Читать книгу Ein Foto vom Mörder - Göran Norström - Страница 4

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Als wir durch die Ebene fuhren, war die Hitze fast unerträglich. Margaretha saß vorne neben Söder und roch leicht nach einem angenehmen Parfum. Ich saß halb und lag halb auf dem Rücksitz. Alle Fenster waren offen, und Söder fuhr sicher hundert, aber die Luft, die zum Fenster hereinkam, war nur heiß. Margarethas Haare kringelten sich in der Hitze, und in Söders Locken hingen Schweißtropfen.

Söder war über dreißig und ich sechzehn. Trotzdem war er mein bester Freund. Er hat mich im letzten Sommer dazu überredet, zur Zeitung zu gehen und dabeizubleiben, wenn die Fotografen Arbeit bekamen.

„Wenn du Fotograf oder Journalist werden willst“, hatte er gesagt, „dann mußt du einfach immer da sein. Am Schluß glauben sie, daß du angestellt bist. Und dann wirst du auch angestellt.“

Margaretha drehte sich zu mir um und sah besorgt aus.

„Wenn dir was passiert!“ sagte sie.

„Da wartet er doch gerade drauf“, sagte Söder.

„Er ist doch fast noch ein Kind“, sagte Margaretha.

„Er ist Fotograf und Journalist“, sagte Söder.

Margaretha schüttelte den Kopf, dann legte sie heimlich, damit ich es nicht sah, ihre Hand auf Söders Bein.

Ich hatte nichts dagegen. Wenn mein Bruder von seinen Mädchen redete, mochte ich nicht zuhören, alles klang dann so verächtlich. Aber wenn Söder von Margaretha sprach, dann klang das so, als ob das mit der Liebe ganz schön wäre. Und Margaretha gehörte zu den wenigen Menschen, die mir so über den Kopf streicheln konnten, daß ich am ganzen Körper Gänsehaut bekam. Söder war schon einmal verlobt gewesen, hatte er erzählt. Aber das Mädchen, das er gemocht hatte, war gestorben. Vielleicht gönnte ich es ihm deshalb, daß es ihm mit Margaretha gut ging. Sie hatte große, blaue Augen und ein Lächeln, das ich besonders mochte. Aber als sie sich jetzt wieder zu mir umdrehte, lächelte sie nicht.

„Du hättest was Warmes zum Anziehen mitnehmen sollen. Falls es spät wird.“

„So spät kann es gar nicht werden, daß es nicht noch warm ist“, sagte Söder und fuhr langsamer, weil wir nach Sandviken kamen.

„Wenn es kühl wird, kann ich mir von Tage eine Jacke leihen.“

Söder drehte sich um und sah mich und Margaretha an.

„Von was für einem Tage“, fragte er.

„Meinem Cousin in Kungsfors“, sagte ich.

Es war lange still, dann sagte Söder: „Aha, du hast also einen Cousin in Kungsfors?“

„Ja.“

„Du kennst dich also in der Gegend aus?“

„Ja“, sagte ich, „ich war schon oft im Sommer dort und habe mit Tage gefischt.“

„Ja dann, wenn du die Gegend kennst, haben wir einen deutlichen Vorsprung vor der Arbeiterzeitung“, sagte Söder.

„Ich weiß ja kaum, wo Järbo liegt“, sagte Margaretha.

„Ich auch nicht“, sagte Söder.

Ich streckte die Beine aus und legte sie auf den Rücksitz des zeitungseigenen Volvos und genoß es, der einzige zu sein, der sich auskannte. Dann bog Söder Richtung Järbo ab. Es wurde ein bißchen kühler, als wir durchs Bredmoor fuhren. Margaretha lehnte sich zurück, und der angenehme Parfumduft wurde deutlicher. Ich sog ihn ein. Es roch nach Flieder wie in Söders Gartenlaube in der Sjötullstraße im Frühsommer. Da haben wir viele Abende lang gesessen, er und ich, und miteinander geredet. Da hatte er auch versucht, mir klarzumachen, daß Journalist zu sein, kein besonders toller Beruf ist.

„Es ist oft ein Scheißberuf“, hatte er gesagt. „Es ist manchmal der ekelhafteste Beruf, den man sich vorstellen kann.“

„Warum?“ hatte ich einmal gefragt.

„Weil man im Leben von anderen Menschen herumschnüffeln muß“, hatte er geantwortet.

„Aber die Spannung, Söder“, hatte ich gesagt.

„Da geht es nur selten um Spannung.“

„Um was denn?“

„Es geht darum, Spannung in etwas zu erzeugen, wo keine ist, und Spannung aus etwas zu machen, was tragisch ist“, hatte er geantwortet.

Das war letzten Sommer gewesen, als mein Bruder und ich allein in der Sjötullstraße waren. Papa und Mama waren wie immer im Sommerhaus in Älvkarleby.

