Читать книгу Emotionale Fronten - Wenn die Seele im Einsatz ist - Grace Jenkins - Страница 6

Katja

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Gefühle waren besonders signifikant vor dem Ein­satz?

Wir waren verliebt. Besonders ich war hoffnungslos romantisch. Wenn ich liebte, dann mit Haut und Haar. So sah auch unsere Be­ziehung aus. Natürlich, ich als Frau, war intensiver im Ausleben der Gefühle. Trotzdem waren die Gefühle von Burkhard nicht min­der intensiv. Wir kannten uns schon, als er noch nicht bei der Bundeswehr war. Der Eintritt in die deutsche Armee war ein schwieriger Einschnitt in unsere gemeinsame Welt. Er war viel un­terwegs, hatte einige Übungen, aber noch konnten wir das sehr gut ausgleichen. Dann kam es, wie es kommen musste. Die Unru­hen auf der Welt wurden nicht weniger, ganz im Gegenteil. Den einen Nachmittag, an dem er mir sagte, dass er in den Einsatz muss, werde ich nie vergessen. Wir saßen am Esszimmertisch, bei Kaffee und Kuchen und dann ließ er die Bombe platzen. Er erzähl­te mir, dass er in den Einsatz EUFOR sollte. Zunächst konnte ich das absolut nicht zuordnen, hatte sowieso schon immer Probleme mit den Abkürzungen gehabt. Es stellte sich dann recht schnell raus, dass damit der Einsatz in Bosnien gemeint war. Besonders ab dem Zeitpunkt war ich angespannt und nervös. Was würde die­se Trennung für mich bedeuten? Was bedeutete sie für uns? Fra­gen über Fragen, die nur die Zukunft beantworten konnte. Aber die wichtigste Frage: was passiert mit mir und dem ungeborenen Baby? Wir hatten gute acht Wochen vor dem Einsatzantritt die wunderschöne Nachricht bekommen, dass wir Eltern werden.

Welche Gefühle waren besonders signifikant während des Einsatz?

Dann kam der Tag, an dem wir Abschied nehmen mussten. Ich weinte viel, fühlte mich traurig und alleingelassen. Zusätzlich machte mir die Schwangerschaft zu schaffen. Langsam wuchs der Babybauch und erschwerte den Alltag, wenn es auch eine Hürde war, die ich sehr gerne gemeistert habe. Ich freute mich auf unseren kleinen Sonnenschein. Trotzdem schob sich immer wieder die Sorge um Burkhard in den Vordergrund. Damals gab es einfach noch nicht die technischen Mittel, wie es sie heute gibt. Wir konnten gelegentlich mal telefonieren, hauptsächlich haben wir uns aber Briefe geschrieben. Aus Sorge und Angst um ihn, wie auch um unser Baby und um unsere Zukunft, wuchs eine neue Gefühls­regung, die noch weniger angenehm war: ich resignierte. Zu viel habe ich gelitten, während ich alleine Zuhause war, auf seinen An­ruf wartete, oder auf den Postboten, immer in der Hoffnung, dass heute ein Brief von ihm bei der Post dabei war. Das schlimmste von allen war jedoch die Fehlgeburt, die ich erlitt. Da ich noch heute sehr darunter leide, möchte ich nicht im großem Rahmen auf das Thema eingehen. Burkhard und ich haben uns jedoch ge­meinsam dazu entschieden, dass er den Einsatz nicht abbricht. Ich befand mich in psychologischer Behandlung und wollte erst einmal allein durch die schwierige Zeit.

Welche Gefühle waren besonders signifikant nach dem Ein­satz?

Alles hat früher oder später ein Ende. Auch der Einsatz. Leider überschattete die Fehlgeburt die Freude. Sie lag zwar zu dem Zeit­punkt schon mehrere Wochen zurück, trotzdem kam ich mit dem Verlust nicht klar. Die Resignation führte letzten Endes auch dazu, dass ich sämtliche positiven Gefühle verlor. Die Beziehung zwi­schen mir und Burkhard zerbrach. So viel kann ich schon einmal vorwegnehmen. Wir hatten beide unsere Päckchen zu tragen. Er hatte sich massiv verändert. Kam mit einer anderen Sprache und einer neuen Persönlichkeit wieder heim. Ich erkannte ihn nicht wieder. Auch ich habe mich durch die Fehlgeburt, die Einsamkeit und die Angst, verändert. Wir waren uns fremd geworden, verstanden uns nicht mehr und konnten die Worte des anderen nicht mehr mit dem Herz fühlen.

