Читать книгу Star Trek - Legacies 1: Von einem Captain zum anderen - Greg Cox - Страница 11
VIER
Оглавление»Es ist, wie wir befürchtet hatten«, sagte Spock.
Das aufgebrochene Geheimfach in Kirks Quartier bestätigte den Verdacht des Captains. In das Versteck war eingebrochen worden und der Schlüssel war verschwunden.
»Ich verstehe das nicht«, sagte Kirk. »Warum jetzt, nach all diesen Jahren?«
Pike hatte Kirk das Geheimnis höchstpersönlich anvertraut, genau wie April das Geheimnis Jahre zuvor Pike anvertraut hatte. Nur ihre Ersten Offiziere hatten von dem Schlüssel erfahren, für den Fall, dass ein Captain vorzeitig verstarb. Bis auf einen kurzen Zeitraum während des Umbaus, als Pike den Schlüssel an sich genommen hatte, bis man Kirk zum neuen Captain ernannt hatte, war dieses einzigartige fremdartige Gerät immer sicher im Inneren der Enterprise verborgen gewesen und weder die Geschichte noch die Sternenflotte wussten etwas davon. April hatte diese Entscheidung vor beinahe zwanzig Jahren getroffen und Kirk hatte nie Veranlassung dazu gehabt, diese infrage zu stellen. Noch bis vor einer Stunde hätte er angenommen, dass Captain Una das genauso sah, aber jetzt war der Schlüssel verschwunden und die Shimizu floh vom Tatort.
»Ich kann es nicht erklären.« Spock betrachtete nachdenklich das leere Geheimfach, bei dessen Einbau er Kirk vor einigen Jahren geholfen hatte. »Ich kann nur annehmen, dass sie ihre Gründe hat.«
»So wie Sie, als Sie die Enterprise gestohlen haben, um Pike zu helfen?«
Kirk hatte Spock diesen Verrat längst verziehen, weil Spocks Absichten redlich gewesen waren und Chris Pike ein glücklicheres Ende ermöglicht hatten. Kirk versuchte nur zu begreifen, was Una dazu veranlasst haben könnte, den Schlüssel zu stehlen.
Falls diese Anspielung auf sein damaliges Vergehen Spock traf, so ließ der stoische Vulkanier es sich nicht anmerken.
»Vielleicht«, sagte er. »Die Person, die ich kannte und an deren Seite ich mehr als zehn Jahre diente, war nicht durch Eigennutz oder Bestechlichkeit motiviert und ließ sich auch nicht von irrationalen Impulsen leiten. Im Gegenteil, ihre persönliche Disziplin und Integrität würden jedem Vulkanier zur Ehre gereichen.«
»Das aus Ihrem Munde ist ein großes Lob«, erwiderte Kirk, »und Sie kennen sie auf jeden Fall besser als ich. Aber ich kann mir den Luxus nicht leisten, ihr einen Vertrauensvorschuss zu geben. Ich kann nicht einfach die Hände in den Schoß legen, während ein Captain der Sternenflotte ein gefährliches Stück fremdartiger Technologie stiehlt und sich allein damit davonmacht.«
Spock nickte. »Bedauerlicherweise muss ich Ihnen zustimmen.«
»Ich gehe davon aus, dass ich mich trotz Ihrer gemeinsamen Vergangenheit mit Captain Una auf Ihre volle Kooperation bei ihrer Ergreifung verlassen kann?«
Spock nahm Kirk die Frage nicht übel, die dieser hatte stellen müssen. »Sie sind mein Captain. Frühere Loyalitäten werden das nicht kompromittieren.«
»So wie bei Pike?«, drängte Kirk.
»Das waren … außergewöhnliche … Umstände.«
Und das ist jetzt nicht der Fall?, dachte Kirk, aber sprach es nicht aus. Spock hatte seine Loyalität dem Schiff und seinem Captain gegenüber sowohl vor als auch nach dem Vorfall von Talos IV immer wieder unter Beweis gestellt. Wenn er sagt, dass alte Bande seinen Pflichten nicht im Weg stehen werden, reicht mir das.
»Also schön«, sagte er. »Sie hat den Schlüssel. Wo bringt sie ihn hin, vorausgesetzt, wir fangen sie nicht vorher?«
»Ich habe eine Theorie, aber diese benötigt weitere Beweise.« Spock verließ das Schlafzimmer und schaltete eine Komm-Einheit an der Wand des Arbeitsbereichs ein. »Spock an Brücke. Verfolgen wir immer noch die Shimizu?«
»Bestätigt, Mr. Spock«, antwortete Sulus Stimme. »Sie ist ziemlich schnell, aber wir fangen immer noch ihre Warpemissionen auf.«
»Verstanden«, sagte Spock. »Bitte senden Sie den aktuellen Kurs und die Geschwindigkeit der Shimizu an das Computerterminal im Quartier des Captains.«
»Wird gemacht, Mr. Spock.« Es folgte ein kurzes Schweigen von der Brücke. »Kommt jetzt herein.«
»Danke, Mr. Sulu. Spock Ende.«
Er ging von der Komm-Einheit zu Kirks Schreibtisch. »Mit Ihrer Erlaubnis, Captain?«
Kirk nickte. Er ging um den Schreibtisch herum und sah zu, während Spock das Terminal einschaltete.
»Computer, Kurs und Geschwindigkeit des Schiffs Shimizu darstellen, das auf Captain Una der Sternenflotte registriert ist.«
»Sofort«, antwortete der Computer.
Eine Sternkarte tauchte auf dem Monitor auf. Der aktuelle Kurs der Shimizu wurde durch eine blinkende rote Linie angezeigt. Die Verfolgung der Enterprise war anhand einer blauen Linie zu erkennen, die beständig auf die rote Linie aufschloss. Kirk fand es ermutigend zu sehen, dass Unas Vorsprung anscheinend stetig zusammenschrumpfte.
»Zukünftige Route der Shimizu basierend auf ihrer aktuellen Flugrichtung berechnen«, wies Spock den Computer an, »vorausgesetzt es gibt keine bedeutsamen Abweichungen.«
»Sofort.«
Die Karte auf dem Bildschirm schrumpfte, um einen größeren Abschnitt des Quadranten zu zeigen. Eine gepunktete gelbe Linie zeigte die mögliche Flugbahn der Shimizu an, die sich bis in überwiegend unerforschte Sektoren am äußersten Rand des Föderationsgebiets erstreckte.