Und da waren sie auch diesen Sommer. Mein Bruder hatte einen Job in einem Restaurant in Varberg gefunden, und ich war jetzt so alt, meinten Mama und Papa, daß ich allein bleiben konnte. Söder wohnte in der Wohnung unter uns.

Sie waren beide der Meinung gewesen, daß ich mir auch einen Sommerjob hätte suchen sollen. Alle müssen ihren Teil beitragen, sagte Papa immer. Und Mama fand das auch. Das war aber so ziemlich das einzige, wo sie einer Meinung waren, außer bei der Frage, wo es Pfifferlinge gab. Sie hatten beide Augen für Pilze, Pilzaugen, wie sie sagten.

Da fuhr Söder über die Brücke in Backa. Der Fluß Jädra lag ein paar Sekunden lang dunkel und glänzend unter uns. Dann kamen wir an Jäderfors vorbei und sahen den Kungsberg von weitem.

„Das einzige, was ich weiß, ist, daß jemand in Järbo ermordet worden ist.“

„Järbo ist groß“, sagte ich.

„Wir können die Polizei fragen“, sagte Margaretha.

Die Sonne verschwand hinter einer Wolke. Es war eine dunkle Wolke mit hellen Rändern, die ein Gewitter bringen konnte.

Wir fuhren an der Kirche vorbei. Seit die Straße über den Viadukt geführt worden war, lag sie in einer Mulde. Von hier oben sah sie aus wie eine Spieluhrkirche mit einer Kurbel an der Rückseite. Wie aus Holz und so groß, daß sie auf einem Tisch stehen und ‚Kling, Glöckchen, klingelingeling‘ spielen könnte. Der Pfarrer kam gerade aus der Tür. Er blinzelte in den Himmel, als ob nichts passiert wäre. Er hieß Eriksson und war ein hervorragender Äschenangler. Er angelte immer mit künstlichen Fliegen.

Kurz darauf hielt Söder beim Polizeirevier an.

Wir stiegen alle drei aus. Söder ging voran und machte die Tür auf. Da saß Flink, er war der erste Polizeikommissar. Er hatte graue Haare, wache Augen und eine lange Nase, als ob er mit ihr Witterung aufnehmen wollte.

Ich hatte nur über ihn gehört. Ich hatte gehört, daß er seine eigenen Wege ging und nie jemanden festnahm, wenn es nicht nötig war. Er tippte und schaute nicht auf, als Söder hustete.

„Hier soll ein Mord passiert sein“, sagte Söder.

Flink schaute von der Maschine auf, war aber offenbar noch so in Gedanken an das versunken, was er gerade geschrieben hatte, daß er nichts zu verstehen schien.

„Es ist hier jemand ermordet worden“, sagte Söder und wurde lauter.

„Ja, stimmt“, sagte Flink.

„Sind Sie der Polizist hier in Järbo?“

„Ja“, antwortete er.

„Und wissen Sie etwas über den Mord?“

„Das ist nicht mein Gebiet“, sagte Flink.

„Aber Sie wissen, daß jemand ermordet worden ist?“ sagte Söder.

Flink antwortete nicht. Er beugte sich wieder über seine Maschine, als ob er etwas schreiben würde, was viel wichtiger war. Dabei murmelte er vor sich hin: „Nicht zu glauben, was heutzutage Benzin aus den Tanks geklaut wird.“

Margaretha, die sich im Hintergrund gehalten hatte, kam nach vorn und lehnte sich über den Tresen.

„Lieber Herr Polizeikommissar“, sagte sie und lächelte dieses Lächeln, das die meisten Leute verwirrte. „Darf ich was fragen?“

Flink lächelte auch und nickte. Margaretha stellte sich vor, Flink ebenso.

„Es stimmt doch, daß hier oben ein bedauernswerter Mensch ermordet worden ist?“

Flink ließ sich immer noch Zeit mit einer Antwort, er bewunderte Margaretha, das war deutlich zu merken. Die meisten Leute bewunderten sie.

Dann holte er Luft wie Olsson bei der Zeitung, die Bäuche waren auch gleich dick. Beim Ausatmen sagte er mit einem Seufzer:

„Egon Bergström vom Gästgivarhof ist erschossen worden.“

„Gästgivarhof?“ fragte Margaretha.

„Ich weiß, wo das ist“, flüsterte ich.

„Er soll aus dem Hinterhalt erschossen worden sein“, sagte Flink. „Rücksichtslos aus dem Hinterhalt.“ Dann schaffte es nicht einmal Margaretha, daß er noch etwas sagte. Und vielleicht fand er auch, daß der Mord so grausam war, daß er sich damit trösten mußte, über Jugendliche zu schreiben, die Benzin aus den Tanks von geparkten Autos klauen.

Ein Foto vom Mörder

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