Gab es besondere Rituale vor dem Einsatz?

Vor dem Einsatz haben wir uns jeden Abend gesehen. Natürlich nur, wenn er nicht auf einer Übung war, oder Wache hatte. Wir lebten die Zweisamkeit intensiv und es war wunderschön, seine Liebe zu spüren. War er nicht Zuhause, so haben wir telefoniert. Es waren mehr Verhaltensweisen und Gewohnheiten, als feste Ri­tuale.

Gab es besondere Rituale während des Einsatz?

Auch hier waren es mehr Verhaltensweisen, die ein ritualähnliches Muster hatten. Ich weinte mich bald jeden Abend in den Schlaf. Was aber als Ritual zählen dürfte, sind die Briefe, Gedichte und Songtexte, welche ich jede Woche schrieb und sie dann einmal wöchentlich abschickte.

Gab es besondere Rituale nach dem Einsatz?

Da wir uns verloren hatten, war es eher ein trauriges Ritual. Wir machten uns gegenseitig Vorwürfe und gingen uns konsequent aus dem Weg. Wir verstanden uns nicht mehr. Hier habe ich auch gemerkt, dass Rituale nicht immer nur positiv sein müssen.

Welche Momente sind dir besonders in Erinnerung ge­blieben und warum?

Es gab eine Reihe Erinnerungen, die mir bis heute deutlich im Ge­dächtnis geblieben sind. Doch dabei sind leider wenig positive Gedanken vorhanden. Hauptsächlich geht es um Schmerz, Leid, Einsamkeit und Ver­lust. Natürlich war die Fehlgeburt wohl das Schlimmste, daran er­innere ich mich leider noch zu deutlich. Aber auch die Bilder vom Abschied, sehe ich noch deutlich vor mir. Da hatte ich im­merhin noch die Hoffnung, dass alles gut werden würde.

Welche Probleme sind während des Einsatz aufgetaucht?

Leider gab es auch die zu genüge. So hatte ich immer furchtbar darunter gelitten, wenn ich andere, zusammen mit ihrem Partner sah. Viele im Bekannten- und Freundeskreis hatten ihre Partner abends daheim. Wenn wir gemeinsame Unternehmungen geplant hatten, fühlte ich mich oft, wie das fünfte Rad am Wagen. Damals steigerte ich mich da aber auch rein. Ich redete mir ein, dass ich die Verlassene sei, die Angst um ihren Partner hatte. Ich wurde immer passiver und katapultierte mich auf diese Weise von Pro­blem zu Problem. Nach wie vor war jedoch die Fehlgeburt das größte Thema für mich. Ich sagte Burkhard zwar, er solle im Ein­satz, bei seinen Kameraden, bleiben, trotzdem fühlte ich mich von ihm im Stich gelassen.

Haben sich auch positive Momente während des Einsatz er­geben?

Rückblickend muss ich das verneinen. Es war tatsächlich eher das Gegenteil der Fall. Die Nachrichten anzusehen,;war für mich im­mer ein Grauen. Ich hatte Angst, dass ich von einem Anschlag hö­ren würde, von gefallenen oder verletzten Soldaten. Nein, etwas Positives gab es absolut nicht.

Wie hast du die Betreuung empfunden? Hast du dich gut in­formiert und vorbereitet gefühlt? Gab es Situationen, die du bemängelst, oder besonders gut gefunden hast?

Zu der Zeit war das FBZ (Familienbetreuungszentrum) noch im Aufbau und bei weitem noch nicht so verbreitet, wie es heute der Fall ist. Daher war die Betreuung eher bescheiden und es war mir definitiv zu unpersönlich. Eine gezielte Fürsorge gab es erst recht noch nicht. Vielleicht bin ich aber auch einfach durchs Netz ge­rutscht und wurde nur sehr unpersönlich behandelt, da wir zu dem Zeitpunkt nicht verheiratet waren. Zum Glück hatte ich an der Stelle einen guten Psychologen, mit dem ich über einige Schwie­rigkeiten reden konnte.

Wie ist dein Umfeld mit der Situation umgegangen? Wie waren die Reaktionen vor, während und nach dem Einsatz?

Mir ist es oft passiert, dass ich voller Mitleid angeschaut wurde. Ei­nige, die über die Situation Bescheid wussten, bedauerten mich auch. Oftmals konnte ich damit nicht umgehen, da ich selbst ver­suchte, mich an der Stärke der anderen zu orientieren.