Spock legte seine Stirn in Falten. Seine leicht angespannte Miene verriet seine Besorgnis. »So etwas habe ich mir gedacht«, sagte er. »Wenn die Shimizu ihren Kurs beibehält, ist sie unterwegs in den Korinar-Sektor.«
Kirk beugte sich vor, um den Bildschirm genauer in Augenschein zu nehmen. Er verfügte zwar nicht über Spocks computerähnlichen Verstand, aber er konnte eine Sternkarte lesen und das, was er sah, trug nicht gerade zu seiner Beruhigung bei.
»Das ist umkämpftes Gebiet, das sowohl von der Föderation als auch dem Klingonischen Reich beansprucht wird.«
»Korrekt«, stellte Spock fest, »was Captain Unas gegenwärtiges Handeln nur noch besorgniserregender macht.«
»Das können Sie laut sagen«, stimmte Kirk zu.
Vor weniger als einem Jahr wäre es beinahe zum Krieg zwischen der Föderation und dem Klingonischen Reich gekommen. Ohne das unerwartete Einschreiten der Organier würde die Enterprise jetzt möglicherweise in die Schlacht fliegen – oder wäre bereits zu einem Opfer des Krieges geworden. Der aktuelle Waffenstillstand war angespannt und brüchig und wurde immer wieder durch Provokationen vonseiten der Klingonen getrübt. Doch bisher hatte er gehalten. Kirk wusste, dass eine große Konferenz zum Abschluss des Friedensvertrags von Organia bereits in Planung war und dass viel vom reibungslosen Ablauf dieser Konferenz abhing. Was alle Seiten jetzt am wenigsten brauchten, war, dass Captain Una den Frieden in Gefahr brachte, indem sie aus unbekannten Gründen in die umkämpfte Region eindrang.
»Damit ist der Fall klar«, sagte Kirk. »Die Möglichkeit, dass ein Captain der Sternenflotte – und der Schlüssel – in die Hände der Klingonen fallen, muss um jeden Preis verhindert werden, ganz besonders im Angesicht der bevorstehenden Friedensverhandlungen.«
»Eine präzise Einschätzung unserer Situation«, stellte Spock fest. »Ganz gleich wie Captain Unas Motive aussehen, man kann nicht zulassen, dass sie die Beziehungen der Föderation mit dem Klingonischen Reich in Gefahr bringt, und wir können auch nicht riskieren, dass der Schlüssel in die falschen Hände fällt. Die Konsequenzen einer solch bedauerlichen Entwicklung könnten … katastrophal sein.«
»Ich erinnere mich an die Geschichte«, sagte Kirk grimmig. »Das letzte Mal, als der Transferschlüssel benutzt wurde …«
Die Tür zu Kirks Quartier öffnete sich zischend und McCoy platzte in die Suite. Er stürmte hinüber zu der Stelle, wo Kirk und Spock standen.
»Was zum Teufel geht hier vor?«, verlangte er zu wissen. »Ich habe einen benommenen Lieutenant auf meiner Krankenstation, der behauptet, von Captain Una hinterhältig überfallen worden zu sein, und jetzt höre ich, dass wir sie durch den Quadranten jagen, als wäre sie ein entflohener Verbrecher. Sind wir versehentlich wieder in ein Paralleluniversum geflogen, als ich nicht hingesehen habe?«
Kirk beugte sich vor und schaltete den Computerbildschirm aus. Das wird schwierig, dachte er. Der grantige Arzt wollte Antworten und würde nicht darüber erfreut sein, im Unklaren gelassen zu werden. Und ein missmutiger McCoy konnte stur sein. Klein beizugeben lag nicht in seiner Natur.
»Die Situation ist kompliziert, Pille, und ich bin nicht befugt, darüber zu sprechen.«
»Fang nicht so an«, sagte McCoy ungeduldig. »Ich bin Arzt. Ich kann ein Geheimnis für mich behalten.« Er wandte sich an Spock. »Bitte sagen Sie mir, dass wir nicht wieder zurück nach Talos IV fliegen.«
»Das ist unwahrscheinlich, Doktor«, versicherte Spock ihm. »Unser aktueller Kurs führt uns in eine vollkommen andere Richtung.«
»Das ist immerhin etwas. Aber wo genau fliegen wir dann hin? Und was ist das für eine Geschichte mit Captain Una? Warum hat sie Riley angegriffen und ist dann abgehauen?« Frustriert riss er die Arme hoch. »Nichts davon ergibt irgendeinen Sinn!«
Wem sagst du das?, dachte Kirk. Ein Teil von ihm war versucht, McCoy in das Geheimnis des Schlüssels einzuweihen. Je länger dieser Wahnsinn andauerte, desto schwieriger würde es werden, die ganze Geschichte geheim zu halten. Dank Captain Una drohte die Katze aus dem Sack zu entkommen.
»Es tut mir leid, Pille, aber …«
Ein Pfeifen der Komm-Tafel bot eine willkommene Unterbrechung. Kirk wandte sich von McCoy ab und ließ den frustrierten Doktor stehen, um den Ruf anzunehmen.
»Kirk hier.«
» Wir holen auf die Shimizu auf«, meldete Sulu. »Sie sollte jeden Moment in Sichtweite kommen.«
»Verstanden«, sagte Kirk. »Wir sind unterwegs.«
Er ging eilig zur Tür. »Tut mir leid, Pille. Die Pflicht ruft.« Er nickte Spock zu. »Mr. Spock, Sie kommen mit mir.«
McCoy folgte ihnen hinaus in den Flur und zum Turbolift.
»Moment mal«, sagte er. »Ich komme mit. Glaub nicht, dass du meinen Fragen lange ausweichen kannst.«
Das wäre auch zu schön gewesen, dachte Kirk.
Kirk übernahm wieder die Brücke und Sulu kehrte zu seinem üblichen Platz an der Steuerkonsole zurück. Spock setzte sich an die Wissenschaftsstation und McCoy, der keinen festen Posten auf der Brücke hatte, gesellte sich wie üblich zu Kirk in den Kommandobereich. Er lehnte sich gegen eine kirschrote Reling, als wollte er sich darauf einrichten, solange hierzubleiben, bis er den Dingen auf den Grund gegangen war. In der Regel hatte Kirk nichts dagegen, wenn McCoy der Brücke einen Besuch abstattete, aber im Moment fühlte sich der Kommandobereich etwas überfüllt an. McCoys unbeantwortete Fragen und seine offensichtliche Unzufriedenheit schienen physisch zwischen ihnen im Raum zu stehen.
»Solltest du nicht auf der Krankenstation sein, Doktor?«, fragte Kirk.
