.

Ich schlug meine Beine übereinander, blickte auf und versuchte nicht zu erröten, als mich die Erinnerungen überfluteten, Erinnerungen an Nixs harten Schwanz, meine Orgasmen und den heißen Sex, den ich ihm vor ein paar Stunden in diesem Raum abverlangt hatte. Der alten Frau in die Augen zu blicken war wie der Versuch ein ultra-weises Großmütterchen zu belügen—oder zumindest stellte ich es mir so vor.

Allerdings war ich eine Prinzessin. Und jetzt, dank genau dieser mitternächtlichen Eskapade und nachdem ich zufällig ihr Gespräch mit Crayden mitbekommen hatte, war ich sicher, dass diese Frau auf der Seite meiner Mutter stand. Sie war Königin Celene gegenüber loyal. Was bedeutete, dass sie auch meinen Schwestern gegenüber loyal war.

Und mir.

Wir brauchten Verbündete. Und ich hatte das Gesinge und Gebete und Herumgeschleiche dermaßen satt. Das war wirklich nicht mein Stil. Ich war eher der Typ, der zugriff und es krachen ließ.

“Junge Dame, du wirst mir jetzt antworten.”

Na klar. Sie hörte sich an wie eine total angepisste Obermutti. Würde sie alle drei meiner Namen kennen, dann würde sie mich jetzt bestimmt mit jeder einzelnen Silbe beschimpfen.

“Bitte sehr, aber einen Moment noch. Ich muss sichergehen, dass wir beide wirklich allein sind,” sprach ich.

“Mein Wachmann ist weggetreten. Ich versichere dir—”

Ich hielt meine Hand hoch und machte ihr mit erhobenem Zeigefinger ein Zeichen, damit sie einen Moment wartete, während ich langsam aufstand und die Wände des Innenbüros abschritt. Ich lauschte.

“Was machst du da?” fragte sie.

“Ich prüfe nach. Bitte, machen sie keinen Krach. Nur einen Moment lang. Mir ist klar, dass Sie keine Garden in der Nähe haben. Was nebenbei gesagt ziemlich dumm von Ihnen ist.” Die Aleranische Sprache rollte mir von der Zunge, seit ich denken konnte. Aber ich konnte sehen, wie sie angesichts dieser indirekten Drohung die Augen zusammenkniff.

“Kleines, ich mag zwar hilflos wirken, aber ich bin alles andere als das,” meckerte sie.

Darauf musste ich grinsen. “Genau wie ich.”

Wohl aus reiner Neugierde sah sie zu, wie ich meinen Rundgang durch ihr Büro fortsetzte. Die umliegenden Räumlichkeiten machten mir weniger Sorgen, schließlich hatten sie und Crayden sehr leise geredet. Nein, wenn irgendjemand hier ein Abhörgerät platziert hatte, dann musste es sich in der Nähe ihres Schreibtischs befinden. So nah wie möglich an ihr dran.

Als ich den Raum abgeschritten hatte, bat ich sie aufzustehen. Genervt und im Schneckentempo kam sie hinter ihrem Schreibtisch hervor.

Da war es. Ein Summen, so leise, dass nur eine sandkorngroße Biene es hätte hervorbringen können. Aber ich konnte es hören. Krass. Ich konnte alles hören. Und je mehr ich mein Gehör einsetzte, desto besser konnte ich filtern, was davon in meinem Kopf ankam und was nicht.

Ich schob meinen Fingernagel unter etwas, das wie eine natürliche Windung auf der holzähnlichen Oberfläche aussah und hob ein Blättchen vom unteren Rand ihrer Schreibtischplatte auf, in der Mitte zwischen ihrem Stuhl und der Ecke des Schreibtischs. Ich begann, den Klebstoff von der Hinterseite des kleinen Senders abzuziehen, aber ihre schrumpelige Hand umfasste meine Finger und als ich aufblickte, schüttelte sie nur den Kopf.

“Zu klein.”

Ich hielt ihr das winzige Gerät vor die Nase und legte gleichzeitig den Finger auf die Lippen.

Sie nickte und deutete auf eine Stelle auf ihrem Schreibtisch und ich legte es behutsam dort ab. Äußerst behutsam, sollte irgendwer gerade mithören. Dann trat ich zurück und setzte mich wieder auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch. Ich sprach mit normaler Stimme weiter. “Ich war nur neugierig über die Tunnel, werte Älteste. Ich bin neu hier. Tut mir leid. Ich wollte keinen Ärger machen.”