Wenn du die Zeit zurückdrehen könntest, würdest du man­che Sachen anders machen und wenn ja oder nein, wieso?

Könnte ich die Zeit noch einmal zurückdrehen, würde ich wahr­scheinlich keine Beziehung mehr zu einem Soldaten eingehen. Der Beruf, die Gefahr, die lange Abwesenheit, die Einsamkeit, das wür­de ich emotional kein zweites Mal ertragen können.

Was würdest du aus deinen persönlichen Erfahrungen her­aus anderen Raten, die gerade vor dem Einsatz stehen, mit­ten im Einsatz sind und wo der Einsatz gerade zu Ende ge­gangen ist?

Mein Rat an die Paare, die einen Einsatz gerade mitgemacht ha­ben, kurz davorstehen, oder mitten drin sind, ist; dass sie reden müssen. So viel und so oft es geht. Über Ängste, Hoffnungen, Wünsche. Es ist so wichtig, sich auch von vornherein ein Umfeld zu schaffen, welches einen auffängt, wenn man es braucht. Die Suche nach Hilfe ist heute deutlich einfacher, wie noch in den neunziger Jahren. Man sollte das unbedingt wahr,- und auch in An­spruch nehmen. Sich Ziele zu setzen, wäre für euch noch ein unterstüt­zender Tipp. Manches, besonders in schweren Zeiten, sollte man dann nicht dem Schicksal überlassen. Wenn jemand schon immer mal einen Malkurs mitmachen wollte, dann ist es jetzt die beste Gelegenheit.

Was ich persönlich auch wichtig finde, was wir leider damals über­haupt nicht gemacht haben ist, sich Erinnerungen zu schaffen. Er­innerungen, von denen man zehren kann, wenn der Einsatz kommt. Macht vorher noch einen schönen Urlaub, macht gemein­same Fotos, macht euch gegenseitig Ketten, oder, oder, oder. Hauptsache, man hat in der schweren Zeit etwas Persönli­ches, was einem positive Erinnerungen schenkt.

Zum Abschluss von mir für dich

Ich war 19 und sehr verliebt in Burkhard. Er war 23, Unteroffizier und wir hatten uns bei einem politischen Seminar kennengelernt. Ich arbeitete in der Mensa und er bedankte sich immer sehr freundlich bei mir. In der 2. Woche fragte er mich nach einem Date. Von da an waren wir unzertrennlich. Ich war schon bald un­beabsichtigt, trotz Pille, schwanger, aber wir freuten uns sehr auf das Baby. Heiraten wollten wir noch nicht. Aber wir schmiedeten Zukunftspläne, wollten zusammenziehen, und nach der Geburt auch unsere Verlobung bekannt geben.

Dann kam der Einsatzbefehl und von da an war der Wurm drin. Er veränderte sich. Wurde verschlossener, wollte nicht reden. Weder über uns, das Baby, über den Einsatz oder sich. Ich hatte Ängste, mit denen ich mich alleingelassen fühlte. Ich machte die Bundes­wehr für unsere langsam beginnende Entfremdung verantwortlich. Während des Einsatzes schrieben wir beide viele Briefe, die uns al­lerdings nicht so schnell erreichten, wie wir es gebraucht hätten. Anrufe waren nicht drin, er hatte dort einfach nicht die Möglichkeit zu telefonieren. Die Informationen waren spärlich, die Nachrichten im TV schlimm. Meine Ängste und mein Horror wurden immer grö­ßer, mir ging es emotional sehr schlecht und ich hatte dann bald die Fehlgeburt.

Vielleicht war ich zu jung, jedenfalls konnte ich für Burkhard nicht die starke Partnerin sein, die er gebraucht hätte. Er hätte Unter­stützung und weniger Vorwürfe und Klagen gebraucht. Kein Wun­der, dass unsere Beziehung zerbrach. Als er zurückkam, schlanker älter, ernster und bedrückt, hatte ich mich bereits meinem ehema­ligen Schulkollegen zugewandt, welcher in der schwierigen Zeit für mich da war und den ich später auch heiratete.

Burkhard musste einiges Schlimmes in Bosnien erlebt haben, er wurde später Alkohol und Tablettenabhängig.

Heute noch ist mir zum Weinen, wenn ich das Lied

„You are in the army now“ von Bolland und Bolland höre.

Emotionale Fronten - Wenn die Seele im Einsatz ist

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