»Warum?«, entgegnete McCoy. »Erwartest du Verletzte?«
Ich hoffe nicht, dachte Kirk. Theoretisch war die Shimizu unbewaffnet, aber Kirk ging kein Risiko ein. Una hatte bereits bewiesen, dass sie voller Überraschungen steckte und bereit war, Gewalt anzuwenden, wenn man ihr in die Quere kam. »Wie geht es Riley?«
»Ein schmerzender Nacken und ein angeknackstes Ego«, sagte McCoy, »und ich glaube, Letzteres schmerzt schlimmer als Ersteres.« Er zuckte mit den Schultern. »Leider habe ich kein Rezept dagegen.«
Kirk war erleichtert zu hören, dass Rileys Verletzungen geringfügig waren, obwohl er es Una immer noch übelnahm. Der verletzte Stolz eines jungen Offiziers war keine große Sache, aber wie weit war Una bereit zu gehen – und wie weit musste er gehen, um sie aufzuhalten? Trotz allem wollte er nicht, dass Una verletzt wurde. Er wollte sie in der Arrestzelle, nicht auf der Krankenstation.
Genauso wenig wollte er sie durch einen Photonentorpedo in ihre Atome aufgelöst sehen.
»Wie lange noch?«, fragte er.
»Sie kommt in Sichtweite.« Chekov warf einen Blick auf seine taktischen Sensoren. »In ungefähr drei, zwei, eins …«
Und tatsächlich, die Shimizu erschien wieder auf dem Hauptbildschirm. Sie war nur ein kleiner Fleck und kaum von den Sternen zu unterscheiden, die Lichtjahre entfernt glitzerten, aber Kirk spürte, wie sein Puls bei dem Anblick schneller wurde. Captain Una war ihnen noch nicht entwischt.
»Geschwindigkeit erhöhen«, befahl Kirk. »Warp sieben Komma fünf.«
»Aye, Sir.« Sulu zuckte leicht zusammen, weil er sich bewusst war, dass sie den Maschinen der Enterprise alles abverlangten, aber er führte den Befehl aus. »Warp sieben Komma fünf.«
Die Shimizu wurde auf dem Bildschirm langsam größer, als die Enterprise die Entfernung zwischen ihnen verringerte. Kirks Mut sank, als ihm klar wurde, dass ihm die größere Herausforderung noch bevorstand. Una einzuholen war der leichte Teil, sie aufzuhalten, ohne die Shimizu anzugreifen, könnte sich als wesentlich schwieriger erweisen, wenn nicht sogar als unmöglich. Er betete, dass es nicht so weit kommen würde.
»Rufen Sie die Shimizu«, wies Kirk Uhura an. »Sagen Sie ihr, dass wir das Feuer eröffnen werden, wenn sie ihre Flucht nicht abbricht.«
Uhura nickte düster. »Aye, Sir.«
Zwingen Sie mich nicht dazu, das zu tun, Una, dachte Kirk. Um unser beider willen.
Er freute sich nicht gerade darauf, der Sternenflotte zu erklären, warum er auf einen anderen Captain der Sternenflotte geschossen hatte, um diesen davon abzuhalten, mit einem gefährlichen Stück fremdartiger Technologie zu entkommen, das nie in offiziellen Berichten aufgetaucht war. Kirk konnte sich vorstellen, dass Commodore April, falls nötig, zu seinen Gunsten aussagen würde. Der ehemalige Captain der Enterprise diente inzwischen als Sonderbotschafter der Föderation, aber er würde mit Sicherheit die Verantwortung dafür übernehmen, den Schlüssel überhaupt erst vor der Sternenflotte versteckt zu haben. Doch Kirk war der Gedanke zuwider, seinen angesehenen Vorgänger in diese Lage zu bringen. Der Schlüssel befand sich in meiner Obhut, dachte Kirk. Das geht auf meine Kappe.
»Captain Una antwortet auf unseren Ruf«, meldete Uhura.
»Gut«, sagte Kirk. »Hören wir, was sie zu sagen hat.«
McCoy schnaubte. »Ich jedenfalls bin ganz Ohr. Vielleicht kann ich endlich rausfinden, was zur Hölle wir hier machen.«
Genau davor habe ich Angst, dachte Kirk. Was passiert, wenn Una vor Pille und allen anderen auspackt?
Unas Gesicht füllte wieder einmal den Bildschirm aus. »Ich hatte Sie gebeten, mir nicht zu folgen, Kirk.« Sie klang eher enttäuscht als überrascht.
»Sie wussten, dass ich das tun musste.«
Er wollte das noch weiter ausführen, was ihm aber durch die Tatsache erschwert wurde, dass er hier auf der Brücke nicht offen über den Schlüssel sprechen konnte – und er konnte die Brücke mitten in einer Krise wohl kaum verlassen. Während er sprach, stand Yeoman Bates direkt außerhalb des Kommandobereichs und beobachtete mit weit aufgerissenen Augen, wie sich diese ungewöhnliche Konfrontation entwickelte. Aller Wahrscheinlichkeit nach schrieb sie die Auseinandersetzung bereits für Kirk mit. Wie sollte er zu Una durchdringen, wenn er jedes Wort auf die Goldwaage legen musste?
»Ich nehme an, es ist zu spät, Sie darum zu bitten, es sich anders zu überlegen?«
»Ich fürchte ja«, antwortete er. »Wir haben Grund zu der Annahme, dass Sie unterwegs in den Korinar-Sektor sind, und Sie müssen wissen, dass dieser sowohl von der Föderation als auch von den Klingonen beansprucht wird. Jetzt in diesen Bereich hineinzufliegen, nur Wochen vor den bevorstehenden Vertragsverhandlungen, ist in höchstem Maße leichtfertig … und riskiert, uns wieder an den Rand eines Krieges zu bringen.«
Er hoffte, dass diese Erklärung der Mannschaft ausreichen würde, zumindest was die Verfolgung der Shimizu anging. Mit etwas Glück konnte die ganze Geschichte hinter Unas Verhalten Eingeweihten vorbehalten bleiben.
Oder war da der Wunsch der Vater des Gedankens?
»Die zweifelhaften Ansprüche der Klingonen auf die Region komplizieren alles«, gab Una zu, »aber ich bin zuversichtlich, dass ich unentdeckt in den Sektor hinein- und wieder herausfliegen kann. Ich bezweifle allerdings, dass man dasselbe von der Enterprise sagen kann. Ein kleines, unverdächtiges Raumschiff wie die Shimizu wird der Aufmerksamkeit der Klingonen wahrscheinlich eher entgehen als ein Raumschiff der Constitution-Klasse.«
»Sie haben wahrscheinlich recht«, sagte Kirk, »aber ich werde nicht zulassen, dass Sie diese Theorie auf die Probe stellen. Sie müssen anhalten und Ihr Schiff übergeben, bevor das hier zu weit geht.«
»Wir sind an einem Punkt angekommen, an dem es kein Zurück mehr gibt, Kirk. Ich muss beenden, was ich begonnen habe, egal wie.«
Kirk bemerkte, dass auch sie sich absichtlich vage ausdrückte. Zweifellos war sie sich der neugierigen Ohren ebenfalls bewusst, die sie belauschten. Er nahm an, dass er dafür dankbar sein sollte, aber das war zu viel verlangt. Sie säßen nicht in dieser Klemme, wenn sie mit dem Schlüssel gar nicht erst geflohen wäre.