“Und doch hast du mitangesehen, wie Priester Crayden ermordet wurde.”

Ich schüttelte den Kopf. “Nein, habe ich nicht. Ich habe überhaupt nichts gesehen. Ich habe nur seine Leiche gefunden. Das ist alles. Sie können den Wachmann fragen, der mich hergebracht hat. Das war alles nur ein gewaltiges Missverständnis.”

“Sein Blut klebt an deinen Händen.”

“Ich musste nachschauen. Sie verstehen. Für den Fall, dass ich ihm noch hätte helfen können.” Ich blickte auf das getrocknete Blut an meinen Händen und auf meiner Kleidung. In diesem Moment machte ich ihr nichts vor. Der Schauer, der mich durchfuhr, war sehr real. Genau wie die Trauer in meinen Augen.

“Nachschauen nach was?”

“Ob er noch einen Puls hat. Ich habe ihn angefasst. Tut mir leid. Daher kommt das ganze Blut.”

“Ich verstehe.” Sie schwenkte herum und stand auf, dann machte sie mir ein Zeichen, dass ich ihr zur Tür folgen sollte. “Ich werde deine Schilderung mit dem Wachmann abklären. Für den Moment kannst du gehen.”

“Danke sehr. Mein Beileid. Vielen Dank.”

Sie machte absichtlich laut die Tür auf. “Du darfst die Festung nicht verlassen. Ich werde dich später eventuell erneut befragen müssen.”

“Natürlich nicht. Wohin sollte ich auch gehen?”

Darauf zog sie die Augenbraue hoch, dann aber winkte sie mich in den Flur hinaus und ich gehorchte. Zu meiner Überraschung folgte sie mir und knallte lautstark die Tür hinter sich zu. “Sind hier draußen noch mehr Sender versteckt?” fragte sie leise.

Ich schloss die Augen und lauschte. Nichts. Keine Wachen. Kein Gesumme. Nichts. “Ich höre keine.”

“Gut.” Sie verschränkte die Arme vor der Brust und musterte mich von oben bis unten, als ob sie mich noch nie gesehen hätte. Sie war einfach zu clever. Sie erinnerte mich an Trinity. “Du bist also die dritte Prinzessin.”

Ich schnappte nach Luft. Woher zum Teufel wusste sie das? “Ich bin niemand. Nur eine Novizin.”

Die alte Frau verdrehte tatsächlich die Augen. “Richtig. Du bist seit weniger als zwei Wochen hier und bist genau einen Tag, nachdem drei mysteriöse Frauen in der Zitadelle verschwunden sind in meiner Festung aufgetaucht. Über deine Vergangenheit gibt es keinerlei Daten. Keinen Geburtseintrag. Nichts. Und du kannst das mikroskopische Signal eines Abhörsenders hören, was bedeutet, dass die Zitadelle dir und deinen Schwestern bereits ihre Gaben verliehen hat.”

“Was?” Niemand wusste über die Gaben Bescheid. Jedenfalls niemand außerhalb der royalen Blutlinie. So hatte Mutter es uns immer berichtet. Außenstehenden davon zu erzählen war zu gefährlich. Wie konnte es also sein?

“Keine Sorge. Ich bin Königin Celene, also deiner Mutter treu. Ich habe fast dreißig Jahre lang ihren Thron verteidigt und auf diesen Tag gewartet.”

“Woher wussten Sie, dass sie nicht längst tot war?” fragte ich, dann seufzte ich. Blöde Frage. Ich kannte die Antwort bereits. Wie der Rest von Alera.

“Der Turm. Er ist nie erloschen.”

“Aber ja. Verzeihung, das hatte ich vergessen.” Ich hob meine Hand und wollte mir übers Gesicht fahren, dann aber sah ich das ganze Blut und ließ es bleiben. Ich atmete tief durch. Verbündete. Wir brauchten Verbündete. “Na schön. Sehen sie, ich weiß, dass Sie der Krone gegenüber loyal sind. Und ich weiß, dass sie Crayden damit beauftragt haben herauszufinden, wer der geheimnisvolle Insasse im Zellenabschnitt C der Optimus-Einheit ist.”

Jetzt war sie mit Stirnrunzeln dran. Ha!

“Woher weißt du das? Es sei denn, du warst diejenige, die das Abhörgerät in meinem Büro versteckt hat.”