»Wir kommen in Schussweite, Sir«, meldete Chekov mit leiser Stimme. Seine angespannte Körpersprache verriet sein Unbehagen. Nervös leckte er sich über die Lippen. »Torpedos bereit und geladen.«
»Jim«, sagte McCoy. »Sag mir, dass wir nicht wirklich darüber nachdenken, zu schießen. Gütiger Gott, wir haben gestern Abend noch mit dieser Frau ein paar Drinks gehoben.«
»Ich weiß, Doktor. Ich weiß.«
Kirk war von der Aussicht, auf die Shimizu zu schießen, ebenso angewidert wie McCoy. Photonentorpedos waren keine exakten Instrumente. Auch wenn man mit chirurgischer Präzision versuchte, nur das Schiff und nicht den Piloten anzuvisieren, gab es keine Garantie, dass Captain Una den Angriff überleben würde. Ein Hüllenbruch, ein Strahlungsleck oder gar eine Explosion des Warpkerns waren alle durchaus möglich, wenn die Enterprise genug Feuerkraft einsetzte, um die Schilde der Shimizu zu überwinden. Aber um zu verhindern, dass Una – und der Schlüssel – in klingonisches Territorium gelangten, musste er dieses Risiko vielleicht eingehen.
Wenn Una ihn dazu zwang.
»Nicht schießen, Ensign. Vorerst.«
Spock warf ihm einen beunruhigten Blick zu und war zweifellos um Unas Sicherheit genauso besorgt wie er, wenn nicht noch mehr. Er hatte vorhin aufgrund seiner früheren Kenntnis ihres Charakters darauf beharrt, dass Una sicherlich einen guten Grund für ein solches Vorgehen hatte.
Kirk wünschte, er könnte da auch so sicher sein.
»Sie gehen ein enormes Risiko ein«, sagte er zu ihr. »Was passiert, wenn Sie, trotz Ihrer Vorsicht, in klingonische Hände fallen? Sie würden die Sternenflotte – und die Föderation – in eine sehr schwierige Lage bringen.«
»Nicht wenn die Sternenflotte jegliche Kenntnis meiner Handlungen leugnet, was nichts weniger als die Wahrheit wäre, da ich wirklich aus eigenem Antrieb handele, Kirk. Deshalb wollte ich Sie und Spock auch nicht mit hineinziehen … oder die Yorktown. Das geht allein auf meine Kappe.«
War das der Grund, weshalb sie nicht einfach um den Schlüssel gebeten hatte? Damit niemand anders in die Sache verstrickt wurde?
»Ihnen ist natürlich klar, dass Sie in einem klingonischen Gefängnislager landen könnten? Oder gar Schlimmeres?«
»Das ist ein Risiko, das ich bereit bin einzugehen«, sagte sie. »Und deshalb bitte ich Sie noch einmal, Ihre Verfolgung abzubrechen. Es ist für alle besser, wenn die Enterprise nicht weiter hineingezogen wird.«
»Ihr Einwand wäre noch viel überzeugender, wenn ich wüsste, was Sie zu erreichen versuchen.«
»Noch einmal, es ist besser, dass Sie das nicht wissen.«
»Das reicht mir nicht«, beharrte Kirk und verlor die Geduld. »Und das ist auch nicht Ihre Entscheidung.« Er wählte seine Worte sorgfältig. »Was Sie auf meinem Schiff … an sich genommen haben … fiel in meine Verantwortung. Sie hatten nicht das Recht, ohne meine Erlaubnis zu handeln.«
»Zugegeben, aber ich wollte Ihnen diese Entscheidung ersparen und konnte das Risiko nicht eingehen, dass Sie meine Bitte ablehnen.«
Was bedeutete, dass er das möglicherweise getan hätte, wenn er gewusst hätte, was sie vorhatte. Kirk fand das nicht gerade beruhigend. Was immer Una im Schilde führte, sie war davon ausgegangen, dass er sich dagegen verwehren würde. Vielleicht aus gutem Grund?
»Betrachten Sie sich als von der Verantwortung entbunden, Kirk. Das ist meine Angelegenheit. Una Ende.«
Sie beendete die Übertragung und ihr Gesicht verschwand vom Bildschirm.
»Captain«, sagte Spock. »Ich habe die Schildkonfiguration der Shimizu gescannt. Die Schilde scheinen darauf programmiert zu sein, wiederholt und schnell durch eine Reihe von Feldschwingungen zu wechseln. Gleichzeitig gibt es entsprechende Anpassungen der Gravitonpolaritäten, um diese ›Schlüpfrigkeit‹, die Mr. Chekov erwähnte, zu erhöhen. Aber ich denke, dass ich ein Muster in den Frequenzänderungen entdeckt habe und in der Lage sein müsste, unsere taktischen Reaktionen entsprechend anzupassen.«
Kirk wollte die wissenschaftlichen Einzelheiten abkürzen. »Das heißt im Klartext?«
»Ich glaube, dass ich möglicherweise die Shimizu mit einem Traktorstrahl erfassen könnte, wenn wir uns lange genug in ihrer Nähe halten könnten. Um genau zu sein, müsste es sich um eine Entfernung von ungefähr eins Komma sieben Kilometern für mindestens zwei Komma sechs Minuten handeln.«
Kirk spürte, wie Hoffnung in ihm aufwallte. Die Shimizu mit einem Traktorstrahl zu erfassen war der Aussicht, sie in die Luft zu jagen, bei Weitem vorzuziehen. Vielleicht gab es doch noch einen Weg, diese Krise ohne Schaden – außer vielleicht für Unas makellosen Ruf – zu beenden.
»Tun Sie’s«, befahl er. »Mr. Chekov, übergeben Sie die Traktorkontrollen an die Wissenschaftsstation.« Er starrte entschlossen das Schiff auf dem Bildschirm an, dessen schnittige Konturen er jetzt erkennen konnte. »Mr. Sulu, bringen Sie uns näher an die Shimizu heran.«
»Aye, Sir!«
Die Enterprise beschleunigte auf das andere Schiff zu, das plötzlich scharf nach links zog und außer Sichtweite verschwand.
»Sulu«, drängte Kirk.
»Schon dabei«, antwortete der Steuermann. Die Enterprise veränderte ihren Kurs, um sich dem Ausweichmanöver der Shimizu anzupassen, und Kirk wartete angespannt darauf, dass Unas Schiff wieder auf dem Bildschirm erschien.
Und wartete …
»Ich verstehe das nicht«, sagte Chekov. »Wo ist sie?«
»Hinter uns«, verkündete Spock, der auf seine Sensormessungen starrte. »Sie hat den Warp verlassen, sobald wir sie nicht mehr sehen konnten, sodass wir mit Warpgeschwindigkeit an ihr vorbeigeschossen sind.«
Raffiniert, dachte Kirk und bewunderte trotz allem ihren Einfallsreichtum. Ihm fiel ein, dass sie nicht nur Pikes Erster Offizier, sondern auch sein Steuermann gewesen war. Sie hat mehr Erfahrung als Spock und ich zusammen, also kann ich es mir nicht leisten, sie zu unterschätzen. Wer weiß, welche Tricks sie im Laufe der Jahre gelernt hat?
»Wende um hundertachtzig Grad, Mr. Sulu!«, befahl er. »Bleiben Sie an ihr dran!«
»Aye, Sir!«
Sulu zog den Bug des Schiffs nach oben und führte eine Teilschleife aus, sodass die Enterprise wieder den Weg zurückflog, den sie gekommen war. Kirk dankte den Ingenieuren der Sternenflotte für die künstliche Schwerkraft, die dafür sorgte, dass oben und unten dort blieben, wo sie hingehörten, ganz gleich welche Position das Schiff im Raum einnahm. Anderenfalls hätten Sulus waghalsige Manöver sich wie eine Fahrt auf einer guten alten Achterbahn angefühlt und sie wären alle gegen die Decke gekracht.
»Die Shimizu?«, fragte Kirk. »Haben wir sie verloren?«
»Noch nicht.« Spock spähte in seinen Sucher. »Ich habe sie immer noch auf meinen Sensoren.«
Gut, dachte Kirk. Una hatte sich mit ihrem kreativen fliegerischen Können etwas mehr Zeit verschafft, aber was wollte sie wirklich dadurch erreichen? Sie waren immer noch Stunden vom Korinar-Sektor entfernt, also wie viel Vorsprung versprach sie sich davon?
»Ist sie immer noch auf Kurs zu der umstrittenen Region?«, fragte er.
»Negativ«, stellte Spock fest. »Sie schwenkt auf ein Sonnensystem in der Nähe um.«
»Welches System?«, wollte Kirk wissen. »Ein bewohntes?«
Versuchte Una womöglich, sich mit Komplizen zu treffen oder Zuflucht auf einer unbekannten Welt zu suchen? Kirk kannte keine größeren Zivilisationen in dieser Region, aber die Sternenflotte hatte wohl kaum jeden Klasse-M-Planeten im Quadranten erfasst. Die Galaxis barg immer noch viele fremde neue Welten, die darauf warteten, entdeckt zu werden.
»Negativ«, meldete Spock. »Die Sensoren zeigen an, dass das System ein Sternfriedhof ist, in dessen Zentrum sich ein einzelner Weißer Zwerg befindet. Alle inneren Planeten wurden mit Sicherheit zerstört, als die Sonne vor Milliarden von Jahren zu einem Roten Riesen anschwoll, lange bevor sie unter ihrem eigenen Gewicht in sich zusammenfiel. Es existieren nur noch einige äußere Planeten, die von der Schwerkraft des Weißen Sterns festgehalten werden. Es handelt sich um einen Gasgiganten und diverse kleinere Planeten, Planetoide, Monde und Asteroiden.«
Ein Weißer Zwerg war die letzte Etappe im Lebenszyklus vieler Sonnen: die abkühlenden, superdichten Überreste einer einst strahlenden Sonne. Wie ein Grabstein im Weltraum.
»Ein totes System«, sagte Kirk. »Was könnte sie da wollen?«
»Deckung?«, schlug Spock vor. »Selbst ein spärliches System bietet mehr Gelegenheiten, sich zu verstecken, als der offene Weltraum. Sie könnte sich auf die geringere Größe der Shimizu und ihre bessere Manövrierfähigkeit verlassen, um unseren Waffen und Traktorstrahlen zu entgehen.«
So wie man während eines Feuergefechts von Deckung zu Deckung springt, dachte Kirk. Una macht es uns nicht gerade leicht.
»Wir nähern uns dem System«, meldete Chekov. Auf dem Hauptschirm war der Weiße Zwerg in der Ferne kaum zu erkennen. Er war ungefähr so groß wie die Erde, aber der unglaublich dichte Überrest hatte immer noch die Masse eines viel größeren Sterns. »Sehen Sie! Da ist die Shimizu.«
Kirk erhaschte einen Blick auf das fliehende Raumschiff, bevor es hinter einem Eisplaneten am äußeren Rand des Systems verschwand.
»Auf Impulsgeschwindigkeit heruntergehen«, befahl Kirk, »und bleiben Sie ihr auf den Fersen.«
Mit Warpgeschwindigkeit in ein Sternensystem zu rasen – auch wenn es leblos war – mochte eine Katastrophe heraufbeschwören, also hatten sie keine andere Wahl, als langsamer zu werden; insbesondere, wenn sie mit der Shimizu in dem System Katz und Maus spielen mussten. Doch auch das kleinere Raumschiff konnte nicht wieder in den Warp gehen, ohne den Schutz der verschiedenen Monde und Planeten des Systems zu verlassen.
»Vielleicht können wir ihr den Weg abschneiden«, schlug Sulu vor.
»Mir ist alles recht, Hauptsache, es funktioniert«, sagte Kirk. Eine ausgesprochen unberechenbare Situation wie diese, in der sich die Voraussetzungen ständig änderten, war nicht der richtige Zeitpunkt, seiner Besatzung ins Handwerk zu pfuschen. Kirk hatte festgestellt, dass er oft die besten Ergebnisse erzielte, wenn er darauf vertraute, dass seine Leute ihre Aufgaben nach besten Kräften erfüllten. »Handeln Sie nach eigenem Ermessen, Steuermann.«
»Aye, aye, Captain.« Ein breites Grinsen deutete darauf hin, dass Sulu das Vertrauen zu schätzen wusste. »Festhalten.«
Statt die Shimizu auf die andere Seite des Planeten zu verfolgen, dessen Atmosphäre wahrscheinlich aufgrund seiner Entfernung zu der kollabierten Sonne gefroren war, beschleunigte die Enterprise weiter auf ihrem Kurs. So würde sie hoffentlich das Kurierschiff abfangen, wenn es die Deckung der leblosen Welt verließ. Kirk gefiel es nicht, die Shimizu auch nur einen Moment lang aus den Augen zu verlieren, aber wenn sie es schafften, vor das andere Schiff zu gelangen, wäre es das Risiko wert. Er hatte keine Lust, ewig lange mit der Shimizu Fangen zu spielen.