“Nein. Ich war … also—” Ich errötete. Diesmal unweigerlich. “—letzte Nacht bin ich in ihr Büro eingebrochen, um nach Hinweisen zu suchen. Ich habe ihr Gespräch mitgehört.”

“Unmöglich.”

Ich zuckte die Achseln. “Nicht wirklich. Vor dem Fenster haben sie echt kräftige Reben. Ich würde ihnen dringend empfehlen die Dinger zu trimmen.”

Sie musterte mich eindringlich und schürzte die Lippen. “Ich verstehe. Was hast du noch mitgehört?”

“Genug, um zu wissen, dass Sie nicht gegen meine Familie arbeiten. Oder ein Feind meiner Familie sind.”

“Also bist du tatsächlich die dritte Prinzessin?”

Ich nickte. “Ja. Mein Name ist Destiny. Faith ist meine Zwillingsschwester, Trinity ist unsere große Schwester und als einzige waschechte Aleranerin.” Ich reichte ihr die Hand, wie es auf der Erde üblich war und sie lächelte freundlich und nahm sie, getrocknetes Blut hin oder her. Anstatt mir die Hand zu schütteln, drückte sie einfach nur zu, aber es war nicht unangenehm oder so.

“Es ist mir eine Ehre und ein Vergnügen, Eure Hoheit. Jetzt sag mir, warum du dich hier versteckst und wie ich dir helfen kann.”

“Das weiß ich noch nicht genau. Mein Beileid wegen Crayden. Ich denke, als Erstes sollten wir herausfinden, wer die Wanze in Ihrem Büro angebracht hat.”

“Einverstanden. Meine Leute werden das Ding unter die Lupe nehmen.”

Das ging in Ordnung. Ich hätte es sowieso nicht herausbekommen können und da sie nicht allzu überrascht zu sein schien, dass ihr Büro abgehört wurde, war es offensichtlich nicht das erste Mal.

“Und ich werde deine Identität geheim halten. Nur so wirst du innerhalb der Festung sicher sein.”

“Danke. Ich werde Trinity kontaktieren und sie auf den neuesten Stand bringen. Sobald wir wissen, wer die Wanze angebracht hat, können wir einen Plan ausarbeiten. Irgendjemand hat unsere Mutter gekidnappt und die Spuren führen zu den Priestern und zur Optimus-Einheit. Ich glaube, bei erwähntem Häftling handelt es sich um die Königin.”

Darauf machte sie große Augen. Die Königin siebenundzwanzig Jahre lang zu vermissen war eine Sache, dass sie sich jetzt an einem spezifischen Ort befand und gerettet werden konnte, war eine andere. “Hast du Beweise dafür?”

“Nein. Nur mein Bauchgefühl.”

Sie lächelte. “Mein Gefühl sagt mir dasselbe.” Sie schmunzelte, als ob das reiner Spaß für sie war und keine Frage von Leben oder Tod.

“Die Sache ist ernst.”

“Aber natürlich. Für Leute mit viel Macht und Verantwortung ist das Leben immer voller Ernst. Aber das bedeutet nicht, dass du nicht von Zeit zu Zeit auch das Leben genießen kannst, selbst nach dem, was Crayden zugestoßen ist. Das Leben ist zu kurz, um nicht hin und wieder auch zu lachen. Du bist jung, aber du wirst lernen. Besser, wenn du dem Leben auch Gelächter, Freude und Liebe abgewinnst. Du musst dir dein Glück stehlen. Wenn nicht, dann wirst du es nie bekommen.”

Wie war aus dieser coolen Agentenmission nur eine Predigt geworden? Bloß nicht. Dank Nix und Trinity hatte ich bereits mehr als genug davon gehört.

“Ich werde meine Schwester kontaktieren. Wenn Sie erlauben, würde ich mich morgen früh wieder mit Ihnen hier treffen.”

Sie nickte, dann tätschelte sie sogar meinen Arm. “Geh. Mach dich erstmal sauber. Ich werde so viel wie möglich in Erfahrung bringen, während du dich erholst.”

“Danke.” Ich wollte zwar nicht rennen, plötzlich aber hatte ich es mehr als eilig in mein Zimmer zurückzukommen. Das Blut war einfach nur ekelerregend. Die Szene in meinem Kopf war verstörend. Und jetzt, als die mächtigste Frau im gesamten Priesterorden auf unserer Seite war, fühlte ich mich ausreichend sicher, um auszuspannen und eine Stunde lang unter der Dusche zu verschwinden. Und diesen Leichengeruch loszuwerden.

Destiny

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