»Halten Sie den Traktorstrahl bereit, Mr. Spock.«
»Bestätigt, Captain«, antwortete er. »In Bereitschaft.«
Wenigstens kann sie nicht vorhaben, auf dem Planeten zu landen, dachte Kirk. Die Shimizu war zwar darauf ausgelegt, auf Planeten zu landen, da sie wie ein Shuttle nicht über einen eigenen Transporter verfügte, aber die trostlose Eiswelt vor ihnen war unbewohnbar und bot keine Zuflucht. Deshalb stellte er sich die Frage, ob es einen Grund dafür gab, dass Una gerade in dieses System geflogen war. Hatte sie es zufällig und spontan ausgewählt oder hatte sie etwas vor?
Da er Una kannte, vermutete er Letzteres.
»Da kommt sie!«, platzte Chekov heraus, als die Shimizu hinter dem Planeten nur wenige Kilometer von der Enterprise entfernt hervorschoss.
»Jetzt, Spock!«, sagte Kirk.
Der Wissenschaftsoffizier schüttelte den Kopf. »Nicht möglich. Ich brauche noch eine Minute, um unsere Polaritäten zu synchronisieren.«
Una schien allerdings nicht vorzuhaben, ihnen diese Minute zu gönnen. Sie nutzte die dreidimensionale Natur des Raumflugs in vollem Umfang aus und ließ die Shimizu scharf in einem Winkel von fünfundvierzig Grad nach unten abfallen, um Abstand von der Enterprise zu gewinnen, bevor sie abrupt nach Backbord ausscherte und Sulu dazu zwang, Richtung und Geschwindigkeit ohne Vorwarnung anpassen zu müssen. Yeoman Bates taumelte und verlor das Gleichgewicht.
Lieutenant Charlene Masters rief Kirk von ihrem Ingenieursposten zu: »Captain, diese Manöver stellen eine ernsthafte Belastung für die Trägheitsdämpfer da, ganz zu schweigen von den Subraumfeldspulen. Unsere Maschinen sind nicht darauf ausgelegt, mit diesem Hochgeschwindigkeitskurier mitzuhalten.«
»Verstanden«, antwortete Kirk und vertraute darauf, dass Scotty im Maschinenraum alles lange genug im Griff behielt, bis sie die Shimizu in der Falle hatten und diese irrsinnige Jagd zum Abschluss bringen konnten. Ungeduldig klopfte er mit dem Fuß aufs Deck. »Sulu?«
»Ich versuche es, Captain, aber es ist, als würde man eines der alten Kampfflugzeuge mit einem Jumbojet jagen«, sagte Sulu und verriet damit seine Leidenschaft für Luftfahrtgeschichte. »Es ist keine Frage, dass wir ihr auf lange Sicht überlegen sind, aber sie macht es uns auf jeden Fall nicht leicht.«
Kirk konnte sich nur wünschen, dass Una nicht allzu tollkühn wurde.
»Sie hat wieder den Kurs geändert«, meldete Chekov. »Sie fliegt zu dem Gasriesen.«
Der Hauptschirm bestätigte die Ankündigung des jungen Russen. Die Shimizu flog wie ein geölter Blitz und zuckte unberechenbar hin und her, bevor sie in den Orbit um die gewaltige Gaskugel, die beide Schiffe geradezu winzig erscheinen ließ, einschwenkte. Braune und gelbe Wolkenwirbel – jeder groß genug, um mehrere Planeten von der Größe der Erde zu verschlucken – waren in der aufgewühlten Atmosphäre des Planeten zu erkennen, während das kleine, schnelle Raumschiff sich zwischen den zahlreichen Monden und Gesteinsringen des Planeten hindurchwand. Die Abstände zwischen den Hindernissen waren gemessen an den meisten Standards immer noch sehr groß, verlangten aber dennoch sorgfältige Navigation.
Kirk kam nicht umhin, Unas außergewöhnliches Flugvermögen zu bewundern, obwohl ihre beharrlichen Bemühungen, der Enterprise auszuweichen, an seinen Nerven zerrten. Sie waren der Shimizu immer noch dicht auf den Fersen und die Enterprise näherte sich immer mehr dem Gasriesen, der fast den ganzen Hauptschirm füllte, bis Spock praktischerweise die Vergrößerung um einige Stufen verringerte.
»Der Traktorstrahl?«, fragte Kirk.
»Die Ausweichtaktiken der Shimizu vereiteln meine Bemühungen«, gestand Spock, »da die unzähligen Satelliten des Planeten immer wieder unsere Traktorstrahlen behindern.« Ein Hauch widerwilliger Bewunderung schwang in seiner Stimme mit. »Ich erinnere mich, dass sie vor einigen Jahren eine ähnliche Strategie anwendete, als unser Shuttle in den Hinterhalt eines orionischen Sklavenschiffs geraten war, während wir ein unerforschtes System im Beta-Quadranten erkundeten. Es gelang ihr, der Gefangennahme lange genug zu entgehen, bis Captain Pike und die Enterprise uns zu Hilfe kamen und die Orioner zum Rückzug zwangen.«
Kirk erinnerte sich dunkel daran, etwas über den Vorfall in Pikes Logbüchern gelesen zu haben. »Nummer Eins« hatte eine Belobigung erhalten, weil sie das Shuttle und seine Passagiere vor den Orionern beschützt hatte. Jetzt, da der Trick gegen ihn verwendet wurde, war Kirk allerdings weniger beeindruckt.
»Aber was will sie dieses Mal mit dieser Hinhaltetaktik erreichen?«, fragte er laut. »Sie muss doch wissen, dass wir in dem Moment wieder in den Warp gehen, wenn sie dieses System verlässt.«
Chekov betrachtete seine Sensormessungen. »Sie glauben doch nicht, dass sie Verstärkung erwartet, oder?«
»Das bezweifle ich«, sagte Kirk. »Sie sagte, dass sie allein arbeitet, und ich bin geneigt, ihr zu glauben. Aber halten Sie die Augen offen, falls andere Schiffe in das System eindringen.« Er wandte sich an Uhura: »Sie auch, Lieutenant.«
»Meine Ohren sind weit offen«, versprach sie. »Glauben Sie mir, Sir, Sie werden es als Erster erfahren, wenn ich höre, dass Fremde sich nähern.«
Bates kam wieder in den Kommandobereich und gesellte sich zu Kirk und McCoy. Klugerweise hielt sie sich mit einer Hand weiter an der Sicherheitsreling fest. »Sollten wir versuchen, sie dazu zu zwingen, das System zu verlassen?«, fragte sie. »Oder würde das die Jagd nur verlängern?«
»Gute Frage, Yeoman«, antwortete Kirk. »Sie kann nicht ewig hinter Monden wegtauchen und ihr geht allmählich die Deckung aus.«
Jenseits des Gasriesen befand sich nichts zwischen diesem und dem Weißen Zwerg, bis auf leeren Weltraum mit schwebenden Gas- und Staubwolken, die zurückgeblieben waren, als der Stern die meisten seiner äußeren Schichten abgeworfen hatte, während er sich zusammenzogen hatte. Die ausgestoßene Materie hatte wohl einen planetarischen Nebel gebildet, der sich über gewaltige Zeiträume hinweg aufgelöst hatte, während alle inneren Planeten schon Millionen Jahre früher bei der letzten Explosion des Sterns vor seinem Untergang eingeäschert worden waren. Una konnte in der Todeszone um den Weißen Zwerg keine weitere Deckung finden. Sie war so tief wie möglich in das System eingedrungen.
»Passen Sie gut auf«, wies Kirk Sulu an. »Lassen Sie nicht zu, dass sie kehrtmacht und zu den äußeren Planeten fliegt, oder wir fangen wieder von vorne an.«
»Verstanden, Captain«, sagte der Steuermann. »Ich habe Besseres zu tun, als den ganzen Tag Verstecken zu spielen.«
Haben wir das nicht alle?, dachte Kirk. Er rutschte unruhig auf seinem Sessel herum und war sicher, dass Captain Una noch ein anderes Ass im Ärmel hatte. Aber was plante sie als Nächstes?
»Ich könnte noch näher an den Planeten heranfliegen«, bot Sulu an.
»Um zwischen dessen Monden und Gravitationsschächten Fangen zu spielen?« Kirk schüttelte den Kopf. »Die Shimizu ist hier uns gegenüber im Vorteil. Wir warten besser ab.«
Wie sich herausstellte, mussten sie nicht lange warten.
»Captain!«, sagte Chekov. »Sie versucht zu fliehen!«
Kirk spürte einen neuen Adrenalinstoß. »Aus dem System?«
»Nein, Sir.« Verwirrung lag in Chekovs Stimme. »Sie fliegt noch tiefer ins System, auf den toten Stern zu.«
Überrascht richtete Kirk sich auf. »Wie bitte?«
Einen entsetzlichen Moment lang fürchtete er, dass Una sich und den Schlüssel vernichten wollte. War das der Abschluss, den sie vorhin angedeutet hatte? Aber nein, ihm wurde klar, dass das keinen Sinn ergab. Wenn Una vorgehabt hätte, mit fliegenden Fahnen unterzugehen und den Schlüssel mitzunehmen, hätte es dafür viel einfachere Wege gegeben, als sich in die zermalmende Schwerkraft eines Weißen Zwergs zu werfen.
»Hat sie ihren Nummer-Eins-Verstand verloren?«, rief McCoy. »Was geht in ihrem Kopf vor?«
»Wenn ich das nur wüsste«, sagte Kirk. »Folgen Sie ihr, Sulu, so dichtauf, wie wir es wagen können.«
»Aye, Captain«, antwortete Sulu. »Setze Verfolgung fort.«
Vielleicht ist das unsere Chance, dachte Kirk. Jetzt, da keine Planeten oder Monde mehr in ihrer Nähe waren, konnten sie womöglich endlich lange genug an sie herankommen, dass Spock sie mit einem Traktorstrahl einfangen und die Shimizu wieder auf das Hangardeck der Enterprise zurückholen konnte.
»Es ist zu spät, Captain«, sagte Chekov hörbar entsetzt. »Sie geht in den Warp!«
»Auf den Stern zu?« Kirk verstand nicht. »Das kann nicht sein …«
Spock kam schneller dahinter als alle anderen. »Fliehkraft«, sagte er und sah von seinen Sensormessungen auf. Sogar seine sonst so unerschütterlich ruhige Stimme klang ob dieser Erkenntnis gedämpft. »Sie will einen Fliehkrafteffekt erzielen.«
Kirk traute seinen Ohren nicht. Das Fliehkraftmanöver war unglaublich riskant. Dabei wurde ein Schiff mit hoher Geschwindigkeit gefährlich nah an einen Stern herangeflogen, um in letzter Sekunde wieder abzudrehen, sodass das starke Schwerkraftfeld des Sterns das Schiff mit unglaublicher Kraft von dem Stern wegbeschleunigte. Es wurde nur selten und nur unter verzweifelten Umständen versucht, denn der Fliehkrafteffekt konnte die Zeitbarriere durchbrechen und ein Schiff entweder in die Vergangenheit oder in die Zukunft schleudern.
»Um durch die Zeit zu reisen?«, fragte Kirk.
»Möglicherweise«, sagte Spock. »Oder sie könnte einfach versuchen, eine Geschwindigkeit zu erreichen, die wir unmöglich halten können, ohne zu denselben extremen Maßnahmen zu greifen.«
Und da glauben die Leute, ich sei waghalsig, dachte Kirk. »Ist das möglich? Kann die Shimizu das schaffen, ausgerechnet mithilfe eines Weißen Zwergs?«
»Theoretisch ja«, erklärte Spock. »Trotz seiner Größe hat der Zwergstern genug Masse, um ein Gravitationsfeld zu erzeugen, das vergleichbar mit einem Hauptreihenstern ist. Ansonsten werden nur noch sekundengenaue Abstimmung, präzise Berechnungen und ein Verstand, der diese durchführen kann, benötigt.«
»Den hat Una«, sagte Kirk, »im Überfluss.«
»Fraglos«, stellte Spock fest, obwohl eine Spur von Sorge durch seine vulkanische Reserviertheit schimmerte. »Es gibt so gut wie keinen Raum für Fehler und Captain Una wird zudem ein gehöriges Maß Glück brauchen.«
McCoy warf ihm einen ungläubigen Blick zu. »Ich dachte, Vulkanier glauben nicht an Glück.«
»Wenn man ein Fliehkraftmanöver versucht, Doktor, ist Glück immer ein Faktor.«
Das wissen wir aus eigener Erfahrung, dachte Kirk. Die Enterprise hatte im letzten Jahr dieses Manöver nur knapp überstanden, als sie versucht hatten, nach einer ungeplanten Reise ins 20. Jahrhundert wieder in die Gegenwart zurückzukehren. Soweit Kirk wusste, war die Enterprise das einzige Schiff der Sternenflotte, das diese Meisterleistung versucht und obendrein unbeschadet überstanden hatte. Das nervenzehrende Kunststück hätte beinahe das Schiff auseinandergerissen.
»Auf den Schirm«, befahl er. »Volle Vergrößerung.«
Auf dem Bildschirm erschien die Shimizu, die sich mit Warpgeschwindigkeit von der Enterprise entfernte. Das glänzende, kompakte Raumschiff hatte seine wilde Flucht durch das Sonnensystem bisher unbeschadet hinter sich gebracht, aber war es stabil genug, das, was vor ihm lag, zu überstehen? Atemlose Stille senkte sich über die Brücke, als Unas Schiff sich in eine enge Umlaufbahn um den massigen Weißen Zwerg stürzte und entgegen der Rotation des toten Sterns flog, um einen umgekehrten Fliehkrafteffekt zu erzielen. Für einen scheinbar endlosen Moment war die Shimizu vor dem kalten, schwachen Schimmern des Weißen Zwergs zu sehen … und dann verschwand sie außer Sicht.
»Sie ist weg!«, rief Chekov aus. »Ich habe sie verloren!«
»Ich ebenfalls«, sagte Spock. »Sie ist sogar von unseren Langstreckensensoren verschwunden.«
»Aber wohin?«, fragte Kirk sorgenvoll. »In die Zukunft? In die Vergangenheit?«
Zeitreisen waren noch neu für die Sternenflotte. Der Enterprise war die erste vor kaum mehr als einem Jahr gelungen und sie hatte sie Monate später nach einer Beinahekatastrophe während einer Begegnung mit einem schwarzen Stern wiederholt. Es wurde bereits davon gesprochen, das Verfahren anzuwenden, um absichtlich in der Zeit zurückzureisen und historische Forschungen anzustellen. Aber das war immer noch unerforschtes Gebiet, auf dem sich niemand bisher auskannte. Die Sternenflotte selbst war gespalten, was das Thema anging. Einige drängten auf extreme Vorsicht, was Zeitreisen anging, und andere forderten genauso lautstark den Vorstoß in die vierte Dimension.
Kirk fragte sich, auf welcher Seite Captain Una in dieser Frage stand.
»Einen Moment, Captain«, sagte Spock, »während ich unsere Aufzeichnungen des gerade Geschehenen analysiere.«
»Das wird doch immer verrückter«, beschwerte sich McCoy. Er beugte sich zu Kirk vor und senkte seine Stimme. »Wirst du mich je darüber aufklären, was zum Teufel in sie gefahren ist?«
Kirk konnte die Verwirrung des Doktors nachempfinden, verlor aber nicht aus den Augen, dass Bates in der Nähe stand, ganz zu schweigen von Sulu und Chekov und der restlichen Brückenbesatzung, die genauso verblüfft sein mussten wie McCoy. Es war unmöglich, Unas Handlungen – oder seine eigenen – in vollem Umfang zu erklären, ohne offen über den Schlüssel zu sprechen.
»Nicht jetzt, Doktor«, sagte er nachdrücklich.
»Na, wann denn dann?«, fing McCoy an und wurde durch einen strengen Blick von Kirk zum Schweigen gebracht. Er verstand die Botschaft und gab vorläufig nach. »Egal. Ich kann warten.«
Dem Himmel sei Dank, wenigstens etwas, dachte Kirk. Ich habe alle Hände voll mit einem abtrünnigen Captain zu tun. Ich brauche nicht auch noch einen neugierigen Doktor, der mir im Nacken sitzt.
Spock meldete sich von der Wissenschaftsstation: »Ich habe meine Berechnungen abgeschlossen. Ausgehend von ihrer aufgezeichneten Geschwindigkeit, ihrer Nähe zu dem Weißen Zwerg, der genauen Masse des Sterns und der Dauer des Manövers schätze ich, dass die Shimizu die Zeitbarriere nicht durchbrochen hat, sondern den Fliehkrafteffekt dazu benutzt hat, das System mit hoher Geschwindigkeit zu verlassen und sich unserem Zugriff zu entziehen.«
»Gerade genug, um uns abzuschütteln«, sagte Kirk, der ihm folgen konnte. »Und um einen gewaltigen Vorsprung vor uns aufzubauen.«
»Und ich gehe davon aus, dass sie das die ganze Zeit geplant hatte.« Spock drehte seinen Sessel zu Kirk. »Dieser Weiße Zwerg wurde bereits vor Generationen von Langstreckeninstrumenten entdeckt und ist in allen relevanten Datenbanken aufgelistet.«
»Also hat sie gewusst, dass er hier ist«, erkannte Kirk. »Auf ihrer Fluchtroute.«
Spock nickte. »Ohne jeden Zweifel.«
Die Enterprise näherte sich weiterhin dem toten Stern, wenn auch mit Impulsgeschwindigkeit. Seine schwache Leuchtkraft warf ein geisterhaftes Licht auf den umliegenden Weltraum. Er war mehr tot als lebendig, hatte aber trotzdem unter Beweis gestellt, dass er einem Flüchtling Hilfestellung leisten konnte.
Sulu warf einen Blick nach hinten zu Kirk. »Sollen wir ihr folgen, Sir?«
Kirk war dazu versucht. Er hasste es, von Una überlistet worden zu sein. Aber das war nichts gegen den Gedanken, dass sie mit dem Schlüssel in Richtung Klingonisches Reich unterwegs war. Er hatte allerdings nicht vergessen, wie knapp die Enterprise der Zerstörung entgangen war, als sie das letzte Mal das Fliehkraftmanöver versucht hatten. Una mochte dieses Risiko für ihr Leben auf sich nehmen, aber Kirk hatte nicht vor, sein Schiff und vierhundert Leben aufs Spiel zu setzen, nur um die Shimizu an der Flucht zu hindern.
»Negativ«, sagte Kirk. »Berechnen Sie einen Kurs zum Korinar-Sektor.«
Una hatte zwar einen Vorsprung, aber diese Jagd war noch nicht vorbei, da er eine ziemlich genaue Vorstellung davon hatte, wo sie letztendlich mit dem Schlüssel hinwollte.
Dorthin, wo alles begonnen hatte, vor achtzehn Jahren …